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Titel: Rezension zu Götz Eisenberg: „Zwischen Anarchismus und Populismus“

Datum: 11. Dezember 2018 um 10:02 Uhr
Rubrik: Ideologiekritik, Rezensionen, Wertedebatte
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Wer sich noch halbwegs einen klaren Verstand bewahrt hat, muss angesichts der Zumutungen und Verrücktheiten der Gegenwart oft schier verzweifeln. Dass sich die Leitmedien in ihrer großen Mehrheit der Manipulation der Leser und Zuschauer verschrieben haben, statt die täglich auf uns einprasselnden Nachrichten zu analysieren und Hintergründe auszuleuchten, vertieft diese Verzweiflung noch. Umso wichtiger sind linke Autoren wie der Gießener Götz Eisenberg, die genau das tun, was eigentlich Aufgabe der Journalisten wäre: Ereignisse einordnen, Zusammenhänge aufdecken, Ursachen benennen. Von Kristian Stemmler.

Seine Texte sind Zeitansage und Kompass zugleich, seine Analysen liefern ein zuverlässiges Koordinatensystem, in das man Phänomene der großen Politik ebenso einordnen kann wie Ereignisse, die einem im Alltag begegnen. Das gilt auch für den dritten Band seiner Reihe zur „Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus“, den Eisenberg vor kurzem unter dem Titel „Zwischen Anarchismus und Populismus“ vorgelegt hat. Der Band umfasst Texte, die seit Mitte 2016 entstanden und in Blogs wie den NachDenkSeiten, Hinter den Schlagzeilen oder Auswege und in der Tageszeitung junge Welt erschienen sind. Die Anordnung im Buch folgt der Chronologie der Entstehung der Beiträge, die alle überarbeitet und ergänzt wurden. Das gebe dem Buch etwas von einer Collage, schreibt Eisenberg.

Auch mit diesem Buch zeigt der Gießener Politikwissenschaftler und Psychologe, der bis zu seiner Pensionierung von 1985 bis 2016 als Gefängnispsychologe in der JVA Butzbach gearbeitet hat, was ihn über das Gros linker Autoren hinaushebt. Es ist die sprachliche Dichte und Brillanz seiner Texte, die Bereitschaft, linke Defizite beim Namen zu nennen, ohne von grundsätzlicher Kritik am Kapitalismus abzuweichen, und die Kunst, im Kleinen das Große zu erkennen. Oft sind eigene Beobachtungen, auf der Straße oder im Supermarkt, für Eisenberg Ausgangspunkt für grundsätzliche Erörterungen. Dann kommt er wieder auf die große Politik zurück, erklärt in wenigen Sätzen schlüssig den Aufstieg von Donald Trump. Auch dieser Wechsel macht seine Analysen so lebendig und lesenswert.

Es ist sicher nicht verfehlt, Götz Eisenberg als einen hellsichtigen Mahner zu bezeichnen. Bereits vor mehr als einem Vierteljahrhundert, im Jahr 1993, hat seine (zusammen mit Reimer Gronemeyer verfasste) Schrift „Jugend und Gewalt“ für Aufsehen gesorgt. In seinem fulminanten Werk „Amok – Kinder der Kälte“ im Jahr 2000 vertiefte er die Thesen des Buches. Eisenberg wählte einen für viele überraschenden Zugang: Er setzte das Phänomen Amoklauf, das damals zunehmend auch in Deutschland zum Problem wurde, in Bezug zu gesellschaftlichen Erosionsprozessen.

Der Amoklauf zeuge von einer „Indifferenz und Kälte, die die Praxis der Deregulierer und Modernisierer zum vorherrschenden gesellschaftlichen Klima gemacht hat“, schrieb er. Der individuelle Amoklauf hänge viel enger mit dem „Amoklauf des globalisierten Kapitals“ zusammen, „als wir wahrhaben wollen“. Der in den Rang einer Ersatzreligion erhobene Neoliberalismus greife alle Traditionen und sozialen Bindungen an, die Menschen verlören ihren Halt, so warnte der Gießener damals. Wie richtig er damit lag, lässt sich täglich im Fernsehen, beim Blick ins Internet oder Einkaufen im Supermarkt erkennen.

