Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- „High Noon“: Der Kampf gegen die Pressefreiheit in den USA
Unabsichtlich, durch einen blöden Fehler (1), kam am 15. November zutage, was das Justizministerium unter Donald Trump mit Julian Assange vorhat, dessen Asyl in der ecuadorianischen Botschaft nach steter Bearbeitung der neuen Regierung des südamerikanischen Staates durch die US Regierung nur noch in Tagen bemessen ist.
Beim Kopieren eines Textabschnittes von einer Anklageschrift zur anderen wurde eine Passage verwendet, aus der hervorgeht, dass eine sogenannte „Geheime Anklageschrift“ gegen Julian Assange existiert. Sie sollte erst in dem Moment veröffentlicht werden, in dem der Gründer von Wikileaks in London festgenommen wird. Und offenbar, so schließt das bisher nicht für anti-amerikanische Verschwörungstheorien bekannte „Wall Street Journal“ aus den Passagen, soll eine Spionage-Anklage gegen Julian Assange erhoben werden.(2) Der Passus „Informationen, die die nationale Sicherheit betreffen“ eröffnet ungeahnte Möglichkeiten der Strafverfolgung, zum Beispiel ein nicht-öffentliches Verfahren vor einem Militärgericht, mit den entsprechenden drakonischen Strafen. Was noch in der Wundertüte des US Justizministeriums auf Assange wartet, ist unbekannt, klar ist nur, dass es eine Anklage mit verschiedenen Punkten ist.
Darum ging es, von Anfang an. Nicht um die fadenscheinige Verfolgung einer „Vergewaltigung“. Selten demaskierte sich das herrschende Recht so sehr als das Recht der Herrschenden. Die US-Regierung, der „Tiefe Staat“ und der finanziell-industriell-miltärische Komplex wollten und werden Rache nehmen für die Veröffentlichung vieler geheimer Dokumente durch Wikileaks. Beweise für Machenschaften, die eigentlich nie in das gleißende Licht der Öffentlichkeit geraten sollten.
Die Supermacht, die gerne einzige Supermacht des Planeten bleiben würde, war des öfteren durch Wikileaks bloßgestellt worden. So mit dem Video „Collateral Murder“, das die Vernichtung einer Kameracrew im Irak dokumentierte, mit Unterlagen zu Guantanamo, mit Botschaftsdepeschen, mit Dokumenten zum Abhören der deutschen Regierung durch die NSA, mit Protokollen des NSA-Untersuchungsausschusses in den USA, mit den Teilnehmerlisten der Bilderberg Konferenzen und last but not least mit den Emails des Wahlkampfteams von Hillary Clinton, die belegten, mit welch schmutzigen Methoden Clinton gegen ihren Konkurrenten Bernie Sanders vorgegangen war.
Julian Assange hat den Kaiser zu oft nackt präsentiert. Dafür soll er bestraft werden.
Quelle: Dirk Pohlmann auf KenFM
Lesen Sie dazu bitte auch unseren Appell „Solidarität mit Assange. Nutzen Sie bitte alle Ihre Beziehungen und Kontakte zum Protest.“.
- UN-Migrationspakt/Einwanderungsgesetz
- UN-Migrationspakt verwaltet weltweite Ungleichheit
Ursachen der Migration wie ungleiche Entwicklung, Kriege und Vertreibungen werden nicht thematisiert
Der für den 10. Dezember 2018 vorgesehene Festakt im marokkanischen Marrakesch sollte ungetrübt über die Bühne gehen. Den Text des “Globalen Pakts für eine sichere, geordnete und reguläre Migration”, der seit 30. Juli vorliegt, hatte außer den ihn erstellenden Schreibern bis vor kurzem kaum jemand gelesen. Als es dann doch einige taten, kam Unruhe in die Staatenwelt. Immer mehr Länder springen ab. Ihre Gründe mögen fragwürdig bis inakzeptabel sein, der UN-Migrationspakt ist es jedenfalls auch.
Beginnen wir mit dem Bild der Migration, wie es dem Pakt zugrunde liegt. Dort heißt es: “Wir anerkennen, dass Migration eine Quelle von Wohlstand, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung in unserer globalisierten Welt ist” (Punkt 8). Die Wirklichkeit spiegelt sich in dieser Definition nicht wieder. Migration mag zwar für einige (Kapital)Gruppen, die sich der Ausbeutung von MigrantInnen bedienen können, eine Quelle des Wohlstandes sein, für die absolute Mehrheit der MigrantInnen – ob durch Kriege oder ökonomische Krisen zur Wanderung in fremde Länder getrieben – stimmt diese Wahrnehmung ebenso wenig wie für die Ansässigen in den Zielländern der Massenwanderungen. Der gehobene Mittelstand mag da und dort von billigen Putzkräften und Altenpflegerinnen profitieren, die weniger Betuchten spüren die Konkurrenz am Arbeits- und Wohnungsmarkt.
Um es klar zu machen: Migration ist Ausdruck zunehmender regionaler Disparitäten und sozialer Ungleichheiten. Der Ökonom Branko Milanovic hat diese für jeden Beobachter erkennbare Schieflage in Zahlen gegossen. Demnach ist das hauptsächliche Verteilungsproblem zwischen Arm und Reich zunehmend dem Faktor Ort gegenüber dem Faktor Klasse zuzuschreiben, in anderen Worten: Es ist entscheidender geworden, wo man geboren wird, als in welcher Schicht man aufwächst. Einkommensdifferenzen von 1:50 (im weltweiten Vergleich) oder 1:8 (innerhalb der EU, z.B. zwischen Bulgarien und Deutschland) sind die entscheidenden Triebkräfte für Wanderungsbewegungen.
Quelle: Hannes Hofbauer auf Telepolis
- Widerstand gegen Uno-Migrationspakt – Wollen wir Schwerkraft? Stimmen Sie jetzt ab!
Rechtspopulisten in aller Herren Länder wettern gegen den Uno-Migrationspakt. Jetzt will auch Gesundheitsminister Jens Spahn auf dem CDU-Parteitag darüber abstimmen lassen. Offenbar stellt er sich aus taktischen Erwägungen dümmer, als er ist.
Migration ist eine Tatsache. Etwas, das geschehen ist und noch geschieht, jetzt im Moment, das auch weiterhin geschehen wird und sich im Geschehen selbst vollzieht. Ein gegebener Umstand. Als Sachverhalt so zwingend wie die Schwerkraft, auf deren Gesetze es keinen Einfluss hat, ob man sie für gut oder schlecht hält.
Im englischen Sprachgebrauch wird solchen Unabweislichkeiten gern mit einem salopp ermunternden “Deal with it!” begegnet.
