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Titel: Internet-Zensur: Die Panik der Meinungsmacher

Datum: 15. November 2018 um 14:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Strategien der Meinungsmache
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Mehrere europäische Länder planen neue Eingriffe und Zensur: Die kritische Kommunikation im Internet wird aktuell von diversen Seiten angegriffen. Damit wird an zahlreiche Zensurmaßnahmen der jüngeren Vergangenheit angeschlossen. Ziel der Vorstöße ist nicht die Kriegspropaganda großer Medienkonzerne, sondern die Kritik alternativer Medien. Zwar wird offiziell „rechte Hass-Sprache“ als Adressat definiert, aber der Zensur-Aktionismus kann jeden treffen. Er ist einerseits bedrohlich, andererseits illustriert er die Verunsicherung der Meinungsmacher. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die freie Meinungsäußerung im Internet wird durch aktuelle europäische Vorhaben von diversen Seiten bedroht: So fordert die Regierung Österreichs ein “digitales Vermummungsverbot” und ein Netz-Durchsetzungs-Gesetz (NetzDG) nach deutschem Vorbild. Außerdem muss laut jüngsten Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das „Internet reguliert werden, um frei zu bleiben“. In Deutschland wirkt bereits das NetzDG und es drohen im Rahmen einer Urheberrechts-Reform Uploadfilter, also eine theoretisch mögliche prophylaktische Zensur, wie die NachDenkSeiten hier befürchten.

Man muss die Maßnahmen gegen einen freien Austausch im Internet mittlerweile in einer Liste erfassen – denn die neuen Vorstöße folgen auf eine ganze Reihe von Zensur-Vorhaben der jüngeren Vergangenheit: So sind auf EU-Ebene nicht nur die bereits erwähnten Upload-Filter im Gespräch. Die EU möchte ab 2020 auch den Verbraucherschutz für die Zensur nutzen. Dann werden laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP, behördliche Zugangssperren für Internetseiten möglich sein. Denn ein neues Regelwerk der EU ermächtigt laut FDP künftig sogar Institutionen wie das Eisenbahn-Bundesamt, den Zugang zu Webseiten komplett zu blockieren.

Niemand manipuliert wie die Medienkonzerne

Zudem wurde kürzlich von Facebook und anderen Internetfirmen der EU-Verhaltenskodex gegen Fake News unterzeichnet. Das Problem mit dieser zahnlosen Selbstverpflichtung: Weite Teile der Formulierung zielen offensichtlich auf „russische Manipulationen“ und solche durch alternative Medien. Diese Manipulationen sollen hier nicht ausgeschlossen werden, aber sie haben – selbst wenn die unbelegten Anschuldigungen stimmen sollten – erheblich weniger Einfluss auf die Meinungsbildung als die großen westlichen Medienkonzerne. Deren große Verantwortung an der gesellschaftlichen Spaltung und Verrohung wird gar nicht erst thematisiert. Im Gegenteil, wie „Meedia“ schreibt: Die Digitalkonzerne verpflichten sich demnach zu Investitionen, “um relevante, authentische und maßgebliche Informationen, wo geboten, in Suchen, Feeds und anderen automatisch geordneten Verteilungskanälen den Vorzug zu geben”. Hier wird von der EU unverblümt die Bevorzugung bestimmter (etablierter) Medienkonzerne propagiert. Und damit die Benachteiligung/Zensur alternativer Medien.

Dazu kommen „private“ Initiativen, wie jene von YouTube und Wikipedia gegen „Verschwörungstheorien“: Wie YouTube-Chefin Susan Wojcicki ankündigte, möchten die beiden Plattformen zusammenarbeiten. Wenn YouTube künftig den Verdacht hat, bei einem Beitrag handele es sich um Desinformation, soll laut den Plänen ein Wikipedia-Text daneben stehen, der “Fakten liefert, die der Theorie widersprechen“. Da die Defizite sowohl von YouTube als auch von Wikipedia bekannt sind, ergeben sich die Zweifel an dem Modell von selbst: Wer klassifiziert hier nach welchen Kriterien Texte als „Verschwörungstheorie“?

„Echte“ Meinungsfreiheit durch Zensur

Deutschland leistet sich trotz scharfer Experten-Kritik das mangelhafte NetzDG. Zusätzlich ist ein Medienstaatsvertrag geplant, der zukünftig auch alternative Medien zur Beantragung einer Rundfunklizenz verpflichten könnte, wie die NachDenkSeiten beschrieben haben. Auch der diskutierte UN-Migrationspakt enthält Richtlinien, die einer Zensur zumindest nahekommen könnten, wie weiter unten im Text beschrieben wird.

Was alle diese Pläne verbindet, ist ihre in ablenkenden Worten dargebrachte Daseinsberechtigung. So wird in diesen Papieren kein einziges Mal von Zensur oder auch nur von Einschränkung gesprochen. Im Gegenteil – in einer gewagten und an George Orwell erinnernden Wortakrobatik wird die Situation so dargestellt: „Echte“ Meinungsfreiheit ist erst dann hergestellt, wenn die „rechten Populisten“ durch Zensur zum Schweigen gebracht wurden. Die Regelungen sollen also eine Bresche der Freiheit in die bestehende, durch „rechte Hass-Sprache“ erzeugte Zensur schlagen. In diese Richtung wirkt mutmaßlich auch eine aktuelle (möglicherweise gut gemeinte) Aktion von Campact gegen „Hass-Sprache“. Den undurchschaubaren Charakter von Campact hat Albrecht Müller jüngst hier und hier verdeutlicht.

