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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Venezuela – Die Intrige der deutschen Diplomatie mit der extremen Rechten Chiles und ihr Schweigen über den Invasionsplan einer Söldnerarmee
Datum: 16. März 2019 um 11:45 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Erosion der Demokratie, Länderberichte, Rechte Gefahr
Verantwortlich: Redaktion
Eine Woche nach dem Zusammenbruch des landesweiten Stromversorgungssystems kehrt Venezuela langsam zur “Normalität” zurück. Mit dem Ausfall des Mobilfunk- und Festnetztelefons sowie des U-Bahn-Verkehrs in Caracas, der Lahmlegung des Bankensystems, des Fernmelde- und Transportwesens, der Krankenhäuser, Wasserversorgung und der dramatischen Beeinträchtigung der Routine der Bevölkerung stürzte der Zusammenbruch die Bundesstaaten Táchira (Westen), Monagas (Süden), Miranda, Carabobo, Aragua, Vargas und Lara (Norden), Barinas (Nordwesten) und Sucre (Nordosten) sowie die Hauptstadt Caracas in den vollständigen Blackout. Von Frederico Füllgraf.
Über die Ursachen des nahezu kompletten Blackouts, der nach vorläufigen Schätzungen dem ohnehin geschundenen Land einen Zusatzschaden in Höhe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro aufbürdet, gibt es heftige Kontroversen. Sie werden in einem demnächst auf den NachDenkSeiten erscheinenden Interview mit dem venezolanischen Energie-Fachmann und ehemaligem Ingenieur des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA, Dr. Alejandro L. González, umfassend ausgeleuchtet.
Während Winston Cabas, Vorsitzender des venezolanischen Verbandes für elektrische, mechanische und verwandte Energien (Aviem) einen Brand in dem Umspannwerk “Malena” wegen mangelnder Wartung der Übertragungsleitungen sowie die Explosion eines Transformators der Nebenstation Humboldt für den Stromausfall verantwortlich machte, bestanden die der Regierung Nicolás Maduro nahestehenden Medien Telesur und Misión Verdad weiterhin auf der These eines von den USA angeführten Sabotage-Aktes.
Als mutmaßlicher Drahtzieher der angeblichen Sabotage wurde der rechtsradikale Kuba-Amerikaner und US-Senator Marco Rubio beschuldigt. Venezuelas Vizepräsident für Kommunikation, Kultur und Tourismus, Jorge Rodríguez, berief sich mit der Anschuldigung auf Hinweise in Rubios Twitter-Posts, kurz nachdem die „Aggression“ ausgeführt worden sei.
Die Internet-Plattform Misión Verdad bezeichnete den Stromausfall als einen „verdeckten Angriff auf das Gravitationszentrum des venezolanischen Elektrizitätssystems“, der „die wirtschaftliche Krise und die sozialen Unruhen verschärfen, das Narrativ von der ´humanitären Krise´ sowie des ´gescheiterten Staats´ wieder aufwärmen und die verkrüppelte, angebliche Führung Juan Guaidós reaktivieren sollte.“
Im Chor mit den genannten Medien kündigte Präsident Nicolás Maduro seinerseits in einer Ansprache vom 13.März die Einsetzung einer Sonderkommission an, die Einzelheiten eines mutmaßlichen Cyberangriffs gegen das elektrische System Venezuelas untersuchen solle, nachdem Beweise vorlägen, dass der Angriff aus den US-amerikanischen Städten Houston und Chicago gesteuert wurde.
Botschafter Krieners unverschämte Intervention
Die Spatzen zwitschern es von den Dächern, dass die sofortige Politisierung des Blackouts durch die USA einen neuen Versuch signalisiert, nach dem gescheiterten “humanitäre-Hilfe”-Manöver vom 23. Februar in Cúcuta den Regime Change in Venezuela auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Wenngleich mit empfindlichem Dissens unter lateinamerikanischen Staaten – einzelnen Mitgliedern der Lima-Gruppe, Mexikos, Boliviens, der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) – gegen einen bewaffneten Einmarsch in Venezuela, gelang der Regierung Donald Trump, die Mehrheit der EU-Regierungen und der Lima-Gruppe auf den Sturz Nicolás Maduros einzuschwören.
