Heute unter anderem zu folgenden Themen: Die deutsche Lohnsenke; Spitzenbezüge für Banker, Nullrunde für Rentner; wie eine Bankensanierung funktionieren kann (anders, als es Obama macht); Deflation statt Inflation; die späte Einsicht der Genossen; Frauenquote; Westerwelles Werbetruppe; Elena; Offiziere lieben es deutsch; deutsche Hilfe wird in Afghanistan nicht gebraucht; Berlusconis Tollhaus.(KR/WL)
- Armes Deutschland? Löhne hoch!
- Unpassend: Spitzenbezüge für Deutsche Banker
- Passend zu „unpassend“: Nullrunde für Rentner
- Joseph E. Stiglitz: Wie eine Bankensanierung funktionieren kann
- Kernrate sinkt in Euroland auf Allzeittief
- Zum Risiko gezwungen
- Versicherte liebäugeln mit Einheitskrankenkasse
- SPD-Arbeitsmarktpolitik: Die späte Einsicht der Genossen
- Hartz-IV-Korrekturen: Linke stellt Glaubwürdigkeit der SPD infrage
- Knapp 9% aller Arbeitsverträge waren im Jahr 2008 befristet
- Frauenquote in deutschen Unternehmen: Es hilft nur Druck
- Operation Hippokrates
- Westerwelles Werbetruppe
- Verfassungsbeschwerde gegen “Elena”: Datenschützer starten Angriff auf riesigen Sozialdaten-Speicher
- Spitzenlöhne an US-Schule: “Lehrer-Arbeit muss gewürdigt werden”
- Offiziere lieben es deutsch
- Afghanistan: Die deutsche Hilfe wird nicht gebraucht
- Ein Stück aus Berlusconis Tollhaus
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Armes Deutschland? Löhne hoch!
Sind Arbeitslose faul? Manche Ökonomen fordern, die Hartz-IV-Sätze müssten sinken, damit sich die Menschen einen Job suchen. Doch die staatliche Unterstützung ist keineswegs zu hoch: Die Gehälter sind einfach zu niedrig. Deutschland braucht jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn.
Ein Gastkommentar von Gustav A. Horn.
Quelle: SPIEGEL
- Unpassend: Spitzenbezüge für Deutsche Banker
Joseph Ackermann sollte wissen, dass die Krise außerhalb der Deutschen Bank noch lange nicht ausgestanden ist – und Spitzenbezüge wie seine jeglicher gesellschaftlichen Verantwortung Hohn sprechen.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Man muss den guten Man verstehen. In einer Welt, die Leistungsträger dadurch definiert, dass sie besser verdienen als andere, durfte Ackermann nicht mehr hinten anstehen. Die FTD hat das auch gleich entsprechend gewürdigt und getitelt: “Ackermann ist wieder Spitze”. Hinzu kommt: Moody’s stufte die Bonitätsnote der Deutschen Bank um zwei Stufen herab, da musste diese doch demonstrieren, dass die Geschäfte gut laufen. Und wie geht das? Indem ihr Chef einen dicken Bonus erhält. Das Gehalt von insgesamt 9,6 Mio. Euro beinhaltet 8,2 Mio. Euro als Bonus. Die acht Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank erhalten für 2009 knapp 7 Mio. Euro an fixer und 32 Mio. Euro an variabler Vergütung.
Denkbar ist natürlich auch, dass Ackermann & Co. wissen, dass jetzt bittere Jahre kommen. Die Deutsche Bank hat zwar im letzten Jahr nach Steuern 5 Mrd. Euro verdient, allerdings sieht es ziemlich düster aus, wenn sich der Trend des letzten Quartals fortsetzen sollte. Der Gewinn schrumpfte gegenüber dem Vorquartal von 988 Mio. Euro auf 397 Mio. Euro. Wie meinte noch Moody’s: “Wir gehen davon aus, dass es für die Deutsche Bank schwerer werden wird, ihre Ertragsziele zu erreichen, wenn der Wettbewerb im Kapitalmarkt wieder härter wird”. Auch wenn die EU mit ihrer Rettungsaktion die Staatsanleihen Griechenlands, Portugals und Spaniens sicherstellt, die die Deutsche wie auch andere Banken halten, droht noch eine andere Gefahr. Der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), Andreas Schmitz, sieht für die deutsche Kreditwirtschaft ein schwieriges Jahr heraufziehen: “Die deutsche Kreditwirtschaft wird in diesem Jahr Abschreibungen in zweistelliger Milliardenhöhe zu verkraften haben”. Also war das für die Spitzen der Deutschen Bank vielleicht die letzte Möglichkeit noch einmal abzuräumen. Da riskiert man schon eine neue Bonusdebatte.
