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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 11. Dezember 2018 um 8:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Frankreich
  2. Migrationspakt
  3. May sucht Unterstützung in Berlin
  4. FDP fordert stark eingeschränktes Streikrecht für Bahngewerkschaft
  5. Das Tor der Tränen
  6. Amazon sucht Paketfahrer – das Auto sollen sie mitbringen
  7. Hedgefonds drängt Bayer zur Aufspaltung
  8. Wer Sanktionen abschafft, schreibt die Menschen ab
  9. Bahn – Die Provinz bleibt auf der Strecke
  10. Wir haben eine Demokratiekrise
  11. Korruption ist das Shopping der Reichen und Mächtigen
  12. Das steht im neuen Polizeigesetz NRW
  13. Lkw-Fahrer: Das Märchen von der EU-Hilfe
  14. Europäische Parlamentarier fordern Freiheit für Julian Assange
  15. Schrumpft die Großhirnrinde bei Kindern mit der Nutzung von Bildschirmmedien?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Frankreich
    1. Eine gespaltene Protestbewegung?
      Frankreichs Präsident Macron ist einen großen Schritt auf die “Gelbwesten” zugegangen. Er kündigte umfassende finanzielle Erleichterungen an und entschuldigte sich. Manchen ist das nicht genug.
      Er hat sein Bestes gegeben. Der sonst so selbstbewusste französische Präsident wirkte in seiner Fernsehansprache ruhig und klar, trotzdem war ihm eine gewisse Anspannung anzusehen. Den Blick klar in die Kamera gerichtet, dem Zuschauer direkt in die Augen blickend, erklärte Emmanuel Macron durchaus selbstkritisch: […]
      Einen Rücktritt der Regierung forderte die konservative Europaabgeordnete Natalie Morano. Und auch Jean-Luc Mélenchon, dem Chef der extrem linken France Insoumise haben die Ankündigungen nicht gereicht. Er forderte die Gelbwesten zu weiteren Protesten am kommenden Samstag auf.
      Ob die Rede des Präsidenten wirklich dazu beitragen wird, die Lage in Frankreich zu entspannen ist noch offen. Deutlich aber ist, dass sie einen ersten Keil in die Protestbewegung getrieben hat. Diese zerfällt in die gesprächsbereiten Gemäßigten und die sturen Radikalen.
      Quelle: Tagesschau.de

      Anmerkung unseres Lesers R.B.: Es ist unklar, ob es ein Bericht, oder ein Kommentar ist. Aber passend zur Masse unserer ÖR sind die Bezeichnung von ‘La France Insoumise’ als extrem links und der Schlußsatz: ‘Diese zerfällt in die gesprächsbereiten Gemäßigten und die sturen Radikalen.’

      Ich habe oft den Eindruck, dass die jüngeren Journalisten (in mir sträubt sich alles dagegen, in diesem Fall Journalisten nicht in Anführungszeichen zu setzen), teilweise noch schlimmer sind, als die alten ‘Alphatiere’ des Journalismus. Scheinbar hat sich die starke soziale Selektion im Bereich Medien hier schon voll ausgewirkt und diesen Leuten, die alle aus akademischen Milieu und (oberer) Mittelschicht kommen, fehlt völlig der Kontakt zu Schichten unterhalb ihrer Ebene und auch die Empathie für deren Situation. (Mindestens) Dreißig Jahre neoliberaler Indoktrination tun ein Übriges.

      Ergänzende Anmerkung Albrecht Müller: Wahrscheinlich ist es richtig beobachtet: Bei jüngeren Journalisten ist unabhängiges Denken noch weniger zu finden als bei den älteren Kolleginnen und Kollegen. Im konkreten Fall hat die Mehrheit vermutlich durchgehend das Problem, dass sie den smarten französischen Präsidenten unkritisch hoch gelobt haben und jetzt zusammen mit Macron vor einem Scherbenhaufen stehen.Das haben sie übrigens mit solchen Persönlichkeiten wie Martin Schulz und Angela Merkel gemeinsam. Die Meinung des französischen Volkes korrespondiert nicht mit den Lobeshymnen deutscher Medien und Politiker.