Auch menschliche Wander- oder Ausweichbewegungen vor Krieg, Hunger oder Armut sind nicht gut oder schlecht. Sie sind. Finden statt. Tragen sich zu. Weshalb schon der Begriff “Uno-Migrationspakt” für ein Dokument, das die Vereinten Nationen am 10. und 11. Dezember in Marokko ihrer Generalversammlung vorlegen wollen, eine irreführende Verkürzung ist.
Es ist keine Hymne auf die Migration, sondern ein rechtlich nicht bindender, hoffentlich aber normative Kraft entfaltender Versuch, mit weltweit etwa 260 Millionen entwurzelten Menschen umzugehen.
Das Papier erkennt an, was ist, nämlich Migration ein “bestimmendes Merkmal unserer globalisierten Welt”. Es geht darum, sie “zum Nutzen aller zu gestalten” […]
Quelle: SPIEGEL
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es wird schon stimmen, daß Jens Spahn die Diskussion über den UN-Migrationspakt vor allem aus taktischen Überlegungen fordert, und um sich als besonders konservativer, “migrationskritischer” Kandidat zu präsentieren. Leider ist der SPIEGEL noch deutlich schlimmer, indem er gezielt Meinung macht und seine Leser für dumm verkauft. Wenn der UN-Migrationspakt lediglich die Existenz von Migration feststellte, dann wäre er tatsächlich sinnlos. Der Autor unterschlägt mal eben die entscheidenden Punkte (neben der Forderung, mit Migranten menschlich umzugehen): daß Arbeitsmigration gefördert werden soll und daß Migration einseitig und ohne Argumente als “eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung […] zum Nutzen aller” dargestellt wird. Alle diese Behauptungen sind aber mehr als zweifelhaft und gehört natürlich auf Parteitagen und in Parlamenten diskutiert. Der SPIEGEL geht mit aktiver Desinformation und Denunziation anderer politischer Meinungen voran und soll sich dann nicht über die Beurteilung als Lügenpresse beschweren.
- Standort Deutschland: Fachflüchtlinge gesucht!
Fachkräftemangel: Ausländische Arbeitskräfte zwischen rassistischer Hetze, brutaler Ausbeutung und Integrations-Heuchelei.
Die Diskussion darüber, wie viele Geflüchtete herkommen dürfen, wo sie abgefangen und wie sie »integriert« werden sollen, findet längst in einer Festung statt. Europa und die BRD haben sich wieder abgeschottet, die Zahl der Asylanträge ist auf das Niveau der frühen 90er Jahre gesunken. Dahinter verschwindet die Tatsache, dass sich die Leute, die in den letzten Jahren angekommen sind, so schnell in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert haben, wie noch keine Zuwanderergeneration vor ihnen – genauso wie die Tatsache übrigens, dass viele wieder gegangen sind.1
Die Debatte wird trotzdem am Laufen gehalten bzw. hochgekocht. Einerseits als Drohung gegen die ArbeiterInnen, die schon länger hier leben: Da sind noch viele andere, die eure Arbeitsplätze wollen – also stellt nicht solche Ansprüche! Andererseits, um die Neuangekommenen unter ständigem Druck zu halten.
Genau aus diesem Grund gestaltet Innenminister Seehofer die Abschiebungen so dramatisch wie möglich, damit es auch alle mitkriegen. Genau wie die Rückführungsabkommen mit Spanien und Griechenland sind das in Wirklichkeit größtenteils symbolische Aktionen – aber sie halten Schreckgespenster am Leben.
Spätestens der Skandal um das Bremer BAMF2 (der sich inzwischen als Nullnummer herausgestellt hat)3 und die Auseinandersetzungen um die Abschiebung von Sami A. haben deutlich gemacht, dass im Staat heftige Auseinandersetzungen toben.4 Und trotz der umfassenden Versuche, alle Migranten zu registrieren und zu überwachen, wissen die Institutionen nicht genau, wer hier ist, an welchem Ort, und was die Leute machen. Offizielle Statistiken und Zahlen sind mit großer Vorsicht zu genießen.
Quelle: arbeitsunrecht in deutschland
- Erst will die Regierung den Migrationspakt annehmen und dann ein Einwanderungsgesetz, das diesem widersprich
Die Bundesregierung will eine Woche nach Zustimmung zum UN-Migrationspakt, ein Einwanderungsgesetz beschließen. Im Pakt verpflichtet sich Deutschland, Migranten Zugang zu Grundleistungen zu geben. Im Einwanderungsgesetz will die Regierung den Zugang von Migranten zu Sozialleistungen ausschließen. Die Vorgeschichte des Einwanderungsgesetzes legt nahe, in welche Richtung der Konflikt aufgelöst werden wird.
Mit ihrem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, das die Bundesregierung kurz vor Weihnachten im Kabinett beschließen will, setzt sie Ziel 5 des Migrationspakts um, nämlich bessere und flexiblere Wege für reguläre Migration zu schaffen, die den Bedürfnissen der Arbeitgeber („lokalen Arbeitsmärkte“) gerecht werden.
In dem Gesetzentwurf heißt es, übereinstimmenden Medienberichten zufolge, das Arbeitsmigranten von außerhalb der EU – nur um diese geht es im Einwanderungsgesetz – fünf Jahre lang keine Sozialleistungen beziehen können. Werden sie arbeitslos, sind sie ohne Unterhalt und irgendwelche staatlichen Leistungen, zum Beispiel ärztliche Versorgung im Krankheitsfall. Das widerspricht diametral der Selbstverpflichtung, die die Bundesregierung mit dem UN-Migrationspakt am 11.12. eingehen will:
„Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können. Wir verpflichten uns ferner zur Stärkung von Leistungserbringungssystemen, die Migranten einschließen, ungeachtet dessen, dass Staatsangehörige und reguläre Migranten möglicherweise Anspruch auf umfassendere Leistungen haben.“
Vor allem abgelehnte Asylbewerber, die nach dem Gesetzentwurf künftig zu Arbeitsmigranten werden dürfen, werden in ein extremes Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Arbeitgebern gesetzt, aber nicht nur sie.