Passen zu „unpassend“:
- Nullrunde für die Rentner steht fest
In diesem Sommer werden die 20 Millionen Rentner in Deutschland keine höheren Renten erhalten. Dies teilte das Ministerium für Arbeit und Soziales gestern mit. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage müssten die Renten sogar gekürzt werden. Dies verhindert aber eine Schutzklausel, die 2008 von der großen Koalition eingeführt wurde.
Quelle: Rheinische Post
- Wie eine Bankensanierung funktionieren kann
Joseph E. Stiglitz hat die hier dokumentierten Überlegungen über die Rolle der Investmentbanken in der aktuellen Finanzkrise und die Möglichkeiten, die Folgen dieser Krise einzudämmen, schon Mitte März geschrieben. Seitdem haben sowohl die US-Notenbank als auch Finanzminister Geithner weitere exorbitante Finanzmittel bewilligt. Und zwar ohne den Finanzsektor einer schärferen staatlichen Kontrolle zu unterstellen, wie es Stiglitz für unerlässlich hält. Dennoch – oder gerade deshalb – sind die Vorstellungen des keynesianischen Ökonomen, der 2001 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat, von ungebrochener Aktualität. Wie Stiglitz überzeugend begründet, bietet allein eine vorübergehende oder dauerhafte Verstaatlichung einzelner Banken die Gewähr, dass die Lasten der Krise nicht allein der öffentlichen Hand und damit dem Steuerzahler aufgebürdet werden. Und das gilt natürlich nicht nur für die USA.
Quelle: Le Monde Diplomat
- Kernrate sinkt in Euroland auf Allzeittief
Goldliebhaber, Geldmengenfantasten und Talkshow-Fans aufgepasst: Inflation ist und bleibt auf absehbare Zeit in der echten wirtschaftspolitischen Debatte Eurolands ein Fremdwort. Die neuen Daten verraten sogar, dass man sich eher um fallende Preise, also Deflation, sorgen sollte. Denn die Kernrate sank im Februar auf 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist der niedrigste Anstieg, seit es den Euro gibt – also seit elf Jahren!
Quelle 1: FR
Quelle 2: eurostat [PDF – 207 KB]
Anmerkung Orlando: In der Veröffentlichung von eurostat sinkt die offizielle Inflationsrate auf 0,9 Prozent. Heusinger bezieht sich auf die Kernrate der Inflation, in der wegen der Schwankungsanfälligkeit die Preise für Lebensmittel und Energie nicht enthalten sind.
- Zum Risiko gezwungen
Die SPD beschnitt 2001 die gesetzliche Rente zugunsten der privaten Altersvorsorge – und zwang die Rentner von morgen damit in riskante Anlagen, wie eine Studie zeigt.
Quelle: Telepolis
- Versicherte liebäugeln mit Einheitskrankenkasse
Die Hälfte der Deutschen hegt Sympathien für eine Einheitskrankenkasse. Das geht aus einer Umfrage des Leipziger Instituts für Marktforschung hervor, die die «Leipziger Volkszeitung» (Dienstag) veröffentlichte. Zwei Drittel der 1002 Befragten sind demnach dafür, die Zahl der Krankenkassen weiter drastisch zu reduzieren. Jedem Zweiten (51 Prozent) würde es sogar reichen, wenn es für alle – Angestellte, Arbeiter, Beamte, Selbstständige – nur eine einzige Krankenkasse gäbe. Im Osten findet diese Idee mit 67 Prozent mehr Zuspruch als im Westen (47 Prozent). Die derzeit viel diskutierte Kopfpauschale befürworten nur 34 Prozent der Befragten.