Mit ihrer “Fügsamkeit” gegenüber Washington hat sich die deutsche Bundesregierung allerdings damit auf einen zugleich erbärmlichen wie katastrophalen Kurs eingelassen. Dieser nahm Mitte 2018 in der engen Zusammenarbeit des sozialdemokratischen Außenministers Heiko Maas mit seinem ultrarechten chilenischen Kollegen, Roberto Ampuero, erste Konturen an und gipfelte vor wenigen Tagen in der Ausweisung des deutschen Venezuela-Botschafters Daniel Kriener. Nicht nur erlaubte sich das deutsche AA eine hanebüchene Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas, sondern stieg auf den Fake-News-Zug der USA mit der verbreiteten Lüge, die Maduro-Regierung habe Lkws jenes „humanitäre-Hilfe“-Konvois der USA in Brand gesteckt.
Außerdem verschweigt das AA bis zum heutigen Datum, dass hinter den Kulissen des medialen Cúcuta-Zirkus eine venezolanisch-kolumbianische Söldnerarmee unter dem Kommando des in Kolumbien exilierten venezolanischen Generals Cliver Alcalá die „Sicherung” des Konvois zum bewaffneten Einfall auf venezolanisches Territorium und den Beginn eines Krieges nutzen wollte. Der Plan, der angeblich in letzter Minute von den Streitkräften Kolumbiens abgeblasen wurde, ist zum Pech der „Verschwörungstheorie“-Kritiker bitterer, von der New Yorker Agentur Bloomberg recherchierter Ernst, dessen detaillierte Darstellung einen Sonderbeitrag verdient.
Unter diesen Vorzeichen wurde die von Maas als „unverständlich“ bezeichnete Ausweisung Krieners auf Seiten der venezolanischen Regierung verständlicherweise anders gesehen. Bereits am 19. Februar – vier Tage vor der geplanten Anfahrt des Konvois auf die kolumbianisch-venezolanische Grenze in Cúcuta – hatte Botschafter Kriener vor dem Sitz der venezolanischen Nationalversammlung im Interview mit einheimischen, insbesondere Guaidó-sympathisierenden Medien erklärt, „Nicolás Maduro fehlt nicht nur aus politischen Gründen die notwendige demokratische Legitimität, er leugnet auch die humanitäre Situation, die Venezuela durchmacht, was die Situation selbst verschlechterte.“
Stellen sich doch die Leserinnen und Leser den umgekehrten Fall vor, der venezolanische Botschafter in Berlin gibt ARD und BILD ein Interview, in dem er Bundeskanzlerin Angela Merkel die „notwendige demokratische Legitimität“ abspricht – ein undenkbarer diplomatischer Zwischenfall mit begleitendem Medienskandal.
Doch damit nicht genug.
Die Rückkehr Guaidós oder: die Geheimbündelei der SPD mit chilenischem Rechtsaußen
Am darauffolgenden 5. März hatte Kriener mit Diplomaten aus 13 Ländern – angeführt von Deutschland und Chile, gefolgt von Argentinien, Brasilien, Kanada, Peru, Ecuador, den USA, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Portugal und Rumänien – den selbsternannten venezolanischen „Übergangspräsidenten” Juan Guaidó bei dessen Rückkehr nach Venezuela auf dem Flughafen von Caracas begrüßt. Damit sollte verhindert werden, dass Guaidó, wie von der Regierung angekündigt, bei seiner Rückkehr festgenommen wird.
Wie chilenische Medien berichteten, operierte Chiles Außenminister Roberto Ampuero als Keyperson des Empfangs im Luftfahrtterminal. Während der euphorischen Begrüßung Guaidós, der vom venezolanischen Geheimdienst SEBIN unbelästigt in die Empfangshalle trat, tippte Ampuero in sein Twitter-Profil:
„Volle Unterstützung für die Rückkehr Juan Guaidós. In den vergangenen Tagen haben wir zusammen mit meinem deutschen Kollegen Heiko Maas dahin gewirkt, dass Botschafter und diplomatische Vertreter aus Lateinamerika und Europa ihn am Flughafen empfangen würden. Ein Zeichen unserer Unterstützung für die Demokraten in Venezuela.”