Quelle: Norbert Häring
Anmerkung JK: Soviel auch zur Glaubwürdigkeit der Hartz IV Debatte bei der SPD. Man will also den Bereich prekärer Arbeit und des Niedriglohns mit allen Mitteln aufrecht erhalten, wenn nicht gar über das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz vergrößern. Die SPD dem Kapital immer treu zu Diensten.
dazu: Geplantes Einwanderungsgesetz widerspricht Migrationspakt
Die Absicht, qualifizierte Fachkräfte aus Entwicklungsländern für die deutsche Wirtschaft abzuwerben, widerspricht dem viel diskutierten UN-Migrationspakt. Unter Ziel 2: „Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen“, heißt es:
„Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen, sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen können…
Um diese Verpflichtung zu verwirklichen, werden wir in die Erschließung von Humanressourcen investieren, durch Förderung von Unternehmertum, Bildung, berufsausbildenden und -qualifizierenden Programmen und Partnerschaften sowie die Schaffung produktiver Arbeitsplätze, entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes und in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und den Gewerkschaften, mit dem Ziel, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken, die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte (‚brain drain‘) zu vermeiden und die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte (‚brain gain‘) in den Herkunftsländern zu optimieren sowie die demografische Dividende bestmöglich zu nutzen.“
Wenn man dieses Ziel ernst nimmt, dann kann man das beabsichtigte Einwanderungsgesetz nicht verabschieden, weil es vom Geist des deutschen Beschäftigungsnationalismus geprägt ist (siehe vorherigen Post). Wir dürfen beispielsweise nicht Ärzte und Krankenschwestern aus Afrika abwerben, sondern sollten medizinisches und pflegerisches Personal dorthin schicken. Vorbild sind Ärzte aus Deutschland, die in eigener Initiative nach Afrika gehen, um zu helfen – beispielsweise Dr. Hans Schales, lange Jahre Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe an einem Saarbrücker Krankenhaus und sein Afrikaprojekt Dr. Schales e.V.. Oder Dr. Michael Weber, Chefarzt der Unfallchirurgie in der Marienhausklinik Saarlouis und Initiator des Vereins Osteomyelitishilfe e.V.
Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
- PESCO-Rüstungsprojekte: Deutschland, Italien und Frankreich sahnen ab
Eingeführt wurden Sanktionsmöglichkeiten für rüstungsunwillige Staaten
Im November 2017 bekundeten eine Reihe von EU-Mitgliedsstaaten durch die Unterzeichnung eines Notifizierungspapiers ihr formales Interesse, sich an der “Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit”, englisch abgekürzt “PESCO”, beteiligen zu wollen. Im Dezember folgte dann mittels eines Ratsbeschlusses die offizielle Aktivierung.
Die PESCO, an der sich 25 EU-Staaten beteiligen, soll sich zum neuen Motor einer Europäischen Rüstungsunion entwickeln, denn außerhalb von Militäreinsätzen können die EU-Staaten seither unter ihrem Dach jedes erdenkliche Rüstungsvorhaben buchstäblich in Angriff nehmen – und viel Zeit ließen sie sich damit auch nicht, eine erste Projektrunde wurde bereits im März 2018 eingeläutet. Auf dem Ratstreffen am 19./20. November 2018 einigten sich die EU-Außen- und Verteidigungsminister nun auf eine zweite Runde, in die mit der Eurodrohne auch eines der wichtigsten aktuellen EU-Rüstungsprojekte aufgenommen wurde.
Die PESCO zeichnet sich durch drei zentrale Merkmale aus: Erstens bricht sie mit dem bis dato im Bereich der EU-Militärpolitik geltenden Konsensprinzip, indem an einigen entscheidenden Stellen Abstimmungen mit doppelter Mehrheit (65% der Bevölkerung und 55% der Staaten) eingeführt wurden. Dies ist schon allein deshalb von großer Bedeutung, weil das Konsensprinzip bislang den kleinen und mittleren Mitgliedsländern erhebliche Einflussmöglichkeiten eröffnete. Bei qualifizierten Mehrheitsabstimmungen wurden dagegen seit der Einführung neuer Stimmgewichtungen mit dem Vertrag von Lissabon ab 2009 die Machtverhältnisse massiv zugunsten der großen EU-Staaten verschoben. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass Deutschland und Frankreich bei diesem Abstimmungsmodus zusammen faktisch über eine Sperrminorität verfügen und jede Entscheidung, die ihnen nicht passt, blockieren können.
Quelle: Telepolis
- Deutsche Regierung verfügt Stopp der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien
Als Begründung werden Konsequenzen aus der Tötung von Jamal Khashoggi genannt. Der Jemen-Krieg hat dafür nicht ausgereicht
Die deutsche Regierung hat die Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien “komplett gestoppt”, wie am Montag das Wirtschaftsministerium bekannt gab. Begründet wird der Stopp, der die Auslieferung von Waffen und anderen Rüstungsgüter betreffe, mit der Konsequenz aus der Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi.
Die Entscheidung, getroffen nach einer Prüfung, die nicht nur neue Exportgenehmigungen, sondern auch bereits erteilte Genehmigungen umfasste, entspricht einer Forderung, die in der Öffentlichkeit umso forcierter vorgetragen wurde, je mehr über die haarsträubende Aktion, die sich Anfang Oktober im saudischen Generalkonsulat in Istanbul zutrug, durchsickerte.
So konsequent die Entscheidung im ersten Moment erscheint, bleiben doch ein paar Fragen stehen wie hartnäckige sture Kegel, die bei diesem Wurf nicht umfallen wollen. Eine wäre: Warum reagiert die Bundesregierung auf die Aktion eines Killerkommandos, das einen Feind der Herrschaft im Haus Saud zur Seite räumt, aber nicht auf eine brutale Kriegsführung des Königreiches im Jemen, die bislang über 50.000 Tote und Millionen Hungernde und von Krankheiten und Schwäche gezeichnete Menschen auf dem Konto hat? Der saudische Wahnsinn im Jemen hätte längst nach Konsequenzen verlangt.
Quelle: Telepolis
dazu: „Das Weiße Haus arbeitet als PR-Firma für den saudischen Kronprinzen“
Donald Trump stellt sich an die Seite Saudi-Arabiens. Die wirtschaftlichen Beziehungen zur Königsfamilie sind ihm wichtiger als deren mutmaßliche Beteiligung am Mord an Jamal Khashoggi. Die Kritiker des Präsidenten sind entsetzt.
„Amerika zuerst! Die Welt ist ein sehr gefährlicher Ort!“ So beginnt die Erklärung, die das Weiße Haus am Dienstag veröffentlichte, um Donald Trumps jüngste Wendung in Sachen Saudi-Arabien zu rechtfertigen. „Sehr einfach gesagt, nennt man das Amerika zuerst!“ schließt der Text. Dazwischen steht, im Ton von Trumps mäandernden Reden, die unverhohlene Zurückweisung der politischen Bedenken gegen Saudi-Arabien nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi. Die mit Ausrufezeichen reich bedachte Erklärung stellt vor allem eines klar: die wirtschaftlichen Interessen Trumps und vermeintlich der Vereinigten Staaten sind wichtiger als Erkenntnisse über die mutmaßlichen Mörder und Mittäter.
