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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Tatort zu Drohnen und Ramstein. Das Thema schmeckt einigen Kritikern nicht.
Datum: 11. Dezember 2018 um 10:29 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Medienkritik, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Albrecht Müller
Der Tatort vom 9. Dezember hat eine ziemlich heftige Diskussion ausgelöst. Er hatte Schwächen, die man mit Fug und Recht kritisieren kann. Aber manche Kritiker scheinen den Sack zu schlagen und den Esel zu meinen: Ihnen passt das Thema nicht, ihnen passt nicht, dass in einem Stück mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit (7,69 Millionen Zuschauer, Marktanteil von 21,8 %) auch die Nutzung des Standorts Ramstein für die Drohnen-Morde der USA thematisiert wird. Albrecht Müller.
So kündigt die ARD den Tatort an: ‘Tatort “Vom Himmel hoch”, Kommissarin Lena Odenthal und ihre Kollegin Johanna Stern müssen im neuen Fall nicht nur einen Mord aufklären, sondern auch einen geplanten Anschlag verhindern.‘
Näheres zum Inhalt findet sich auf der oben verlinkten Seite der ARD.
Kritiken in deutschen Medien
Falls Sie sich einige der Kritiken anschauen wollen, dann lesen Sie bitte weiter:
Am Rande interessant fand ich, wie heftig die ehedem linksliberalen und heute verlässlich mit der Schlagseite NATO/Atlantiker versehenen Medien auf den Tatort “Vom Himmel hoch“ reagiert haben.
Hier zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung:
“Tatort” aus Ludwigshafen
Ein zu gewaltiges Thema für einen mittelmäßigen Sonntagabend-Krimi
Hier „Die Zeit“:
“Tatort” Ludwigshafen: Und dann sammelte er Internetnachrichten
Der “Tatort” Ludwigshafen will eine dolle, politisch wuchtige Geschichte erzählen über unmoralische Drohnenkriege. Und wirkt am Ende doch nur wie Micky Maus.
Von Matthias Dell
9. Dezember 2018, 21:46 Uhr
Und hier der “Spiegel”:
“Tatort” über moderne Kriegführung
Zugedrohnt in Ludwigshafen
Weltpolitik in der pfälzischen Provinz: Während Deutschland und die USA neue militärische Allianzen verhandeln, planen Kurden einen Drohnenanschlag. Ein “Tatort”, der sich am großen Thema verhebt. Von Christian Buß
A.M.: Diesen Kommentar finde ich besonders lustig. Er betrifft indirekt die NachDenkSeiten. Der “weltläufige” Kommentator Christian Buß aus der “Weltstadt” Hamburg im “Weltblatt” Spiegel macht sich über die “Pfälzer Provinz” her. Klar, von der hohen Warte der Atlantiker sehen Ludwigshafen am Rhein und Ramstein in der Westpfalz schon ganz schön nach Provinz aus. – Von der Warte der pfälzischen Provinz, jedenfalls vom Gründungs- und Arbeitsort der NachDenkSeiten im (süd-) pfälzischen Pleisweiler sieht das nahezu gleichgeschaltete Hamburger Blatt “Der Spiegel” und sein Ableger “Spiegel Online” allerdings außerordentlich provinziell aus – auch wenn die Texte und Kampagnen systematischer Meinungsbeeinflussung in der “Weltstadt” Hamburg verbrochen werden.
Es ist schon bemerkenswert, wie man in einem so dezentralisierten Land wie der Bundesrepublik Deutschland auf die Idee kommen kann, es gäbe an anderen Orten als in Berlin und Hamburg, und vielleicht noch als in Köln und München, nichts als Provinz.
