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Titel: Juan Guaidós Fiasko der Erstürmung des Präsidentenpalasts und sein USAID-Plan für den Regime Change
Datum: 9. April 2019 um 8:45 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Erosion der Demokratie, Länderberichte
Verantwortlich: Redaktion
Für vergangenen Samstag, den 6. April, hatte Venezuelas selbsternannter „Übergangspräsident“ Juan Guaidó – dessen politische Immunität und der Posten des Parlaments-Vorsitzenden in den ersten April-Tagen von der venezolanischen Justiz aufgehoben worden waren – zur „größten und am besten organisierten” Demonstration aller Zeiten gegen die Regierung Nicolás Maduro aufgerufen. „Guaidó versucht, seine Anhänger zu ermutigen und startet eine neue Protest-Etappe gegen Maduro”, betitelte die spanische Tageszeitung El País einen ganzseitigen, Protest-sympathischen Bericht. Von Frederico Füllgraf.
„Sein Ziel ist der Regierungspalast Miraflores. Der Politiker beabsichtigt, das chavistische Regime in die Enge zu treiben und bald vom Regierungssitz zu jagen”, kommentierte Maolis Castro, Korrespondentin in Caracas. Doch wie im Fall Cúcuta ging auch diesmal, beim Auftakt einer sogenannten „Operation Freiheit“, Guaidó die Luft aus und er enttäuschte ein zweites Mal die rechtsextremen Destabilisierungs-Strategen der Donald-Trump-Administration, die kaum einen Tag ohne Androhung neuer Sanktionen oder dem Wiederkäuen einer „militärischen Intervention“ vergehen lassen.
Ursprünglich hatte Guaidó Proteste seiner Anhänger an insgesamt 358 Sammlungsorten im ganzen Land angekündigt, doch am 6. April waren es gerade noch 67 Orte. Zum zweiten Mal spekulierte er auch mit dem erhofften Seitenwechsel der Streitkräfte und wieder wurden er und die USA von der unabwendbaren Erkenntnis bestraft: Ohne weiteres rückt das Militär von Präsident Nicolás Maduro nicht ab. Wie sein brasilianischer Verbündeter, der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro, streute Guaidó Falschnachrichten mit agitatorischem Ziel; so in Bezug auf Kuba, das angeblich die Umtriebe „regierungstreuer bewaffneter Gruppen“ finanziere.
Die Regierung versetzte das Militär in Alarmbereitschaft und, wie üblich, rief die regierende sozialistische Partei (PSUV) zu einer großen Gegendemonstration in Caracas auf, deren Schlusskundgebung am Regierungspalast Miraflores stattfand, jedoch ebenso vom Mangel an Massenzustrom geprägt war. Warum die Massen auf Seiten Guaidós, eventuell auch die Anhänger Nicolás Maduros ihre Teilnahme an Aufmärschen einschränken, machte eine Stichwort-Debatte auf der Mini-Blog-Plattform Twitter deutlich.
Dort schrieb der ehemalige Vizepräsident der venezolanischen Nationalversammlung und seit November 2018 in der chilenischen Botschaft in Caracas untergetauchte Abgeordnete Freddy Guevara: „Heute wurde klar: 1. Die Menschen stehen stramm und werden sich nicht ergeben: es gibt kein Zurück; 2. Auch die Unterstützung und das Vertrauen in Guaidó sind unerschütterbar; 3. Netzwerkkampagnen und gefälschte Umfragen sind nicht mehr als das, was sie sind; 4. Wir haben an Führern und Gesellschaft zugenommen. ´Ich bitte nicht um Geduld, ich bitte um Organisation´ – @jguaido”.
Darauf antwortete ein gewisser Henry Jesus mit der Benennung der Schwachstellen in Guaidós Destabilisierungs-Programm. „Wir müssen ehrlich sein, der Aufmarsch zählte, wenn überhaupt, 20 Prozent der Menschen vom 23. Januar, als Guaidó vereidigt wurde. Ursache: 1. Die Menschen sind wegen der Armut müde bis erschöpft; 2. Es wurde zu einem Protest ohne Angabe der Ziele aufgerufen; 3. Die Menschen tendieren immer mehr dazu, internationale Militärhilfe abzulehnen…“, hieß im Tweet Henry Jesus‘.
