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Titel: Nebenkriegsschauplätze zum Krieg in Afghanistan

Datum: 8. April 2010 um 12:54 Uhr
Rubrik: Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache, Terrorismus
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Es wird auch für wenig kritische Zeitgenossen immer deutlicher, dass der Afghanistan-Krieg ein absurdes und tödliches Abenteuer ist. Die Opfer unter Zivilisten, die toten Soldaten, spätestens der erkennbare Bruch zwischen dem gerade von deutscher Seite früher einmal kräftig gefeierten und in Bonn installierten Präsidenten Karzai und den USA/Nato machen dies deutlich. Es wird immer mehr sichtbar, dass jene recht hatten, die von vornherein gegen diesen Einsatz waren und den Abzug immer wieder gefordert haben, und dafür als Populisten beschimpft wurden. Jetzt wird auf Seiten der Kriegsbefürworter die Propaganda verschärft. Albrecht Müller

Da sind vielleicht ein paar Hinweise auf die erkennbaren Ausflucht-Linien hilfreich:

  1. Der Krieg wird als Erfolg dargestellt. „Deutschland und die NATO haben das Terrornetzwerk al-Qaida in Afghanistan zerstört. Das ist ein herausragender Erfolg.“ So heißt es in einem Kommentar von Julian Reichelt in Bild vom 7.4.. (Auszüge und Link siehe Anlage 1) . Von diesem Erfolg kann keinesfalls die Rede sein. Al-Quaida ist nicht zerstört. Und dass der Krieg in Afghanistan uns vor dem Terror schützt, ist eine dreiste Behauptung. Das Gegenteil dürfte der Fall sein.
  2. Das zweite Ablenkungsmanöver zielt auf die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr. Das mag so sein und bedroht dann die deutschen Soldaten, was schrecklich ist. Aber das ist nicht das Problem dieses Krieges. Angeblich sind wir doch auch wegen der Afghanen dort.
  3. Ein drittes Ablenkungsmanöver zielt jetzt auf die Beteiligung von Merkel und Köhler an den Trauerfeiern für die gefallenen Soldaten. Ein besonders ekelhafter Kommentar dazu findet sich auch in der Bild-Zeitung. Siehe Auszüge Anlage 2.

Dass der Afganistan-Krieg mit deutscher Beteiligung vor allem dem Gewöhnen an und Einüben von Einsätzen der Bundeswehr und der Nato out of area dienen soll und die humanitären Gründe vorgeschoben wurden, wird natürlich nicht erwähnt.

Anlage 1:

Afghanische Wahrheiten
Kommentar von Julian Reichelt
07.04.2010 – 00:22 UHR

Die schweren Kämpfe von Kunduz zwingen uns, den Wahrheiten des Afghanistan-Krieges ins Auge zu sehen. Wie gut sind unsere Soldaten ausgerüstet?

Erstens. Das Lehmhütten-Dorf, in dem am Karfreitag drei deutsche Soldaten fielen, wird noch in Jahrzehnten genauso arm und elendig aussehen wie vor fünf Tagen. Die Menschen dort wollen keine Fremden. Oft nicht einmal dann, wenn sie kommen, um zu helfen.

Zweitens. Der Tod im Krieg ist nur im Hollywood-Film glorreich und heldenhaft. Ein 25-Jähriger, der in Afghanistan fällt, stirbt unter grauenvollen Schmerzen, so einsam wie ein Mensch nur sterben kann. Weit weg von seiner Familie.

Drittens. Unsere Soldaten sind ihrem Feind hoffnungslos unterlegen. Die Taliban kämpfen in Dörfern, in denen sie aufgewachsen sind. Sie verstecken sich in Wassergräben, in denen sie als Kinder geplanscht haben. Sie kennen jeden Zweig und haben keine Angst zu sterben.
Wahr ist auch: Deutschland und die NATO haben das Terrornetzwerk al-Qaida in Afghanistan zerstört. Das ist ein herausragender Erfolg. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass wir militärisch kaum mehr erreichen werden.

Quelle: BILD

Anlage 2:

Bild Kommentar von Ernst Elitz*
Deutschland trauert

07.04.2010 – 23:49 UHR

An den Särgen der gefallenen Soldaten weinen die Mütter, die Väter, Freunde und Kameraden.
Ihre Verzweiflung ist unsere Verzweiflung.
Ihr Schmerz erschüttert das ganze Land.
Die Kanzlerin, die Bundesregierung, der Bundestag haben entschieden, dass die Bundeswehr in Afghanistan gegen den Terror kämpft – an der Seite der Amerikaner, der Briten, der Franzosen, der Italiener …
Alle haben Opfer gebracht.
US-Präsident Obama hat vor den Särgen salutiert. Frankreichs Sarkozy hat sich vor den Toten verneigt. Berlusconi hat die Angehörigen umarmt und Tränen mit ihnen vergossen.
Stark muss sein, wer trauernde Angehörige in dieser Stunde tröstet.
Wenn nicht die Kanzlerin an der Trauerfeier teilnimmt, warum dann nicht wie in den USA und Frankreich das Staatsoberhaupt? Bundespräsident Horst Köhler steht für das ganze Volk.
Morgen an den Särgen von Nils B., Robert H. und Martin A., ist die Stunde, in der er mit den Müttern und Vätern trauern und den Soldaten der Bundeswehr zeigen kann:
Ich kenne Eure Verzweiflung. Ich bewundere Euren Mut. Ihr kämpft gegen den Terror.
Vor Euch verneigt sich das Land.

Quelle: BILD

*Prof. Ernst Elitz ist Gründungsintendant des Deutschlandradios


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