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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 8. März 2010 um 8:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute unter anderem zu folgenden Themen: Zweifel des Guido W., SPD-Politiker reiten auf der Westerwelle, Niedriglohn, Dresdner-Übernahme, Studienfinanzierung, Interview mit Wolfgang Neskovic, Bahn, Finanzkrise (KR/AM)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung AM: Der Text enthält gut verwertbare Daten. Interessant für alle, die Argumente für ihre Gespräche, Reden, Texte brauchen.
Siehe dazu auch:
Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Trauerspiel, jetzt versucht auch die SPD, mit Hartz-IV bei den NRW-Wahlen zu punkten: Statt Ein-Euro-Jobs mit Null-Euro-Jobs. “Diese Menschen können zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten”. Wo ist da der Unterschied zum “Schnee Schippen” Westerwelles. Versteht sich, dass FDP-Generalsekretärs Christian Lindner die Vorlage aufgreift und sich freut, dass die SPD endlich ein Einsehen habe: “Wir fordern die SPD auf, in der Tradition von Gerhard Schröder und Wolfgang Clement zu einer Politik des Forderns und Förderns zurückzukehren.” Ganz abgesehen davon, dass auch durch einen “Gemeinwohl-orientierten Arbeitsmarkt” normale Jobs verdrängt würden und dass bei einer anderen Arbeitsmarktpolitik (Dänemark) kein Viertel der Langzeitarbeitslosen chancenlos wäre, erweist Hannelore Kraft der SPD einen Bärendienst. Sie nimmt der SPD-Kritik an Westerwelle die Glaubwürdigkeit. Da nützt es wenig, wenn Kraft behauptet, es ginge ihr um eine “würdevolle Perspektive” für Langzeitarbeitslose. Jenseits der Frage, was Kraft will, entsteht doch der Eindruck, dass die SPD die erfolgreiche Arbeitsdienst-Masche Westerwelles kopiert.
Ergänzung AM: Eines will Hannelore Kraft jedenfalls nicht: die Wahl gewinnen.
Anmerkung KR: Dass Arbeitende in Wahrheit deutlich mehr Nettoeinkommen haben und der Anteil der Hartz IV-Empfänger, die sich nicht um eine Verbesserung ihres sozialen Status bemühen, unbedeutend ist, weiß Westerwelle natürlich genau.
Doch er steckt in einer Zwickmühle. Der Wahlerfolg der FDP war der Auftrag an die Partei, auch in Zeiten der Krise große Vermögen vor Besteuerung und Sozialabgaben zu schützen.
Ein Einfluss der FDP auf die Politik der Bundesregierung ist allerdings kaum zu erkennen (von Abstrusitäten wie der Steuersenkung für Hoteliers einmal abgesehen). Zwar kann von einer Sozialdemokratisierung der CDU keine Rede sein, doch das Tempo, das ihr von der rot-grünen Koalition vorgegeben wurde, hält die Regierung beim weiteren Abriss des Sozialstaats (siehe z.B. die Kopfpauschale) durchaus. Mehr geht nicht, ohne dass die CDU ihren Status als Volkspartei gefährdet.
Westerwelle hofft, die frustrierten FDP-Wähler mit populistischen Tiraden noch eine Weile hinhalten zu können. Den Umfrageergebnissen zufolge scheint er damit freilich gescheitert zu sein. Opportunismus kann also kaum der Grund sein, weshalb Hannelore Kraft, Klaus Wowereit, Guntram Schneider und Hubertus Heil (alle SPD) Westerwelles Arbeitsdienst-Forderungen in der öffentlichen Wahrnehmung folgen. Könnte es sein, dass sie sich bloß durch das von Westerwelle vergiftete Klima der öffentlichen Diskussion dazu ermuntert fühlten, offen zu sagen, wie sie wirklich über Langzeitarbeitslose denken?
Anmerkung Orlando Pascheit: Traurig genug, dass Deutschland laut OECD beim Arbeitslosengeld II auf Platz 14 innerhalb der OECD-Länder liegt. Ein deutscher Durchschnittsverdiener bekommt nur 36 % seines früheren Nettolohns. Selbst beim Arbeitslosengeld I liegen wir mit 60 % vom letzten Nettolohn auf Platz 12. Und jetzt wird auch noch bei der Qualifizierung von Arbeitslosen gespart und das Prinzip “Fördern“ endgültig als Märchen entlarvt. Ich habe jetzt gerade nicht die Zahlen dazu parat, aber unsere Politiker sollten, wenn sie von der Flexibilität der Dänen faseln, sich mal anschauen, was die Dänen für die Qualifizierung ihrer Arbeitslosen ausgeben – vom Arbeitslosengeld ganz zu schweigen.