In Venezuela kursiert das Gerücht, Guaidó werde von Teilen der rechten Opposition mit Nachdruck dazu aufgefordert, sich auf Artikel 187.11 der Verfassung zu berufen, um eine militärische Intervention von außen zu legitimieren. Der Artikel besagt, „es gehört zum Mandat der Nationalversammlung, venezolanische Militäreinsätze im Ausland beziehungsweise umgekehrt ausländische Militäreinsätze im Inland zu genehmigen” – eine Entschließung, die bisher von der internationalen Gemeinschaft nicht unterstützt und von Elliott Abrams, Trumps Sonderbeauftragten für Venezuela, bisweilen als „verfrüht“ bezeichnet wird.
Die Version, Guaidó werde unter Druck gesetzt, erscheint deshalb als Gerücht, weil der selbsternannte „Übergangspräsident“ die Berufung auf Artikel 187.11 selbst ins Gespräch brachte und immer wieder mit den Worten Donald Trumps – „alle Optionen liegen auf dem Tisch“ – eine militärische Intervention gegen die Regierung Maduro androhte. Dem ultrarechten Deep State der USA, dem Donald Trump seine Wahl verdankt, geht deshalb die Geduld aus.
Einen „Höllenfeuer-Raketenangriff auf Venezuela” forderte der Evangelikalen-Führer Pat Robertson, der vor einigen Jahrzehnten zur Beeinflussung der US-Politik die Fernsehkette TBN, den Christian Broadcasting Network und die Christian Coalition gegründet hatte. Der fromme Christ Robertson versetzte bereits 2005 die liberale Öffentlichkeit der USA in Empörung, als er zum Mordanschlag auf Hugo Chávez aufrief.
Guaidó und die „schnellen Entwicklungs-Expeditionsteams“ von USAID
Zur Neuigkeit in Guaidós „Operation Freiheit” gehört die Bildung von sogenannten „Hilfs-und-Freiheits-Komitees“ zur Verstärkung der Proteste auf Gemeinde-Ebene. Mit ausgefüllten Formularen verpflichten sich die mit vollem Namen und Anschrift genannten Freiwilligen gegenüber den Ortsleitern zur verbindlichen Teilnahme am Widerstand gegen die Regierung Maduro. Nach Angaben Guaidós hätten sich bereits 800.000 Freiwillige in die Komitees eingetragen, deren Hauptaufgabe in „der Kommunikation, der Information” bestehe.
Die „patriotischen Soldaten” und Polizeibeamten, so Guaidó, sind ebenfalls dazu aufgerufen, innerhalb der bolivarischen Streitkräfte und der Polizei Freiheitskomitees zu bilden, um den „bewaffneten Chavista-Kollektiven“ zu widerstehen; ebenso wurden Beamte in der öffentlichen Verwaltung dazu aufgefordert, „nicht mehr mit den Usurpatoren zusammenzuarbeiten”.
Was ist zwischen den Zeilen des Aufrufs von „Operation Freiheit“ zu erkennen? Die Komitees haben verblüffende Ähnlichkeit mit einem strategischen Plan des Global Development Labs der nordamerikanischen „Entwicklungs-Agentur“ USAID. Die 75 Seiten umfassende Studie vom 28.Februar 2018 beschreibt den Aufbau von Netzwerken kleiner, agiler Teams oder Zellen, die auffällige Ähnlichkeit mit Guaidós Plan „Operation Freiheit” aufweisen.
Der eng mit dem CIA und den Special Forces des Pentagon verzahnte Plan zur Militarisierung von USAID wurde erst ein knappes Jahr später mit einer Analyse der Sozialen Entrepreneurship- und Medien-Agentur Devex von Raaj Kuma – Mitglied des World Economic Forums und des US-Council on Foreign Relations – bekannt.
In dem „RED-Plan“ beschäftigte sich die Frontier Design Group des Global Development der „Erforschung und Entwicklung neuer Ansätze zur Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus“. Darin wurden die Bemühungen der US-Regierung untersucht, Entwicklungsfachleute nach „nicht-zulässigen Umgebungen“ zu entsenden (genauer: zu infiltrieren) und die Einrichtung von „Civilian Response Corps“ (Zivile Reaktions-Korps) als Schwerpunkt sogenannter, „schneller Expeditionsteams – oder RED-Teams“ genannt.
