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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 11. November 2018 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Iran-Sanktionen
  2. Migration – Zeichen von Freiheit oder zu bekämpfendes Übel
  3. Merz
  4. Blackrock
  5. Wirtschaftsweise wollen soziale Spaltung vertiefen
  6. Big Business mit Steuern
  7. Der Spagat: Die deutsche Asienpolitik zwischen Kommerz und Geostrategie
  8. Brasiliens neuer Präsident Bolsonaro ist ein Nazi – hören wir ihm kurz zu
  9. Bis zu 18 Monate im Lkw: So werden Fahrer in Europa ausgebeutet
  10. Warum Forderungen nach einem höheren Mindestlohn wohlfeil sind
  11. Teilhabechancen-Gesetz: „Endlich wird etwas getan für die Langzeitarbeitslosen“
  12. Vereinte Nationen kritisieren Deutschland für Hartz-IV-Regime
  13. Das Märchen von den teuren Alten
  14. Scholz streicht Milliarden: Groko verschiebt Ausbau von Ganztagsschulen

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Iran-Sanktionen
    1. Unsichtbare Öltanker
      Iran will US-Sanktionen umgehen. Ausnahmen für acht Länder
      Die USA nehmen acht Staaten vorübergehend von den selbstherrlich verhängten Strafmaßnahmen wegen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran aus. Washington werde Importe iranischen Öls durch Italien, Griechenland, die Türkei, China, Taiwan, Indien, Japan und Südkorea zunächst nicht bestrafen, sagte US-Außenminister Michael »Mike« Pompeo am Montag in Washington. »Wir setzen unsere Anstrengungen fort, alle Nationen auf null zu bekommen.« Die befristeten Ausnahmen seien »besonderen Umständen« dieser Länder und dem Ölmarkt geschuldet. Mehr als 20 Staaten hätten ihre Ölimporte aus dem Iran bereits beendet. »Das Regime hat seit Mai mehr als 2,5 Milliarden Dollar an Ölumsätzen verloren.«
      Die USA hatten am Montag ihre bislang gravierendsten Wirtschaftsbeschränkungen gegen die Islamische Republik in Kraft gesetzt. Sie sollen vor allem die Ölindustrie, den Banken- und Finanzsektor sowie die Transportbranche mit den wichtigen Häfen treffen. Teheran reagierte darauf mit der Ankündigung, die »illegalen und ungerechten Sanktionen mit Stolz umgehen« zu wollen, »weil sie gegen internationale Regeln verstoßen«. Präsident Hassan Rohani warf Washington am Montag in einer Fernsehansprache vor, einen Wirtschaftskrieg gegen sein Land zu führen. »Ich denke, dass in der Geschichte Amerikas noch nie jemand im Weißen Haus gesessen hat, der so gegen Gesetze und internationale Übereinkommen war.«
      Derweil haben sich Irans Öltanker seit Ende Oktober »unsichtbar gemacht«. Sie sind vom Radar verschwunden, weil sämtliche Schiffe ihre Transponder abgeschaltet haben, mit denen ihre Bewegungen normalerweise verfolgt werden können. Wer ihren Kurs nun überwachen will, muss dies über Satellitenbilder tun.
      US-Präsident Donald Trump hatte den Ausstieg seines Landes aus dem 2015 unterzeichneten Atomabkommen mit Teheran erklärt und will den Iran zu neuen Verhandlungen über einen neuen Vertrag zwingen, der auch das Raketenprogramm beschränkt und militärische Aktivitäten Teherans in den Nachbarländern beendet. Rohani lehnte neue Verhandlungen jedoch ab, solange die USA nicht zu dem bestehenden Abkommen zurückgekehrt seien. »Respektiert erst die Verhandlungen, die wir abgeschlossen haben, so dass es eine Basis für neue Verhandlungen gibt«, sagte der iranische Präsident.
      Quelle: junge Welt
    2. Wehrlos gegen Trump – Wehrhaft mit Maaßen?
      Und es hat psscht gemacht. So würde man in Frankreich die Nicht-Reaktion der EU auf die US-Sanktionen gegen Iran umschreiben. Aus Brüssel kam nichts als heiße Luft – Europa ist wehrlos und lässt sich von US-Präsident Trump vorführen.
      Trump verband die “härtesten Sanktionen aller Zeiten” (Eigenlob) nämlich mit Ausnahmen für Italien und Griechenland. Beide EU-Länder dürfen weiter Öl aus Iran importieren, ohne US-Sanktionen fürchten zu müssen.
      Für alle anderen hingegen gelten strikte Beschränkungen, die sogar mit Hilfe des Finanzdienstleisters SWIFT durchgesetzt werden sollen. Dabei sitzt SWIFT nicht in Washington, sondern in Brüssel – und untersteht EU-Recht!
      Doch aus Brüssel kam keine Reaktion. Die EU-Kommission verwies lediglich auf ein Statement der EU-Außenvertreterin Mogherini vom letzten Freitag. Darin bekennt sich die EU nochmals zum Atomabkommen mit Iran.
      Die versprochene Zweckgesellschaft zur Abwicklung von Geschäften mit Iran hingegen lässt auf sich warten. Und ein “europäisches SWIFT”, das Außenminister Maas mal angedacht hatte, ist auch nicht in Sicht.
      Die EU geht schweigend und wehrlos in den größten außenpolitischen Konflikt seit dem Irak-Krieg. Von einem “Europa, das schützt” (Juncker) und einem “souveränen Europa” ist nichts zu sehen.
      Wir haben uns nicht einmal “ein Stück weit unabhängiger” gemacht, wie Merkel versprochen hatte. Dabei hängt von dem Atomabkommen mit Iran – folgt man der offiziellen EU-Doktrin – nicht weniger als die Sicherheit Europas ab…
      Quelle: Lost in Europe
    3. Europäische Maulhelden
      Die neuen US-Strafmaßnahmen gegen Teheran sind in Kraft. Die EU tut nichts – die Angst vor dem Zorn der Amerikaner ist zu groß.
      (…) Die geplante Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle – SPV), die den Handel mit Iran am US-Finanzsystem vorbei organisieren sollte, ist nicht einsatzbereit. Der Grund sagt eigentlich alles: Es findet sich kein EU-Land, das der SPV als Hauptsitz dienen will. Die Angst, den Zorn der Amerikaner auf sich zu ziehen, ist größer als der Wille, das Atomabkommen zu retten. Während Trump handelt, stehen die Europäer als Maulhelden da.
      Der mangelnde Mut kann ziemlich ungemütliche Folgen haben. Nicht nur wird Washington die Europäer außenpolitisch noch weniger ernst nehmen als bisher schon – auch jenseits des Konflikts um den Atomdeal. Auch die iranische Regierung wird nicht mehr glauben, dass Europa den US-Sanktionen noch etwas entgegensetzen kann.
      (…) Im schlimmsten Fall könnte ein gescheitertes Nuklearabkommen dazu führen, dass der Iran auch den Atomwaffensperrvertrag aufkündigt. Denn den Moderaten in Teheran gehen die Argumente aus, während die Hardliner schon immer gesagt haben, dass die Kompromisse beim Nuklearprogramm ein Fehler waren.
      Quelle: taz
    4. Haut endlich mal auf den Tisch!
      Liebe Freunde, deutschen Firmen drohen existenzgefährdende US-Sanktionen, wenn sie weiter mit Iran Handel treiben. Das ist, wie wenn Deutschland US-Firmen rauswerfen würde, nur weil sie Geschäfte mit Ländern machen, die uns nicht gefallen. Die US-Drohungen gegen deutsche Unternehmen sind ein massiver völkerrechtswidriger Eingriff in die Souveränität Deutschlands. Die Bundesregierung nimmt ihn viel zu unterwürfig hin. Wir sind nicht der Schoßhund der USA.
      Die Instabilität im mittleren Osten ist Schuld der USA
      Die USA wollen mit ihren völkerrechtswidrigen Sanktionen angeblich die Instabilität im Mittleren Osten und den gestiegenen Einfluss des Iran verringern. Doch an beidem sind sie selber schuld. Sie haben den Mittleren Osten angezündet. Und den Iran seit 2003 durch unglaubliche strategische Eseleien ständig gestärkt:

      • 2003 haben sie durch ihren kriminellen Krieg gegen den Irak das größte strategische Gegengewicht zu Iran, Saddam Hussein, beseitigt. Und den Irak an die Seite des Iran getrieben.
      • Durch militärische Unterstützung auch terroristischer Bewegungen in Syrien haben sie ab 2011 Assad in die Arme des Irans (und Russlands) getrieben.
      • Das Gleiche gilt für den Jemen. Einer der Hauptgründe für die Anlehnung der Huthis an den Iran ist die massive Mitwirkung der USA an den saudischen Bombenangriffen und an der mörderischen Hungerblockade gegen den Jemen seit 2015.