Alle Kritiker können als „rechts“ gebrandmarkt werden

Gerichtlich überführte Nazi-Blogger sollen gesperrt werden und die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Es ist aber ein mittlerweile bekanntes Phänomen, dass mit dem vorgeblichen Kampf gegen „rechte Hass-Sprache“ Regelungen begründet werden, die, einmal eingeführt, potenziell auf alle Bürger angewandt werden können. Dazu kommt, dass viele politischen Begriffe ihre Bedeutung verloren haben: So werden in transatlantisch orientierten Medien Kritiker an US-Kriegen bereits als „rechts“ diffamiert. Der Schritt, solche berechtigte Kritik als „rechte Hass-Sprache“ zu definieren, wäre nach dieser dominanten Lesart also gar nicht mehr so abwegig. Dann könnte man die Kritik zensieren und hat nach eigener Definition auch noch etwas für die „Freiheit“ getan.

Dazu kommt eine Verwässerung der juristischen Begriffe: Es gibt keine feste Definition von „Fake News“ und „Hass-Sprache“ – fordert man aber dennoch deren Verbot, so kann dieses Verbot sprachlich gestreckt und dadurch auf beliebige Kritiker angewandt werden. Es gibt bereits klare juristische Regelungen zu konkreten verbalen Verfehlungen wie Volksverhetzung oder Beleidigung – zum Konstrukt der „Hass-Sprache“ gibt es diese nicht, dennoch wird offiziell so getan. Das NetzDG entkräftet hier den Staat, weil er die Internetfirmen zur Löschung auf „Verdacht“ verpflichtet, ohne dass ein Gericht über die Strafbarkeit von angeblichen Hasskommentaren entschieden hätte. Die Folge ist eine (antijuristische) Parallelgerichtsbarkeit unter anderem durch Internetkonzerne. Der Einsatz von vorbelasteten privaten Organisationen wie „Correctiv“ oder „Atlantic Council“ gegen „Fake News“ unterhöhlt das Gewaltmonopol des Staates zusätzlich – diese Organisationen sind nicht legitimiert, politische Zensur auszuüben, schon allein wegen der eigenen Interessenkonflikte.

Zensur-Koalition: Staatliche Stellen, private Medienkonzerne, neoliberale Thinktanks

Die bestimmenden europäischen und US-amerikanischen Medienkonzerne sind die mit Abstand größten Fake-News-Produzenten der Gegenwart. Hinter den jahrelang andauernden Kampagnen wie jenen zum „Volksaufstand“ in Syrien oder zu den „russischen Einmischungen“ im US-Wahlkampf steht ein finanzieller und logistischer Aufwand, den Internet-Blogger gar nicht schultern könnten. Der hysterische Verweis jener großen Medien auf die „Manipulationen des Internets“ sollte daher vor allem als Heuchelei und Ablenkung gedeutet werden.

Nochmals die Betonung: Manipulationen durch Blogger – auch durch „rechte“ Blogger – sind nicht zu leugnen und wenn ein Gericht ihnen Delikte nachweist, dann sollen sie gelöscht und hart bestraft werden. Aber nicht auf Betreiben von Facebook oder dem Atlantic Council. Denn wenn sich private Medienkonzerne, neoliberale Thinktanks und staatliche Stellen gemeinsam daran machen, die Kritik und die Konkurrenz als rechten Hass abzutun, so ist das nicht nur die erwähnte Heuchelei, sondern es ist eine große Gefahr für die Demokratie. Das hat auch der Wirtschaftsblogger Norbert Häring gerade im Zusammenhang mit dem umstrittenen Migrationspakt der UN festgestellt:

„Der Pakt lässt keinen Raum für legitime Kritik an der Förderung von Migration. Es gibt nur den Gegensatz von „Migration ist gut für alle und förderungswürdig“ oder „Hass und Fremdenfeindlichkeit“. In diesem Kontext gelesen drängt sich durchaus der Verdacht auf, dass die Partnerschaft von Regierungen und Medien, die der Pakt ausruft, dazu dienen soll, Kritik an der Migrationsförderung zu delegitimieren und nicht kooperative Medien abzustrafen. Dass das Ausrufen einer Partnerschaft von Regierung und Medien, egal bei welchem Thema, der Freiheit und Unabhängigkeit der Medien widerspricht, sollte sich auch Migrationsfreunden ohne weiteres erschließen.“

Der von Jahr zu Jahr verstärkte und in diesen Wochen nochmals zugespitzte Kampf gegen die Meinungsfreiheit im Internet erscheint bedrohlich und unaufhaltsam – einerseits. Andererseits liefert gerade das Internet (noch) die Mittel, um sich zur Wehr zu setzen. Zudem ist der EU-weite Aktionismus zur Internet-Zensur nicht nur eine Gefahr für die kritische Kommunikation – er ist auch ein Zeichen der Sorge der etablierten und enttarnten Meinungsmacher.


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