„Nach meinem hart ausgehandelten Besuch in Saudi-Arabien im letzten Jahr willigte das Königreich ein, 450 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten auszugeben und zu investieren,“ heißt es in dem Text. Hunderttausende Jobs würden so geschaffen. In der Rüstungsindustrie, deren Firmen die Erklärung zum Teil aufzählt, würden 110 Milliarden Dollar ausgegeben. Das aufzugeben wäre nur ein „wundervolles Geschenk“ an Russland und China, die statt Amerika dann die Geschäfte mit den Saudis machen würden.
Quelle: FAZ
Anmerkung Jens Berger: Dass die Transatlantiker nun die unmoralische Partnerschaft zwischen den USA und Saudi Arabien zu einer „Trump-Sache“ machen, ist schon putzig. Trump unterscheidet sich in seiner Politik in diesem Punkt in keinem Jota von seinen Vorgängern seit Ronald Reagan.
und: Bin Salman wüsste von Trump gerne, wie viele Journalistenmorde er noch frei hat
Riad, Washington (dpo) – Einmal ist keinmal, aber wo liegt die Grenze? Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wüsste gerne von Donald Trump, wie viele ungestrafte Ermordungen von Journalisten er noch frei hat. Nur so könne er das weitere Vorgehen gegen Kritiker seines Regimes planen.
Quelle: Der Postillon
- Ermittlungen gegen Bank-Mitarbeiter: Spur zu neuem Steuerraub
Die Staatsanwaltschaft geht einer neuen Masche nach, mit der womöglich Banker und Aktienhändler Millionen Steuergelder ergaunerten. Nach Recherchen von WDR und “SZ” soll der Trick auf Phantom-Papieren basieren.
Eigentlich glaubte die Bundesregierung, sie habe den größten Steuerraubzug der Bundesgeschichte gestoppt: Bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften ließen sich Banker, Aktienhändler und reiche Investoren in den Jahren vor 2012 geschätzte 30 Milliarden Euro an Steuern erstatten, die sie anscheinend nie gezahlt hatten. Milliardensummen, die für Kindergärten, bezahlbare Wohnungen und Internetleitungen fehlten. Doch seitdem treibt nicht nur Finanzminister Olaf Scholz die Frage um: Haben Finanzjongleure einen neuen Weg gefunden, um die deutschen Staatskassen weiter zu plündern?
Quelle: Tagesschau
dazu: Steuer-Skandal: #CumFake Bombe platzt
Déjà-vu? Neue Enthüllungen über Steuer-Abzocke: Kürzlich kofferte die Bundesregierung uns noch an, wir hätten Phantomschmerzen wegen der Cum-Ex-Files. Und jetzt platzt diese Bombe!
Quelle: Fabio De Masi via YouTube
Anmerkung JK: Was blüht uns alles, wenn erst ein lupenreiner Lobbyist der Finanzindustrie Bundeskanzler wird?
und: Steuerraub stoppen! Olaf, hol die Cum-Ex-Milliarden zurück!
Attac-Aktivisten skandalisieren Besuch von Olaf Scholz auf der Euro Finance Week (…)
Der Finanzminister trifft sich lieber bei Sekt und Häppchen mit Vertretern der Finanzwirtschaft, statt aktiv die Verfolgung von internationalem Steuerbetrug und -vermeidung in Milliardenhöhe sowie eine Reform des Finanzsystems voranzutreiben. “Olaf Scholz besucht die Topmanager internationaler Banken, als wäre nichts geschehen. Die Bürger*innen wurden aber gerade mit Hilfe dieser Unternehmen durch Cum-Ex-Geschäfte in Höhe von bis zu 33 Milliarden Euro Steuergeld bestohlen”, stellt Alfred Eibl, Mitglied des Koordinierungskreises von Attac fest. “Statt von den Banken Schadenersatz und rigorose Aufklärung zu verlangen, gewährt der Finanzminister mit seinem Besuch politische Protektion. Jeder ehrliche Mensch muss sich damit als Trottel fühlen.” Besonders erschreckend ist, dass der größte bisher bekannte europäische Steuerskandal nicht durch staatliche Untersuchungen aufgedeckt wurde, sondern wiederum von mutigen Einzelpersonen und Journalist*innen. (…)
Attac fordert deshalb:
Eine Generalklausel (Missbrauchsklausel) in der Steuergesetzgebung, die Unternehmen unter Strafandrohung verbietet, organisatorische oder buchhalterische Maßnahmen vorzunehmen mit dem Ziel
Gewinne nicht voll zu versteuern
Steuern nicht an dem Ort zu zahlen, wo die Geschäftstätigkeit stattfindet
Steuerrückzahlungen zu erlangen, obwohl keine entsprechenden Steuern gezahlt wurden.
Ein Unternehmensstrafrecht: Steuervergehen von Firmen müssen unabhängig von Nachweis der individuellen Schuld einzelner Manager*innen mit einem Bußgeld bis zum zehnfachen Betrag der nicht gezahlten Steuer bestraft werden können.
Manager*innen müssen verpflichtet werden, Verstöße gegen das Steuerrecht aktiv zu verhindern. Danach machen sie sich strafbar, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie alle notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um illegale Steuervermeidung zu verhindern. Firmen müssen für jeden Geschäftsbereich Verantwortliche im Management benennen.
Die gleichen Regeln müssen auch für Steuerberatungsfirmen gelten. Bei Verstößen können diesen auch die Lizenz entzogen werden.
Eine wirksame europäische Steuerbehörde und eine europäische Finanzpolizei, die bei Steuerdelikten von internationalen Konzernen tätig werden kann. Zugleich muss das Bundeszentralamt für Steuern gestärkt und in die Lage versetzt werden, eigenständig Ermittlungen an sich zu ziehen.
Quelle: attac
- Hartz IV
- Die große Luftnummer
Der Beitrag von Andrea Nahles “Für eine große Sozialstaatsreform” aus der FAZ vom 16. November ist nun auch auf der Seite der SPD erschienen. Um es vorwegzunehmen: Der Text ist eine herbe Enttäuschung, da die SPD-Führung einmal mehr eine große Luftnummer verbreitet, die zwar viel Wirbel erzeugt, im Kern aber nichts Neues enthält. Denn die Fragestellung, was nach Hartz IV kommen soll, rührt eben nicht aus einer Kritik an Hartz IV selbst. Im Gegenteil. Die Agenda-Politik wird weiterhin als Erfolgsgeschichte verklärt. (…)
Es geht also erneut um einen Etikettenschwindel, den das Satiremagazin “Der Postillon” mal unter der Überschrift “SPD läutet traditionelles linkes Halbjahr vor wichtigen Wahlen ein” treffend beschrieb. Nahles liefert dabei schon jetzt schöne, aber widersprüchlichen Formulierungen. So schreibt sie:
“Zum Symbol für das Misstrauen des Staates gegenüber den Grundsicherungsbeziehern sind die Sanktionen geworden.”