      Der Iran, aus dem ich gerade zurückgekehrt bin, ist „kein Waisenknabe“, kein demokratisches Musterland. Aber er ist friedliebender als die USA. Er hat anders als die USA seit fast 300 Jahren kein anderes Land angegriffen. Die größte Gefahr für den Weltfrieden sind die USA selbst.
      Der Bruch des Nuklear-Abkommens durch die USA ist ein Schlag gegen die gesamte internationale Abrüstungspolitik

      1. Saddam Hussein rüstete auf Druck der USA ab. Als er keine gefährlichen Waffen mehr hatte, überfielen die USA sein Land.
      2. Gaddafi gab auf Wunsch der USA sein Atomprogramm auf. Als er abgerüstet hatte, fielen die USA und Frankreich auch über ihn her.
      3. Iran unterwarf sein ziviles Nuklearprogramm auf Forderung der USA den weltweit schärfsten Kontrollen. Als Antwort verhängen die USA gegen Iran nun die „schärfsten Sanktionen aller Zeiten“. Das ist hinterhältig.

      Welches Land der Welt wird nach all diesen Wortbrüchen der USA noch bereit sein, echte Abrüstungsverträge mit den USA zu schließen? Möglicherweise keines. Das ist nicht gut so.
      Quelle: Jürgen Todenhöfer

  2. Migration – Zeichen von Freiheit oder zu bekämpfendes Übel
    Es sollten auch die Stimmen der Menschen aus dem globalen Süden und der europäischen Peripherie gehört werden, die sich kritisch zur Migration äußern und auf die Folgen für die Betroffenen und ihre Herkunftsländer hinweisen.
    “Es ist nicht Europa, das uns ein Leben in Würde schuldet, sondern mein Land.” Dieser Satz steht über einem Essay von Saikou Suwareh Jabai. Dort bringt der gambische Journalist einige Argumente in die Debatte um Migration ein, die sich manche der “Refuge Welcome”-Bewegung doch einmal durch den Kopf gehen lassen sollten.
    Er schildert dort die ganz individuellen Folgen der Migration am Beispiel seiner beiden Brüder:
    „Meine beiden Brüder wurden aus Spanien und Italien insgesamt viermal zurück nach Marokko deportiert. Jedes Mal hatten sie geglaubt, es nun endlich geschafft zu haben, und jedes Mal waren sie unendlich frustriert. Der Jüngere, Abdou, entschloss sich nach zwölf Jahren vergeblicher Versuche zurückzukehren. Der andere, Amfaal, reist bis heute zwischen verschiedenen nordafrikanischen Staaten hin und her.“
    Und er beschreibt die Geschehnisse aus der Perspektive des kleinen Bruders, der zurückbleiben musste:
    „Auch ich habe unzählige Male daran gedacht zu gehen, aber ich blieb, weil sonst niemand mehr übriggeblieben wäre, um sich um die Eltern zu kümmern. Irgendwann wurde mir klar, dass ich es mit meinen Fähigkeiten und der richtigen Ausbildung auch in Gambia schaffen könnte, für mich und meine Familie zu sorgen. Ich wollte nicht mein Leben riskieren für eine Reise, die im Grunde eine Selbstmordmission ist.“
    Er entschließt sich, nicht dem Beispiel seiner Brüder und vieler Gleichaltriger zu folgen, auch aus Verantwortung gegenüber seinen Verwandten.
    „In all diesen Jahren ging ich in meinem Dorf noch zur Schule; meine Kindheit war geprägt von dem Unbehagen, meine Brüder nicht um mich zu haben. Noch viel schwieriger fand ich es, nichts von ihnen zu hören, während zugleich täglich neue Nachrichten von gesunkenen Booten und steigenden Zahlen toter Migranten auftauchten, deren Identität nirgendwo dokumentiert ist.“
    Damit spricht Jabai eine wichtige Frage an, die bei vielen aus der “Refugee Welcome”-Bewegung meistens ausgespart wird. Welche Folgen hat denn eine Migration vor allem junger gut ausgebildeter Menschen für deren Herkunftsländer? Was hat sie für Folgen für die, die zu alt, zu schwach und zu krank zum Migrieren sind? …
    Nun fällt auf, dass Jabei kaum Kritik an den europäischen Ländern übt. Das ist verständlich, weil er eben die Verantwortung der Regierungen der afrikanischen Länder anspricht, die alles, was schlecht in ihren Ländern läuft, oft auf den Kolonialismus und die fortdauernde Ausbeutung des afrikanischen Kontinents schieben und das eigene Verstricktsein in dieses System ausblenden.
    Trotzdem ist festzuhalten, dass neben den oft autoritären Eliten der verschiedenen afrikanischen Länder eben die neokolonialistischen Beziehungen ein Haupthindernis für eine selbstständige Entwicklung des afrikanischen Kontinents sind. Dafür gibt es viele Beispiele und sie auszuführen, dauert lange.
    Da könnte man beschreiben, wie afrikanische Länder als Müllhalde des globalen Nordens benutzt, wie Meere vor dem afrikanischen Kontinent leergefischt werden, wie ungerechte Verträge dafür sorgen, dass die Länder unterentwickelt gehalten werden.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Wie das Auswärtige Amt dem Volk den Migrationspakt schönlügt
    Das für den UN-Migrationspakt in Deutschland federführende Außenministerium unter Heiko Maas (SPD) verteidigt den Migrationspakt gegen Kritik. Damit äußert die Regierung sich immerhin kurz vor Unterzeichnung einmal zu diesem UN-Großprojekt. Die Behauptungen, die sie zu dessen Verteidigung vorbringt, sind jedoch bestenfalls irreführend.
    Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, mit Blick auf Kritik der AfD habe ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin gesagt, wer sich die Mühe mache, den Pakt anzusehen, werde feststellen, “dass hier Ängste geschürt werden auf Basis einer politischen Erklärung, die so nicht zu rechtfertigen sind”. Der Pakt formuliere Ziele. Wie sie umgesetzt würden, stehe den Mitgliedsstaaten offen. Dies gelte etwa, wenn es darum gehe, zur Bekämpfung illegaler Migration Möglichkeiten für legale Migration zu schaffen. ”
    Das ist irreführend. Erst einmal ist im Pakt nirgends von illegaler Migration oder gesetzwidriger Migration die Rede, sondern nur von „irregulärer“ Migration. Das klingt freundlicher und kommt nicht von ungefähr, denn Gesetzesübertretungen würden Sanktionen nahelegen, die der Pakt aber vermieden sehen will. Wichtiger ist: Die Schaffung von mehr (!) Möglichkeiten für legale Migration wird nicht vorrangig mit der Bekämpfung illegaler (irregulärer) Migration begründet, sondern vor allem mit den großen Vorteilen, die Migration angeblich für alle Beteiligten hat.
    Quelle: Norbert Haering