    2. Ein plebejischer Aufstand
      Die Gelbwesten erinnern Präsident Macron nachdrücklich an die soziale Ungleichheit in Frankreich, sagt Raul Zelik. Nur auf den parlamentarischen Weg zu setzen, findet der Schriftsteller naiv – und begrüßt die neue „Wucht und Vehemenz“ der Straßenproteste.
      Was derzeit auf Frankreichs Straßen passiert, ist für den Schriftsteller und Politologen Raul Zelik ein „plebejischer Aufstand“. Der teils gewalttätige Protest der Gelbwesten gegen die Regierung Macron erinnert Zelik an die Revolution von 1848.
      Die direkte Konfrontation zwischen Gelbwesten-Bewegung und Staatsmacht begrüßte der Schriftsteller. „Dadurch, dass es ein plebejischer Aufstand ist, setzt er Fragen wieder auf die Tagesordnung, die der Elite-Präsident – das ist er tatsächlich, er kommt ja von einer Elite-Uni, Macron ist ein Zögling der oberen Klassen Frankreichs – nicht auf dem Schirm gehabt hat.“
      Zelik sagte, Gesellschaften veränderten sich nur dann, „wenn tatsächlich auch mit einer gewissen Wucht und Vehemenz Forderungen unvermittelt auf die Straße getragen werden“. Nur auf den „parlamentarischen Apparat“ zu setzen sei naiv.
      Zelik hatte vor wenigen Tagen am Kongress des sozialistischen Studierendenverbands der Partei „Die Linke“ teilgenommen – wie auch prominente französische Intellektuelle wie Didier Eribon oder Éduard Louis. Was er dort gesehen und gehört habe, stimme ihn optimistisch, sagte Zelik: Eribon, Louis und andere hätten sich klar positioniert. Und: Es gebe sehr viele kritische junge Leute – es sei eine Generation herangewachsen, „die wieder grundsätzliche Fragen stellt“.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur
    3. Gelbwesten in Frankreich – Rechtsextreme in Deutschland Ist politischer Widerstand inzwischen rechts?
      Die Protestbewegung der „Gilets jaunes“, der gelben Westen, hat aufgebrachte Menschen weit über die französische Hauptstadt Paris hinaus mobilisiert. Mit Demonstrationen und gewaltsamen Aktionen erreichten sie, dass Präsident Emmanuel Macron die angekündigte Erhöhung der Ökosteuer vorerst aussetzt.
      Im Zeichen der gelben Westen treffen sehr unterschiedliche politische Positionen aufeinander, sagt der Sozialphilosoph Robin Celikates. Das Spektrum reiche von Wählerinnen und Wählern der extremen Rechten über migrantische Gruppen, die den Protest für sich reklamieren, bis zu Pendlerinnen und Pendlern ohne ein politisches Programm, die sich über steigende Benzinpreise empören. Auch französische Gewerkschaften und die Bewegung „La France insoumise“ des linken Politikers Jean-Luc Mélenchon schrieben sich den Protest auf die Fahnen.
      Für Celikates, der an der Universität Amsterdam lehrt, hat die Bewegung der Gelbwesten eine neue Qualität: Nicht „die üblichen Verdächtigen“ – Studierende, Migranten und Geflüchtete oder Vertreter der traditionellen Arbeiterklasse – haben sich den Protesten angeschlossen, sondern Angehörige der „unteren Mittelklasse“. Eine Schicht, die sich durch die französische Regierung nicht repräsentiert fühle, fordere durch ihr Auftreten in grellgelben Warnwesten Sichtbarkeit ein.
      Das Symbol des Protests hält Celikates für „extrem schlau gewählt“, denn in Frankreich muss die reflektierende Sicherheitsweste laut Vorschrift bei jeder Autofahrt mitgeführt werden:
      „Sie symbolisiert das, wogegen protestiert wird, nämlich die Benachteiligung von Pendlern, Leuten, die angewiesen sind auf ihr Auto, um ihren beruflichen Alltag zu bewältigen, und sie ist ein politisch zunächst einmal neutrales Symbol, weil es keiner Partei, auch keiner Gewerkschaft zugeordnet werden kann. Deswegen haben sich in dieser Bewegung auch ideologisch extrem heterogene politische Orientierungen versammelt.“
      Celikates, der am renommierten Institute for Advanced Study in Princeton zurzeit über „zivilen Ungehorsam“ forscht, sieht in der Bewegung der gelben Westen eine Chance, Probleme auf den Tisch zu bringen, die von der Politik zu lange ignoriert wurden.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur

      Anmerkung JK: Was sollen diese permanenten Versuche der deutschen „Qualitätsmedien“ die „Gilets jaunes“ in die rechte Ecke zu stellen. Es ist schlicht und ergreifend dämlich, sich darüber zu wundern, dass die Verschlechterung der Lebensumstände durch die Durchsetzung der neoliberalen Agenda eine Vielzahl an Bürgern trifft und zwar unabhängig von ihrer politischen Einstellung. Es wäre eben die Aufgabe der politischen Linken der allgemeinen Wut und Unzufriedenheit eine Stoßrichtung zu geben. Wenn also sich Protest gegen die herrschenden Verhältnisse immer häufiger rechts artikuliert, dann sollte sich die Linke zuerst an die eigene Nase fassen.

    4. David Graeber – The “Yellow Vests” Show How Much the Ground Moves Under Our Feet
      If one feature of any truly revolutionary moment is the complete failure of conventional categories to describe what’s happening around us, then that’s a pretty good sign we’re living in revolutionary times.
      It strikes me that the profound confusion, even incredulity, displayed by the French commentariat—and even more, the world commentariat—in the face of each successive “Acte” of the Gilets Jaunes drama, now rapidly approaching its insurrectionary climax, is a result of a near total inability to take account of the ways that power, labour, and the movements ranged against power, have changed over the last 50 years, and particularly, since 2008. Intellectuals have for the most part done an extremely poor job understanding these changes.
      Let me begin by offering two suggestions as to the source of some of the confusion:
      1. in a financialised economy, only those closest to the means of money-creation (essentially, investors and the professional-managerial classes) are in a position to employ the language of universalism. As a result, any political claims as based in particular needs and interests, tended to be treated as manifestation of identity politics, and in the case of the social base of the GJ, therefore, cannot be imagined it as anything but proto-fascist.
      2. 2011, there has been a worldwide transformation of common sense assumptions about what participating in a mass democratic movement should mean—at least among those most likely to do so. Older “vertical” or vanguardist models of organization have rapidly given way to an ethos of horizontality one where (democratic, egalitarian) practice and ideology are ultimately two aspects of the same thing. Inability to understand this gives the false impression movements like GJ are anti-ideological, even nihilistic.
      Quelle: Brave New Europe
    5. Der Präsident macht Frankreich zum neuen Italien
      Die Reaktion des französischen Präsidenten auf den gelben Mob muss in Berlin die Alarmglocken schrillen lassen: Emmanuel Macron ist nicht Partner bei der Euro- und Europa-Rettung. Sondern ein Risikofaktor. […]
      Ein Reformer im Élysée, der etwas auf sich hält, wüsste, was zu tun ist: dafür zu sorgen, dass der Mindestlohn nur verhalten steigt oder am besten erstmal gar nicht. Das wäre zwar keine hinreichende, aber doch eine notwendige Bedingung dafür, dass die Arbeitslosigkeit sich auf einen ähnlichen Abwärtstrend begibt wie diesseits des Rheins.
      Emmanuel Macron aber streckt die Waffen. Wochenlang haben die „Gelbwesten“ in Frankreich gewütet, am Montagabend antwortete der französische Präsident via Fernsehansprache. Das war die Chance, der Maßlosigkeit entgegenzutreten. Das war die Chance, in die Offensive zu gehen, eine Vision zu entwerfen für ein prosperierendes Frankreich, das seinen Bürgern auf dem Weg zum Ziel auch Opfer abverlangt.
      Macron vertat die Chance nicht nur. Er legitimierte die Ausschreitungen ex post, indem er den „wirtschaftlichen und sozialen Ausnahmezustand ausrief“ – und dem den Kleinwagen anzündenden Mob entgegenkroch.
      Quelle: WELT

      Anmerkung Jens Berger: Den Neoliberalismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Man muss WELT-Autor Olaf Gersemann jedoch dankbar sein, zeigt er in seinem Artikel doch mit offenem Visier die „hässliche Fratze“ deutscher Einflussnahme auf andere europäische Länder in Reinkultur. Das ist wenigstens ehrlich und zeigt, wie bitter der Zustand des deutschen Journalismus mittlerweile ist.

