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Titel: Venezuela – Die zweite Amtszeit Nicolás Maduros und die „Delegitimierungs”-Maschine
Datum: 14. Januar 2019 um 15:51 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Länderberichte, Wahlen
Verantwortlich: Redaktion
Am vergangenen 10. Januar leistete Nicolás Maduro vor dem regierungsnahen Obersten Gerichtshof einen Amtseid auf seine zweite, sechsjährige Amtszeit als Präsident Venezuelas. Über die Präsidentschaftswahlen, die Maduro im Mai 2018 mit 68 Prozent der Stimmen gewann, herrschen heftige Kontroversen. Ein Artikel von Frederico Füllgraf.
Zum einen wurden sie vom profiliertesten Wahlbündnis der Opposition, “Tisch der Demokratischen Einheit” (MUD), boykottiert, von einzelnen Oppositionskandidaten wie dem besiegten Henry Falcón zunächst als legitim empfunden und mitgetragen, jedoch nachträglich vom zerstrittenen Oppositionsblock, den USA, der Organisation der Amerikanischen Staaten (Spanisch: OEA), der Europäischen Union sowie von der Mehrheit des medialen Mainstreams von „illegitim“ bis „betrügerisch“ verrufen.
Seit Monaten ergänzen sich Präsident Donald Trumps Sicherheitsberater John Bolton und der Außenminister und ehemalige CIA-Direktor Mike Pompeo in der Beschwörung ihrer konservativen Bündnispartner unter den lateinamerikanischen Regierungen – allen voran die sogenannte Lima-Gruppe – zu härteren Sanktionen und der endgültigen Destabilisierung der Regierung Nicolás Maduro.
Offensive der „Parallelmächte“
Noch während Maduro seinen Amtseid leistete, verabschiedete der Ständige Rat der OEA eine Resolution, die die Rechtmäßigkeit der bis 2025 ausgedehnten Amtszeit des gewählten venezolanischen Präsidenten nicht anerkennt und die „Durchführung von Neuwahlen in enger Abstimmung mit internationalen Beobachtern“ fordert. In der zweiten Januarwoche hatten 13 der 14 Mitglieder der Lima-Gruppe außerdem einer Erklärung zugestimmt, in der die Rede von „illegitimen” Wahlen und Nicht-Anerkennung von Maduros neuem Mandat ist. Als einziges Mitglied verweigerte die neue mexikanische Regierung Andrés M. López Obrador ihre Unterschrift unter das Dokument und bot sich als „Brücke des Dialogs“ an.
Zur Radikalisierung des Schlachtrufs gegen die Regierung Nicolás Maduro werden sämtliche Register gezogen. Von der außenpolitischen Isolierung – wie der von Paraguay vollzogene Abbruch diplomatischer Beziehungen – über Instruktionen an die erzkonservative venezolanische Opposition, bis hin zu Treffen der US-Geheimdienste mit abtrünnigen Militärs, über die im vergangenen Jahr zum ersten Mal berichtet wurde.
Pompeo verschärfte die Attacke der innenpolitisch krisengeschüttelten Trump-Administration und rief zur Bildung einer „neuen Regierung“ auf. Dem folgte per Twitter eine Aufforderung des „Legitimen Obersten Gerichtshofs im Exil“ an den Vorsitzenden der von der Opposition seit 2015 mehrheitlich kontrollierten Nationalversammlung, Juan Guaidó, „Artikel 233 der Verfassung keine Folge zu leisten“ und sich umgehend zum neuen Staatschef zu erklären.
Der 36-jährige Guaidó nutzte die Gunst der Stunde und deklarierte sich einen Tag nach Maduros Amtseid tatsächlich zum neuen „Präsidenten Venezuelas“. Als einzige Regierungen auf dem amerikanischen Kontinent überstürzten sich Donald Trump und das brasilianische Bolsonaro-Regime mit der sofortigen Anerkennung Guaidós.
