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Titel: 5G – ein drohendes Technologiedesaster mit Ansage
Datum: 12. März 2019 um 13:37 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Markt und Staat
Verantwortlich: Jens Berger
Heute in einer Woche, also am 19. März, soll eigentlich die Versteigerung der ersten 5G-Mobilfunkfrequenzen beginnen. Mehrere Klagen und Eilanträge der Provider drohen die Veranstaltung jedoch platzen zu lassen. Womöglich wird in Deutschland – ohnehin ein Entwicklungsland beim Netzausbau – der neue Mobilfunkstandard erst mit mehreren Jahren Verspätung in Betrieb gehen. Ein Desaster, das auch den Wirtschaftsstandort ernsthaft zurückwirft. Während sich Mobilfunkunternehmen, Industrie und Politik gegenseitig die Schuld zuschieben, liegt die Lösung des Problems eigentlich auf der Hand. Doch offenbar sind wir bereits derart durch den Neoliberalismus vernebelt, dass niemand diese Lösung auch nur andenkt: Der Betrieb eines effizienten Mobilfunknetzes ist eine klassische Monopolaufgabe, die nur der Staat wahrnehmen kann. Wenn wir weiter an die Effizienz des Marktes glauben, verspielen wir unsere Zukunft. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Wenn es um die Breitband-Anbindung an das Internet geht, ist Deutschland auf dem Stand eines Entwicklungslandes. Nicht nur bei leitungsgebundenen Netzen, sondern auch bei der Datenübertragung via Mobilfunk zählt Deutschland in der EU sowohl bei der Geschwindigkeit als auch bei der Netzabdeckung zu den Schlusslichtern. Sogar Albanien ist im Vergleich zu Deutschland ein High-Tech-Wunderland. Und sei dies noch nicht schlimm genug – für die miserable Qualität müssen die deutschen Kunden auch noch die höchsten Preise zahlen – in dem auch nicht gerade dicht besiedelten Finnland oder in der Schweiz sind beispielsweise echte Mobil-Flatrates (also über 1.000 Gigabyte pro Monat inkl. Sprachanrufe) für weniger als 20 Euro pro Monat üblich. Branchenberichte sprechen davon, dass zwischen dem deutschen Mobilfunkmarkt und anderen EU-Ländern „Universen“ lägen. Hinzu kommt, dass man in rund einem Drittel des Landes sich noch nicht einmal über den schlechten und komplett überteuerten Mobilfunk ärgern kann, weil man dort gar keinen Empfang hat. Schuld daran sind nicht nur die Unternehmen, sondern allen voran der Staat, der die falschen Leitplanken gesetzt hat.
Noch heute zahlen wir Eichels Milliardeneinnahme über unsere Telefonrechnung
Die „Erbsünde“ der deutschen Rückständigkeit in Sachen Mobilfunk war die erste Versteigerung der UMTS-Lizenzen im Jahre 2000. Zwar freute sich der damalige Finanzminister Hans Eichel (SPD) wie Bolle über den Auktionserlös von 50,8 Milliarden Euro. Den unglücklichen Gewinnern der Auktion fehlte nun jedoch das Kapital für den Netzausbau und da die rot-grüne Regierung die Lizenzen kaum an Bedingungen geknüpft hat – dies hätte ja den Preis gesenkt – startete Deutschland bereits mit einem viel zu dünnen digitalen Mobilfunknetz und komplett überschuldeten Netzbetreibern ins neue Jahrtausend. Wie alle Kosten wurde auch Eichels Auktionsgewinn dann über die Jahre von den Mobilnetzbetreibern Stück für Stück an die Endkunden weitergegeben. Auch heute zahlen wir über unsere Handyrechnung also noch Teile dieses Auktionserlöses samt der fälligen Zinsen ab.
Die damalige Grundsatzentscheidung, parallel mehrere Netze von konkurrierenden Privatunternehmen betreiben zu lassen, war eine volkswirtschaftliche Eselei. Was hat es mit Effizienz zu tun, wenn in den Städten drei verschiedene Netzbetreiber parallel zueinander über ihr eigenes Antennennetz samt der dahinterliegenden kabelgebundenen Infrastruktur die notwendige Anbindung gleich dreifach – und damit auch volkswirtschaftlich zu den dreifachen Kosten – anbieten und allen drei Netzbetreibern dann das Geld fehlt, um im ländlichen Raum überhaupt eine flächendeckende Versorgung anzubieten? Das ist nicht effizient, sondern höchst ineffizient. Und dass der durch den „Wettbewerb“ der drei Netzbetreiber versprochene Preisvorteil für den Endkunden ebenfalls nicht eintritt, beweist ein Blick auf den Markt zur Genüge.