Heißt das nun, die SPD will diese Praxis künftig abschaffen? Nahles laviert herum.
“Niemand hätte aber auch Verständnis, wenn Regelverstöße und der Missbrauch von Sozialleistungen ohne Konsequenzen blieben. Leistungssperren müssen aber immer das letzte Mittel sein. Das Existenzminimum eines Menschen darf niemals in Frage gestellt werden.”
Was die SPD-Chefin nun konkret will, bleibt unklar, vermutlich allen gefallen. Und zwar denen, die jetzt verschreckt denken, die SPD wolle Hartz IV tatsächlich beerdigen, was nicht stimmt, wie auch denen, die bereits in regelrechte Begeisterungsstürme verfallen und plötzlich an einen Befreiungsschlag ihrer Parteichefin glauben.
Immerhin wird sich das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich im Januar 2019 erstmals mit der Sanktionspraxis des SGB II beschäftigen. Ob dabei aber mehr als heiße Luft herauskommen wird, bleibt fraglich. Wie sollte man auch das offenkundig verfassungswidrige massenhafte Kürzen des Existenzminimums, das es seit 14 Jahren gibt, angemessen heilen oder gar sanktionieren. Das Gericht weiß es wohl selbst nicht so genau und hat daher seit 2016 lieber andere Entscheidungen vorgezogen, wie die zum dritten Geschlecht.
Quelle: TauBlog
- SPD-Chefin Nahles über Hartz IV: ”Das System flößt Angst ein”
Andrea Nahles will das Trauma Hartz IV überwinden. Im Interview verteidigt die SPD-Vorsitzende ihren Vorstoß – und stichelt gegen Grünen-Chef Habeck.
SPIEGEL ONLINE: Sie werben für ein Bürgergeld als neues System der Grundsicherung, bleiben in den Details aber vage. Auffallend ist, dass tragende Säulen Ihres Vorschlags die gleichen sind wie in Hartz IV: Bedarfsprüfung, Mitwirkungspflicht – und Sanktionen. Was ist denn im Kern neu am Bürgergeld?
Nahles: Zentral anders ist das Menschenbild. Hartz IV kommt aus einer anderen Zeit. Die Arbeitslosigkeit war doppelt so hoch und die Debatte um den Missbrauch des Sozialstaats allgegenwärtig. Es ist mit Perspektive auf den Missbrauch konstruiert worden – und nicht auf diejenigen, die es brauchen. Deshalb ist Hartz IV bis heute vom Bild des faulen Arbeitslosen geprägt. Ich halte dieses Bild für falsch. Das Bürgergeld geht dagegen den zugewandten Weg. Es gibt Menschen, die Unterstützung brauchen und erhalten müssen – und von denen im Gegenzug erwartet werden kann, dass sie dabei mitwirken.
SPIEGEL ONLINE: Es gelten die gleichen Prinzipien, nur das Menschenbild ist freundlicher?
Nahles: Nein, der Perspektivwechsel hat sehr konkrete Auswirkungen. Zwei Beispiele: Erstens, wenn es einerseits Sanktionen gibt, könnte es andererseits künftig auch einen Bonus für die Betroffenen geben etwa für besonderen Einsatz bei der Mitwirkung. Und Sanktionen dürfen nicht wie aktuell das Existenzminimum antasten. Denkbar sind ja beispielsweise auch andere Sanktionen als Leistungskürzungen. Zweitens müssen wir die Bürokratie reduzieren und Zuständigkeiten klarer machen. Die ganze Haltung muss sein: Hier wird mir geholfen, nicht: hier bin ich Bittsteller. Das ist übrigens auch die Haltung, mit der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern ihre Arbeit verrichten möchten. Auch die leiden unter manchen Regeln, die das jetzige System hat.
Quelle: Spiegel Online
dazu: Nahles nun doch wieder für Sanktionen in HartzIV
Allerdings dürfe das Existenzminimum nicht angetastet werden. Denkbar seien ja auch andere Sanktionen als Leistungskürzungen … Was schwebt Ihr denn so vor als Sanktion? Jetzt fehlt mir zugegebenermaßen doch etwas die Phantasie, um ihr noch folgen zu können.
Quelle: Ulrich Schneider via Facebook
- DGB-Chef Hoffmann lehnt Grünen-Pläne für Hartz IV ab
Herr Hoffmann, in aller Kürze: War Hartz IV eher Fluch oder eher Segen für den Arbeitsmarkt?
Reiner Hoffmann: Beides. […]
Welcher Teil von Hartz IV muss bleiben?
Einige Punkte waren sinnvoll, zum Beispiel die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld.
Die Grünen wollen das Hartz-System reformieren, indem sie Arbeitslose nicht mehr zwingen wollen, Arbeit aufzunehmen. Kann das gut gehen?
Das ist keine gute Idee. Erwerbsarbeit ist mehr als nur Broterwerb. Arbeit ist Teilhabe und wichtig für den sozialen Zusammenhalt. Die Grünen wollen Menschen eine staatliche Leistung zahlen – ohne Bedingungen und ohne Perspektive für den Arbeitsmarkt. Das wollen die meisten gar nicht. Wir sollten Menschen nicht ausmustern. Ich bin gegen jede Form von Stilllegungsprämien – wie immer man sie nennt.
Quelle: WAZ
Anmerkung Jascha Jaworski: Reiner Hoffmann rechtfertigt hier nicht nur die Streichung der Arbeitslosenhilfe, also den Abbau sozialer Rechte der abhängig Beschäftigten, er begründet auch das wahrlich drakonische Sanktionsregime ernsthaft mit sozialem Zusammenhalt? Wie surreal geht es eigentlich noch solch einen Zusammenhang herzustellen? Haben zudem der Abbau der Leistungen bei Arbeitslosigkeit, die Verschärfung von Zumutbarkeit und Sanktionierungen die Machtverhältnisse auf “dem Arbeitsmarkt” wohl gestärkt oder geschwächt? Wessen Interessen vertritt der Mann da oben? Und wer holt ihn da weg? Welch unzivilisierte Zeiten, in denen den Menschen in einem reichen Land Wohnung und Heizung gestrichen wird, wenn sie nicht gehorchen. Erinnerung: Unter 25jährige Personen erhalten diese Totalsanktion bereits beim zweiten “Verhaltensverstoß”, da werden Wohnungslose produziert, und die am schwersten betroffene Gruppe im ALG-II sind ohnehin die alleinerziehenden Mütter! Hier wird also Kinderarmut produziert! Und der oberste Gewerkschaftsvertreter rechtfertigt sie ohne Not! Erinnert sei an die scharfe Rüge des Prüfausschusses zum UN-Sozialpakt, die erst gegen Deutschland und sein ALG-II-System ausgeteilt wurde.