Zwei Tage später wurde Guaidó am Nachmittag des Sonntags, 13. Januar, von Agenten des venezolanischen Geheimdienstes SEBIN verhaftet, jedoch wenige Stunden später wieder auf freien Fuß gesetzt. Präsident Maduro ordnete die Untersuchung mit umgehender Entlassung der involvierten Agenten an, derem Einsatzleiter „übereilige Amtshandlung und Kontakte zur rechtsextremen Szene“ vorgeworfen wurde. Der Staatschef unterstellte, eine gestellte Festnahme habe die „Inszenierung einer Medienshow“ zur Absicht gehabt.
Während das kritische Internet-Portal Maduradas eine weitere hemdsärmelig inszenierte „Komödie“ des Präsidenten belachte, goss umgekehrt Kolumbiens neuer, ultrakonservativer Präsident Iván Duque Benzin ins lodernde Feuer und rief dazu auf, „Venezuela von der Diktatur zu befreien“.
Die Destabilisierungs-Maschine: der „Legitime Oberste Gerichtshof“ im US-Exil
Nicht wenige Journalisten und Experten rätseln seit geraumer Zeit darüber, woher die OEA, ihr rechtsextremer Vorsitzender Luis Almagro und die USA ihre Argumente im Feldzug gegen die Regierung Venezuelas beziehen.
Man mag die Regierung Nicolás Maduro bewerten, wie man will. Man sollte seine dilettantischen wirtschaftspolitischen Versäumnisse, institutionellen Grabenkämpfe und die daraus resultierende soziale Katastrophe mit der Massenauswanderung von rund 3 Millionen Venezolanern – einem Zehntel der Gesamtbevölkerung – nicht kleinreden und verharmlosen. Doch weder hat der venezolanische Regierungschef die Macht „usurpiert“, noch herrscht in Venezuela eine „Diktatur“.
Vielmehr bildete sich im Kontext der erwiesenen Dialogunfähigkeit von Regierung und Opposition eine erzreaktionäre Schattenregierung heraus, wovon der „Oberste Gerichtshof Venezuelas im Exil“ die treibende programmatische Kraft ist. Dessen drakonischen wie lachhaften Urteile der vergangenen zwei Jahre verdeutlichen allerdings, in welchem Ausmaß die explosive Machtaufsplitterung die außenpolitische Offensive befeuert, die weder ernsthaften Dialog noch Demokratie, sondern die Konfrontation zum Ziel hat.
Der „Legitime Oberste Gerichtshof von Venezuela im Exil“ setzt sich aus 33 Richtern zusammen, die im Juli 2017 von der konservativen Nationalversammlung während der institutionellen Krise und den Straßenschlachten als „Ersatz“ für die im Dezember 2015 von der scheidenden Nationalversammlung ernannten „chavistischen“ Richter gewählt wurden. Juristen und die NGO „Access to Justice“ hatten Unregelmäßigkeiten angeprangert, auch Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz kritisierte die Benennung, die ihrer Ansicht nach die „institutionelle Unordnung“ säte.
Nach Konfrontationen mit der Regierung Maduro flohen die Richter allesamt ins Exil, darunter nach Panama, Chile, Kolumbien und in die USA. Ihre verschiedenen Fachkammern arbeiten täglich an eingehenden Klagen, die sie auf ihrer Webseite per E-Mail erhalten. Ihre Entscheidungen treffen sie jede Woche per Konferenzschaltung im Internet.
Im August 2017 trafen sich sieben Hohe Richter in Washington DC mit hochrangigen US-Funktionären, darunter Vizepräsident Mike Pence, der Organisation politisch verfolgter und exilierter Venezolaner (Veppex) in Miami sowie mit OEA-Generalsekretär Luis Almagro und dem rechtsextremen kolumbianischen Ex-Präsidenten Andres Pastrana. Im Oktober 2017 erhielt die Gruppe der exilierten Richter am Sitz der OEA in Washington DC ihr Büro und ernannte Miguel Ángel Martín zum Vorsitzenden. Im gleichen Monat trafen sechs Richter in Santiago de Chile ein, nachdem sie bei der chilenischen Botschaft in Caracas Schutz beantragt hatten.
Zu den hirnrissigen, militanten Urteilen des „Legitimen Obersten Gerichtshofs Venezuelas“, vor und während des Exils seiner Mitglieder, gehören folgende Beschlüsse:
Titelbild: Marcos Salgado/shutterstock.com
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