Die Kostenstruktur des Mobilfunks zeichnet sich durch einen enorm hohen Fixkostenanteil aus. Der Aufbau der Netze ist nun einmal extrem teuer. Eine ähnliche Kostenstruktur weist sonst nur die Wasserversorgung auf. Nun käme aber niemand auf die Schnapsidee, parallel zueinander drei verschiedene Trinkwasserleitungsnetze zu bauen, um die Anbieter zu einem Wettbewerb untereinander zu animieren. Wenn alle drei Anbieter Netze zum vollen Preis aufbauen und bei zu vernachlässigenden Grenzkosten nur ein Drittel der möglichen Kunden versorgen, werden die Preise nun einmal auch mindestens dreimal so hoch ausfallen. Das ist keine komplexe Frage der Wettbewerbstheorie, sondern simple Algebra. Auch für den Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes wäre es in der Tat für alle Beteiligten – außer den Hardwarezulieferern – sinnvoll, keinen Wettbewerb um das Netz bzw. die Netze, sondern einen Wettbewerb im Netz aufzubauen. Das heißt, ein öffentlicher Netzbetreiber baut sowohl das Mobilfunknetz selbst als auch die dazugehörige Anbindung an das leitungsgebundene Datennetz auf und betreibt dieses Netz technisch, während die klassischen Mobilfunkanbieter ihre Dienste im Wettbewerb miteinander über dieses Netz anbieten.
5G – (k)ein Sonderfall?
Auf dem Papier klingen die technischen Rahmendaten des kommenden Mobilfunkstandards 5G faszinierend – Datenraten bis zu 20 Gbit/s (das ist 200mal so viel wie ein normaler derzeitiger High-Speed-DSL-Anschluss), Latenzzeiten unter einer Millisekunde für Echtzeitanwendungen und nicht zuletzt 90% weniger Stromverbrauch beim Datentransfer. Dumm nur, dass diese theoretischen Kennzahlen in der Praxis in der Fläche so nie erreicht werden können. Es gibt nämlich einen physikalischen Zusammenhang zwischen Frequenz und Datendurchsatz und Frequenz und Reichweite. So hat die 5G-Frequenz mit dem höchsten Datendurchsatz nur eine Reichweite von wenigen hundert Metern. Es wäre also bereits ambitioniert, diese Datentransferraten in den Zentren von Großstädten zu verwirklichen – bereits in den Randbezirken von Großstädten und erst recht in kleineren Städten oder gar dem Land wäre es illusorisch und auch unbezahlbar, alle hundert Meter einen Sendemast aufzubauen; vor allem dann, wenn man bedenkt, dass ein derartiger Datendurchsatz natürlich nur dann etwas bringt, wenn auch der Sendemast via Glasfaser an ein leitungsgebundenes Netz angebunden ist, das derlei Geschwindigkeiten auch für mehrere verbundene Endgeräte bereitstellt. Vergessen wir also lieber gleich wieder die faszinierenden Zahlen aus dem Labor.
Die Bundesregierung behauptet von sich, aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben und die Mobilfunkanbieter durch „Auflagen“ dazu zu zwingen, ein flächendeckendes 5G-Angebot zu gewährleisten. Funklöcher adé? Leider nein, die Auflagen, von denen die Rede ist, sind nämlich technisch nicht sonderlich durchdacht, bestenfalls kontraproduktiv und deshalb auch nicht zu Unrecht Gegenstand der anhängigen Klagen der Mobilfunkunternehmen gegen die Regierung. Für die anstehende Versteigerung geht es konkret um den Frequenzbereich von 3,5 GHz, der zwar keine sagenhaften 20 Gbit/s, aber immerhin 100 Mbit/s ermöglicht – also „normale“ DSL-High-Speed-Geschwindigkeit. Da es aber – wie oben schon angeführt – einen Zusammenhang zwischen Frequenz und Reichweite gibt, haben die zur Versteigerung stehenden Frequenzen nur vergleichsweise geringe Reichweiten.
Die vierte Generation des Mobilfunks (LTE) nutzt derzeit Frequenzen von 800 MHz bis 2,1 GHz, wobei vor allem die 800 MHz abseits der Zentren für eine hohe Netzabdeckung sorgen. Aufgrund der viel geringeren Reichweite (ca. ein Kilometer) kann man die alten LTE-Masten daher auch nicht 1:1 durch neue 5G-Masten ersetzen. Stattdessen müssten laut einer Studie der Beratungsgesellschaft WIK eine Dreiviertelmillion(!) neue 5G-Antennen aufgestellt werden, um eine flächendeckende Versorgung aller drei Mobilfunkanbieter zu gewährleisten. Dies ist in dreifacher Sicht ein Albtraum – es fallen horrende Kosten (die Rede ist hier von 60 Milliarden Euro pro Netzbetreiber), ein horrender Planungsaufwand (die Stellflächen für Antennen müssen schließlich noch gemietet werden) und schließlich auch noch ein horrender logistischer Aufwand an (die Antennen müssen ja auch an ein leitungsgebundenes Glasfaserbreitbandnetz angeschlossen werden). Wenn die Regierung wirklich auf einer flächendeckenden Versorgung im 3,5-GHz-Bereich bestehen sollte, werden die Mobilfunkunternehmen kein Interesse an 5G haben.