Auch in seinem neuen Buch zeigt sich Eisenberg auf der Höhe der Zeit. Er hat seine Analysen fortgeschrieben, warnt vor der so genannten digitalen Revolution. „Wollen wir es zulassen, dass Algorithmen uns versklaven und den menschlichen Geist abtöten?“ fragt er schon im Vorwort und warnt:

„Die sinnliche Dichte der Welt ist im Begriff zu verschwinden.“

Der Alltag veröde zusehends, werde erfahrungsarm und monoton. Die Menschen kommunizierten zwar ununterbrochen, aber sie „kennen sich nicht und haben sich eigentlich nichts zu sagen“.

Wenn das Alltagsleben, so diagnostiziert Eisenberg, das die Funktion habe, uns vor Überraschungen zu schützen, selbst zur Quelle von Ängsten werde, sei das ein untrügliches Anzeichen dafür, „dass eine Gesellschaft in die Krise und das Leben aus dem Lot geraten ist“. Seine Diagnose ist oft schonungslos und klingt manchmal fast resignativ, das täuscht aber. Es gehört vielmehr zu den erstaunlichen Wirkungen auch dieses Eisenberg-Buches, dass seine Analysen aufrütteln und den Leser mit unangenehmen Wahrheiten konfrontieren und ihm zugleich einen Teil seiner Angst nehmen.

Warum das so ist, dafür bietet der Autor selbst eine Erklärung an. Etwa in der Mitte seines Buches schreibt er über die Angst, die er unter Rückgriff auf bedeutende Psychiater als den Urgrund aller psychischen Erkrankungen benennt. „Angst macht, was unbegreiflich ist“, zitiert er Anton Tschechow, sie komme bevorzugt mit dem Dunkelwerden, wenn man nicht sehen kann, was einen bedroht. Im Umkehrschluss nimmt es dem Menschen Angst, wenn er sieht, was auf ihn zukommt. Darum wohl sind Eisenbergs Texte so hilfreich, sie decken auf, bringen Licht ins Dunkel, sind darum ein Antidot gegen die eingangs erwähnte Verzweiflung angesichts des Trommelfeuers schlechter Nachrichten.

Mit seinem theoretischen Ansatz füllt Eisenberg eine große Leerstelle in den aktuellen linken Diskursen aus. Er trennt nicht künstlich zwischen Psychologie und Soziologie, erklärt gesellschaftliche Fehlentwicklungen mit psychischen Deformationen des Einzelnen, führt umgekehrt psychische Defekte auf gesellschaftliche Verwerfungen zurück. Das könnte Eisenberg von zwei Seiten Kritik eintragen. Von linken Dogmatikern den Vorwurf, er psychologisiere zuviel, und von Seiten seiner Zunft, er politisiere unnötig.

Tatsächlich lässt sich wenig einwenden gegen seine eindringlichen Beschreibungen des kapitalistischen Systems und seine Auswirkungen für die menschliche Psyche, zumal Eisenberg eine Vielzahl bedeutender Denker heranzieht von Sartre bis Marcuse. Der Neoliberalismus, stellt er fest, habe „treibhausmäßig eine Atmosphäre der Konkurrenz und zwischenmenschlichen Feindseligkeit“ gezüchtet und die Herausbildung einer „Kultur des Hasses“ (Eric J. Hobsbawm) befördert. Die Fähigkeiten zu Mitleid, gegenseitiger Hilfe und Solidarität verdorrten, weil sie durch gesellschaftliche Verhältnisse keine Stützung erführen. „Unter unseren Augen entsteht ein durch und durch kapitalistischer Menschentyp, der zur Einfühlung in andere unfähig und dessen Innenwelt eine einzige Gletscherlandschaft ist“, heißt es an anderer Stelle.