  3. Merz
    1. Eingefleischter Atlantiker will Nachfolger von Merkel werden
      Der heutige Konzern-Verwaltungsrat Friedrich Merz rief dazu auf, sich klar auf die Seite der USA zu stellen.
      «Nur die USA können dank ihrer militärischen Stärke die Freiheit verteidigen und für die Weltordnung sorgen», hatte der frühere CDU-Politiker und heutige Aufsichtsratspräsident von Blackrock und Verwaltungsrat des AXA Versicherungskonzerns am 1. September 2016 an einem Impuls-Apéro in Bern erklärt. Um dem «asiatischen Vordringen» zu begegnen, müsse Europa mit den USA unbedingt das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abschliessen. Dies sei für das Verhältnis mit den USA der «Lackmustest». (…)
      Neben dem islamischen Terrorismus, dessen «Ursachenbekämpfung fast nicht möglich» sei, bezeichnete Merz als grösste Gefahren das «zunehmend aggressive China» und «Russland mit seinen immer dreister werdenden Angriffen auf Datennetze». Dass die USA im Ausland das Gleiche tun, erwähnte Merz nicht.
      Es ist das Weltbild eines kalten Kriegers. Verbreitet wird es von der Nato und vom militärisch-industriellen Komplex, vor dem schon US-Präsident Dwight D. Eisenhower im Jahr 1961 gewarnt hatte, und der heute auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einen noch viel stärkeren Einfluss ausübt als damals.
      Obwohl die USA militärisch um ein Vielfaches stärker sind als Russland oder China, werden deren Gefahren heraufbeschworen.
      Obwohl die USA im Cyber-Krieg führend sind, werden vermutete Cyberangriffe aus Russland oder China als einseitige Aggression dargestellt.
      Wenn der Westen das Gleiche tut wie Russland oder China, ist es gut und gerechtfertigt, weil es beim Westen angeblich um die Freiheit auf der ganzen Welt geht und bei den andern um Diktatur.
      Völkerrechtswidrige Kriege der USA im Irak oder in Syrien oder – mit sehr aktiver Unterstützung der USA – der Saudis in Jemen oder der Türken in Syrien und im Irak werden anders eingestuft und bewertet als die völkerrechtswidrige Rücknahme der Krim mit der mehrheitlich russisch-gesinnten Bevölkerung oder das völkerrechtswidrige Besetzen kleiner Inseln von China.
      Das im Westen mit Nato-Militärstützpunkten umzingelte Russland und das im Süden und Osten ebenfalls militärisch umzingelte China sollen sich vom Westen nicht bedroht fühlen. China und Russland sollen es gefälligst den USA überlassen, «für die Weltordnung zu sorgen».
      Quelle: Infosperber
    2. Mann der Moneten – Friedrich Merz
      Berater, Bevollmächtigter, Beaufsichtiger: Friedrich Merz hat seit seinem Abschied aus der aktiven Politik Ämter und Mandate gehäuft. Damit soll Schluss sein, wenn er an der CDU-Spitze steht. Auf dem Weg dorthin, wird es wohl aber noch etliche Fragen geben.
      5000 Euro am Tag. Das war das Honorar von Friedrich Merz, als er “Veräußerungsbevollmächtigter” für die mit massiven Staatshilfen gestützte Landesbank WestLB war. Es war einer von vielen Top-Jobs in der Privatwirtschaft, die Merz in den vergangenen Jahren innehatte – und innehat. Seit seinem Abschied aus der aktiven Politik 2009 legte er eine erfolgreiche Karriere hin: Merz, der Multifunktionär und Netzwerker.
      Der heute 62 Jahre alte Jurist arbeitet bereits seit 2005 im Düsseldorfer Büro der international tätigen Kanzlei Mayer Brown. Merz berät dort nach Angaben der Kanzlei Unternehmen bei Fusionen, zu seinen Mandanten zählen “zahlreiche Dax-Unternehmen und internationale Konzerne”. Merz hat daneben zahlreiche Posten inne: Er ist Chef des Aufsichtsrats beim Vermögensverwalter Blackrock Deutschland und führt auch den Aufsichtsrat des Arnsberger Unternehmens Wepa, das etwa Toilettenpapier herstellt.
      Außerdem leitet Merz das Kontrollgremium des Flughafens Köln-Bonn und ist Aufsichtsratsmitglied bei der Privatbank HSBC Deutschland. Er sitzt zudem im Verwaltungsrat des Schweizer Zugbauers und Siemens-Konkurrenten Stadler Rail. Merz ist also bestens vernetzt. Seine Aufsichtsratsmandate will er dem Vernehmen nach niederlegen, sollte er im Dezember zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt werden.
      Einer der Posten von Merz, die nun vor allem in die Schlagzeilen kommen, ist der als Aufsichtsratschef beim deutschen Ableger von Blackrock. Die weltgrößte Fondsgesellschaft hat eine enorme Macht an den Finanzmärkten. Kritiker wie die Journalistin Heike Buchter (“Die Zeit”), die 2015 das Buch “Blackrock – Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld” veröffentlichte, betrachten das Unternehmen mit Sitz in New York als Gefahr für die Weltwirtschaft.
      Quelle: n-tv

      Anmerkung JK: Bereits vom Mai dieses Jahres aber aktueller denn je. Und es ist absurd, ein lupenreiner Lobbyist des größten Finanzinvestors der Welt wird von interessierten Kreisen bereits als zukünftiger Bundeskanzler gehandelt.

    3. Warum Geldverdienen in Deutschland ein Makel ist
      Ist Friedrich Merz wirklich der Abgesandte des bösen US-Finanzkapitalismus? Wenn Politiker mal Geld in der Wirtschaft verdient haben, macht das viele Deutsche automatisch misstrauisch. Dabei ist das völlig ungerecht.
      Friedrich Merz also will CDU-Chef werden, womöglich auch Kanzler. Und das größte Hindernis auf seinem Weg liegt dabei offenbar nicht darin, dass seine Gegenkandidaten Annegret Kamp-Karrenbauer und Jens Spahn übermächtig wären. Sondern in dem Umstand, dass Merz die vergangenen Jahre Geld in der “freien Wirtschaft” verdient hat, vor allem als Aufsichtsratschef des US-Vermögensverwalters Blackrock.
      Seit Merz sein Comeback lanciert hat, tobt in Internetforen, den sozialen Medien und teilweile auch in klassischen Medien der Furor. Setze sich Merz durch, unterwürfen sich die stärkste Partei des Landes und womöglich auch die Regierung den Interessen eines obskuren Anlagefonds aus New York, heißt es.
      Wie genau das geschehen und was dann passieren soll, wird nicht klar. Aber die Meinungen sind gefestigt, querbeet durch die politische Landschaft. So tief kann der Riss in der Gesellschaft gar nicht sein, als dass man sich nicht darauf einigen könnte, dass alles, was irgendwie nach viel Geld riecht, per se verwerflich ist. Wer diese Meinung nicht teilt, ist naiv oder ein von der Finanzlobby gekaufter Claqueur.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkungen Albrecht Müller: dieser Kommentar ist ein reines Propagandastück. Es soll Merz und Blackrock reinwaschen. Es wird der Eindruck erweckt, Blackrock verhalte sich halt so wie andere Anleger. Das ist falsch. Die NachDenkSeiten haben schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass Blackrock seine besondere Größe und Macht ausspielt.