Anmerkung JK: So einen Quatsch verbreitet der DBG-Chef. Das zeigt wie weit der Herr von der Lebensrealität der Menschen entfernt ist und welche gesellschaftspolitische Rolle der DGB inzwischen hat. Welche Teilhabe vermittelt eine Arbeit bei der der Lohn nicht einmal zum reinen Lebenserhalt ausreicht? Welche Teilhabe vermitteln demütigende und erniedrigende Arbeitsbedingungen und welchen sozialen Zusammenhalt schaffen diese? Im Grunde ist Hoffmann also für den Erhalt des Hartz IV Repressionsregimes.
Anmerkung Christian Reimann: Ist das die Einzelmeinung des Herrn Hoffmann oder Konsens innerhalb des DGB und seiner Einzel-Gewerkschaften? Oder sprach Herr Hoffmann in seiner Eigenschaft als SPD-Mitglied?
- Wirtschaftsweise gegen Abschaffung von Hartz IV
SPD und Grüne wollen Hartz IV hinter sich lassen und diskutieren neue Sozialleistungen. Die Ökonomen Christoph Schmidt und Peter Bofinger warnen: Das würde “zu Lasten der Schwächsten gehen”.
SPD-Chefin Andrea Nahles stellte vor wenigen Wochen ihre Pläne für eine neue Grundsicherung und ein “Bürgergeld” vor. Grünen-Chef Robert Habeck will Hartz IV gar für eine “Garantiesicherung” ohne Arbeitszwang abschaffen. Diese Vorstöße bis hin zu einer Abkehr vom bestehenden Sozialsystem stoßen jedoch auf zunehmend heftigen Widerstand.
Nun haben auch die Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt und Peter Bofinger in der “Rheinischen Post” die Reformpläne zurückgewiesen. “Die Arbeitsmarktreformen der 2000er-Jahre haben dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung ist”, sagte Schmidt, der Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) ist. “Jetzt dem Prinzip des ‘Förderns und Forderns’ abzuschwören, würde vor allem zu Lasten der Schwächsten gehen.”
Auch der gewerkschaftsnahe Ökonom Bofinger hält dem Bericht zufolge wenig von den Reformplänen von SPD und Grünen. “Ein solcher Systemwechsel wäre voraussichtlich sehr teuer, und das Fehlen jeglicher Arbeitsanreize wäre auch für die Betroffenen nicht unbedingt vorteilhaft”, sagte er der “Rheinischen Post”. Ohne Kontrolle und den Zwang zur Arbeit würde “de facto von einem bedingten zu einem bedingungslosen Grundeinkommen” übergegangen.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung JK: Weshalb die Abschaffung des Hartz IV Repressionsregimes “vor allem zu Lasten der Schwächsten gehen” soll, erschließt sich nur jemanden, der eben Anhänger der bizarren neoliberalen Ideologie ist. Interessant ist, dass hier den Neoliberalen plötzlich der Terminus “Gerechtigkeit” einfällt, wenn es um Repression gegen die ärmsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft geht. Zu den aggressiven Steuerbetrugspraktiken der Reichen und Superreichen über Cum-Ex-Geschäfte und aktuell über sogenannte Phantom-Aktien fällt den sogenannten “Top-Ökonomen” dagegen nie etwas ein.
Wer einen guten Magen hat, kann sich hier die Statements der versammelten neoliberalen Ideologen (Top-Ökonomen) antun.
- Wirtschaftswissenschaftler Sell über Studie: Geld vom Staat kommt bei Kindern an
Fußball, Gitarrenunterricht, Ballettstunde: So oder ähnlich verbringen Kinder ihre Freizeit. Dafür gibt es Kindergeld, das kommt laut einer Studie auch bei den Kindern an. Ökonom Stefan Sell findet einen Aspekt darin besonders beachtenswert. Laut einer Studie kommen finanzielle Direkthilfen vom Staat für arme Familie auch tatsächlich bei Kindern an. Die Einschätzung, dass ein Plus dieser Hilfen von den Eltern für Alkohol, Tabak oder Unterhaltungselektronik ausgegeben werde, ist nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung falsch.
Sie bezieht sich dabei auf das Ergebnis einer Analyse des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Das ZEW hatte im Auftrag der Stiftung untersucht, wie sich das Kindergeld und das in einigen Bundesländern ausgezahlte Landeserziehungsgeld auf das Ausgabeverhalten von Familien auswirken. Die Forscher werteten dabei Zahlen aus dem Zeitraum von 1984 bis 2016 aus.
Der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Sell sieht in der Studie „ein weiteres Beweisstück in einer wichtigen Argumentation“. Der Vorwurf, dass massenhaft Eltern von Hartz-IV-Kindern Geld, das ihnen zur Verfügung gestellt werde, zweckentfremden würden, sei durch diese empirische Studie so nicht haltbar – von Einzelfällen abgesehen.
Quelle: Deutschlandfunk Kultur
Anmerkung André Tautenhahn: In Wirklichkeit ist es so, dass Eltern für ihre Kinder auf Dinge verzichten, gerade um zu niedrig bemessene Sozialleistungen auszugleichen, sagen Sozialarbeiter. So gibt es beispielsweise ein Schulbedarfspaket über das Bildungs- und Teilhabepaket in Höhe von 100 Euro jährlich. Laut einer Studie der Diakonie in Niedersachsen, die inzwischen auch bei der Bundesregierung angekommen sein soll, fehlen allerdings durchgehend und unabhängig von der Schulform in jeder Jahrgangsstufe mindestens 50 Euro. Um ihren Kindern trotzdem Teilhabe zu ermöglichen, verzichten Eltern daher auf notwendige Anschaffungen oder versuchen Zahlungsverpflichtungen wie die Miete hinauszuschieben. Selbstverständlich kommt daher mehr Geld vom Staat bei den Kindern an. Es fehlt dort ja auch am dringendsten.
- Finanzsenator will Abgeordnetenhaus ausschalten
Der Volksinitiative “Unsere Schulen” wurde am Vorabend der Hauptausschuss-Sitzung am 21.11.2018 Folgendes mitgeteilt:
Die Volksinitiative darf die am 7. November unvollständig geblieben Anhörung nicht abschließen.