Quelle: Krankenkassen-Newsticker
- SPD-Arbeitsmarktpolitik: Die späte Einsicht der Genossen
Unterm Strich muss gesagt werden: Der deutsche Arbeitsmarkt ist unter tatkräftiger Mithilfe der SPD in Schieflage geraten. Leiharbeit ist zum brutal ausgenutzten Instrument der Lohndrückerei verkommen. Scheintarifverträge und befristete Beschäftigung halfen mit, ordentliche Arbeitsplätze zu zerstören. Der “erste” Arbeitsmarkt ist allenthalben beschädigt worden. Es ist traurig, dass man der SPD erst einmal wieder klar machen musste, dass vernünftige Arbeitsmarktpolitik nur das ist, was Arbeitsplätze schafft, von denen man auch leben kann. Die Genossen haben mitgeholfen, Armutslöhne durch staatliche Subventionierung als akzeptabel zu verkaufen. Von seiner Arbeit muss man jedoch leben können. Ohne Stütze. Bis das die sozialdemokratische Partei eingesehen hat dauerte lange genug. Aber: Besser spät als nie.
Quelle: Stern
Dazu auch:
- Hartz-IV-Korrekturen: Linke stellt Glaubwürdigkeit der SPD infrage
Sieben Jahre nach Schröders “Agenda 2010” rückt die SPD-Spitze von Hartz IV ab. Die Linke hält dies aber nur für glaubwürdig, wenn die Verantwortlichen abtreten – etwa Fraktionschef Steinmeier.
Quelle: Stern
- Knapp 9% aller Arbeitsverträge waren im Jahr 2008 befristet
Seit 1991 waren in Deutschland noch niemals mehr Erwerbstätige mit befristetem Vertrag beschäftigt als 2008. Dies teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) auf der Basis von Ergebnissen des Mikrozensus mit. Danach waren im Jahr 2008 2,7 Millionen oder 8,9% der Beschäftigten im Alter von 15 bis unter 65 Jahren (ohne Schüler und Studierende mit Nebenjob sowie Auszubildende) mit zeitlicher Befristung tätig. Im Jahr 1991, für das erstmals Daten für das wiedervereinigte Deutschland vorlagen, betrug die entsprechende Quote 5,7%. Von der großen Mehrheit der Arbeitnehmer wurde die Befristung als Beschäftigungsform jedoch nicht angestrebt: Nur 2,5% der befristet Beschäftigten erklärten, keine Dauerstellung gewünscht zu haben.
Quelle: Deutsches Statistisches Bundesamt
- Frauenquote in deutschen Unternehmen: Es hilft nur Druck
Aufgerieben zwischen Beruf, Familie und Haushalt: Ohne verbindliche Vorgaben wird es in den deutschen Chefetagen keine Gleichberechtigung geben.
Quelle: SZ
- Operation Hippokrates
Wie ernst ist es dem Gesundheitsminister mit seiner jüngsten Attacke auf die Industrie? Seine FDP hat gerade den mächtigsten Pharmakritiker des Landes entsorgt. Erst wurde die Ablösung beschlossen – dann nach Gründen gesucht. Die Chronologie einer Intrige.
Quelle: SPIEGEL
Anmerkung des NDS-Lesers MR: Warum wird derartiges immer erst hinterher gebracht – es wäre vorher genügend Zeit für einen Trommelwirbel gewesen……
Anmerkung Orlando Pascheit: Erfreulich, dass der Spiegel bzw. Markus Grill am Ball bleibt. Da erfährt zurzeit “Verbraucherschützer” Philipp Rösler sogar Unterstützung bei der CDU und wird durch die Medien gereicht, aber von der Hintertreibung eines sinnvollen Verbrauchschutzes durch Schwarz/Gelb im Fall Sawicki ist nicht mehr die Rede. Nachdem die industrienahe Politik beim Abstieg der deutschen Pharmaindustrie in die Zweitklassigkeit (Hoechst) nur den Zuschauer spielte, beschränkt sich schwarz/gelbe Industriepolitik in Deutschland wohl nur noch darauf, der verbleibenden internationalen und nationalen Pharmaindustrie luxuriöse Renditen zu sichern. Als ob diese Renditen den Wohlstand einer Nation ausmachen würden. Überflüssige und überteuerte Produkte werden nur noch rhetorisch hinterfragt bzw. mit untaugliche Mitteln (bewusst?) angegangen.
- Westerwelles Werbetruppe
Unabhängige Informationen über Sicherheitspolitik verspricht eine »Arbeitsgemeinschaft Bildung & Jugend« Lehrern mit ihren Unterrichtsmaterialien. Viele Lehrer greifen zu, doch die ominöse Vereinigung wird nicht nur fachlich einseitig von der Bundeswehr beraten, sie ist zudem personell und strukturell eng mit der FDP verflochten.
