Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: NATO-Bomben auf Belgrad. Wer vor 20 Jahren wissen wollte, konnte wissen, was gespielt wird.
Datum: 13. März 2019 um 15:43 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gedenktage/Jahrestage, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Am 24. März 1999 begann der Krieg gegen Rest-Jugoslawien, der sogenannte Kosovokrieg. Er hatte große Bedeutung für die Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes. Bis dahin hatten wir die Bundeswehr zur Verteidigung. Seit dem 24. März 1999 haben wir die Bundeswehr vor allem zur militärischen Intervention in anderen Ländern. Das ist ein gravierender Einschnitt. Heute möchte ich den Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten einen subjektiven Eindruck von dem geben, was sich mir zwischen der Bundestagswahl im September 1998 und dem Kriegseintritt bot und warum man damals ohne irgendwelche speziellen Informationen oder gar Geheimdienstinformationen wissen konnte, was gespielt wird. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Der Westen, die NATO und die USA wollten diesen Krieg auch wegen des Nebeneffektes, dass Deutschland sich mit diesem Kriegseinsatz in den Kreis der Krieg führenden Nationen begeben hat. Der Kosovo-Krieg war das Einübungsfeld.
„Der US-Präsident will den Serbenführer Slobodan Milosevic notfalls mit Waffengewalt zum Einlenken im Kosovo zwingen. Er erwartet, daß ihn die neue deutsche Regierung dabei unterstützt.“
„Der EU-Sonderbeauftragte Wolfgang Petritsch über die Friedensverhandlungen und die Autonomiepläne für die Albaner im Kosovo. Petritsch, 51, österreichischer Botschafter in Belgrad, leitet gemeinsam mit dem US-Diplomaten Christopher Hill und dem stellvertretenden russischen Außenminister Boris Majorski die Verhandlungen zwischen Serben und Albanern in Rambouillet.“
Wer im Februar 1999 die Überschrift „Die Serben werden fauchen“ las, konnte an ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer friedlichen Lösung nicht glauben: Wenn ein Diplomat wie Petritsch, der in seiner damaligen Funktion eigentlich vermitteln soll, um ein Verhandlungsergebnis zu erzielen, sich so äußert, dann will er kein Ergebnis erzielen, dann will er die militärische Intervention.
Diese meine Interpretation haben damals nicht alle Zeitgenossen geteilt. Ich erinnere mich noch gut an eine zur gleichen Zeit stattfindende gemeinsame Tagung von Evangelischer Akademie der Pfalz und Evangelischer Akademie Wittenberg. Anwesend waren kundige Beobachter des Geschehens, auch Bonner Journalisten. Einer lobte Petritsch in hohen Tönen und war nicht davon zu überzeugen, dass nicht vermitteln will, wer sich so äußert wie im Spiegel vom 8.2.1999.
Zu dieser Zeit war für mich endgültig klar, dass der Westen nichts Gutes im Schilde führt, dass es um ganz andere Dinge geht: um die Einübung der Bundeswehr in Auslandseinsätze, nicht nur gegen Rest-Jugoslawien, um die Festsetzung des Westens, der USA und der NATO auf dem Balkan und letztlich auch um ein deutliches Zeichen an Russland, die Finger vom Balkan zu lassen.
Ich war in den Tagen vor Beginn des Kosovo-Krieges mit meinem jüngeren Sohn und seinem Studienkollegen in Irland zu Besuch bei meinem ältesten Sohn und dessen Familie.
Auf dem Rückweg am 23. März 1999 hatten wir im Flughafen eine Flasche irischen Whiskys gekauft. Im Zug von Frankfurt-Flughafen nach Karlsruhe holte ich diese Flasche aus meinem Rucksack und sagte in die Runde der anderen Fahrgäste, wer ein Glas dabei habe, sei zum Umtrunk eingeladen. Daraufhin stand ein junger Mann etwa um die 30 auf und holte aus seinem Tornister, den wir bis dahin nicht als solchen erkannt hatten, einen Becher.
Wir fragten erstaunt, woher er denn komme: Er komme gerade aus dem Kosovo, dort sei er, eigentlich Angehöriger der Bundeswehr, im Rahmen der Beobachtungsmission der OSZE im Auftrag des Auswärtigen Amtes eingesetzt gewesen. (Näheres siehe hier). Ihre Aufgabe sei es gewesen, immer dann, wenn es einen bewaffneten Konflikt zwischen serbischer und kosovarischer Bevölkerung gegeben habe, vor Ort zu klären, wer schuld an dem Konflikt gewesen sei.
Wir fragten nach, wie die Schuld für bewaffnete Zwischenfälle verteilt gewesen sei. Seine Antwort: ungefähr gleich. Rückfrage unsererseits: Wieso bekommen wir dann in Deutschland immer gemeldet, die überwiegende Zahl der bewaffneten Konflikte im Kosovo sei von serbischer Seite begonnen worden? – Seine Antwort: Sie, die OSZE-Beobachter, hätten in ihren Berichten korrekt berichtet.
Aber: Mit dem Hinweis darauf, Englisch, die Sprache der OSZE-Berichte, sei nicht ihre Muttersprache, mussten sie ihre Berichte einem Briten oder US-Amerikaner vorlegen. Dort wurden die Berichte dann so verändert, dass mehrheitlich die Serben als Schuldige markiert waren.
Er bedaure es sehr, dass die OSZE-Mission und damit die Arbeit seiner Kollegen beendet wurde. Sie hätten einen wirklich guten Job gemacht und sie seien davon überzeugt gewesen, dass man das friedliche Zusammenleben von Serben und Kosovaren mittelfristig hätte regeln können.
Ihre Arbeit sei absichtlich beendet worden und morgen beginne der Krieg. So war es dann auch.
Der Kosovo-Krieg und die Begleitung durch Politik und Medien des Westens sind ein Musterbeispiel für Manipulationen und gezielte Meinungsmache – Meinungsmache zugunsten einer Politik mit militärischen Mitteln und damit der Abkehr von dem bis dahin geltenden Kurs der Bundesrepublik Deutschland. Seitdem ist Deutschland ein „normales“ Land, so wie es die westlichen Kollegen/Innen meiner Abgeordneten-Kollegen auf ihren Konferenzen schon lange vorher gefordert hatten – übrigens eine Grundmelodie, die auch bei der aktuellen Militarisierung Europas gespielt wird.
P. S.: Anmerken muss ich noch, dass es auch nach Kriegsbeginn noch Beobachter von Gewicht gab, die den Krieg gegen Rest-Jugoslawien nicht als vorbestimmt betrachteten und Verhandlungen des Westens mit Milosevic und Serbien als ernst gemeinte Verhandlungen sahen und sehen. Ein guter Beleg dafür ist ein langer Artikel von Gunter Hofmann in der „Zeit“ Nummer 20/1999 vom 12. Mai 1999.
Titelbild: Northfoto / Shutterstock
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=50118