    4. ARD-aktuell macht dem Merz die Räuberleiter
      Für den Bewerber um den CDU-Vorsitz wird der Rote Teppich ausgerollt / ARD-aktuell missachtet ihre gesetzlichen Programmrichtlinien
      Die Tagesschau und ihre Geschwistersendungen der ARD-aktuell bewähren sich derzeit als Steigbügelhalter des Finanzmanagers Friedrich Merz bei dessen Bewerbung um den CDU-Vorsitz. Er ist als Vorsitzender des Vereins „Atlantik-Brücke“ ein Wasserträger der USA und der Geldaristokratie; ein Transatlantiker par excellence, verbrüdert im Geiste mit ARD-Repräsentanten wie dem Tagesthemen-Moderator Zamperoni, Tina Hassel, dem WDR-Intendanten Buhrow, WDR-Fernsehprogrammdirektor Schönenborn und dem BR-Intendanten Wilhelm, die wie viele andere namhafte Figuren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Atlantikbrücken-Vereinsmitglieder sind. Zwar schreibt das Gesetz dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, in seinem Informationsangebot die Grundsätze der Unabhängigkeit und Objektivität zu wahren, seine Nachrichtensendungen parteipolitisch neutral zu gestalten, der Wahrheit verpflichtet, um Vollständigkeit bemüht. Im Falle Merz praktiziert der Laden jedoch wieder einmal parteipolitische Vetternwirtschaft.
      Kanzlerin Angela Merkel hatte nach der Serie von Wahlschlappen ihrer Partei am 29. Oktober öffentlich erklärt, auf dem CDU-Parteitag im Dezember nicht noch einmal für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Schon vorher waren mehrere Bewerber um das Parteiamt bekannt. Die ARD-aktuell nannte in ihren ersten Sendungen nach dem Merkel-Auftritt aber nur zwei, beide politische Funktionsträger: CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn. Die hatten nun flugs ebenfalls „ihren Hut in den Ring geworfen.“ Die Scheinsachlichkeit währte allerdings nur Stunden. Noch gleichentags brachte die Tagesschau wie alle anderen Mainstreammedien einen Nachfolgekandidaten „ins Gespräch“: Friedrich Merz. Der hatte sich zwar bis dahin noch gar nicht als Bewerber gemeldet, aber offenbar schon viele Wochen zuvor partei- und medieninterne Strippen gezogen.
      Quelle: Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
  4. Blackrock
    1. Blackrock-Kapitalismus
      Das neue transatlantische Finanzkartell (…)
      Der größte dieser Finanzinvestoren heißt Blackrock, der „schwarze Fels“. Sein Gründer Laurence Fink gilt als Initiator jener angeblichen „Wertpapiere“, die aus verbrieften, also von den Banken weiterverkauften und dann gebündelten Immobilienkrediten gebildet werden. Diese von Fink mitentwickelten Finanzspekulationen verhalfen Blackrock zu seinem ersten großen Sprung. Sie führten 2007 zum Bankrott der traditionellen westlichen Banken, der sogenannten Finanzkrise. Das verwaltete Vermögen von Blackrock schnellte in dieser Zeit rapide in die Höhe – von etwa 300 Mrd. US-Dollar im Jahre 2004 auf 1,3 Billionen im Jahre 2008.
      Der nächste große Sprung gelang Blackrock in den zwei Jahren seit der „Abwicklung“ der Finanzkrise. Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama beauftragte Blackrock damals, bankrotte Banken und Versicherungen mit Steuergeldern zu retten, beispielsweise den Versicherungskonzern American International Group bzw. die von ihm unzureichend versicherten Kunden wie Goldman Sachs und Deutsche Bank.[3] Der Regierungsauftrag brachte für Blackrock nicht nur ein dreistelliges Millionen-Honorar, sondern verschaffte der Firma durch die so entstandene staatlich-private Insiderposition eine noch bessere Markt- und Machtstellung: In den zwei Jahren bis 2009 schnellte das von Blackrock verwaltete Vermögen auf 3,3 Billionen hoch.
      Inzwischen, im Jahr 2016, beträgt es bereits 4,9 Billionen, bei weiter steigendem Trend nach oben. Heute besitzt Blackrock 70 Niederlassungen in 30 Staaten (Aufsichtsratchef des deutschen Ablegers ist die neoliberale Speerspitze der CDU, Friedrich Merz). Der absolute Schwerpunkt liegt dabei auf den USA und der EU. Dabei benötigt das Unternehmen trotz seiner Größe nur 13 000 Beschäftigte, zum Vergleich: Die (vom Umfang ihrer Geschäfte) sehr viel kleinere Deutsche Bank beschäftigt achtmal so viele Mitarbeiter.
      Gemeinsam mit weiteren gleichartigen, aber kleineren Finanzinvestoren bildet Blackrock eine neue transnationale Macht, die sich grundlegend von der Politik der bisherigen Großbanken, traditionellen reichen Unternehmerclans und vereinzelten Staatsfonds etwa aus Norwegen, Katar und Saudi-Arabien unterscheidet. Denn Blackrock operiert hochgradig vernetzt: So ist Blackrock heute etwa Großaktionär in allen 30 deutschen DAX-Konzernen, in mehreren sogar Hauptaktionär.[4] Im Jahr 2012 war Blackrock gleichzeitig Großaktionär in 282 der 300 größten westlichen Kapitalgesellschaften, dicht gefolgt von Vanguard (267), AXA (247), State Street (247), Fidelity (239), JP Morgan Chase (219), Capital Group (172), der französischen Bankengruppe BPCE (156), der Société Générale (122) und der britischen Legal & General Group (106).[5] Diese Finanzinvestoren waren im selben Jahr nach der Zahl ihrer Eigentumsanteile in großen Unternehmen die Top Ten. Dies zeigt auch die transatlantischen Kräfteverhältnisse: Sechs Investoren haben ihren Sitz in den USA, drei in Frankreich, einer in Großbritannien.[6]
      Quelle: Werner Rügemer in Blätter für deutsche und internationale Politik
    2. Mächtig und unbekannt – Der Vermögensverwalter BlackRock
      BlackRock ist der größte Vermögensverwalter der Welt und dennoch bei vielen unbekannt – bis jetzt. Denn nun will der Aufsichtsratsvorsitzende des Deutschlandgeschäftes, der ehemalige Spitzenpolitiker Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender werden. (…)
      Als Aktiengesellschaft gehört BlackRock seinen Aktionären – momentan 1301 natürlichen oder juristischen Personen. Doch der plurale Eindruck großer Streuung von Interessen täuscht aus zwei Gründen. Erstens sind die vier Hauptaktionäre von BlackRock selber Investmentgesellschaften. Deren Investitionsverhalten bewegt Märkte, wirkt sich auf hunderttausende von Jobs aus und kann die Wohlfahrt gesamter Volkswirtschaften beeinflussen.
      Zweitens existiert eine große personelle Verflechtung der Männer und Frauen, die dieses Geschäft betreiben – über Aufsichtsräte, Firmenübernahmen und Überkreuzverflechtungen. Besonders stark diskutiert werden die Verbindungen zwischen BlackRock und dem Finanzimperium der Rothschildt-Familie. So arbeitete BlackRock Vorstand Larry Fink bis 1992 unter dem Vorstand Randall Rothschild bei Blackstone, der größten Immobilienfirma der Welt. 2009 kaufte Fink die Vermögensverwaltung der britischen Barclays-Bank.Forscher der eidgenössischen technischen Hochschule Zürich haben 2011 in einer seriösen Studie die überaus engen Verflechtungen im internationalen Finanzgeschäft herausgearbeitet. (…)
      Als Aktionär beteiligt an tausenden Unternehmen weltweit, ist BlackRocks Einfluss auf Produkte, Jobs und auch Standorte enorm. Mindestens genauso atemberaubend ist der Blick auf die Unternehmen, deren Miteigentümer BlackRock ist. Auch viele „bayerische“ DAX-Unternehmen gehören dazu, von Allianz und Münchner Rück über Siemens, adidas, Linde und Infineon bis zu BMW. (…)
      Formell Vorsitzender des Aufsichtsrats von BlackRock seit 2016, ist Friedrich Merz ein weiteres Beispiel für ehemalige politische Funktionäre, die dem Unternehmen dienen. Prominentestes Beispiel ist vielleicht Philipp Hildebrand, ehemaliger Chef der Schweizer Notenbank, Inhaber einer der wichtigsten Positionen der Finanzwelt. Er wechselte 2012 sogar in den Vorstand von BlackRock. Selbstverständlich vertritt BlackRock auch in Brüssel mit Lobbyisten bei EU-Parlament und Kommission seine Interessen. Vor allem geht es dabei um Deregulierung der Finanzmärkte, zum Beispiel durch Privatisierung von staatlicher Altersvorsorge, aber auch um Beratung der EZB bei der Bewältigung von Finanzkrisen. Weil die Berater so an der Aufsicht all der Banken mitwirken, an denen ihr Arbeitgeber selbst große Aktienpakete hält, ist Kritik programmiert. Da werde „einem privaten Unternehmen eine hoheitliche Aufgabe anvertraut, das ist grundsätzlich falsch“, mahnt der Bankökonom Martin Hellwig, ehemals Chef der Monopolkommission.
      Quelle: BR
    3. Umstrittene Steuergeschäfte: Ermittlungen bei Blackrock
      Ermittler der Kölner Staatsanwaltschaft haben laut Medienberichten am Dienstag (06.11.2018) Räume des weltgrößten US-Vermögensverwalters Blackrock in München durchsucht. Grund sei ein Ermittlungsverfahren zu Dividenden-Steuertricks (“Cum-Ex”), berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
      Ein Sprecher des US-Konzerns betonte: “Blackrock arbeitet in einer laufenden Untersuchung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Transaktionen im Zeitraum 2007 bis 2011 uneingeschränkt mit den Ermittlungsbehörden zusammen.” Die Staatsanwaltschaften München und Köln wollten sich nicht zur Sache äußern.
      Merz verspricht Zusammenarbeit mit Ermittlern
      Er habe in Deutschland den Blackrock-Vorstand “angewiesen, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten und alle Dokumente auf den Tisch zu legen”, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der BlackRock Asset Management Deutschland AG, Friedrich Merz. Er kandidiert aktuell für die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Vorsitzender. Merz ist seit dem Frühjahr 2016 Aufsichtsratschef der deutschen Tochtergesellschaft von Blackrock.
      “Cum-Ex”-Geschäfte verursachten Steuerschaden in Milliardenhöhe
      Bei “Cum-Ex”-Geschäften schieben Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktien mit (“cum”) und ohne (“ex”) Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin und her. Die Folge: Sie konnten sich so eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach vom Fiskus erstatten lassen. Für die Steuerzahler entstand ein Schaden in Milliardenhöhe.
      Quelle: WDR

      Anmerkung Jens Berger: Stellt sich die Frage, ob der oberste BlackRock-Deutschland-Aufseher Merz von der systematischen Steuerumgehung in Milliardenhöhe nichts gewusst hat, nichts davon wissen wollte oder – was wohl am wahrscheinlichsten ist – diese Praxis voll unterstützt hat.