Eisenberg warnt:

„Wir sind im Begriff, ein Volk von digitalen Fellachen zu werden. Ein Blick auf die vor Apple Stores auf das neue Handymodell wartenden Leute genügt, um zu demonstrieren, dass wir vollends ins Zeitalter der Entfremdung zweiten Grades eingetreten sind.“

Die Leute würden zu „Hanswursten ihrer Geräte, sie erleiden ihre Vernetzung nicht, sondern erleben sie als ureigensten Impuls und intime Leidenschaft“. So müsse man die Menschen nicht mehr zur Preisgabe persönlicher Daten zwingen, sie entblößten sich in den „sozialen Netzwerken“ aus freien Stücken.
Die Demontage des Sozialstaates im Namen des Neoliberalismus steigere den Angst- und Panikpegel rapide, konstatiert Eisenberg. „Die gesellschaftliche Atmosphäre reichert sich mit Spannungen und Aggressionen an und es wächst das Bedürfnis der Menschen nach Sündenböcken, auf die sich ihre Malaise verschieben lässt.“ Als solche Sündenböcke würden dem verängstigten Kleinbürger Flüchtlinge und Migranten hingestellt. Eisenberg:

„Sie verkörpern all das Flüchtige und Fremde, unter dem die Menschen zu leiden haben.“

Der Rechtspopulismus organisiere und funktionalisiere die „über den ökonomischen Prozess freigesetzten Ängste“ und versuche, Kapital zu schlagen aus der Feindseligkeit, die den Fremden und Migranten entgegenschlage. Für den Aufstieg des Rechtspopulismus und Rassismus trügen in erster Linie diejenigen Verantwortung, „die durch ihre Deregulierungspraxis großflächig Angst und Unsicherheit“ erzeugten.

Auch Amoklauf und Terror sind für Eisenberg im neuen Buch erneut ein Schlüsselthema. „Der Amoklauf wird die kriminelle Physiognomie der Gesellschaft des entfesselten Kapitalismus prägen“, prophezeit er. Die in ihm zu Tage tretende Form des „reinen und richtungslosen Hasses“ bilde die Rückseite einer Gesellschaft, „in der die Warenform universell geworden ist und sich die Menschen in totale Selbstverwertungsmonaden verwandelt haben“.

Die von Amok und Terror heimgesuchten Gesellschaften hätten sich darauf geeinigt, die Täter in zwei Kategorien einzuteilen: den religiös motivierten Terroristen und den psychisch gestörten Einzeltäter. Diese Ettikettierung habe den unschätzbaren Vorteil, „dass die herrschenden Zustände nicht mit diesen Taten in Zusammenhang gebracht werden“. Der Terrorist werde zur Inkarnation des Bösen, man militarisiere die innere Sicherheit.

„Wir sollen uns an den Anblick von Maschinenpistolen im Alltag gewöhnen und es hinnehmen, dass unsere bürgerlichen Freiheitsrechte auf dem Altar der inneren Sicherheit geopfert werden.“

„Ein vom Westen selbst geschaffener und aus der Flasche gelassener Geist dient nun dazu, uns alle im Kampf gegen ihn zu einen!“, schreibt der Autor weiter. Im „Schlagschatten des Anti-Terror-Kampfes“ breiteten sich islamophobe Einstellungen wie ein Flächenbrand aus und leiteten Wasser auf die Mühlen der Ausländerfeinde, Rechtspopulisten und Rassisten. Ein Sündenbock und Feind sei sozialpsychologisch eine Notwendigkeit, um eigene Konflikte auf ihn abzuwälzen. Über Jahrzehnte habe „der Feind“ stabil im „Osten“ verortet werden können, das sei mit dem Fall des Eisernen Vorhangs vorbei gewesen. Eisenberg:

„Seit dem 11. September haben wir uns darauf geeinigt, wer die neuen „die“ sind.“

Um diesen Entwicklungen entgegenzutreten, bräuchte es eigentlich eine starke und schlagkräftige linke Bewegung. Doch davon ist die Linke hierzulande noch weit entfernt. Ein Hinweis auf die historischen Hintergründe, die dafür mitverantwortlich sind, geben Eisenbergs Ausführungen über den frühen Bruch zwischen dem Marxismus und Anarchismus.