  2. Migrationspakt
    1. Merkels Trotz-Reise
      Die Kritik am Uno-Migrationspakt ist groß, in Belgien zerbrach daran sogar die Regierung. Angela Merkel hingegen reiste bewusst zur Konferenz nach Marokko – ein deutliches Zeichen an die Populisten in Europa.
      Eigentlich wollte Merkel am Rande der Konferenz zumindest noch den marokkanischen König treffen. Aber der wurde seinem Ruf, die Diva der internationalen Diplomatie zu sein, nun auch wieder gerecht. Das Abendessen mit der Kanzlerin am Sonntag jedenfalls wurde kurzfristig abgesagt, und Merkel musste Premierminister Saadeddine Othmani Vorlieb nehmen, ein Mann mit eher eingeschränkter Prokura.
      Merkels Besuch war deshalb eher eine symbolische Geste: Sie wollte zeigen, dass sie nicht zurückweichen wird vor den Populisten und rechten Trollen im Internet, die in den vergangenen Monaten Stimmung gemacht hatten. “Diese Ängste werden jetzt benutzt von den Gegnern dieses Paktes, um Falschmeldungen in Umlauf zu bringen. Aber im Kern geht es bei der Auseinandersetzung um diesen Pakt und seine Wichtigkeit um das Prinzip der multilateralen Zusammenarbeit”, warnte die Kanzlerin.
      Ihr Auftritt war aber auch ein Fingerzeig an all jene in Europa, die in den vergangenen Monaten kalte Füße bekommen hatten. Vor allem der Ärger über den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz war groß, dessen Regierung den Migrationspakt erst für die EU verhandelt hatte und die nun, wohl auch auf Druck der rechtspopulistischen FPÖ, ausgestiegen ist. Und auch Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei werden sich dem Pakt nicht anschließen, in Belgien zerbrach die Regierung am Streit über den Migrationspakt. Premierminister Charles Michel flog dennoch zu dem Gipfel, nun als Chef einer Minderheitsregierung.
      Quelle: SPON

      Anmerkung JK: Meinungsmache und Merkel-Apologetik, dass einem die Haare zu Berge stehen. Amüsant die immer neuen Begründungen für den UN-Migrationspakt. Nun soll die Unterzeichnung also „ein deutliches Zeichen an die Populisten in Europa“ von Merkel sein. Aberwitziger geht es kaum. Wenn jemand das Erstarken der „Populisten“ in Europa maßgeblich zu verantworten hat, dann ist es Merkel. Mit dem anfänglichen Versuch, den UN-Migrationspakt still und leise ohne öffentliche Debatte einfach abzunicken hat Merkel der AfD eine weitere Steilvorlage geliefert. In anderen europäischen Ländern lassen sich die politischen Erfolge der „Populisten“ ebenfalls mit Merkels Politik in direkte Relation setzten. Sei es in Italien durch das deutsche Austeritätsdiktat, sei es in Ungarn und anderen Staaten des ehemalignen Ostblockes, die äußerst allergisch auf Merkels Ansinnen reagierten, nach der Grenzöffnung jetzt doch bitte schön auch Flüchtlinge aufzunehmen.

      Interessant auch wie stur der Spiegel, wie auch alle anderen „Qualitätsmedien“, die offizielle Sprachregelung verbreitet. Wobei keine der Thesen stichhaltig ist. Beispiel: „Die Bundesregierung hofft hingegen darauf, dass Herkunfts- und Transitländer politisch mehr eingebunden und bewogen werden, einen größeren Beitrag bei der Reduzierung der illegalen Migration und bei der Bekämpfung von Fluchtursachen zu leisten.“

      Wenn das bisher nicht geschehen ist, weshalb sollten die betroffenen Ländern dies nun gerade auf Basis einer, wie doch immer betont wird, völlig unverbindlichen Vereinbarung tun? Hier kommt man dann doch des Pudels Kern schon näher: „Allgemein soll die Arbeitskräftemobilität erleichtert werden – etwa durch Erleichterungen bei der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen …“. Darum geht es im Wesentlichen, die weltweite Verfügbarkeit und Austauschbarkeit von Arbeitskraft zu erleichtern.

    2. Schlechtes Timing, falsche Tonart
      Rechtspopulisten sind gegen den Migrationspakt, Linksliberale dafür – diese Gleichung mag in Deutschland aufgehen. In den Niederlanden nicht, wie das Beispiel von René Cuperus zeigt: Sozialdemokrat und Berater des niederländischen Außenministeriums.
      Historisch gesehen war und ist Migration tatsächlich oft wirtschaftlich sinnvoll für beide Seiten und Flucht humanitär unvermeidlich. Wer jedoch negiert oder leugnet, dass Migrationsprozesse mit großen Problemen und Risiken behaftet sind, ist nicht nur einem Wunschdenken verhaftet und ideologisch verblendet, sondern diskreditiert auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Historikern, Soziologen und Anthropologen. Sie zeigen nämlich, dass Migration ein tiefgreifendes, sowohl das Einwanderungsland als auch das Herkunftsland oft destabilisierendes und mit Spannungen und Konflikten einhergehendes, gesellschaftliches Phänomen ist. Anstatt dies zu reflektieren und darauf zu fokussieren, Migration überflüssig zu machen, idealisiert der Pakt sie generell.
      Wer für vollkommen offene Grenzen plädiert, bringt die europäischen Mittelschichtsgesellschaften in Gefahr. Maximalistische Migrationsbefürworter sind mitverantwortlich für gesellschaftliche Destabilisierung und Globalisierungsangst, gerade weil sie das Migrationsproblem nicht mit Verantwortungsethik betrachten.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur
    3. Ein ermutigendes Zeichen gegen die Angstmacher
      Eine große Mehrheit der UN-Staaten hat den Migrationspakt angenommen. Das ist gut für die Arbeitsmigranten weltweit. Doch die Bedeutung des Pakts geht darüber hinaus.
      Selten ist über einen nicht verbindlichen Pakt der Vereinten Nationen so viel gestritten worden wie über den UN-Migrationspakt. Nun haben 164 der 193 UN-Mitgliedsstaaten den Pakt in Marrakesch angenommen.Diejenigen, die wie die USA von Anfang an nicht dabei sein wollten oder wie Österreich, Ungarn, Tschechien, Bulgarien und einige andere den Pakt im Nachhinein ablehnten, sind trotz aller Dämonisierungsversuche von rechten Populisten eine kleine Minderheit geblieben. Das ist erst mal eine gute Botschaft für die Arbeitsmigranten auf der ganzen Welt, aber auch mit Blick auf die Zukunft des Multilateralismus ganz allgemein. …
      Wer aber könnte ernsthaft bestreiten, dass Migration in diesem Sinne tatsächlich zum Wohlstand beiträgt, in den Ziel- wie in den Herkunftsländern? Die Zielländer profitieren von den dringend benötigten Fachkräften, die dann auch noch Steuer- und Rentenbeiträge zahlen, die Herkunftsländer von den Geldzahlungen, die Migranten in ihre Heimat schicken – und die für diese Länder eine wichtigere Unterstützung darstellen als die gesamte Entwicklungshilfe.
      Quelle: ZEIT