Anmerkung des NDS-Unterstützers JA: Die ZEIT kommt aus ihrer armseligen wirtschaftsliberalen (?) Hartz-IV-/Niedriglohn-Apologetik einfach nicht heraus. Dass man übersieht (?), dass es keine Erfolgsmeldung sein kann, wenn 87% den Niedriglohnsektor nicht verlassen können… dass man sich über die hohe Qualifikation der Betroffenen wundert … gleich der erste Kommentar trifft voll ins Schwarze:
„Selbstbeschäftigung für Akademiker“
Sehr oft ist die Ironie des Lebens unterhaltsamer als das schönste Kabarett:
- Sind Zahlen aus dem Bereich 1999 – 2005, mit Verlaub gesagt, steinalt und repräsentieren bestenfalls Zahlen aus dem beginnenden Strukturwandel. Wir erinnern uns an die erlahmte Hand eines Wirtschaftskanzlers.
- Es braucht nicht viel gesunden Menschenverstand, um zur Erkenntnis zu kommen, dass der Aufstieg in größeren Firmen wahrscheinlicher ist.
Fangen wir im Zwei-Mann-Betrieb an: Dort gibt es Chef und Mitarbeiter. Wohin soll der Mitarbeiter aufsteigen? Im 20-Mann-Betrieb ist die Situation nicht viel anders.- Wir wollen bei aller Zahlenakrobatik nicht vergessen, dass die großen Unternehmer durch Auslagerung in Zweigfirmen, Auslagerung in Zeitarbeitsfirmen, Auslagerung in Niedrigstlohnfirmen ohne tarifliche Firmen einen Großteil der Geringverdiener erzeugt haben.
- Natürlich kommt es auf die Perspektive an: Man wird den Eindruck nicht los, als würde das IAB nur die Ausgestaltung seines Elfenbeinturmes betreiben.
- Die Mitarbeiter des IAB können sich nicht ernsthaft über die Bildungsqualität der Niedriglöhner gewundert haben. Die Ausbeutung der Jungarchitekten war schon vor 15 Jahren in der Hochkonjunktur des Bauwesens bekannt. Die Ausbeutung der Praktikanten mit Hochschulabschluss ist auch kein neues Thema.
- Wenn 7 von 8 Niedriglöhnern der Aufstieg nicht gelingt, ist das keine Perspektive, die den Betroffenen Mut machen kann. Insbesondere dann nicht, wenn über die Nachhaltigkeit und Qualität des sogenannten “Aufstieges” keine Aussage getroffen wird.
Anmerkung des NDS-Unterstützers JA: Und dieser Finanzmarktunsinn wird Deutschland immer noch empfohlen.
Anmerkung des NDS-Unterstützers JA: Der vom Staat finanzierte unselige Deal war also nicht einmal aktienrechtlich haltbar.
Anmerkung KR: Der Artikel ist zum Glück besser als die obige Zusammenfassung.
Zur Fastenrede von Bruder Barnabas (Michael Lerchenberg) auf dem Nockherberg geht’s hier.
Dazu als Kommentar ein Leserbrief von Hans Bleibinhaus an die SZ:
Der „Eklat“ nach der Predigt
Es drängt sich der Verdacht auf, dass Michael Lerchenbergs zweifellos anfechtbarer (AM: Da, nur da, bin ich anderer Meinung als Freund Bleibinhaus. Wieso anfechtbar? KR: Ich stimme Hans Bleibinhaus ausdrücklich zu.) KZ-Vergleich ein willkommener Vorwand ist, von der politischen Bußpredigt wieder zur altbekannten Schenkelklopfer-Gaudi auf dem Nockherberg zurückzukehren.
Die reflexhaft in den Vordergrund geschobene Empörung über eine Verharmlosung der Qualen der KZ-Opfer ersetzt leider das Nachdenken über die gesellschaftlichen Folgen einer Minderheitenhetze um des politischen Vorteils willen.
Klar ist, dass nicht jede Minderheitenhatz zu Konzentrationslagern und Massenmord führt.
Aber jede Verfolgung wehrloser Gruppen beginnt mit einer verbalen Ausgrenzung und Verhetzung. Lange vor der Nazizeit waren die Juden das Ziel, heute zündelt man mit Moslems, Türken und – wie praktisch für die FDP zur Verschleierung ihrer gnadenlosen Politik für die Reichen – vorgeblichen oder tatsächlichen Hartz-IV-Faulenzern.
Die Devise „Wehret den Anfängen“ gilt eben nicht nur gegen die unverbesserlichen Antisemiten, sondern gegen alle, die ihre politische Suppe durch ein rhetorisches Feuer gegen Minderheiten wärmen wollen. Weil dieser Sinn von Lerchenbergs „Grenzverletzung“ (Knobloch) und die ganze Bußpredigt der vorherrschenden politischen Klasse unangenehm ist, ernten deren Verfasser Heuchelei, Empörung und womöglich den Rauswurf.