Der war im Konflikt zwischen Marx und Bakunin bereits angelegt und vollzog sich mit der Entstehung der Zweiten Internationale Ende des 19. Jahrhunderts. Das Schisma habe beiden Seiten geschadet. Aus dem marxistisch-sozialdemokratischen Lager seien „die Spontaneität und der revolutionäre Wille“ ausgewandert. Man habe begonnen, so stellt der Autor fest, die so genannten Lumpenproletarier zu verachten und eine „Respektabilitätsknechtschaft“ zu betreiben, die auf den Versuch hinausgelaufen sei, „das Bürgertum in puncto Anstand auf der Über-Ich-Seite zu überholen. Die Anarchisten wiederum seien der irrigen Vorstellung gefolgt, man könne der Revolution Beine machen durch voluntaristische Akte und die „Propaganda der Tat“.

In der jungen Sowjetunion sei man dann dazu übergegangen, sich der anarchistischen Mitstreiter zu entledigen, „die mehr als einmal für die Bolschewiki die Kohlen aus dem Feuer geholt hatten“. Der Bruch zwischen Anarchisten und Kommunisten habe sich nach dem Zerfall der anti-autoritären Bewegung in der Bundesrepublik wiederholt. Dem von Freud beschriebenen Mechanismus des „Narzissmus der kleinsten Differenz“ folgend, hätten sich erneut die untereinander zerfleischt, die sich eigentlich nahe standen.

Dass sein Herz für die Anarchisten schlägt, daraus macht Eisenberg keinen Hehl. Im spanischen Bürgerkrieg habe die anarchistischen Milizen vor allem eine „enorme Lebensfreude, eine Lust am Fest und an der Liebe“ ausgezeichnet. Die Köpfe der spanischen Arbeiterschaft seien noch nicht vom kapitalistischen Geist kolonialisiert worden, ihre Körper noch nicht zu bloßen Arbeitsinstrumenten geworden. Eisenberg zitiert Michel Foucault mit dem Hinweis, dass „das Leben und die Zeit des Menschen nicht von Natur aus Arbeit sind, sie sind Lust, Unstetigkeit, Fest, Ruhe, Bedürfnisse, Zufälle, Begierden, Gewalttätigkeiten, Räubereien etc.“.

In seiner Schilderung der antiautoritären Bewegung der 68er nimmt der Autor diese Formulierung noch einmal auf. „Lust, Heiterkeit, Spiel, Fest und Spontaneität“ seien damals in die revolutionäre Bewegung zurückgekehrt, die (von Kundera beschriebene) „düster dreinblickenden Priester“ des orthodoxen Marxismus aus ihr vertrieben hatten. Das sei eine der wesentlichen Qualitäten der 68er-Bewegung gewesen, dass es für eine gewisse Zeit gelungen sei, „den Kampf für den Sozialismus mit dem für eine befreite Sinnlichkeit zu verknüpfen“. Nach ihrem Zerfall habe sich das wieder entmischt, in eine „bierernste Parteipolitik“ und eine „zunehmend wahrheitsvergessene und sinnentleerte Spaßkultur“.

Die explosive, augenblickhafte und diskontinuierliche Energie des Lebens müsse das Kapital, so zitiert Eisenberg Focault weiter, „in kontinuierliche und fortlaufend auf dem Markt angebotene Arbeitskraft transformieren“. Diesen Vorgang habe der Psychiater Klaus Dörner als „größtes verhaltensmodifikatorisches Experiment aller Zeiten“ bezeichnet. Schließlich, so wird Marx zitiert, entstehe eine Arbeiterklasse, die „aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt“. Sie benehme sich manierlich, verzichte auf Gewalt, organisiere sich in Parteien und Gewerkschaften, die die Lage der Arbeiter in der bürgerlichen Gesellschaft verbessern wolle, sie als Ganzes nicht mehr in Frage stelle.

