Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 29. August 2018 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Redaktion
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung JK: Die Ereignisse in Chemnitz lassen sich auch aus einer weiteren Perspektive betrachten. Die Demonstrationen wurden sicher durch die rechte Szene in Sachsen initiiert, AfD und Rechtsextreme versuchen den Tod des 35-jäihrigen Familienvaters zu funktionalisieren und auszuschlachten, das kann nicht geleugnet werden. Es kann dennoch nicht jeder der daran teilgenommen hat pauschal als Nazi abgeurteilt werden. Die Wut die sich hier Bahn bricht hat ihre tiefere Ursache in der Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen.
Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten hatten mehrfach auf die fragwürdigen Giftgaseinsätze, für die NATO-Mitgliedsstaaten wie Frankreich, GB, USA und auch Deutschland einseitig die syrische Regierung verantwortlich machten, hingewiesen.
Bitte lesen Sie dazu u.a.
Dazu: Renten, Kindergeld und mehr: Frankreichs Regierung bremst Sozialausgaben
Reformen sollen Angestellte motivieren, Überstunden zu leisten. 4500 Stellen im öffentlichen Dienst auf zentraler Ebene fallen im kommenden Jahr weg. Später sollen es noch viel mehr werden.
Die französische Regierung plant Einschnitte bei den Sozialausgaben sowie neue finanzielle Anreize, um längere Arbeitszeiten attraktiver zu machen. Der Premierminister Edouard Philippe kündigte in einem Interview mit der französischen Sonntagszeitung „Journal du Dimanche“ entsprechende Maßnahmen an, die in den kommenden Monaten umgesetzt werden sollen.
Als besonders heikel dürfte dabei die geplante Entkoppelung von einigen Sozialleistungen von der Inflation empfunden werden. Im linken politischen Lager kündigte sich dagegen bereits am Sonntag erheblicher Widerstand an. Die Regierung will die Renten, das Wohn- und das Kindergeld in den Jahren 2019 und 2020 nur um 0,3 Prozent und damit einen geringeren Prozentsatz ansteigen lassen als die Inflation. Bisher sind diese Posten automatisch an die Preissteigerung gekoppelt. Die Inflation betrug im Juli dieses Jahres 2,3 Prozent.
„Dem Land geht es besser, wenn mehr gearbeitet wird“
Darüber hinaus will die Regierung das längere Arbeiten für die Franzosen interessanter machen, indem sie im kommenden Jahr die Vergütung von Überstunden für die Arbeitnehmer von Sozialabgaben befreit…
Quelle: Frankfurter Allgemeine
Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Sozialausgaben bremsen”: so kann man krassen Sozialabbau natürlich sprachlich verschönern. Wenn die Renten, Kinder- und Wohngeld bisher an die Inflationsrate gekoppelt waren (und nicht zusätzlich an den Produktivitätszuwachs, was ich kaum glauben kann), dann ist das schon armselig genug, aber 0,3 Prozent Zuwachs pro Jahr sind mindestens 2,5 Prozentpunkte zu wenig…
Anmerkung WM: Die richtige Diskussion wäre die Diskussion über eine Heranziehung aller Einkommensarten als Beiträge zur Sozialversicherung und zwar nicht nur zur Rentenversicherung allein. Und begleitend dazu die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze bei gleichzeitiger Einführung einer Höchstrente
Dazu: Mehr Rente ohne Riester
Kanzlerin und Lobbyisten geraten in Panik, weil die SPD im Sommerloch das Rententhema wiederentdeckt hat. Nehmen wir nur die von der Regierung verabredeten Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner, die aber nur den zukünftigen neu in Rente gehenden Menschen zugute kommen sollen, oder man denke an die zusätzliche »Mütterrente«, die ungerechterweise nur ab mindestens drei Kindern gezahlt werden soll. Ebenso schreien bei der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) formulierten »Haltelinie«, wonach mindestens 48 Prozent des Rentenniveaus bis 2025 gesichert werden müsse, alle Marktradikalen im Chor: Das kostet bis 2025 mehr als 30 Milliarden Euro!