RED-Team-Entwicklungsbeauftragte würden als Zwei-Personen-Teams eingesetzt und bei „nicht-traditionellen“ USAID-Partnern untergebracht, die eine Mischung aus Offensiv-, Defensiv- und Stabilitätsoperationen unter extremen Bedingungen durchführen”, heißt es in der Untersuchung. Zu diesen „nicht-traditionellen“ Partnern zählen nach Angaben der USAID-Studie die Spezialeinheiten des US-Marineinfanteriekorps, die Spezialeinheiten der US-Armee, die Drogenbekämpfungs- und Strafverfolgungs-Abteilungen im State Department sowie die Drogenbekämpfungsbehörde DEA.
Auch der US-Amerikanerin Whitney Webb – freie Mitarbeiterin der regionalen Medienplattform MintPress im US-Staat Minnesota – fielen die Affinitäten zwischen Guaidós „Operation Freiheit“ und dem USAID-Plan auf. In einem Nachdruck von 21stcenturywire schrieb sie:
„Angesichts der Tatsache, dass Guaidó von einer Gruppe ausgebildet wurde, die vom National Endowment for Democracy (NED) – einer „Schwesterorganisation“ von USAID – finanziert wurde, und da bekannt ist, dass er seine Marschbefehle aus Washington – einschließlich seiner Selbsternennung zum ´Interimspräsidenten´ und seiner Rückkehr nach Venezuela nach dem Showdown der ´humanitärem Hilfe´ – entgegennimmt, ist es naheliegend, dass dieses USAID-Dokument als Wegweiser für die bevorstehenden und von Guaidó geführten ´taktischen Aktionen´ von ´Operation Freiheit´ dienen wird“.
Der USAID-Bericht gibt präzise Hinweise auf eminent subversive Aktionen für einen Regime Change: „Die Mitglieder der RED-Teams wären katalytische Akteure, die gemeinsam mit lokalen Gemeinden Entwicklungsaktivitäten durchführen und sich dabei mit den inter-Agenturen-Partnern abstimmen.” Des Weiteren heißt es: „Es ist vorgesehen, dass die vorrangigen Kompetenzen der vorgeschlagenen Entwicklungsbeauftragten der RED-Teams die Theorie der sozialen Bewegung (SMT) ins Auge fassen“ und dass „Mitglieder des RED-Teams als leitende Umsetzer agieren, Situationen vor Ort beobachten und sofort reagieren, indem sie beschränkte Aktivitäten entwerfen, finanzieren und umsetzen“, wie etwa die Mobilisierung zu Protesten.
„Guaidós Plan ist dem dezentralen Charakter der RED-Teams und ihrem Fokus auf die Entwicklung von ´sozialen Bewegungen´ und ´Mobilisierungen´ wie aus dem Gesicht geschnitten“, kommentierte Webb. „Operation Freiheit“ soll mit “Freiheits- und Hilfskomitees” beginnen, sodann dezentrale „Freiheitszellen” bilden und Massenmobilisierungen schaffen.
„Das ultimative Ziel von ´Operation Freiheit´ besteht darin, weiter geplante Protestaktionen auf Venezuelas Präsidentenpalast Miraflores zu dirigieren und Nicolás Maduro zum Rücktritt und zur Flucht zu zwingen“, sinnierte Webb und schlussfolgerte, „angesichts der mangelnden Dynamik und Beliebtheit von Guaidó ist es sehr wahrscheinlich, dass die ´katalytischen Akteure´ der US-Regierung eine entscheidende Rolle im anstehenden Plan spielen könnten, Maduro in etwas mehr als einer Woche zu stürzen“. Wenn man sie nur ließe, hätte Webb hinzufügen sollen. Weder würden die Proteste den rigoros abgeschirmten Regierungspalast erreichen noch von den schwerbewaffneten Streitkräften geduldet werden.
Was allerdings „Operation Freiheit“ und die USAID-RED-Teams auf unmissverständliche Weise vereint, ist der Entschluss, die Konfrontation bis zum Bürgerkrieg eskalieren zu lassen. Um mit dem ersten toten Zivilisten die sofortige Anwendung von Artikel 187.11 einzufordern und den Einmarsch ausländischer Truppen zu „legitimieren“.
Titelbild: Ruben Alfonzo/shutterstock.com
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