Quelle: ND
- Verfassungsbeschwerde gegen “Elena”: Datenschützer starten Angriff auf riesigen Sozialdaten-Speicher
Fehlzeiten, Stundenlohn, Urlaubstage – der Staat speichert Informationen über Deutschlands Arbeitnehmer in einer riesigen Datenbank. Gegen die Zentraldatei mit den Sozialdaten wollen Datenschutzaktivisten jetzt Verfassungsbeschwerde einlegen und starten einen Großangriff.
Quelle: SPIEGEL
- Spitzenlöhne an US-Schule: “Lehrer-Arbeit muss gewürdigt werden”
An einer New Yorker Schule verdienen Lehrer fast so viel wie Manager: bis zu 150.000 Dollar, weit über dem normalen Pädagogenlohn in den USA. Im Interview erklärt Schulgründer Zeke Vanderhoek, was gute Lehrer ausmacht und wie er mit Rekordgehältern das Bildungssystem verbessern will.
Quelle: SPIEGEL
Anmerkung des NDS-Lesers J.A.: Die ganze Zeit schreibt der SPIEGEL wie selbstverständlich über die perverseste Lehre, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, die neoklassische Wirtschafts-“Theorie” (Nutzenmaximierung). Jetzt ist oder tut er überrascht, dass man für die höchsten Löhne die besten Mitarbeiter bekommt, dass Lehrer sein offensichtlich nicht nur Beruf, sondern eine besondere Fähigkeit ist. Warum wird dieselbe – der neoliberalen “Theorie” nahe – Logik nicht in der und für die “Bildungsrepublik” Deutschland angewandt?
- Offiziere lieben es deutsch
Führungsnachwuchs der Bundeswehr tendiert nach rechts. Ein Viertel will Zuwanderung stoppen und steht auf »starke Elite«. Forscher wiegeln ab.
Quelle: Junge Welt
Anmerkung KR: Die Ergebnisse sind nicht überraschend, etwas anderes ist von (zumal deutschen) Offizieren nicht zu erwarten gewesen. Aber der Schluss des Artikels stimmt nachdenklich: „Die »Transformation« der Bundeswehr – ein Begriff, mit dem der Umbau zur Angriffsarmee beschrieben wird – sorgt für erhebliche Irritationen. So beantwortet die Hälfte der Studenten die Frage, ob diese Entwicklung in die richtige Richtung gehe, mit »teils/teils«. Drei Viertel wünschen sich, dass die Militärführung nochmal verdeutlicht, worin eigentlich die Ziele bestehen.“
- Afghanistan: Die deutsche Hilfe wird nicht gebraucht
Die Regierungsberaterin Citha Maaß meint, dass es für die Deutschen in Afghanistan nichts mehr zu tun gibt, weder militärisch noch zivil: “Das fängt schon beim Gouverneur von Kundus, Mohammed Omar, an, einer zwielichtigen Gestalt, die im Ruf steht, vollkommen korrupt zu sein. Mit ihm und seinen Leuten dürfte die Bundeswehr eigentlich gar nicht mehr zusammenarbeiten. Omar ist schon auffällig lange im Amt. Er ist im Netzwerk des paschtunischen, islamistischen Hardliners und Kriegsverbrechers Sajaf, hält aber auch Kontakt zu den Milizen des gesuchten Warlords Gulbuddin Hekmatjar. … Die Deutschen waren schon seit 2004, seit der Gründung des deutschen Provincial Reconstruction Teams, des Stützpunkts in Kundus, auf den Schutz der lokalen Machthaber angewiesen, insbesondere von General Daud …Seit 2006 wagt sich die Bundeswehr nur noch gepanzert aus dem Lager und hat nur noch wenig Kontakt zur Bevölkerung. Gleichzeitig hat die Kabuler Regierung darin versagt, den Leuten Vertrauen einzuflößen. Die Menschen sind jetzt frustriert, die Stimmung hat sich stark verschlechtert. Ich glaube, es ist richtig, wenn die Bundeswehr nächstes Jahr mit dem Abzug beginnt. … ich bin dagegen, dass die zivile Hilfe derart hochgefahren wird. Wir haben längst das Problem, dass die Mittel nicht mehr gesteuert, sondern in die falschen Taschen abfließen und die Korruption eher noch verstärken.“
Quelle: taz
- Ein Stück aus Berlusconis Tollhaus
Wie der umtriebige Regierungschef in Rom versucht, ihm unliebsame Sendungen abzusetzen. Und wie ihm allzu willfährige Journalisten dabei ungeschickt zur Hand gehen
Quelle: taz