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Nun, jeder kann “ernsthaft bestreiten, dass [legale] Migration […] tatsächlich zum Wohlstand beiträgt”, und zwar mit Fug und Recht und vielen, vielen guten Belegen. Würde Schuler nicht ihre Zeit mit der Verbreitung von Propaganda vergeuden, sondern z. B. mal die Zeitung lesen, für die sie schreibt, dann könnte sie folgendes finden: “Fleischwirtschaft: Die Schlachtordnung“.

      „In einer idyllischen Gegend in Niedersachsen wird im Sekundentakt geschlachtet, immer schneller, immer billiger, immer schmutziger. Erledigt wird das Gemetzel von einer Geisterarmee aus Osteuropa. […] Es gibt nur ein Prinzip: immer billiger. Und nur eine Himmelsrichtung: Osten. Polen ist schon fast leer gefegt, die Leute sind zerschlissen. Dann kamen die Ungarn. Dann die Rumänen. Jetzt die Bulgaren. Mittlerweile suchen Anwerber in der Ukraine nach Söldnern. In den Schlachthöfen hat sich eine soziale Hierarchie gebildet. Oben stehen die Polen und Ungarn. Sie sind häufig selbst Anwerber, Subunternehmer oder Vorarbeiter, die die eigenen Verwandten bevorzugen. Dann kommen die Rumänen. Auch unter ihnen gibt es Vorarbeiter, die ihre Landsleute schikanieren. Dann die Bulgaren. Sie werden noch schlechter behandelt. Am härtesten hat es die Sinti und Roma getroffen. Die anderen Arbeiter sagen über sie, sie ließen alles mit sich machen, könnten nicht lesen, nicht schreiben, schufteten für drei Euro in der Stunde. […] Die deutschen Fleischer, die gesetzlich geschützt werden sollten, sind jetzt arbeitslos. Junge Facharbeiter kommen nicht mehr nach. Das Handwerk stirbt aus.”

      Wem, außer den Eigentümern der Großschlachtereien, bringt das “Wohlstand”? Den brutal ausgebeuteten Migranten, die nicht mal Geld für ein Zimmer haben und als Werksvertragler weder Sozialabgaben noch Steuern zahlen, alles ganz legal? Den arbeitslos gemachten Fleischern, die schon schlechte, aber noch etwas bessere Arbeitsbedingungen und -löhne hatten und jetzt arbeitslos sind? Ausbeutung und Lohndumpingwettbewerb sind die Triebfedern von Arbeitsmigration – wer noch 9 Euro bekommt, wird durch jemanden für 8 Euro ersetzt. Was ist mit den Arbeitssklaven in Katar, die aus Entwicklungsländern kommen und sich teilweise zu Tode schuften oder schwere Unfälle erleiden, immer aber fast rechtlos und schlecht bezahlt? Vielleicht gut für den “Wohlstand” der Ausbeuterländer, aber gut für die Arbeiter und ihre Herkunftsländer – ernsthaft jetzt? Sind – legale – Arbeitsmigranten selbst unter den Verhältnissen in Deutschland nicht auch Konkurrenten auf einem stark angespannten Mietwohnungsmarkt, oder denkt Schuler hier hauptsächlich an den Wohlstand der Vermieter? Ist Schuler wirklich so naiv, dass sie die für jeden offensichtlichen Probleme einfach nicht sehen will und Migration einseitig in dasselbe rosarote Licht taucht wie der UN-Migrationspakt?

  3. May sucht Unterstützung in Berlin
    Die britische Premierministerin May will heute in Berlin nach der abgesagten Brexit-Abstimmung mit Kanzlerin Merkel sprechen. Ihr Ziel: Nachverhandlungen mit der EU. Die EU-Kommission ist dazu aber nicht bereit.
    Theresa May will das tun, was die Europäische Union auf keinen Fall möchte: Das Ausstiegsabkommen nachverhandeln. Am Donnerstag wird es einen Brexit-Gipfel geben, der am Rande des regulären EU-Gipfels in Brüssel stattfindet. Dort wird May die anderen 27 Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter der EU-Kommission treffen. “Ich werde mit ihnen über die klaren Bedenken diskutieren, die das britische Unterhaus zum Ausdruck gebracht hat”, sagte May vor Abgeordneten in London.
    Zuvor trifft sich May heute mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte. Das Treffen mit Rutte soll um 9.00 Uhr stattfinden und das mit Merkel um 13.00 Uhr. Das teilten die jeweiligen Regierungen am späten Montagabend mit.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Albrecht Müller: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Konservativen Europas, also auch Angela Merkel, der britischen Regierungschefin helfen, im Amt zu bleiben.