  5. Wirtschaftsweise wollen soziale Spaltung vertiefen
    „Die Forderungen der Wirtschaftsweisen im aktuellen Jahresgutachten lassen sich allesamt auf einen Nenner bringen: Unternehmen entlasten, soziale Spaltung vertiefen. Diese Vorschläge sind absurd, sie gefährden den sozialen Zusammenhalt und damit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Mittel für den Sachverständigenrat Wirtschaft sind reine Steuerverschwendung“, kommentiert Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, das Jahresgutachten des Sachverständigenrats Wirtschaft. Ernst weiter: „Mit ihrer Ablehnung einer lenkenden Industriepolitik verkennen die Mitglieder des Sachverständigenrats Wirtschaft, Peter Bofinger ausgenommen, dass wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie China, Japan oder die USA technologischen Fortschritt durch staatliche Einflussnahme erreicht haben.
    Auch die Forderung nach einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist weltfremd und geht an den Interessen der Bevölkerung vollständig vorbei. Gleiches gilt für die Kritik an den ohnehin unzureichenden bereits realisierten oder geplanten Reformen zur Einschränkung von Leiharbeit, Kettenbefristungen und sachgrundlosen Befristungen. Leidtragende solcher Vorschläge sind die, die in besonderem Maße auf staatlichen Schutz angewiesen sind. Der Traum von einer Bürgerpauschale, die Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung vom Einkommen entkoppelt, sowie das Ansinnen, Fahrverbote durch eine Städte-Maut zu ersetzen, schaden ebenfalls Menschen mit niedrigen Einkommen und erhöhen die soziale Spaltung. Der Sachverständigenrat empfiehlt weiterhin, den Ausbau der digitalen Infrastruktur ‚technologieneutral‘ zu gestalten, den flächendeckenden Aufbau eines Glasfasernetzes zu überdenken und die Netzneutralität zu lockern. Auch dies geht auf Kosten der ohnehin abgehängten ländlichen Räume. Der verstärkte internationale Steuerwettbewerb sorgt für weitere Steuerausfälle und trifft abermals diejenigen, die auf eine gute öffentliche Ausstattung angewiesen sind.
    Unter dem Strich ist das Gutachten völlig unbrauchbar, der Erkenntnisgewinn ist minimal, und die avisierten Ziele sind gänzlich unsozial.“
    Quelle: Die Linke. im Bundestag

    Anmerkung JK: Im Hinblick auf China und Japan hat Klaus Ernst absolut recht. Dort wurde oder wird durch den Staat gezielt Industriepolitik betrieben. Chinesische Firmenaufkäufe im Westen werden massiv durch staatliche Kredite gestützt. Es ist fast schon trivial, in diesem Zusammenhang wieder einmal darauf hinzuweisen, dass die mächtigste Wirtschaftsnation während der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts, England, geradezu idealtypisch protektionistische Handelspolitik betrieben hat. Das Fazit ist völlig korrekt: Für diesen neoliberalen Schwachsinn auch noch Steuergelder zu verschwenden ist absurd.

    dazu: Sachverständige lenken Deutschland aufs Abstellgleis: DGB kritisiert Gutachten der Wirtschaftsweisen
    Auf deutliche Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbunds stößt das neue Jahresgutachten des Sachverständigenrats (SVR). „Wer die wirtschaftspolitischen Weichen in diese Richtung stellt, lenkt das Land aufs Abstellgleis“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Mittwoch in Berlin.
    Die steuerpolitischen Empfehlungen des SVR weisen laut Körzell in die falsche Richtung: „Wenn der Rat bei der Unternehmensbesteuerung empfiehlt, den von den USA angefachten Steuerwettbewerb mitzumachen, wäre das ein Einstieg in den Wettlauf nach unten. Die Konzerne würden letztlich noch weniger zum Gemeinwohl und zur öffentlichen Infrastruktur beitragen. Schon an diesem Punkt zeigt sich, wie wichtig das Sondervotum von zumindest einem Wirtschaftsweisen ist – und es ist gut, dass Peter Bofinger hier widerspricht.“
    Quelle: DGB

    Anmerkung André Tautenhahn: Wenn Trump die Steuern für Unternehmen senkt, die einen positiven Finanzierungssaldo haben, ist das kaum zu verstehen aber dennoch eine andere Sache als das, was der Sachverständigenrat in Form der Nachahmung der Bundesregierung empfiehlt. Wenn Deutschland Steuern für Unternehmen senken soll, die ebenfalls Überschüsse angehäuft haben, ist das noch absurder. Denn Trump erhöht die Staatsverschuldung seines Landes permanent, die Bundesregierung predigt hingegen die Schwarze Null und tut alles für eine Begrenzung der Neuverschuldung. Wie soll das also funktionieren, was der Sachverständigenrat da vorschlägt? Das ginge ja nur, wenn das Ausland bereit ist, noch mehr Schulden zu machen und gleichzeitig Peter Altmaier und Olaf Scholz zu ertragen, die dem Ausland oberlehrerhaft vorwerfen, immer wieder zu hohe Defizite einzugehen.

  6. Big Business mit Steuern
    Als ich nach der Jahrtausendwende begann, mich mit Steuerpolitik und Steueroasen zu beschäftigen, bekam ich Hassmails und Anrufe. Insbesondere ältere Herren meinten, Steuerflucht verteidigen zu müssen: Hohe Besteuerung sei unvertretbar, niemand zahle gerne Steuern, und der Staat gebe das Geld für Waffen aus. Im Laufe der Zeit wurden die Hassmails weniger. Nach der Veröffentlichung der Recherchen zu geleakten Papers gingen Vortragseinladungen ein, deren Organisatoren erwarteten, dass Aufklärung über die Steuerpraktiken eine Wende, vielleicht sogar eine Revolution einläuten würde. Die Cum-Ex-Geschäfte übertreffen bisherige Enthüllungen. Die Nutzer der Konstruktion sollen nicht nur Steuern vorenthalten, sondern öffentliche Gelder ohne Gegenleistung erhalten haben. Warum bleibt die Empörung übersichtlich?
    Das mag einerseits am Schleimer-Bias liegen: Viele Menschen identifizieren sich nach oben, grenzen sich nach unten ab und vergleichen sich mit ihrem Umfeld. Andererseits besteht ein Expertise-Bias. Expertise in Steuerfragen ist ein wachsendes kommerzielles Feld. Eine Untersuchungskommission des US-amerikanischen Senats zur Rolle professioneller Steuer-Serviceanbieter stellte schon 2005 fest, dass Verkäufe dubioser Steuerprodukte Big Business geworden sind, das talentierte Professionelle aus den renommierten größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen des Landes, Anwaltskanzleien, Anlageberatungsfirmen und Banken betreiben. Nach einer britischen Studie arbeiten in den vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen viermal so viel Experten zu Verrechnungspreisen wie in Finanzämtern. In Deutschland stieg die Zahl der Steuerberater und Steueranwälte erheblich, das Personal in Finanzämtern wurde reduziert.
    Quelle: FR

