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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: In 30 Jahren die Außen- und Sicherheitspolitik von den Beinen auf den Kopf gestellt
Datum: 8. Februar 2019 um 10:18 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Aufrüstung, Gestaltete PDF, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
Verantwortlich: Albrecht Müller
Wir sind mit Riesenschritten auf dem Weg zurück in den Kalten Krieg und möglicherweise zum nächsten großen Krieg. Jedenfalls ist das Tempo der Veränderung unserer außen- und sicherheitspolitischen Situation in Europa atemberaubend. Die Risiken sind hoch und werden täglich vermehrt. Vor 30 Jahren, 1989, fiel nach mindestens 25 Jahren langer Vorarbeit die Mauer. Die politisch bestimmenden Kräfte und auch die große Mehrheit unseres Volkes waren sich damals darin einig, dass es jetzt in Europa keine Mauer mehr geben soll, keine harte Grenze, keinen kalten Krieg mehr, heißen Krieg sowieso nicht. Stattdessen Zusammenarbeit. Albrecht Müller.
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Gemeinsame Sicherheit statt Abschreckung, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Investitionen hier und dort, im eigenen Land und auch jenseits der früheren Grenze des sogenannten Eisernen Vorhangs. Partnerschaften, Schulpartnerschaften und Städtepartnerschaften nicht nur mit Frankreich und Großbritannien, sondern auch mit Polen, Ungarn und Rumänien, den baltischen Staaten und mit Russland. Russland gehörte selbstverständlich zu Europa, fortschrittliche Parteien, wie damals noch die SPD, sahen ein Ende beider Blöcke, des Warschauer Paktes und der NATO. So im Berliner SPD-Grundsatzprogramm vom 20. Dezember 1989 beschrieben und beschlossen.
Eine der Grundlagen dieser positiven Entwicklung war übrigens die damals gut 25 Jahre alte Erkenntnis, dass man Zusammenarbeit und Frieden nur erreicht, wenn man Vertrauen beim vermeintlichen Gegner aufbaut. Und eben nicht Misstrauen sät.
Das ist verflogen. Heute wird Misstrauen gesät und massiv gegeneinander gerüstet. Die Zusammenarbeit wird aufgekündigt. Das Gegenteil wird zur Norm. Unternommene Investitionen werden entwertet. Die neue Parole heißt “Sanktionen”. Sanktionen sind das Gegenteil von wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit. Schaden statt nutzen! Das ist der neue Geist.
In 15 Punkten fasse ich zusammen, was geschehen ist und weiter geschieht:
Die zuletzt genannte Beobachtung bringt mich zur pessimistischen Einschätzung, dass die Spirale der Aggressionsverstärkung “funktioniert” und mit hoher Wahrscheinlichkeit zur kriegerischen Auseinandersetzung führen kann. Näher habe ich diese Beobachtung in einem Sammelband über die Notwendigkeit der Freundschaft mit Russland beschrieben. Der einschlägige Text, den wir am 2. Oktober 2018 auf den NachDenkSeiten veröffentlicht haben, ist überschrieben mit: Tödlicher Wandel durch Konfrontation – Was uns vermutlich ins Haus steht.
Seit dem 2. Oktober ist der Umgang mit Russland und den Russen nicht freundlicher und friedlicher geworden. Meine düstere Prognose ist deshalb leider noch realistischer geworden.
Wenn man die Entspannungspolitik von Beginn der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts an beobachtet und dann ab 1968 aktiv mitbegleitet hat, dann steht man staunend vor dem Phänomen, mit welcher Dreistigkeit und Rücksichtslosigkeit heute die Konfrontation neu aufgebaut, Vertrauen zerstört und Misstrauen gesät wird. Es geschehen Dinge, die man auf dem Hintergrund der von 1963-1989 geleisteten mühsamen Arbeit einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik nicht mehr einordnen und begreifen kann. Die heute agierenden Personen und die begleitenden Medien gehen rücksichtslos mit den Beziehungen zwischen West und Ost und mit dem Partner Russland um:
Der Deutschlandfunk berichtete am 6.2.2019 davon. Ursula von der Leyen besucht den NATO-Stützpunkt Ämari in Estland, 250 km von Russland entfernt, sie hat “Grund zur Freude”:
Bundeswehr im Baltikum
Russlands Nähe macht Estland nervösVom estnischen NATO-Stützpunkt Ämari sind es nur gut 250 Kilometer nach Russland. Deswegen schützt und überwacht die deutsche Luftwaffe den Luftraum über dem Baltikum. Verteidigungsministerin von der Leyen machte sich jetzt vor Ort ihr eigenes Bild – und hatte ausnahmsweise mal Grund zur Freude…
„Nato-Präsenz im Baltikum
Bis hierher und nicht weiter
Vor fast vier Jahren verleibte sich Russland die ukrainische Krim-Halbinsel ein. Für die osteuropäischen Länder war das ein Alarmsignal. Ist der Hunger des russischen Bären damit gestillt – oder hat er dadurch gerade erst Appetit bekommen? Eine Analyse.
Von Elmar Ries
Die Nato wertete das Säbelrasseln Putins und die militärischen Eskapaden der Roten Armee als Affront und einen Schritt zurück in Richtung Kalter Krieg. Das Bündnis reagierte entsprechend – und erhöhte an der Ostflanke seine Präsenz.
Seit nunmehr einem Jahr zeigen darin eingebettet rund 500 deutsche Soldaten Russland die Zähne. Die Bundeswehr führt den Gefechtsverband in Litauen. In den drei baltischen Staaten hat die Nato jeweils 1000 Soldaten stationiert. Ihr Auftrag: Abschrecken.
Knapp 100 Kilometer von der russischen Grenze entfernt üben sie mit anderen Nationen den Ernstfall. Die Militärmanöver nennen sich „Iron Wolf“ oder „Flaming Thunder“. So bedrohlich die Namen auch klingen. Es geht in den Übungsszenarien nicht darum, den Feind zu besiegen. Die 3000 Soldaten hätten einer russischen Invasion wenig entgegenzusetzen.
Sollen sie auch gar nicht. Die Logik der Abschreckung funktioniert anders. Mit den Truppen sendet die Nato zwei Botschaften an die Adresse Moskaus. „Bis hierher und nicht weiter“, lautet die erste. Die zweite ist unterschwellig. Natürlich weiß auch Putin, dass das westliche Bündnis in der Lage ist, seine Kräfte in Osteuropa rasch zu verstärken – in Größenordnungen, die denen der Roten Armee deutlich überlegen sind. Kein Wunder also, dass der Kreml-Herrscher so angepikst reagiert.“
Hier werden Aggressionen neu aufgebaut. Hier wird am alten Feindbild neu gezimmert. Und es wird überhaupt keine Rücksicht darauf genommen, dass solche Äußerungen und Taten auf der anderen Seite Aggressionen auslösen können und auf jeden Fall jene Meinungen verstärken, die keine Chance sehen, mit dem Westen friedlich auszukommen.
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