  4. FDP fordert stark eingeschränktes Streikrecht für Bahngewerkschaft
    Mit ihrem Warnstreik an diesem Montagmorgen zieht die Bahngewerkschaft EVG massive Kritik auf sich. Die FDP fordert gesetzgeberische Konsequenzen.
    Der Ärger in der Politik ist groß, nachdem die Bahn wegen eines Warnstreiks der Gewerkschaft EVG am Morgen den Fernverkehr zeitweise bundesweit komplett einstellen musste. „Es ist absolut unverhältnismäßig, dass gut organisierte Einzelgewerkschaften Millionen von unbeteiligten Fahrgästen Schaden zufügen“, sagte der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, dem Handelsblatt.
    Als Konsequenz brachte Theurer ein „spezielles Streikrecht für die öffentliche Daseinsvorsorge“ ins Spiel. Dazu gehöre eine „verpflichtende Vorankündigungspflicht von vier Tagen“ vor so genannten Warnstreiks, das Aufrechterhalten einer Grundversorgung und ein festes Schlichtungsverfahren. „Es darf nicht sein, dass die Bahn, die Müllentsorgung oder die Betreuung in Kitas durch eine brutale Nadelstichtaktik der Gewerkschaften vollkommen zum Erliegen kommt“, sagte Theurer.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung JK: Wenn es um die Einschränkung von Arbeitnehmerrechten geht, dann werden die Neoliberalen plötzlich wieder zu Freunden des Staates.

  5. Das Tor der Tränen
    Im Jemen kämpft eine von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geführte Koalition gegen die Houthi-Rebellen, die initiiert vom Arabischen Frühling ab 2013 weite Teile des Jemen unter ihre Kontrolle brachten, inklusive der Hauptstadt Sana’a. Die Koalition – mit essentieller Unterstützung des Westens auf sämtlichen Ebenen – will Jemens illegitimen Exil-Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi zurück an die Macht bringen, Riads Marionette. Der Jemenkrieg ist damit im Kern ein innerarabischer Konflikt, in dem es – entgegen dem gern kolportierten Narrativ ­­­­– weder um die Bekämpfung des Iran noch um einen herbeigeschriebenen Shia-vs-Sunni-Mystizismus geht, sondern wie in jedem bewaffneten Konflikt im Großraum zwischen Mali und Afghanistan um Machtpolitik, um Einflusssphären, um Kontrolle. Und wie die anderen Konflikte – wegen ihrer strategischen Geographie, ihrer Bodenschätze oder ihrer mächtigen, einflussreichen Führer, deren Gunst erlangt oder erkauft werden will – weckte auch der Jemen die Begehrlichkeiten regionaler und internationaler Akteure.
    Eingebettet in eine Strategie zur Machtkonsolidierung im Großraum Middle East taucht Russland etwa, nachdem es – aus Sicht Moskaus und Damaskus‘ – in Syrien höchst erfolgreich war, seine Zehen auch in jemenitische Gewässer und will sich dort als diplomatischer Mediator profilieren, an dem in der Region in Zukunft nicht länger vorbeiagiert werden können soll. Der Kreml beginnt in Kürze den Bau eines Hafenlogistikcenters in Eritrea, auch gibt es Berichte über Moskaus Pläne zum Bau eines dualen See- und Luftwaffenstützpunkts in Somaliland, einer international nicht anerkannten seit 1991 abtrünnigen Teilrepublik Somalias. Russische Militärs fordern die Errichtung einer Militärbasis in Aden im Jemen. Während die VAE ebenfalls in Somaliland eine Militärbasis bauen, wird sich die neue russische Basis im Land nur wenige Meilen entfernt von Camp Lemonnier in Dschibuti befinden – jener US-Basis, in der sämtliche US-Drohnenangriffe in Ostafrika und dem Nahen Osten koordiniert werden. In Dschibuti wiederum befinden sich neben US-Streitkräften sowohl die erste japanische als auch die erste chinesische Militärbasis in Übersee, sowie seit Langem eine französische Basis, eine italienische und spanische Kampftruppen. In Kenia sind das britische und das US-Militär stationiert und in Somalia befinden sich Basen der Türkei, der VAE und der USA.
    Quelle: Justice now
  6. Amazon sucht Paketfahrer – das Auto sollen sie mitbringen
    Der Onlinehändler Amazon nutzt seine enorme Marktmacht, um noch mehr Druck auf klassische Paketdienste wie DHL und Hermes aufzubauen. Dafür stellen die Amerikaner eigene Fahrer an, die gerne direkt von der Konkurrenz abgeworben werden.
    Das Angebot mag für manchen Jobsuchenden nicht uninteressant klingen. Doch wer in der falschen Region lebt, bekommt erst einmal eine Absage. „Leider sind wir momentan in Ihrem Gebiet noch nicht vertreten, arbeiten jedoch stark daran, Amazon Flex auch bei Ihnen anzubieten“, kommt als Antwort auf eine Stellenanfrage von dem Onlinehändler zurück.
    Der Kandidat hatte ein Postleitzahlengebiet in Norddeutschland in die Onlinebewerbung eingegeben. Komplett vergebens war die Bewerbung dennoch nicht: „Sie befinden sich auf unserer Warteliste und werden informiert, sobald wir bei Ihnen zu finden sind“, heißt es weiter.
    Unter der Überschrift „Flexibilität ist der Bringer“ sucht Amazon über eine Internetkampagne gerade Tausende Paketfahrer in Deutschland. Um vom Start weg möglichst viele Antworten zu bekommen, lockt Amazon in der Anzeige damit, dass Bewerber „einmalig 100 Euro extra kassieren“ können, wie es in der Jobbeschreibung heißt.
    Wer seinen Namen, eine Mailadresse und Postleitzahl angibt, erfährt, ob das Angebot in seiner Region gültig ist. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist das der Fall. In Hamburg wiederum bereitet sich Amazon gerade auf die Paketauslieferung vor und hat im Stadtteil Wilhelmsburg eine große Sortieranlage gebaut.
    Allerdings gibt es für diese Arbeit eine wichtige Voraussetzung. Gesucht werden „Amazon-Flex-Lieferpartner“, die sich „bequem mit dem eigenen Auto flexibel Geld dazuverdienen“ wollen. Das heißt: Diese Gelegenheitsausfahrer sollen für ein paar Hundert Euro im Monat mit ihrem privaten Pkw Sendungen von Amazon zu den Lieferadressen fahren und an die Kunden übergeben.
    Quelle: Welt

    Anmerkung JK: Jeff Bezos ist nicht umsonst der reichste Mann der Welt. In der schönen neuen Internetökonomie wird das finanzielle und existenzielle Risiko komplett an den „Arbeitskraftunternehmer“ ausgelagert.