Umgekehrt bedankte sich Guaidó später bei Botschafter Daniel Kriener mit einem Tweet und dem vielsagenden Satz: „Wir wissen doch, wer hier der einzige Unerwünschte ist”. Keinen Funken weiser, twitterte nun AA-Chef Heiko Maas zurück:
„… Unsere Unterstützung für Guaidó ist ungebrochen. Botschafter Kriener leistet in Caracas, gerade in den letzten Tagen, hervorragende Arbeit”.
Die chilenische Internet-Zeitung Libero ging der Beziehung Maas-Ampuero auf den Grund und berichtete, dass der chilenische Außenminister mit seinem Kollegen Heiko Maas einen „sehr fließenden Dialog“ geführt hatte, insbesondere über die Ausarbeitung einer gemeinsamen Position Lateinamerikas, des Vereinigten Königreichs und der Europäischen Union (EU) gegenüber Venezuela.
Die EU hatte auf dem Venezuela-Dialog-Treffen von Ende Januar 2019 in Uruguay eine Kontaktgruppe aufgestellt, um mit der Aufforderung zu „freien Wahlen“ einen „friedlichen” und „demokratischen” Ausgang der Krise auszuhandeln. Doch nicht alle Länder des Blocks waren bereit, Guaidó als „amtierenden Präsidenten“ anzuerkennen. Also hatten Maas und Ampuero daran gearbeitet, die Gemeinsamkeiten der Kontaktgruppe und der Lima-Gruppe als Motor einer neuen Anti-Maduro- und Pro-Guaidó-Offensive zu nutzen.
Allerdings stehen Maas und Ampuero seit Mitte 2018 in enger, stiller Kooperation. Zur Ausfeilung ihrer Anti-Maduro-Strategie saßen sie zum ersten Mal am 18. Juli 2018 zusammen, als der Chilene am II. Treffen der EU-Minister mit Regierungsvertretern der Celac teilnahm und Maas seinen Kollegen festlich mit einer Dokumentensammlung über die deutsche Schule von Valparaíso empfing, an der Ampuero einst seine Lehrjahre begonnen hatte.
Bei diesem Treffen wurde nicht nur über Colonia Dignidad, die Zusammenarbeit in Energiefragen, die Ausbildung und die Verhandlungen zur Modernisierung des strategischen Assoziierungsabkommens von 2004 zwischen Chile und der Europäischen Union gesprochen. Das Thema Venezuela stand im Mittelpunkt. „Die Entwicklung in Venezuela macht uns sehr viel Sorgen. So kann es nicht weitergehen. Man ist beeindruckt, dass Chile viele Flüchtlinge aus Venezuela aufgenommen hat. Chiles Rolle in der Lima-Gruppe, die sich für Frieden und Demokratie in Venezuela einsetzt, ist auch besonders wertvoll “, lobte der deutsche Außenminister.
Wer ist Roberto Ampuero?
„Es scheint eine psychische Krankheit, geradezu eine Besessenheit der Regierung Sebastián Piñeras – insbesondere des Außenministers Roberto Ampueros – zu sein, seine Vorgängerin und gegenwärtige Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet“, anzugreifen, kommentierte die chilenische Internet-Zeitung El Desconcierto mit dem Titel: „Der schlechteste Außenminister in der Geschichte Chiles“.
Die Publikation bezog sich auf ein Tweet Ampueros, in dem er mit dem Satz „Nicht nur die Regierung von Präsident Piñera, sondern die gesamte Region ist nicht zufrieden mit deiner Arbeit“, sich öffentlich über das Schweigen Bachelets über angebliche Menschenrechtsverletzungen in Venezuela beschwerte. Über die brutalen Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien und Brasilien, bei denen seit Ende 2017 mehrere hundert Aktivisten – darunter zahlreiche Indianer, Schwarze und Frauen – erschossen wurden, kein Wort. Auch nicht von Außenminister Heiko Maas.