Weitere Medienreaktionen auf den Tatort vom vergangenen Sonntag – mit Kommentaren:
Zitat aus dem Artikel, immerhin:
„Das regt zum Nachdenken an: Kommissarin Stern fragt Psychiaterin Dr. Dietrich, ob sie es nicht pervers finde, dass sich bei ihrem Kollegen Opfer und Täter [Anm. d. Red.: Drohnenkrieg ist gemeint] die Klinke in die Hand gaben. Diese erklärt, dass beide Seiten traumatisiert seien. Pervers sei nur der Krieg an sich.“
Anmerkung: Auch hier ein Verriss; im Fazit steht, Drehbuchschreiber und Regisseur würden sich an der schweren Thematik “überheben”. Aber auch in diesem Artikel steckt eine erwähnenswerte Passage:
„Die eigentliche Botschaft – Im Drohnenkrieg gibt es keine Gewinner, der Tod aus Tausenden Metern Höhe trifft am Ende jeden: Die Opfer auf dem Boden sowieso, ob schuldig oder nicht. Aber eben auch die Operateure der Drohnen, die Tausende Kilometer weit entfernt mit einem Joystick in der Hand über Leben und Tod entscheiden.“
Anmerkung: Der Kommentar wird der im Film gezeigten Brisanz nicht gerecht. Der Rezensent beschäftigt sich eher damit, ob solche Anschläge hier möglich wären und ob die Attentäter nun sympathisch sind oder nicht. Doch alle Artikel übersehen die eine wichtige Sache: Dieser Drohnenkrieg ist Alltag, er findet statt, und zwar im Erweiterten Nahen Osten, täglich kommen dabei Menschen ums Leben und die Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz dient hierzu zumindest als Relaisstation zur Datenweiterleitung für die USA. Das war unter Obama bereits so und dauert an.
Zitat aus dem Artikel:
„[…] Dann jedoch zündete der eigentlich klug gedachte Film seine zweite Brennstufe. Er verknüpfte das Leid der Opfer mit dem der Täter und schwang sich am Ende immer mehr zum klugen, mit höchster Spannung geladenen Thriller mit philosophischem Unterbau hoch.“
‚”Vom Himmel hoch” funktioniert auch, weil Dialoge und Musik gleichermaßen ausdrucksstark sind. “Es ist überhaupt nicht pervers, wenn sich auch Täter Hilfe holen. Der Krieg – der ist pervers”, heißt es im Krimi. An einer anderen Stelle singt die britische Indie-Pop-Band London Grammar zur Einsamkeit der Soldatin Miller: “Ich mag stark wirken, aber ich lag niemals so falsch.” Und die dienstälteste “Tatort”-Ermittlerin Odenthal gibt in Lederjacke mit Fellkragen den “tough cookie”, wie es im Film heißt: harter Knochen.
Bohn (der Regisseur, d.Verf.) siedelt seine Geschichte auf zwei Ebenen an: in der kühlen Welt der Schreibtischtäter einerseits und der kaputten Welt von Kriegsteilnehmern andererseits. “Wir müssen töten, damit ihr uns endlich zuhört” – mit dieser mörderischen Logik von Terroristen planen die Brüder Rojan ein Attentat auf einen US-Staatssekretär. Spannungsreich geht es Richtung Finale, das blutig endet. Trotz einiger Übertreibungen und manch überflüssigem Pathos ist es ein sehenswerter “Tatort” – auch wegen Drieschners Darstellung der Soldatin Miller: fertig mit der Welt, außen stark, innen zerbrochen.
Der Film streift die Rolle der USA in Rheinland-Pfalz, das vor allem wegen der riesigen Air-Base Ramstein oft als “Flugzeugträger der Amerikaner in Deutschland” bezeichnet wird. Immer wieder sind Vorwürfe zu hören, dass Joystickkrieger auch von der größten US-Luftwaffenbasis außerhalb der USA unbemannte Tötungseinsätze von Drohnen etwa in Afghanistan steuern würden. Die Behörden bestreiten dies. Und auch im “Tatort” heißt es: “Offiziell werden hier nur die Funksignale weitergeleitet.” Für Kritiker nicht nur in der Pfalz ist jedoch schon dieser Datenfluss schwer zu ertragen.
“Ich denke, dass die moderne Kriegsführung ein Thema ist, was wieder näher auf unsere Republik zukommen”, sagt Regisseur Bohn. Lange habe sich Deutschland hinter den Verbündeten verstecken können. “Aber dies scheint ja mit der neuen Außenpolitik der Amerikaner passé zu sein”, meint er mit Blick auf US-Präsident Donald Trump – dessen Vorfahren aus der Pfalz stammen. “Es wird also Zeit, sich wieder mit der Landesverteidigung und den verbundenen Optionen zu beschäftigen.” In diesen Zeiten, sagt Bohn, müsse Fernsehen wieder politischer werden.‘
Weitere Informationen und Links zum Drohnenkrieg – unabhängig vom Tatort vom Sonntag:
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=47778