Das Abgeordnetenhaus soll nach Auffassung des Finanzsenators Kollatz zum Rahmenvertrag mit der Howoge nicht befragt werden.
Damit könnte durch die “zustimmenden Kenntnisnahme” am 21. November im Hauptausschuss die Schulprivatisierung faktisch als beschlossen betrachtet werden! Das ist ein Skandal ohnegleichen. Die Eile des Ganzen kann nur als gegen die Demokratie gerichtet verstanden werden.
Quelle: Gemeingut in BügerInnenhand
- Die Miet-Gewinnmaschine
In Deutschland vermietet niemand mehr Wohnungen als Vonovia. Und vermutlich hat niemand so viele wütende Mieter. Kein Wunder: Der Dax-Konzern schröpft seine Kunden, wo er kann – und greift dabei zu zweifelhaften Methoden.
Gerd Stimmelmaier hat gut zu tun. Der frühere Controller kümmert sich um die Nebenkostenabrechnungen vieler Mieter einer Wohnanlage im Münchener Vorort Neuried. Seit Vonovia die Anlage 2014 gekauft hat, wird es jedes Jahr teurer: der Winterdienst, der Hausmeister, das Rasenmähen. Warum? Stimmelmaier hat mehr als 600 Seiten Unterlagen ausgewertet, Rechnungen, Belege und Tätigkeitsnachweise. Hat Einzelbeträge zusammengezählt, Datumsangaben kontrolliert und geprüft, ob Arbeiten tatsächlich durchgeführt wurden.
Sein Fazit ist ernüchternd: Die Abrechnungen von Vonovia seien oft fehlerhaft, die vorgelegten Belege vielfach “dubios” – und die Kosten viel zu hoch. Dass sich ein profitorientierter Dax-Konzern wie Vonovia um seine Mieter kümmern würde, davon sind die Neurieder gar nicht ausgegangen. Doch nun glauben sie, dass Deutschlands größter Vermieter sie übervorteilt.
Wer nach dem Ursprung der Gewinnmaschine fragt, wird vielleicht an der Frankfurter Börse Antworten finden. Dort glänzt der Dax-Konzern Vonovia seit Jahren mit rasantem Wachstum. Seit dem Börsengang im Jahr 2013 ist der Aktienkurs um 148 Prozent gestiegen.
Mit dem klassischen Vermietungsgeschäft hat das allerdings wenig zu tun – das bringt einfach zu wenig Profit. Mit Erhöhungen der Kaltmiete steigerte Vonovia seine Miete pro Quadratmeter im vergangenen Jahr um mickrige 1,6 Prozent, weniger als die Inflationsrate. Erst Modernisierungen von Wohnungen, die der Konzern auf seine Mieter umgelegt hat, brachten weitere 2,5 Prozent.
Seit Jahren kauft der Konzern Wohnungen auf, rund 350.000 sind es mittlerweile. Und nachdem der deutsche Markt abgegrast ist, geht es nun in Österreich, Frankreich und Schweden weiter.
Neben der Kaltmiete hat Vonovia die Nebenkosten seiner Mieter als Einnahmequelle entdeckt. Statt externe Firmen zu beauftragen, übernimmt der Immobilienkonzern viele Aufgaben mittlerweile mit eigenen Tochterfirmen und streicht die Profite ein. Der Schachzug ist clever: Vermieter haben große Freiheiten, wen sie etwa mit der Treppenhausreinigung oder dem Winterdienst betrauen. Und sie können auch selbst entscheiden, ob beispielsweise ein Spielplatz einmal im Monat kontrolliert wird, oder einmal in der Woche. Vonovia bestellt, Vonovia kassiert – und der Mieter muss zahlen.
Quelle: SPON
dazu: Fünf Euro pro Quadratmeter – so geht’s
Nahezu in allen Metropolen der Welt steigen die Mieten. Und man kann nichts dagegen tun? Die rot-grüne Regierung der Stadt Wien will beweisen, dass das nicht stimmt. Sie beschließt an diesem Donnerstag eine neue Bauordnung, die einem Paukenschlag gleichkommt.
Mit der Neuregelung will Wien der Teuerung durch drastisch steigende Grundstückspreise entgegenwirken. Als Ursache macht die Politik vor allem Großinvestoren aus, die seit dem Finanzcrash 2008 und in Zeiten niedriger Zinsen in Immobilien ein sicheres und renditeträchtiges Investment sehen.
In der neuen Bauordnung wird es die Widmung “Gebiete für geförderten Wohnbau” geben. Demnach müssen zwei Drittel aller neuen Wohnungen, die künftig gebaut werden, in die Kategorie “geförderte Wohnnutzfläche” fallen, wie es bürokratisch heißt. Die Miete darf hier nicht mehr als fünf Euro netto pro Quadratmeter betragen.
Schon jetzt ist die Stadt Wien mit 220.000 städtischen Wohnungen in Gemeindebauten und weiteren 180.000 städtisch geförderten Genossenschaftswohnungen der größte Immobilieneigentümer und -verwalter der Welt. Deswegen und wegen einer Gesetzeslage, die Mieter relativ stark schützt, sind die Mieten in Wien im Vergleich zu Städten wie München oder Hamburg relativ niedrig. […]
Das geförderte Wohnen ist ein Wiener Modell, das nach dem Zusammenbruch des Habsburger Reichs in Folge des Ersten Weltkriegs angesichts großer Wohnungsnot von den Sozialdemokraten erfunden wurde. Nach Angaben Chorherrs ist der Anteil des geförderten Wohnbaus in Wien von einst 80 Prozent auf weniger als ein Drittel gesunken. Der soll nun nach dem Willen der Politik wieder steigen.
Betroffen von dem Gesetz sind neue Flächen, die fürs Wohnen ausgewiesen werden. Die Regelung soll stadtweit gelten, Ausnahmen beispielsweise für besonders reiche Viertel soll es nicht geben. Zudem soll sie nur für größere Projekte gelten, nicht für die Aufstockung bestehender Wohnanlagen oder für Einfamilienhäuser.