Das dies durch Erziehungspraktiken ins Werk gesetzt wird, die Katharina Rutschky unter dem Begriff „schwarze Pädagogik“ zusammengefasst hat, beschreibt Eisenberg weiter hinten, den Begriff Entfremdung aufgreifend. Eine „pädagogische Paranoia, die man bis heute Erziehung nennt“, sorge dafür, dass Kinder nicht ihrem eigenen inneren Reifungs-Rhythmus folgen, sondern sich den Forderungen der Erwachsenen unterwerfen. Von dieser „primären Unterwerfung“ profitierten alle nachfolgenden Autoritäten und gesellschaftlichen Instanzen von den Lehrern bis zu den Fabrikherren und politischen Führern.

An anderer Stelle legt Eisenberg überzeugend dar, wie verheerend sich das Festhalten an linken Dogmen in der Geschichte ausgewirkt hat, zum Beispiel an der Vorstellung von gesetzmäßig aufeinander folgenden geschichtlich-gesellschaftlichen Entwicklungsstufen, ein hegelianisches Erbe im Marxismus. Hegel lehrte, dass die Etappen des Weltgeistes mit logischer Notwendigkeit einander folgen, dass keine übersprungen werden kann. In den Niederungen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung hätte dieses Erbe die Form „einer quasi-religiösen Gewissheit“ angenommen, dass der „eherne Gang der Geschichte“ quasi von selbst eine sozialistische Gesellschaft hervorbringen würde.

Das habe dazu geführt, heißt es im Buch, dass Kampfgeist durch Geduld ersetzt wurde. Diese „Haltung des fatalistischen Abwartens“ habe den Widerstand gegen Hitler gelähmt, so schreibt Eisenberg. Man dachte, es handle sich um das letzte Aufbäumen des Kapitalismus vor seinem endgültigen Zusammenbruch.

„Die bestorganisierte und geschulte Arbeiterklasse Europas kapitulierte 1933 und gab über Nacht ihren Geist auf. Statt zum Totengräber des Kapitalismus wurde sie, wie der Leipziger Historiker Jan Gerber schrieb, zum Totengräber ihrer jüdischen Nachbarn.“

Auch das lässt sich als Warnung verstehen, den Faschisten heute nicht wieder die Bühne zu überlassen.

Eisenberg bleibt aber nicht bei seiner niederschmetternden Diagnose stehen, er schlägt auch Therapien vor. Eine Option könne sein, gegen den „regressiven Sog“ des rechten Populismus dem Räte- und Selbstverwaltungsgedanken neues Leben einzuhauchen, wozu dieser freilich auf die Höhe der Zeit gebracht werden müsste. Es sei jedenfalls alternativlos, das „Regime der ökonomischen Nützlichkeit, das die bürgerliche, und leider auch die sich sozialistisch/kommunistisch nennende Welt beherrscht“, zu beenden. „Wir sollten also fragen“, schreibt Eisenberg, „warum müssen 114 Millionen US-Haushalte 80 Millionen Bohrmaschinen besitzen, die im Schnitt jeweils 13 Minuten benutzt werden? Also weg mit ihnen. Es reicht eine pro Straße. Schluss mit dem Individualverkehr, weg mit diesen idiotischen SUVs, mit denen aus den besseren Stadtteilen ihre hochbegabten Kleinen über vierspurige Stadtautobahnen zur Schule fahren und auf dem Rückweg, nachdem sie den 150-Liter-Tank aufgefüllt haben, nochmal kurz in der zweiten Reihe vorm Bio-Laden anhalten.“

Dass es mit ein paar Reförmchen nicht getan ist, sondern dieses System von Grund auf umgekrempelt werden muss, daran sollte nach der Lektüre dieses Buches eigentlich kein Zweifel mehr bestehen. Nur wenn es gelinge, so konstatiert der Autor, „den auf dem Wettbewerb beruhenden Existenzkampf zu beenden und den ständigen Einsatz der Ellbogen überflüssig zu machen“, werde der „rassistische Furor“ aufhören, die Menschen zu beherrschen. Auch wenn das heute wenig vorstellbar erscheint – in der Geschichte der Menschheit hat es schon viele überraschende Wendungen gegeben.

Zwischen Anarchismus und Populismus – Zur Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus Band 3
Edition Georg-Büchner-Club
Verlag Wolfgang Polkowski
Gießen 2018
ISBN 978-3-9818195-3-3
450 Seiten; 24,90 Euro


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