Die Zahlen stimmen zwar, sie sind aber kein Grund für Alarmismus. Wenn man richtig rechnet, sind es sogar 31,7 Milliarden Euro, die zusätzlich bis 2025 fällig werden – mehr als vier Milliarden pro Jahr. Was diese Panikmacher nicht sagen, ist, dass aktuell ein um einen Prozentpunkt erhöhter Beitragssatz Jahr für Jahr 14,65 Milliarden Euro Mehreinnahmen in die Rentenkasse spülen würde und ein junger oder ein mittelalter Beschäftigter, der heute den aktuellen Durchschnittsverdienst von 3.156 Euro brutto auf dem Lohnzettel hat, gerade einmal 9,50 Euro mehr im Monat zahlen müsste – und seine Chefin ebenfalls. So werden aus fast 32 Milliarden Euro 9,50 Euro. Und für wenig Verdienende mit beispielsweise 1.578 Euro wären es nur 4,75 Euro.
Die Partei Die Linke fordert, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben, so hoch wie zuletzt im Jahr 2000. Was würde dies bringen und kosten? Das würde einer sogenannten Standardrentnerin, die heute nach 45 Jahren Arbeit zum jeweils gültigen Durchschnittslohn 1.281 Euro Rente netto zu erwarten hat, sofort 130 Euro mehr an Rente bringen. Netto! Finanzierbar wäre das heute bei einem durchschnittlichen Bruttolohn (West) von 3.156 Euro mit nur 32 Euro mehr an Rentenbeitrag, jeweils für die Beschäftigten und die Chefs. Dafür bräuchte man für eine lebensstandardsichernde Alterssicherung aber keine Riesterbeiträge von 111,66 Euro in diesem Beispiel mehr zu zahlen. Macht unterm Strich 79,66 Euro mehr im Portemonnaie. Und auch im Jahr 2030 wären das bei einem durchschnittlichen Bruttolohn, der dann schon voraussichtlich auf 4.503 Euro angestiegen sein wird, nur 88 Euro zusätzlich im Monat. Der Clou dabei: Bei einem Rentenniveau von 53 Prozent könnten jede und jeder sofort darauf verzichten, Monat für Monat vier Prozent des Bruttoeinkommens in die gescheiterte Riester-Rente zu stecken. Das hieße: 88 Euro mehr in die gesetzliche Rentenkasse zahlen, aber keine 165,55 Euro (plus Zulagen) mehr für die gescheiterte Riester-Rente überweisen! 74,75 Euro mehr in der Tasche.
Quelle: junge Welt
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein Armutszeugnis sondergleichen. Mindestens jedes dritte Kind ist darauf angewiesen, die erbärmlichen 8 Euro pro Monat beim Job-Center zu erbetteln? Wenn Kinder nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen, dann wohl in diesem Fall, daß sie nichts wert sind und in einem der reichsten Länder der Welt massenhafte Armut als normal angesehen wird. Und natürlich prägt diese Erfahrung die Kinder für ihr restliches Leben.
Anmerkung WM: Wer möchte da nicht gerne bei Amazon arbeiten? Ein Konzern, der seinen Mitarbeitern sogar erlaubt, auf die Toilette zu gehen! Abscheulich, das Vorgehen von Amazon. Anstatt sich um anständige Arbeitsbedingungen zu kümmern macht der inzwischen überall wegen seiner miserablen Arbeitsbedingungen in Verruf geratene Konzern billige Propaganda. Schande auch über die „Mitarbeiter“ die sich dafür hergeben.
Anmerkung Jens Berger: Derartige Praktiken sind nicht neu. Auch wir mussten uns schon im Kommentarbereich auf Facebook mit Leuten herumschlagen, die angeblich jemanden bei Amazon kennen, der mit den Arbeitsbedingungen überglücklich ist und überdies auch sehr gut verdient. Eine Rückverfolgung der betreffenden Profile ergab, dass die Kommentatoren selbst bei Amazon tätig sind.