  7. Hedgefonds drängt Bayer zur Aufspaltung
    Das Bayer-Management bekommt Druck von einem unbequemen aktivistischen Investor. Der angeblich eingestiegene US-Hedgefonds Elliott von Paul Singer will den Pharma- und Agrarchemiekonzern aufmischen.
    Der aktivistische Investor drängt das Management und den Aufsichtsrat von Bayer dazu, eine Trennung des Dax-Konzerns in zwei Bereiche – Pharma und Agrarchemie – auszuloten. Das meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitagabend unter Berufung auf Insider.
    Bisher habe es aber keine Treffen zwischen dem Hedgefonds des US-Investors Paul Singer und dem Bayer-Management gegeben, berichteten Bloomberg und die Agentur Reuters. Elliott habe das Gespräch mit dem Bayer-Vorstand gesucht, doch weder Konzernchef Werner Baumann noch einer seiner Vorstandskollegen seien bisher dazu bereit gewesen. Elliott lehnte einen Kommentar zu den Informationen ab. Von Bayer war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
    Der US-Hedgefonds Elliott ist vor rund einem Jahr bei Bayer eingestiegen, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Zur Höhe der Beteiligung äußerten sich die Insider nicht. Ab einer Schwelle von drei Prozent müsste der Investor seine Beteiligung allerdings offenlegen. Der Investor könnte sich aber auch für einen Verkauf seines Anteils entscheiden.
    Der aktivistische Investor hat zuletzt unter anderem beim Industriekonzern Thyssenkrupp, beim Energiekonzern Uniper und beim schwächelnden Anlagenbauer Gea von sich reden gemacht. Beim Arzneimittelhersteller Stada machte sich Elliott das deutsche Aktienrecht zunutze, um bei bei der Übernahme des Unternehmens mehr Geld für sich rauszuschlagen: Erst nachdem die Finanzinvestoren Bain und Cinven ihre Offerte deutlich aufstockten, verkaufte auch der Hedgefonds seine Anteile.
    Quelle: ARD
  8. Wer Sanktionen abschafft, schreibt die Menschen ab
    Schaden Sanktionen den Empfängern von Hartz IV eher, als dass sie motivieren? Davon geht der Verein „Sanktionfrei“ aus, der diese Annahme jetzt in einer großen Studie gemeinsam mit Wuppertaler Wissenschaftlern untersucht. Zuspruch erhält er von Linken und Grünen. Union und FDP halten die Sanktionspraxis hingegen für unabdingbar. Die SPD sieht großen Reformbedarf.
    Im Rahmen der Studie werden 250 Hartz-IV-Empfängern für drei Jahre die vom Jobcenter verhängten Sanktionen ausgeglichen. Ziel ist herauszufinden, wie sich Verhalten und Befinden der Betroffenen verändern, wenn sie ohne Angst vor Sanktionierung leben können. Der Wuppertaler Arbeitspsychologe Rainer Wieland sagte im Interview mit t-online.de, schon die Androhung von Sanktionen würde die Betroffenen in Unsicherheit stürzen. Das mache krank und handlungsunfähig. (…)
    Die von Sanktionen Betroffenen würden gedemütigt, die Konsequenzen am Arbeitsmarkt seien katastrophal, beklagte Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. Der Staat zwinge Menschen auf diese Weise in Jobs mit miesen Arbeitsbedingungen und geringen Löhnen, so Ferschl zu t-online.de. “Die Konsequenzen sind prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen und der größte Niedriglohnsektor der EU.” (…)
    Widerspruch gegen Forderungen nach Reform oder gar Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen kommt aus CDU und FDP. “Wer von Grundsicherungsempfängern nicht einmal die Entschuldigung für eine Terminabsage erwartet, zeigt, wie wenig er ihnen zutraut”, sagte Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zu t-online.de. Die Sanktionen abzuschaffen hieße, die Menschen abzuschreiben.
    Quelle: T-Online

    Anmerkung Christian Reimann: So lobenswert die Absicht des Vereins „Sanktionsfrei“ ist: Gibt es bisher tatsächlich keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkungen von „Hartz IV“ auf die (erwerbslose) Arbeitnehmerschaft? Sollen noch weitere drei Jahre gewartet werden – bis die Studie beendet ist und Ergebnisse liefert?