Planungsdesaster mit Ankündigung
Und selbst wenn die drei Privatunternehmen sich auf die Quadratur des Kreises einlassen und den Aufwand hinbekommen sollten, bleiben die weißen Flächen immer noch bestehen. Schließlich sehen die Auflagen der Bundesregierung eine Abdeckung von 98% Haushalte und nicht eine Abdeckung von 98% der Fläche vor! Das mag sich oberflächlich spitzfindig anhören, ist es aber nicht. Schließlich soll 5G ja mehr als ein reines „Handynetz“ sein, sondern für unzählige künftige Anwendungen (Industrie 4.0, Telemedizin, autonomes Fahren) eingesetzt werden und wenn ihr autonom fahrendes Auto in ländlichen Regionen plötzlich kein Netz mehr hat, wäre diese Technik in Deutschland nicht umsetzbar. Es geht also nicht darum, ob „5G an jeder Milchkanne nötig ist“, wie es Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) mal flapsig formulierte, sondern darum, ob künftig Technologien, die eine lückenlose räumliche Abdeckung mit 5G voraussetzen, in Deutschland überhaupt nutzbar sind. Nach den jetzigen Vorgaben der Bunderegierung wird dies nicht so sein.
Die Lösung bestünde darin, auf dem Land flächendeckend 5G in einer niedrigeren Geschwindigkeit anzubieten. Dafür stünde das bereits von Telekom, Vodafone und Telefónica über das LTE-Paket ersteigerte 700-MHz-Spektrum zur Verfügung, das Mitte dieses Jahres durch den „Umzug“ von DVB-T1 auf DVB-T2 bundesweit frei wird und ab 2020 von der EU für den Mobilfunk freigegeben ist. Über diese LTE-Frequenz ließe sich flächendeckend ein 5G-Netz betreiben. Jedoch wurde dieser Frequenzbereich bereits 2010 als LTE-Frequenz versteigert. Wenn die Bundesregierung nun für eine Auktion im Jahre 2019 de facto die Nutzung einer 2010 ausgeschriebenen Frequenz entgegen der damaligen Bedingungen voraussetzt, ist dies jedoch regulatorisch genau das Chaos, das vor den Gerichten auf keinen Fall bestehen wird. Hinzu kommt, dass die Regierung lokale und regionale Frequenzen an die Industrie gegen Gebühr vergeben will, die Einzelheiten für das nationale Roaming, also den Netzzugang für Dienstleister und Drittanbieter, sehr schwammig geregelt ist und die Teilnehmer der Auktion der nächsten Woche eigentlich immer noch gar nicht wissen, auf was genau sie da bieten und in welcher Form sich die Rahmenbedingungen noch ändern werden. Man muss kein Freund der mitbietenden Großkonzerne sein, um deren Beschwerden über die nicht vorhandene Planungssicherheit nachvollziehen zu können. So wird das nichts.
Die Zukunft verspielt
Gemessen an der Bedeutung, die dem Thema „Digitalisierung“ politisch und medial immer wieder beigemessen wird, ist das sich androhende Technologiedesaster bei 5G eine einzige Peinlichkeit. Wenn es hart auf hart kommt, werden die Gerichte den Klagen der Mobilfunkanbieter Recht geben und eine komplette Neuordnung des Vergabeverfahrens anordnen. Die für die Versorgung in der Breite geeignete Frequenz von 700 MHz ist bis 2033 (700 MHz) vergeben. Um überhaupt noch eine geordnete Neuvergabe der 5G-Frequenzen vor diesem Datum ins Auge zu fassen, ist wohl eine Rückabwicklung der damaligen Auktion nötig. Den Staat wird dies Milliarden kosten. Bis dies alles spruchreif und gerichtsfest ist, werden aber wohl noch Jahre ins Land ziehen. Jahre, in denen Deutschland ein Breitband-Entwicklungsland bleibt und Jahre, in denen Technologien, die auf moderne Breitband-Anbindung setzen, samt der Jobs der Zukunft woanders entstehen.
Titelbild: Andrey Suslov/shutterstock.com
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