Doch so wie Donald Trump und Jair Bolsonaro verbringt Ampuero täglich Stunden mit der Absetzung von Tweets und macht sich damit nicht nur lächerlich, sondern riskiert seine moralische Kreditwürdigkeit. Seine nach entsprechendem Skandal nachträglich gelöschten Tweets zeigten, dass der Minister ungeprüfte Fake News weiterleitete, wie zum Beispiel die hanebüchene Unterstellung, Alejandro Guillier, Piñeras Rival bei den Präsidentschaftswahlen von Ende 2017, wurde von Nicolás Maduro heimlich unterstützt.
Die Ironie im Lebenslauf des eitlen Ampuero – Autor eines Dutzend mittelmäßiger, von der chilenischen Literatur-Kritik verschmähter Romane – ist, dass der ehemalige Kommunist neben tausenden chilenischen Pinochet-Gegnern, wie der Sozialistin und künftigen Staatspräsidentin Michelle Bachelet und ihrer Mutter, in den 1970-er und 1980-er Jahren vom Exil in der DDR und Kuba profitierte, beschützende Gastgeberländer, die er als späterer Konvertit zum radikalen Neoliberalismus in seinem Erinnerungs-Roman („Detrás del Muro“ – Hinter der Mauer) mit giftiger Feder in Schutt und Asche legte.
„Für Washington und andere Administrationen in der Region passt Ampuero bestens in Piñeras Außenpolitik, die darauf abzielt, die bolivarianische Regierung in Venezuela zu stürzen, Evo Morales in Bolivien zu konfrontieren, Kuba zu kritisieren und die Beziehungen zu rechten und rechtsextremen Führern wie Mauricio Macri (Argentinien), Jair Bolsonaro (Brasilien) und Iván Duque (Kolumbien) auszubauen“, kommentierte die Wochenzeitung El Siglo und versetzte Ampuero einen empfindlichen Stoß der Abscheu: „In Washington könnte man ruhig feststellen, dass die Außenpolitik in Wirklichkeit von Piñera und einem harten Kern ausgetragen wird, dass aber Ampuero dabei gerade mal die Rolle einer Marionette des La-Moneda-Palasts zufällt; ohne viel Eigenverdienst und Autonomie.“
Mitte 2018 leistete sich Ampuero als Nebenfigur einen schweren moralischen Verriss in der chilenischen Öffentlichkeit, als sein zum Kulturminister ernannter Freund Mauricio Rojas die Exponate im chilenischen Museum für das Gedächtnis an die Menschenrechtsverbrechen – kurz als „Museo de la Memoria“ bekannt – als „Montage“, also als Fälschung, bezeichnete. Rojas überlebte sein Amt keine zehn Tage und trat unter tausendfachem, wütendem Protest der Öffentlichkeit zurück.
Ampuero erwischte es in der Nebenrolle, als die Medien sein mit Rojas geschriebenes Buch „Dialogo de Conversos“ (Dialog der Konvertiten) wieder ausgruben, in dem der amtierende Außenminister tatsächlich geschrieben hat – Zitat:
„Das Museum sollte … die ganze Geschichte erzählen, in der die eine Seite für Hass und Spaltung, und die anderen für Unterdrückung, Folter und Mord verantwortlich waren. Solange dies nicht der Fall ist, wird es für mich weiterhin das Museum der schlechten Erinnerung sein.”
Mit der „einen Seite“ schob der ehemalige, reumütige Kommunist der Regierung Salvador Allende „Hass und Spaltung“ in die Schuhe und stellte die perverse Forderung auf, im Museums-Narrativ sollten die wegen brutalen Menschenrechtsverbrechen verurteilten Militärs ebenfalls ihren Platz als Opfer erhalten.
„Anders als sein Vorgänger Alfredo Moreno, der die Forderungen der Angehörigen der Opfer von Colonia Dignidad unterstützte, hat Ampuero ein absolutes Schweigen, eine Art schuldbewusstes Schweigen an den Tag gelegt“, erklärte Mariela Santana, Anwältin der chilenischen Dignidad-Opferverbände im Gespräch mit den NachDenkSeiten. Im Klartext: Seit Anfang 2018 lässt Ampuero kaltblütig die chilenischen Opfer-Angehörigen bei ihren Forderungen gegenüber der deutschen Bundesregierung im Regen stehen.
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