  9. Bahn – Die Provinz bleibt auf der Strecke
    Mit der Bahnreform 1994 wurden die beiden Staatsbahnen – Bundesbahn und Reichsbahn – in die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft übergeführt. Was in den alten Bundesländern schon in den Siebzigern und Achtzigern passierte, kam nun auf den Osten zu. Das zwar marode, aber flächendeckende und dichte Bahnnetz wurde massiv geschrumpft. Ganze Eisenbahnknoten, zum Beispiel Karow in Mecklenburg-Vorpommern oder auch Templin in Brandenburg verschwanden von der Landkarte. Vor allem eingleisige Nebenbahnen rechneten sich angeblich nicht mehr. Doch sogar eine zweigleisige Strecke in Sachsen-Anhalt, auf der in den Neunzigern ICE-Züge mit 160 Stundenkilometern fuhren, wurde 2004 stillgelegt und anschließend abgebaut.
    Im Zeitraum von 1994 bis 2015 ist das Streckennetz der Bahn um über 6.000 Kilometer geschrumpft. Das entspricht acht Mal der Route Berlin-Hamburg.
    Die strukturschwachen Gegenden, die auf eine gute Infrastruktur den gleichen Anspruch haben: vielerorts abgehängt. Eine Bahn der zwei Geschwindigkeiten?
    „Die Zuwachsraten sind enorm, die Taktfrequenzen sind deutlich verbessert worden, und die Anbindungsqualität ist hervorragend“, so Enak Ferlemann, parlamentarischer Staatssekretär, Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr. „Wir können ja nicht mit leeren Zügen überall durch die Gegend fahren, nur damit ein Zug fährt. Sondern es müssen auch Passagiere da sein. Und insofern zieht sich die Bahn auch nur da zurück, wo es einfach völlig unwirtschaftlich wäre, eine Bahn zu betreiben.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  10. Wir haben eine Demokratiekrise
    Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe über ein historisches Gerichtsverfahren gegen Staatskriminalität und seinen Kampf gegen die Abgaspolitik deutscher Regierungen und Kommunen
    Sie haben kürzlich eine Vorlage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes an den Europäischen Gerichtshof bekannt gemacht, die laut Ihnen Rechtsgeschichte geschrieben hat. Was ist daran das Besondere?
    Jürgen Resch: Dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nur noch durch die Anordnung von Zwangshaft gegenüber Amtsträgern die Möglichkeit sieht, ein rechtskräftiges Urteil durchzusetzen. Das Gericht attestiert damit, dass Deutschland nicht die Voraussetzungen zur Aufnahme als EU-Mitgliedsstaat erfüllen würde und dass wir eine Demokratiekrise haben.
    Warum würde Deutschland nicht die Voraussetzungen zur Aufnahme in die EU erfüllen?
    Jürgen Resch: Ein funktionierender Rechtsstaat ist da die Grundvoraussetzung. Der deutsche Rechtsstaat taugt aber nicht zur Vollstreckung gerichtlicher Urteile gegen Behörden und Regierungen. Unsere Klage für saubere Luft in München ist seit über vier Jahren rechtskräftig entschieden.
    Wir haben versucht, mit den bestehenden Instrumenten der Zwangsvollstreckung den Staat Bayern dazu zu bringen, das Urteil umzusetzen. Auf Anordnung des Ministerpräsidenten – ursprünglich Seehofer, jetzt Söder – ist das nicht geschehen. Mehr noch: Söder hat schon angekündigt, das Urteil weiterhin zu ignorieren.
    So hat der Verwaltungsgerichtshof zu dem drastischsten Mittel gegriffen, das er hat, nämlich der Anrufung des Europäischen Gerichtshofes mit einer sogenannten Vorlagefrage: Muss man Zwangshaft gegen Amtsträger wie den Ministerpräsidenten, den Umweltminister und einige weitere Funktionäre anordnen? Diese Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung für alle anderen Auseinandersetzungen in Deutschland um rechtswidriges Verhalten von Behörden. Wir gehen fest davon aus, dass der Europäische Gerichtshof diese Frage im kommenden Jahr mit “Ja” beantworten wird.
    Der bayerische Umweltminister wird seit kurzem von den “Freien Wählern” gestellt und hat wohl nichts mit den Sünden der Vorgänger-Regierung zu tun. Kann es ihn jetzt trotzdem treffen?
    Jürgen Resch: Natürlich. Wir haben ihn angeschrieben, und keine Antwort auf unseren Gesprächswunsch bekommen. Der Umweltminister ist verantwortlich dafür, dass alle notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der Luftqualitätswerte ergriffen werden.
    Quelle: Telepolis
  11. Korruption ist das Shopping der Reichen und Mächtigen
    “Korruption ist das Shopping der Reichen und Mächtigen. Laut UN kostet dieser Diebstahl weltweit 2,6 Billionen Dollar, so viel wie die jährliche Wirtschaftskraft Frankreichs. Die Bundesregierung muss endlich das Gangsters-Paradise in Deutschland austrocknen und Geldwäsche – insbesondere im Immobiliensektor – unterbinden“, kommentiert Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE., anlässlich des Internationalen Anti-Korruptionstags der Vereinten Nationen (UN) am Sonntag den 09. Dezember. De Masi weiter:
    „Wer von Korruption spricht, darf von gekaufter Politik nicht schweigen. Die Gelder des Mövenpick-Spenders und Oligarchen Finck für die AfD sind nur die Spitze des Eisbergs. Unternehmensspenden an Parteien gehören verboten. Die Bestechung von Abgeordneten muss umfassend strafbar werden und wir brauchen ein transparentes Lobbyregister
    Es liegen Milliarden ausländischer Diktatoren, korrupter Regime und der organisierten Kriminalität – etwa der italienischen Mafia – im deutschen Finanzsystem und Immobiliensektor. Dies muss durch schärfere Geldwäschegesetze, mehr Personal und härtere Strafen bei Beihilfe zu Geldwäsche unterbunden werden. Wir brauchen auch ein Unternehmensstrafrecht für Deutsche Bank und Co!
    Insbesondere im Nicht-Finanzsektor – etwa bei Notaren – gibt es trotz Immobilienparty kaum Kontrollen und Bußgelder der Länder. Die Bundesregierung muss endlich Ermittlungsbehörden und Strafvollzug umfänglich befähigen um gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität durchzugreifen. Ein umfassendes öffentliches Immobilienregister würde Geldwäsche mit Betongold eindämmen. Wir brauchen auch eine Bundesfinanzpolizei, und die Beweislastumkehr bei der Vermögensabschöpfung muss weiter gestärkt werden, um Vermögen krimineller Clans zu sichern.”
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  12. Das steht im neuen Polizeigesetz NRW