    dazu: Steuerhinterziehung kostet 100 Milliarden
    Brigitte Unger, wissenschaftliche Direktorin des WSI in der Hans-Böckler-Stiftung, über Steueroasen und Steuersünder-CDs: „Es ist ein mühsamer Weg, die Elite wieder dazu zu bringen, ihren Beitrag zu einer zivilisierten Gesellschaft zu leisten.“
    Steuern sind der Preis, den wir für eine zivilisierte Gesellschaft zahlen, meinte 1870 Oliver Wendell Holmes, Richter am obersten US-Bundesgericht. Der Rückgang der Steueraufkommen in Prozent des BIP in der EU seit der Finanzkrise stimmt jedoch nachdenklich, ob wir uns von dieser postulierten Zivilisation nicht gerade wieder entfernen. Die von der EU proklamierten vier Freiheiten scheinen sich auch in der Freiheit, keine Steuern zu zahlen, niederzuschlagen. Die Elite hat Oasen gefunden, um Gelder aus Steuerhinterziehung zu parken. Geschützt vom Bankgeheimnis in Andorra, Monaco und der Schweiz, von Stiftungskonstruktionen in Liechtenstein und Luxemburg, haben sich immer mehr EU-Bürger der Steuerpflicht entzogen. Wiewohl die Definition einer Steueroase in der Literatur variiert, kommen diese fünf europäischen Länder in diversen Steueroasenlisten vor. Die OECD, die seit 2000 jährlich eine solche Liste erstellt, bezeichnete sie als nicht kooperative Steueroasenländer. Doch 2009 wurden – nach diplomatischen Interventionen und Anpassungen – alle genannten Länder von der Liste entfernt. Die Probleme sind geblieben.
    Schätzungen zufolge verliert Deutschland jährlich rund 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerhinterziehung. Angesichts steigenden Budgetdrucks gerieten deshalb die Steuerhinterzieher ins Visier. Deutsche Behörden kauften erstmals im Januar 2006 eine CD aus Liechtenstein mit Steuerdaten von rund 800 Personen. Im Oktober 2010 bezahlten Steuerfahnder für Kundendaten der Schweizer Bank Julius Bär und im Oktober 2011 für rund 3000 Kontoinformationen aus Luxemburg. 2012 kaufte Nordrhein-Westfalen mehrere CDs, ohne die Namen der Banken zu nennen.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

    und: KPMG, Deloitte, PWC, EY – Wie eng die Bande zwischen Politik und Wirtschaftsprüfern sind
    Die vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen helfen Konzernen, Steuern zu sparen. Das hindert die Regierung nicht daran, sie ebenfalls anzuheuern
    Wenn es darum geht, möglichst wenig Steuern zu zahlen, sind Unternehmen pfiffig. Deutschland verliert jährlich rund 17 Milliarden Euro, weil internationale Konzerne wissen, wie man – legale – Steuervorteile und -schlupflöcher nutzt. Beraten werden sie dabei häufig von den vier größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen, den sogenannten „Big Four“: PricewaterhouseCoopers (PWC), KPMG, Deloitte und Ernst & Young (EY). Gleichzeitig vergibt der Staat Millionenaufträge an die vier großen Wirtschaftsprüfer.
    Die Wirtschaftsprüfer werben im Internet mit ihrer Steuersparexpertise. KPMG bietet die Umgestaltung von Unternehmen zur Optimierung von Steuerzahlungen an. Bei Deloitte wird auch nicht vor „grenzüberschreitender Steuerplanung“ zurück geschreckt, also etwa der Verlagerung von Gewinnen ins Ausland. EY wirbt mit seinen „über 35 000 Fachmitarbeitern“, darunter seien „hochrangige ehemalige Mitarbeiter von Finanzverwaltungen“. Diese helfen unter anderem bei der „Ermittlung“ von „steuereffizienten Konzernverrechnungspreisen“. PWC berät Unternehmen, wie die ideale Rechtsform und der optimale „Konzernaufbau“ aussehen könnten. Insgesamt soll „die Gesamtbelastung mit Steuern in einem angemessenen Rahmen“ gehalten werden.
    Quelle: Tagesspiegel

  7. Der Spagat: Die deutsche Asienpolitik zwischen Kommerz und Geostrategie
    Das Pentagon hat eine Studie veröffentlicht, nach der das US-Militär bei wesentlichen technologischen Produkten und Materialien in erheblichem Maße von Importen aus der VR China oder anderen asiatischen Staaten abhängig ist. Dies beträfe Computerplatinen, Lithium-Batterien, seltene Erden und anderes Equipment, welches für das US-Militär von strategischer Bedeutung sei. Auch sei das Pentagon seit langem besorgt über in gelieferter Elektronik verborgene sogenannte Kill Switches (Not-Ausschalter), mit denen sich im Konfliktfall strategisch wichtige Elektronik ausschalten ließe. Ebenso befürchten die US-Militärs, dass Chips zur Spionage oder zum Abhören genutzt würden. Gleichzeitig wurde die bekannte Klage wiederholt, nach der China US-Technologie stehle und seine Industrie illegal subventioniere. China wird als „wachsendes Risiko für die US-Verteidigungsindustrie“ charakterisiert. Dies kommt von einem militärisch-geheimdienstlich-industriellen Komplex, der, alles in allem, bekanntlich über Mittel von mehr als einer Billion Dollar pro Jahr verfügt.
    Ähnliche Töne sind seit kurzem vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu hören. Nach Agenturmeldungen ruft der BDI seine Unternehmen dazu auf, ihre Abhängigkeit vom chinesischen Markt zu verringern. Es gelte, die „die Chancen des wirtschaftlichen Austausches mit China“ zu nutzen. „Die Risiken, vor die uns China stellt“, dürften dabei aber nicht ausgeblendet werden. Eine „echte Öffnung des chinesischen Marktes“ werde wahrscheinlich nie stattfinden, so der Unternehmerverband. Es bestehe ein „Systemwettbewerb“ zwischen „unserem Modell der offenen Marktwirtschaft und Chinas staatlich gelenkter Wirtschaft“.
    Quelle: unsere zeit
  8. Brasiliens neuer Präsident Bolsonaro ist ein Nazi – hören wir ihm kurz zu
    (…) Bolsonaro wird gerne mit Donald Trump verglichen, „der brasilianische Trump“ oder „Trump of the Tropics“ sind die griffigen Labels der Medien, mit deren Hilfe sie Bolsonaro verständlich machen wollen – ein Mediendilettantismus, der in die Irre führt, da dieser Vergleich viel zu kurz greift: Bolsonaro potenziert die Abscheulichkeiten seines US-Kollegen, ist noch giftiger und hasserfüllter als der giftige und hasserfüllte Despot im Weißen Haus. Politikwissenschaftler Martin Dudenhöffer fand auf JusticeNow! eine passendere Einordnung, als er Bolsonaro als eine Verschmelzung aus dem „demagogischen US-Präsidenten Donald Trump, dem militaristischen ägyptischen Diktator al-Sisi und dem philippinischen Tyrannen, Präsident Rodrigo Duterte“ bezeichnete.
    Bolsonaro ist durch und durch ein strammer Nazi. Ein Bilderbuch-Faschist. Ein homophober Frauenfeind, ein Rassist. 29 seiner eigenen Statements geben einen Einblick in Bolsonaros menschenfeindliches Weltbild:
    Quelle: justice now

    dazu: Brasilien: Parteigänger von Bolsonaro verbreiten “Feindesliste”
    Brasília. Anhänger des designierten Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro, haben eine Liste mit Namen von über 700 Schauspielern, Journalisten, Autoren, Theologen und Künstlern veröffentlicht, die sie zu “Feinden” erklären, da sie sich gegen den ultrarechten Politiker gestellt hatten. Das berichtet der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur unter Berufung auf die brasilianische Tageszeitung Folha de S. Paulo. Die Persönlichkeiten hatten im Vorfeld der Wahlen das Manifest “Demokratie Ja” unterzeichnet, in dem sie vor den Gefahren eines Wahlsieges der Rechten gewarnt und aufgerufen hatten, gesellschaftliche Kräfte zur Verteidigung der Demokratie und der Toleranz zusammenzubringen. Unter ihnen sind die Schauspielerinnen Camila Pitanga und Patrícia Pillar, der Journalist und Schriftsteller Fernando Morais, die Musiker Caetano Veloso, Chico Buarque und Gilberto Gil sowie die Befreiungstheologen Frei Betto und Leonardo Boff.
    Quelle: Amerika 21