Das Vorhaben kommt bei großen Bauträgern erwartungsgemäß nicht gut an. Dem Vernehmen nach sehen einige darin einen Angriff auf längst abgeschlossene Grundstückskäufe, die noch nicht für den Bau von Wohnungen freigegeben wurden. Man habe hohe Preise gezahlt, die nicht refinanzierbar seien, wenn jetzt nur fünf Euro Miete pro Quadratmeter für zwei Drittel der Wohnfläche verlangt werden dürften, heißt es. Bei SPÖ und Grünen entgegnet man, diese Investoren seien selbst dafür verantwortlich, die Preise in die Höhe getrieben zu haben. Nur mit politischen Maßnahmen könne man diesen Anstieg stoppen.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung JK: Genau, so geht’s. In der marktkonformen Demokratie in Deutschland geht es nicht. Es ist nur wieder erstaunlich, dass niemand sich an der völligen Untätigkeit und der unflektierten Unterwerfung aller politisch Verantwortlichen von FDP bis zu den Grünen unter das neoliberale Dogma des freien Marktes stört.
- CDU nimmt Finanzierung der Deutschen Umwelthilfe ins Visier
Weil sie ein Fahrverbot nach dem anderen erzwingt, muss die Deutsche Umwelthilfe viel Kritik einstecken. Die CDU will ihr die Finanzierung erschweren.
Die CDU könnte bei ihrem bevorstehenden Bundesparteitag die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) infrage stellen. Eine Aberkennung fordert der CDU-Bezirksverband Nordwürttemberg von Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger in einem entsprechenden Antrag. Das geht aus dem vorläufigen Antragsbuch der CDU für den Parteitag am 7./8. Dezember in Hamburg hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.
Die Antragskommission der Partei empfiehlt darin, den Antrag in der Fassung anzunehmen: „Die CDU Deutschlands fordert zu prüfen, ob die Deutsche Umwelthilfe noch die Kriterien für die Gemeinnützigkeit erfüllt.“ Falls die DUH den Status verliert, wird es für sie möglicherweise schwieriger, sich zu finanzieren. Spenden an sie sind dann nicht mehr absetzbar.
In einem weiteren Antrag fordert Bilgers Bezirksverband, die Umwelthilfe künftig von der Möglichkeit zur Erhebung von Verbandsklagen im Verwaltungsprozessrecht auszuschließen. Eine Abstimmung darüber ist aber unwahrscheinlich. Die Antragskommission empfiehlt hierzu, den Antrag zur weiteren Beratung an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu überweisen.
Auch im Netz formiert sich Widerstand gegen die Umwelthilfe. Eine Online-Petition, die mittlerweile rund 61.000 Menschen unterschrieben haben (Stand 17.11.2018, 18 Uhr), fordert, dass dem Verein der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll. Der Vorwurf: Die DUH missbrauche den Status zu „wirtschaftlichen Zwecken und schädigt die Allgemeinheit durch Vorsatz“.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung Jens Berger: Man kann zu den Fahrverboten durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Aber einer NGO die Gemeinnützigkeit zu entziehen, weil sie eine Position eingenommen hat, die Gesundheitsgefahren höher als die Interessen deutscher Automobilhersteller wertet, ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Und wenn die DUH von Wladimir Putin höchstpersönlich finanziert wurde, ändert dies kein Jota daran, dass ihre Aufdeckungen beim Dieselskandal einen Industrieskandal aufgedeckt haben, an dem ohne wenn und aber die Automobilhersteller und die deutsche Politik und nicht die DUH verantwortlich ist. Den Boten schlechter Nachrichten zu erschießen, hilft selten weiter.
- Frankreich: Abgeordnete beschließen Gesetz gegen “Fake News”
Wahlkämpfe in Frankreich sollen künftig besser vor “Fake News” geschützt werden. Ein dazu gedachtes Gesetzespaket wird aber heftig kritisiert.
Frankreichs Nationalversammlung hat trotz heftiger Kritik der Opposition ein Gesetzespaket gegen gezielt gestreute Falschinformationen in Wahlkampfzeiten beschlossen. Die Abgeordneten stimmten am Dienstagabend mehrheitlich für zwei Entwürfe – zuvor war das Gesetz im Senat gescheitert. Die Abgeordneten hatten nun das letzte Wort. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte sich Anfang des Jahres für neue Regeln gegen “Fake News” in Wahlkampfzeiten ausgesprochen.
Die Gesetze sollen es zum Beispiel ermöglichen, dass sich Kandidaten in den drei Monaten vor Wahlen im Eilverfahren gegen die Verbreitung von Falschinformationen im Internet wehren könnte. Ein Richter könnte dann beispielsweise Internetanbieter verpflichten, den Zugang zu diesen Inhalten zu sperren. Bedingung wäre, dass die Falschinformationen vorsätzlich und massiv verbreitet werden und geeignet sind, die Wahl zu beeinflussen. Außerdem sollen soziale Netze wie Facebook und Twitter transparenter mit der bezahlten Verbreitung von Inhalten umgehen.
Gegen die Gesetzespläne hatte sich heftiger Widerstand der Opposition, aber auch beispielsweise von Journalisten geregt. Oppositionspolitiker warnten vor der Gefahr einer “Gedankenpolizei” und “Zensur”. Linke und Rechte stimmten nun im Parlament dagegen oder enthielten sich. Die Gesetze sollen noch vor der anstehenden Europawahl in Kraft treten.
Quelle: Telepolis
Anmerkung JK: Ich halte das für eine sehr gefährliche Entwicklung. Offenbar sehen die Neoliberalen keine andere Möglichkeit mehr ihre bizarre Ideologie durchzusetzen, als über die Einschränkung der Meinungsfreiheit.
- Brillanter Denker und Aktivist – Noam Chomsky wird 90
Er ist einer der großen linken Intellektuellen der USA: Noam Chomsky, Philosoph, Sprachwissenschaftler, Kritiker, Aktivist und Visionär. Am 7. Dezember wird er 90 Jahre alt. Gerade ist seine Schrift “Kampf oder Untergang!” erschienen, ein leidenschaftlicher Appell, “gegen die Herren der Menschheit” aufzustehen. ttt hat den brillanten Denker in seinem Heimatort Tucson im US-Bundesstaat Arizona besucht.
Noam Chomsky, emeritierter Professor für Linguistik am Bostoner MIT und seit 2017 in Arizona zu Hause, hat auch mit knapp 90 nicht vor, sich zur Ruhe zu setzen. Zu viele Fragen sind unbeantwortet, zu viele Probleme ungelöst. Menschheitsfragen, existenzielle Probleme, mit denen er sich zeitlebens auseinandergesetzt hat.
Bis heute findet er harsche Worte, wenn er die amerikanische Politik kritisiert. Donald Trump hat er als “Abrissbirne” der Demokratie bezeichnet. Das Leugnen des Klimawandels nennt er “selbstzerstörerisch”. Und der gesamten westlichen Welt bescheinigt er moralisches Versagen. Chomsky will uns aufrütteln, indem er uns klar macht, wie wenig Zeit uns zum Umdenken bleibt.
Quelle: TTT