    Terroristische Gefährder, Hooligans, prügelnde Ehemänner oder renitente Besetzer – die schwarz-gelbe Landesregierung verschärft künftig die Befugnisse der Polizei bei der Terrorabwehr und der Alltagskriminalität. Das umstrittene neue Polizeigesetz hat am Donnerstag im federführenden Innenausschuss des Landtags eine weitere Hürde genommen. Am kommenden Mittwoch wird es im Landtag in der Schlussabstimmung verabschiedet.
    Nach massiver Kritik von Verfassungsrechtlern hatten CDU und FDP den ursprünglichen Entwurf leicht entschärft. Innenminister Herbert Reul (CDU) betonte aber auch: «Die Substanz des Gesetzes ist nicht eine andere. Die Instrumente sind nach wie vor drin.» Jede Maßnahme, ob Polizeigewahrsam, elektronische Fußfessel oder Auslesen von Messengerdienste stehe aber unter Richtervorbehalt. «Da kann die Polizei nie allein entscheiden.»
    Der sogenannte Unterbindungsgewahrsam zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Straftat kann von derzeit maximal 48 Stunden auf maximal zwei Wochen ausgeweitet werden. Ursprünglich war ein Monat vorgesehen. Hinzu kommt eine Verlängerungsoption für weitere 14 Tage. Die Möglichkeit eines Anwaltsbeistandes wird ausdrücklich eingeräumt.
    Quelle: Neue Westfälische
  13. Lkw-Fahrer: Das Märchen von der EU-Hilfe
    Niedrige Löhne, unzumutbare Routenpläne: Den Truckern geht es schlecht – überall in der EU. Die EU-Verkehrsminister wollen mit neuen Regelungen Abhilfe schaffen, regulieren aber an der Realität vorbei.
    Der Vorschlag der EU-Verkehrsminister sieht die europaweite Einhaltung einer 45-stündigen Pause außerhalb der Fahrerkabine vor, nachdem sie sechs Tage unterwegs waren. Die Fahrer müssten zurück nach Hause oder in einem Hotel in der Nähe unterkommen. Außerdem soll am gleichen Ort für die gleiche Leistung auch das gleiche Gehalt gezahlt werden.
    Weiter will man dauerhafte, mehrwöchige Auslandstouren von Fahrern unterbinden, indem sie eine siebentägige Pause im Heimatland einlegen müssen. Der Beschluss muss noch durch das Europäische Parlament, aber die Osteuropäer werfen dem Westen jetzt schon Protektionismus vor.
    Quelle: Deutsche Welle
  14. Europäische Parlamentarier fordern Freiheit für Julian Assange
    Appell zum Internationalen Tag der Menschenrechte an britische Regierungschefin Theresa May, Ecuadors Präsidenten Lenín Moreno und UN-Generalsekretär António Guterres
    Parlamentarier aus neun europäischen Staaten haben am heutigen Internationalen Tag der Menschenrechte die sofortige Freilassung des Publizisten und Mitbegründers der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assage, gefordert.
    “Über sechs Jahre nach Beginn des erzwungenen Botschaftsasyls von Julian Assange drängen wir auf einen nachhaltigen Schutz des Gründers der Enthüllungsplattform Wikileaks, die über von Regierungen begangene Kriegsverbrechen und andere schwerwiegende Missbräuche berichtet hat”, heißt es in dem Schreiben, das an die britische Premierministerin Theresa May, den ecuadorianischen Präsidenten Lenin Moreno, und den UN-Generalsekretär António Guterres gerichtet ist.
    Assange befindet sich seit dem Sommer 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London. Mit dem Botschaftsasyl konnte er bislang eine Auslieferung an die USA verhindern, wo ihm mutmaßlich eine lange Haftstrafe droht. Nach dem Regierungswechsel in Ecuador und einem radikalen politischen Umbruch unter dem amtierenden Präsidenten Lenín Moreno ist der Schutz für Assange zunehmend gefährdet. Moreno macht kein Hehl daraus, dass er den Schutzsuchenden lieber heute als morgen loswerden möchte.
    Quelle: Telepolis
  15. Schrumpft die Großhirnrinde bei Kindern mit der Nutzung von Bildschirmmedien?
    In den USA ist eine umfangreiche Langzeitstudie gestartet, erste Ergebnisse scheinen auf einen Zusammenhang hinzuweisen, aber das Ausdünnen und Schrumpfen könnte auch eine andere Ursache haben
    Welche Folgen das ausgedehnte Starren auf Bildschirme insbesondere für Kinder hat, ist bislang weithin spekulativ. Auf der Hand liegt, dass das damit verbundene lange Sitzen und fehlende körperliche Bewegung Fettleibigkeit und andere gesundheitliche Probleme mit sich bringen kann. Dass eine Folge die zunehmende Kurzsichtigkeit ist, dürfte auf der Hand liegen, auch dass einzelne Fertigkeiten wie sensomotorische Koordinierung von Auge und Hand, schnellere Reaktionszeiten, räumliche Orientierung etc. gefördert werden. Aber wenn es um die Auswirkungen auf das Gehirn oder das Verhalten geht, herrscht Uneinigkeit. So ist auch der Streit, ob Computerspiele aggressiver machen, längst nicht entschieden. […]
    Schwierig, wenn nicht unmöglich wird es schon werden, eine wirkliche Vergleichsgruppe zu finden, die nicht oder kaum vor dem Bildschirm sitzt. NIH-Forschungsdirektorin Gaya Dowling sagte dem Sender CBS, man habe damit herausgefunden, wie die Gehirne von Kindern aussehen, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen. Das Ausdünnen der Großhirnrinde betreffe die äußerste Schicht, die Informationen von den Sinnen verarbeitet (auch Gedächtnis- und Sprachfunktionen befinden sich hier). Man könne aber noch nicht sagen, ob dies eine Folge der Bildschirmzeit oder etwas Schlechtes sei. Das könne man erst nach weiteren Untersuchungen im Laufe der Langzeitstudie wissen.
    Doch selbst wenn ein Zusammenhang zwischen einer langen Nutzung von Bildschirmmedien und einer Ausdünnung oder Schrumpfung des Temporallappens besteht, wäre die Frage, ob die Ursache das Bildschirmmedium oder etwa das damit verbundene Sitzen ist. Wissenschaftler der UCLA haben in einer im April des Jahres veröffentlichten Studie nämlich einen Zusammenhang zwischen der Dauer des Sitzens und der Größe des Temporallappens beobachtet. Allerdings untersuchten sie nur 35 Erwachsene und machten von diesen MRI-Gehirnscans. Mit der Zahl der Stunden, die die Versuchspersonen täglich sitzen, schrumpft der Temporallappen. Auch wenn mit körperlicher Bewegung das Sitzen ausgeglichen wird, ändert sich daran nichts. Gefragt wurde aber nicht, wie lange die Versuchspersonen sitzend vor Bildschirmen saßen.
    Quelle: Telepolis


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