Kommentar AM: Ich kann der Hauptbotschaft dieses Interviews nicht folgen. So kenne ich durchaus eine Menge Linker, die die Bedeutung der Zusammensetzung des obersten Gerichtes durchaus erkennen. Linke, die ich kenne, machen sich schon lange Sorgen zum Beispiel wegen der familienpolitischen Entscheidungen, wegen der Entscheidung zur Vermögensteuer, wegen der erkennbaren Tendenz des bisherigen Präsidenten Papier, das Sozialstaatsversprechen zu relativieren, und so weiter. Meines Erachtens verharmlosen der Interviewte und der Interviewer auch die bisherigen Entscheidungen, wenn sie feststellen:
„Heribert Prantl bezeichnete die Tatsache, dass die Verfassungsrichter von den Parteien nominiert wurden und in der Vergangenheit trotzdem relativ unabhängig entschieden, einmal als “Wunder von Karlsruhe”. Wie stehen die Chancen, dass dieser wundersame Zustand in der Zukunft anhält?
Wolfgang Neskovic: Im Grundsatz teile ich die Auffassung von Herrn Prantl. Es ist schon erstaunlich, wie sich die Richterkollegen am Bundesverfassungsgericht von den sie nominierenden Parteien emanzipieren. Ausnahmen bestätigen da eher die Regel. Nichtsdestotrotz halte ich eine Reform der Richterwahl aus den genannten Gründen für dringend erforderlich.“
Von einem „Wunder von Karlsruhe“ kann ich wenig erkennen. Am wenigsten zum Beispiel in den Entscheidungen zur Kommerzialisierung des Rundfunks. Hier hat Karlsruhe geholfen, die Schleusen für eine höchst fragwürdige Entwicklung zu öffnen. Und diese Entscheidung war übrigens personell bestens vorbereitet. Von Unabhängigkeit von den Unions-Parteien konnte keine Rede sein. Und deshalb wundert mich Neskovics Bestätigung der Feststellung, in Karlsruhe hätte es ein Wunder gegeben.
Anmerkung Martin Betzwieser: Genau wie beim Mindestlohn. Solche Forderungen werden von der SPD aufgestellt, wenn klar ist, dass sie nicht durchsetzbar sind.
Immobilienfonds: Ende einer Illusion
Häuser sind eine eher solide, aber recht sperrige Form der Geldanlage. Diese simple Wahrheit versuchten offene Immobilienfonds jahrzehntelang zu ignorieren und sich als Alternative zu hochliquiden Anlagen wie Geldmarktfonds zu positionieren. Wenn Schäuble nun Mindesthaltefristen vorschreiben will, ist das ein wichtiger erster Schritt, um die Probleme der offenen Immobilienfonds anzugehen. Damit würde zumindest für das Neugeschäft klargestellt, dass diese Fondsart sich nicht für Anleger eignet, die ihr Geld möglicherweise kurzfristig anderweitig unterbringen wollen. Für die Fondsgesellschaften, die sich vehement gegen eine Mindesthaltefrist wehren, wäre das eine herbe, aber notwendige Niederlage.
Quelle: FTD
Anmerkung Orlando Pascheit: Ganz spontan lese ich das Plakat in Sinne des Landgerichts, dass die Stadt mit Ausländern nicht lebenswert sei. Wenn nun das Verfassungsgericht darauf abstellt, dass dies nur eine mögliche Interpretation sei und der Text das alleine nicht hergebe, fehlt den Richtern m.E. die Kenntnis und/oder das Bewußtsein geschweige die Sensibilität für das auf immer durch die Abscheulichkeiten unsere Geschichte vergiftete Wortpaar “lebenswert/lebensunwert”. Das Verfassungsgericht stellt dann völlig überflüssig darauf ab, dass erst durch die Art und Weise der Rückführung, durch Anreiz oder Zwang, “Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht” würden. Wahrscheinlich bin ich zu wenig Jurist, um zu begreifen, warum hier näher zu begründen wäre, dass hier ein Angriff auf die Menschenwürde vorliege. Auch wenn davon auszugehen ist, dass das Amtsgericht Augsburg, diese Begründung locker nachreichen kann, allein die Website “Augsburger Bündnis – Nationale Opposition” bietet einiges, und bei ihrer ursprünglichen Auffassung bleiben wird, signalisiert das Urteil des Verfassungsgerichts , dass in Deutschland Volksverhetzung möglich ist. Man muß es nur schlau genug anstellen. – Vor dem Hintergrund der von Roland Koch begonnenen und von Guido Westerwelle am Kochen gehaltenen Hetze gegen Hartz IV- Bezieher eine Katastrophe! Hetze als Wahlkampfmittel, wir sind wieder einmal so weit.
Kommentar AM: Eine durchaus informative und kritische Zusammenfassung des Standes zur Finanzkrise. Lesenswert, obwohl Nachdenkseitenlesern vieles bekannt ist. An manchen Punkten halte ich die Einschätzung des Autos allerdings für verwegen. Zum Beispiel ist die Bundeskanzlerin nicht ahnungslos, und der damals amtierende Finanzminister Steinbrück hat das Spiel mitgespielt; nicht weil er überfordert war, sondern weil er wie auch Merkel mit der vom Autor Schumann erwähnten Clique zusammenhängt. „Ahnungslos“ und „überfordert“ – das ist eine Verharmlosung.
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