    Anmerkung WM: So etwas nennt man auch noch Todeslisten

    und: Bolsonaro droht mit Abbruch diplomatischer Beziehungen zu Kuba
    Rio de Janeiro. Wenige Tage nach seiner Wahl hat Brasiliens designierter Präsident Jair Bolsonaro erklärt, es gebe für sein Land “keinen Grund”, mit Kuba weiterhin diplomatische Beziehungen zu unterhalten. Das sozialistische Land würde “gegen die Menschenrechte verstoßen” und darüber hinaus seien dort “keine Geschäfte zu machen”, sagte der Ultrarechte. In einem Interview mit der Zeitung “Correio Braziliense” kritisierte Bolsonaro darüber hinaus das kubanische Ärzteprogramm in seinem Land.
    In dessen Rahmen arbeiten derzeit über 11.000 kubanische Ärzte und Medizinfachkräfte in Brasilien, häufig in Gegenden, die bisher völlig ohne einheimische Ärzte auskommen mussten. Die Tatsache, dass der kubanische Staat damit Einnahmen erzielt und nur einen Teil des Geldes direkt an die Ärzte ausbezahlt, ist für Bolsonaro offenbar Grund genug, nicht nur das gesamte Programm, sondern auch die Beziehungen mit Kuba in Frage zu stellen. “Können wir diplomatische Beziehungen zu einem Land aufrechterhalten, das seine Leute derart behandelt?”, fragte er in dem Interview…
    Quelle: Amerika 21

  9. Bis zu 18 Monate im Lkw: So werden Fahrer in Europa ausgebeutet
    Einige Habseligkeiten in der Plastiktüte, Kochen und Essen am Straßenrand, Schlafen in der Fahrerkabine – und das Tag für Tag, bis zu anderthalb Jahre lang. So mussten Dutzende philippinische Lkw-Fahrer auf europäischen Straßen leben. Aufgedeckt haben den Fall jetzt europäische Gewerkschaften und das DGB-Projekt “Faire Mobilität”.
    Es bestehe der “dringende Verdacht auf Menschenhandel und Arbeitsausbeutung”, berichtet das DGB-Projekt “Faire Mobilität”. Aufgedeckt worden sind Fälle in Dänemark, den Niederlanden – und in Deutschland: In Ense, in der Nähe von Dortmund, sitzen 16 philippinische Fahrer auf dem Betriebsgelände einer Logistik-Firma. Gewerkschafter aus den Niederlanden und von Faire Mobilität sind seit Samstag in Ense vor Ort und unterstützen die Fahrer.
    Quelle: DGB

    dazu: Amerikas neue Sklaven – Menschenhandel in den USA
    Zwischen Hühnerkot und dem Leben zu acht im Wohnwagen: Jugendliche aus Lateinamerika schuften auf Hühnerfarmen in den USA, unter falschen Versprechungen von Schleusern ins Land gelockt.
    Die Dokumentation zeigt, wie eine Gruppe von Teenagern aus Guatemala gezwungen wurde, gegen ihren Willen auf einer Hühnerfarm in Ohio zu arbeiten. Die Investigativ-Reporterin Daffodil Altan enthüllt ein kriminelles Netzwerk, das unbegleitete Minderjährige ausbeutet.
    Sie deckt dabei auch die unrühmliche Rolle der US-Regierung auf, die die Jugendlichen an ihre Menschenhändler regelrecht ausliefert – indem sie trotz scharfer Grenzkontrollen bei angeblichen Angehörigen der unbegleiteten Flüchtlinge, die jedoch häufig ihre Schleuser sind, nicht so genau hinschaut.
    Brancheninsider, Opfer und beschuldigte Menschenhändler schildern dabei ihre jeweilige Sicht. “Das gehört zu den Dingen, die man lieber nicht wissen will. Ahnt man, dass da was nicht stimmt? Wahrscheinlich. Aber nachbohren tut man lieber nicht”, bringt ein ehemaliger Geschäftsführer einer Hühnerfarm die Kultur des Wegschauens im Umgang mit illegalen Arbeitsmigranten auf den Punkt.
    Der Fall beleuchtet das Problem des Menschenhandels in den USA mehr als 150 Jahre nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei.
    Quelle: ZDF Info

  10. Warum Forderungen nach einem höheren Mindestlohn wohlfeil sind
    Bei der Einführung des Mindestlohns wurde bewusst dafür gesorgt, dass jede „politische Übergriffigkeit“ verhindert werden kann. Das hält geneigte Politiker jedoch nicht davon, den Mindestlohn in regelmäßigen Abständen zu politisieren – ohne jedoch die Konsequenzen aus dieser Forderung zu ziehen. Ein Kommentar von Stefan Sell.
    (…) Umstritten war natürlich auch die Höhe der Lohnuntergrenze – dass wir mit 8,50 Euro pro Stunde gestartet sind, ist ja nun wirklich nicht sachlogisch im engeren Sinne begründbar gewesen, sondern war und ist eine politische Setzung. Einige hätten damals gerne einen noch tieferen Einstiegslohn gesehen, anderen war jeder Betrag unter der zweistelligen Hausnummer 10 Euro deutlich zu niedrig. Ob der gewählte Betrag letztendlich zu niedrig war, darüber kann man erbittert streiten. Aber nicht darüber, wie er sich nun entwickeln wird.
    Denn die damals bei der Implementierung dieser Lohnuntergrenze zuständige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat bei der Frage der Anpassung mit der Mindestlohnkommission und dem zugrundeliegenden Regelwerk ganz bewusst einen Mechanismus geschaffen, der verhindern soll, dass der politisch gesetzte Mindestlohn stärker angehoben werden kann. Und Nahles hat wahrhaft deutsche Qualitätsarbeit abgeliefert: Denn auch wenn einige Leute es wollten – es wird mit diesem Regelwerk keinen ordentlichen Schluck aus der Mindestlohnpulle geben können: Die bisherigen Anhebungen des Mindestlohns sind nicht Pi-mal-Daumen festgelegt worden, sondern folgen einer ganz eigenen, zugleich in sich abgeschlossenen Dynamisierungslogik, die jede „politische Übergriffigkeit“ im Sinne einer deutlichen Anhebung verhindert.
    Quelle: Makronom

    Anmerkung WM: Über den Mechanismus zur Entwicklung und Festlegung des Mindestlohnes. Lesenswert

    dazu: So weit klaffen die Prognosen zu den Folgen des Mindestlohns und die Realität auseinander
    Vor der Einführung des Mindestlohns hatten sich zahlreiche ÖkonomInnen mit Prognosen übertroffen, welche enormen Beschäftigungseffekte die Lohnuntergrenze verursachen würde. Die ersten empirischen Ergebnisse zeigen jedoch: Tatsächlich hatte der Mindestlohn höchstens mikroskopische Beschäftigungseffekte und konnte vielmehr die Einkommenssituation der niedrigen Einkommensschichten verbessern.
    (…) Kühle Fakten
    Etwa ein Jahr nachdem am 1. Januar 2015 in Deutschland ein – aus westeuropäischer Perspektive relativ niedriger – gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde eingeführt wurde, lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen auf die Beschäftigung beobachten. Die ersten empirischen Auswertungen zeigen: Etwas weniger Aufgeregtheit hätte der Debatte gutgetan. Die meisten Modelle lagen nämlich weit daneben. Die Modellprognosen waren weit höher als die Beschäftigungseffekte, die in Wirklichkeit eintraten…
    Entgegen der Prognosen war eine Umwandlung prekärer Minijobs in sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit zu verzeichnen. Darüber hinaus verzeichneten die von Niedriglöhnen besonders stark betroffenen Beschäftigtengruppen (wie Frauen oder gering Qualifizierte) überdurchschnittliche Einkommenssteigerungen.
    Mindestlohn sichert ab
    Und Deutschland ist kein Einzelfall. Die faktenbasierte Forschung zu Mindestlöhnen zeigt, dass internationale Studien im besten Fall geringe Beschäftigungseffekte nachweisen. Gleichzeitig verbessern sie die Situation der niedrigsten Einkommensgruppen. Weil Frauen weniger verdienen als Männer, wirkt sich für sie der Mindestlohn auch stärker aus: In Deutschland profitierten von der Einführung doppelt so viele Frauen wie Männer. Somit ist der Mindestlohn zwar kein allmächtiges, aber doch ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Erwerbsarmut und Ungleichheit.
    Quelle: Makronom

