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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die neoliberale Indoktrination der Dozenten ist beträchtlich. Die Bundesbank mischt kräftig mit.
Datum: 5. März 2010 um 11:09 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Neoliberalismus und Monetarismus, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Ein Nachdenkseitenleser hat einen interessanten Bericht über seine Erfahrungen mit Dozenten in VWL geschickt. Was Dozenten bei der Fortbildung erzählen, ist offenbar unbeeindruckt von der Krise, in die uns die herrschende Lehre geführt hat. Bei Gesprächen darüber wurde ich auf die Aktivitäten der Deutschen Bundesbank und der Allianz AG und Deutschen Bank aufmerksam gemacht. Offenbar verschärfen diese „Täter“ ihre Indoktrination. Das zeigt, dass sie auch diese Krise ihrer Ideologie mit Meinungsmache zu überwinden versuchen. Wir können nur darum bitten gegenzusteuern. Nicht alle Dozenten und Lehrer, die die herrschende Lehre weitergeben, tun dies mit böser Absicht. Albrecht Müller
1. Hier zunächst der Bericht des NachDenkSeiten Lesers:
„Ich besuche zur Zeit eine Fortbildung zum Technischen Fachwirt IHK. Wie es sich für eine ordentliche Fortbildung in der privaten Wirtschaft ziemt, gehören dazu natürlich auch wirtschaftswissenschaftliche Fächer. Was mir bei den Dozenten auffällt, ist ihre eindimensionale Denkweise in neoliberalen Dogmen. So hatte unser Dozent in VWL versucht klarzumachen, dass Mindestlöhne schädlich für eine Marktwirtschaft sind, da sie die freie Preisbildung am Markt behindern und zu einem Rückgang der angebotenen Stellen am Arbeitsmarkt führen würden.
Ich wies ihn darauf hin, dass er hier nur eine Seite der Medaille beschreibt und er die Tatsache weggelassen hat, dass durch die Arbeitsmarktpolitik des Staates Erwerbslose auch zu Niedriglöhnen in den Arbeitsmarkt gedrückt werden. Es liegt also mitnichten ein idealer Markt mit freier Preisbildung vor. Weiterhin funktioniert der Mindestlohn ja auch in anderen europäischen Ländern. In beiden Argumenten musste er mir Recht geben. Was sich hieran aber deutlich zeigt ist, dass in betriebswirtschaftlichen Lehrgängen immer von einem perfekten Markt ausgegangen wird. Dieses Bild setzt sich dann auch in den Köpfen der Lernenden fest, was letztendlich zu einer Wirklichkeitsverzerrung führt. Ich gehe davon aus, dass es in diesem Fall nicht anders sein wird. Würde ich jetzt einen der anderen Teilnehmer in der Weiterbildung fragen, so wird er behaupten, dass Mindestlöhne per se schädlich sind.
Ein anderer Dozent fing eine Diskussion über Hatz IV an. Letztendlich nur ein Vorwand, um seine Meinung zu diesem Thema kundzutun – dass Karlsruhe ein wegweisendes Urteil darüber gesprochen hat: Hartz IV kann prinzipiell weiter gekürzt werden, Sachleistungen sind mit der Menschenwürde vereinbar. Statt Geld solle es nun doch bitte schön Sachleistungen oder zweckgebundene Gutscheine geben. Diese könnten schließlich nicht in der nächsten Kneipe in Alkohol umgesetzt werden. Guido Westerwelle und Co. hätten letztendlich ja in der Sache recht, wenn auch die Wortwahl unangemessen gewesen sei. Es war für mich bestürzend, das der Rest meiner Mitlernenden dem durchaus zustimmten. Als Beispiel wurde u.a. auch der “Vorzeige-Hartzi” von Anne Will genannt.
Es ist erschreckend, wie sehr sich die Propaganda der neoliberalen Leitmedien in den Köpfen festgesetzt hat. Das Denken in den Köpfen wird bestimmt von dem Motto “Hartz IV kürzen oder gleich ganz abschaffen”. Eine differenzierte Diskussion wurde von dem oben genannten Dozenten gar nicht angestrebt. Was mit den unteren Lohngruppen passieren wird, wenn die Hartz-Sätze weiter fallen und was es mit dem Grundgesetz Art. 1und Art. 20 auf sich hat, wurde erst gar nicht erwähnt. Stattdessen wurde die Prognose in den Raum gestellt, dass es dann nach der NRW-Wahl “gravierende Einschnitte” geben werde. CDU/FDP müssten ja noch so lange Rücksicht nehmen, da Arbeitslose auch Wähler seien – eine von mir als doch recht zynisch empfundene Bemerkung des Dozenten.
Besorgniserregend ist, das solche Dozenten auch an Berufsschulen und Universitäten unterrichten. Die vorgefassten Meinungen werden also dort an die Schüler und Studenten weitergegeben. Eine kritische Diskussion wird wohl auch dort nicht stattfinden. Die jungen Menschen nehmen die Meinungen der Dozenten somit kritiklos “mit nach Hause”. Eine kritische Beleuchtung der momentanen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation findet an den Schulen und Universitäten gar nicht statt. Alternativen werden nicht aufgezeigt. Dozenten und Professoren tun ihre Meinung kund, ihre Zuhörer nehmen diese Meinung ohne großes Nachfragen hin. Welche Fragen sollten sie auch stellen, wenn in den Leitmedien der gleiche Ton angeschlagen wird.“
2. Die Allianz und Deutsche Bank setzen Ihre Mitarbeiter als “Lehrer” ein, um den Schülern die Wirtschaft (und private Vorsorge?) zu erklären.
Davon berichtet das Versicherungsjournal am 4.3.:
Hier Überschrift und Einstieg:
„Allianzer und Deutschbanker werden Lehrer
Die Finanzkrise könnte eine ebenso überraschende wie positive Folgewirkung haben. Sowohl die Allianz AG wie die Deutsche Bank haben angekündigt, dass sie ihr Engagement zur Verbesserung der wirtschaftlichen Allgemeinbildung an Deutschlands Schulen massiv verstärken werden.
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, als die Finanzkrise die Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Allzu viel haben, so scheinen diverse aktuelle Entwicklungen zu zeigen, zumindest manche der Hauptakteure des Debakels daraus nicht gelernt.
Kunden wollen jetzt selbst entscheiden. …“
3. Die Schulaktivitäten der Deutschen Bundesbank.
Eine Übersicht der Lehrerforbildungsveranstaltungen findet sich hier. Auf den umliegenden Seiten gibt es weitere Informationen die erahnen lassen, wie hier systematisch hinter die Fichte geführt wird.
Mit der eigentlichen Aufgabe der Bundesbank hat das nichts zu tun. Es ist wie schon vor 40 Jahren eine Indoktrinationsanstalt – und dies heute offensichtlich forciert.
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