  11. Teilhabechancen-Gesetz: „Endlich wird etwas getan für die Langzeitarbeitslosen“
    Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband begrüßt das geplante Teilhabechancen-Gesetz für Langzeitarbeitslose grundsätzlich. Auch sie hätten ein Recht auf Arbeit, sagte er im Dlf. Allerdings sei die Zielgruppe zu klein gefasst und das Gesetz zu „verregelt“.
    Büüsker: Herr Schneider, die Regierung tut gezielt etwas für Langzeitarbeitslose. Wie groß sind da Ihre Freudensprünge?
    Schneider: Na, ich hüpfe schon, aber nicht sonderlich hoch. Auf der einen Seite ist natürlich absolut anzuerkennen, dass endlich, muss man sagen, etwas getan wird für die Langzeitarbeitslosen. Wir haben Hunderttausende von Menschen, von denen wir wissen, sie sind einfach nicht mehr ohne weiteres vermittelbar auf dem ersten Arbeitsmarkt. Auch die haben ein Recht auf Arbeit. Deswegen ist das, was der Arbeitsminister Hubertus Heil hier auf den Weg bringt, absolut richtig.
    Nur – und darin besteht das Problem wie so oft in der Großen Koalition –, die Richtung ist richtig. Aber kaum, dass man losgefahren ist, wird schon die Handbremse angezogen, das ganze Gesetz so verregelt, dass man sich schon Sorgen machen muss, ob es überhaupt ein Erfolg werden kann.
    Quelle: Deutschlandfunk

    dazu: DGB setzt sich durch: Tariflöhne auch für sozialen Arbeitsmarkt
    Mit dem “Teilhabechancengesetz” will die Bundesregierung Langzeitarbeitslosen neue Job-Perspektiven eröffnen: Ein sozialer Arbeitsmarkt soll ihnen geförderte Stellen in Unternehmen, sozialen Einrichtungen oder Städten und Gemeinden ermöglichen. Die Förderung sollte sich bisher allerdings nicht an Tariflöhnen, sondern am Mindestlohn orientieren. Doch jetzt setzt die Koalition eine Forderung der Gewerkschaften um.
    Nur Mindestlohn für sozialen Arbeitsmarkt?
    Die Pläne der Bundesregierung für einen sozialen Arbeitsmarkt sahen im Kern ursprünglich zwei Punkte vor:
    Langzeitarbeitslose arbeiten sozialversicherungspflichtig bei Arbeitgebern in der Wirtschaft, sozialen Einrichtungen oder Kommunen
    In den ersten beiden Jahren gibt es einen öffentlichen Zuschuss von 100 Prozent zum gesetzlichen Mindestlohn – in jedem weiteren Jahr wird dieser Zuschuss um 10 Prozentpunkte gekürzt bei einer maximalen Förderdauer von fünf Jahren
    Das Problem: Wenn sich die Zuschüsse am gesetzlichen Mindestlohn orientiert hätten, hätte das alle Arbeitgeber benachteiligt, die verbindliche Tarifverträge mit Gewerkschaften abgeschlossen haben. Sie hätten die Differenz zwischen Mindestlohn und Tariflohn selbst ausgleichen müssen. “Diese Förderkonditionen sind so unattraktiv, dass sich viele potentielle Einsatzstellen nicht beteiligen werden, die eigentlich für die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser aufgeschlossen sind”, kritisierte bereits im Sommer 2018 DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Außerdem hätte so die Gefahr bestanden, “dass vor allem Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor geschaffen werden”.
    Quelle: DGB

  12. Vereinte Nationen kritisieren Deutschland für Hartz-IV-Regime
    Die UN kritisieren in ihrem aktuellen Abschlussbericht zur weltweiten Einhaltung des UN-Sozialpaktes in deutlichen Worten das Hartz-IV-System. Doch auf Nachfrage von RT auf der Bundespressekonferenz wurde deutlich, das Sozialministerium kannte den Bericht gar nicht.
    Im Rahmen einer regelmäßigen Überprüfung des UN-Sozialpaktes hat der Sozialausschuss des Hochkommissariats für Menschenrechte seinen Abschlussbericht vorgelegt. Die Vereinten Nationen kritisieren darin sehr explizit das Hartz-IV-System. Der Ausschuss empfiehlt unter anderem “eine Erhöhung der Grundsicherung durch eine Verbesserung der Berechnungsmethode”.
    Daneben fordern die UN insbesondere die Überprüfung der Sanktionspraxis in den Jobcentern. Erhöht werden müssten auch die Mietsätze, um den hohen Preisen am Wohnungsmarkt zu entsprechen. Zudem sollten arme Haushalte vor Stromsperrungen geschützt werden.
    Quelle: RT deutsch

    Dazu: Bundesregierung spart jährlich 25 Milliarden durch Herunterrechnen der HartzIV-Sätze.
    Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren den Regelsatz für Hartz IV-Empfänger systematisch nach unten gerechnet – mit weitreichenden Folgen auch für Rentner und Einkommenssteuerzahler. Nach Berechnungen des ARD-Politmagazins MONITOR spart sie damit insgesamt 25 Milliarden Euro pro Jahr.
    Quelle: Monitor

  13. Das Märchen von den teuren Alten
    Die Gesellschaft wird älter und dem Gesundheitswesen droht die Kostenexplosion. Klingt einleuchtend, ist aber falsch. Alte Menschen sind nicht das Problem. Die Umstrukturierung von einem Gesundheitswesen in eine Gesundheitswirtschaft ist der Kern des Übels.
    Unser Gesundheitswesen ist in Gefahr! Das hört man immer wieder. Die größte Gefahr gehe davon aus, dass die Gesundheit bald nicht mehr bezahlbar sein werde. Der medizinische Fortschritt mache die Medizin immer teurer, deswegen könne er nicht mehr allen zugutekommen. Man werde rationieren, priorisieren und zuteilen müssen. Und dann ist da außerdem auch noch die immer weiter steigende Lebenserwartung, die immer größer werdende Zahl alter Menschen. Älter ist kränker ist teurer, so lautet die Schreckensformel. Aber stimmt das eigentlich alles?
    Der Begriff der Kostenexplosion wurde 1974 von dem damaligen Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz, Heiner Geißler, in die politische Diskussion eingeführt. Mithilfe einer irreführenden Visualisierung von eigentlich recht geringen statistischen Schwankungen der Gesundheitskosten entstand der Eindruck einer steil ansteigenden Kostenkurve. Der Spiegel setzte daraufhin mit der Serie: „Krankheitskosten: Die Bombe tickt“ im Jahr 1975 das ganze Land unter Strom. Spätestens jetzt war klar: Es bestand dringender Handlungsbedarf!
    Im Jahr 1998 erschien ein Taschenbuch mit dem Titel „Das Märchen von der Kostenexplosion“ und entwickelte sich schnell zu einem Bestseller. Bis dahin hatte der Begriff der Kostenexplosion aber schon enorme Bedeutung in sämtlichen Diskussionen über die Zukunft des Gesundheitswesens erlangt. Alle Welt war der Meinung, dass das Gesundheitswesen bald nicht mehr bezahlbar sein werde und längerfristig auf den totalen Zusammenbruch zusteuere.
    Tatsächlich gibt es aber gar keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Es hat auch noch nie eine gegeben. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind in unserem Land seit Jahrzehnten konstant. Sie betragen 10 bis 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit minimalen Ausschlägen nach oben oder unten, und zwar nicht weil die Kosten explodieren, sondern wegen konjunktureller Schwankungen dieses Bruttoinlandsprodukts.
    Quelle: taz
  14. Scholz streicht Milliarden: Groko verschiebt Ausbau von Ganztagsschulen
    Union und SPD verschieben eines ihrer zentralen Projekte aus dem Koalitionsvertrag: den Ausbau von Ganztagsschulen und der Hortbetreuung für Grundschüler. Nach Informationen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND) hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die eigentlich für dieses Programm eingeplanten zwei Milliarden Euro wieder aus der Haushaltsplanung für 2019 gestrichen.
    Der Betrag war in dem im Sommer von Bundeskabinett beschlossenen Etatentwurf noch in Form einer „globalen Mehrausgabe“ vorgesehen. Dieser Posten ist in der Fassung, die bei der sogenannten Bereinigungssitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses am Donnerstag beschlossen werden soll, nicht mehr enthalten. […]
    Der Spielraum für andere Ausgaben steigt entsprechend. Scholz hatte bereits angekündigt, mehr Geld für die Entwicklungshilfe und die Verteidigung bereit zu stellen. Das ergibt sich auch aus seiner Vorlage für die Bereinigungssitzung im Bundestag, die dem RND vorliegt. Danach soll das Entwicklungsministerium 260 Millionen Euro mehr bekommen als ursprünglich geplant, für das Verteidigungsministerium ist für das nächste Jahr ein Plus von 320 Millionen Euro vorgesehen.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung André Tautenhahn: Mehr Geld für Rüstung und dafür weniger Mittel für Bildung. Ob das die klaren Ziele und Botschaften sind, von denen die SPD-Führungsspitze zu Beginn der Woche gesprochen hat?


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