Sehr geehrter Herr Müller,
Sehr geehrter Herr Berger,vornweg möchte ich mich für Ihre Arbeit vielmals bedanken. Sie helfen mir bei meiner Bildung bzw. Informationsbeschaffung und politischer Orientierung ungemein. Im Grunde sind die Nachdenkseiten inzw. meine Hauptnachrichtenquelle, die sozusagen das Wichtigste abdeckt. Dazu nehme ich dann noch die ein oder andere Recherche vor und schaue, was so der innere Mainstream schreibt. Sie ermöglichen mir also mit Ihrer Arbeit auch eine enorme Zeitersparnis, würde ich mir beispielsweise die ganzen tollen “Hinweise des Tages” selbst zusammen suchen wollen. Und hier komme ich zum Punkt, weswegen ich schreibe, da ich an der heutigen Auswahl einen kleineren Kritikpunkt anbringen möchte. Und an der Stelle möchte ich mich auch gleich dafür entschuldigen, dass ich mich erst bei Ihnen melde, wenn mich etwas stört.
Zu den heutigen Hinweisen des Tages: auch hier möchte ich vorweg loben, dass es insgesamt eine sehr gute Auswahl ist. V.a. der Essay von Hans-Jürgen Urban, der mir sehr vielversprechend erscheint, den ich aber bisher nur überflogen habe. Und der Artikel von Johannes Simon, dessen Analysen ich für sehr nachvollziehbar halte, die jedoch m.E. nicht ganz widerspruchsfrei mit Andreas Nölkes aktuellen Schriften vereinbar sind, den ich ebenfalls für seine Scharfsinnigkeit schätze. Explizit wird ja dort in dem Artikel auch Heisterhagen kritisiert. Wobei dieser, soweit ich weiß, nicht ein derart großartiger Verfechter von HartzIV ist, wie dort insinuiert wird. Vielleicht könnten Sie ja in einem eigenen Beitrag auf diesen Komplex eingehen. Das würde mich sehr interessieren, wie Ihre Sicht zu dieser theoretischen Konfliktebene ist.
Nun aber zum Kritikpunkt: Mich hat sehr irritiert, dass heute ein Artikel von Rainer Zitelmann bei The European empfohlen wird, ohne jegliche kritische Einordnung. Mal abgesehen davon, dass Zitelmann für jeden Linken ein Graus sein sollte (wie Sie sicher selbst wissen), ist auch seine Analyse nicht sehr treffend. Mit den angesprochenen Konfliktfeldern mag er nicht ganz unrecht haben, aber seine Argumentation ist m.E. verfehlt.
Ich selbst habe das Interview gesehen und war ebenfalls schockiert, als Frau Merkel “Europa” als ihr Vermächtnis ins Spiel brachte. Ich dachte sogar, dass es wirklich auch menschlich traurig ist, wenn sie diese Aussagen ernst meint und nicht nur aus Opportunität heraus tätigte.
Zu Zitelmanns Argumenten:
- Er erklärt, dass “Die Briten, die für uns der wichtigste Verbündete (gerade in wirtschaftspolitischen Fragen) waren, (…) ausgeschieden [sind].” Hier und in Kombination mit den späteren Ausführungen scheint Zitelmanns Affirmation der neoliberalen Austeritätspolitik durch.
- Er erklärt, dass ” Merkel (…) alle Kraft zur Griechenlandrettung eingesetzt [hat] und sich nicht im Geringsten bemüht, dass die Briten in der EU bleiben.” Das klingt gerade so, als ob Merkel der Syriza-Regierung irgendwas geschenkt hätte. Ihre Rolle kann man ja u.a. in Varoufakis “Die ganze Geschichte” zumindest im Ansatz erkennen. Sie gab offenbar immer wenig wie möglich und immer nur so viel wie sein musste und am Ende war es offenbar auch sie, die Tsipras einlullte. Das Ergebnis sehen wir heute.
- Zur Migrationspolitik Merkels erklärt er: “Sie wollte diese Staaten zwingen, gegen ihren Willen Zuwanderer aufzunehmen. Das haben die sich nicht bieten lassen – und dies hat Europa weiter gespalten. Merkel war so weltfremd, dass sie glaubte, ihre Politik der grenzenlosen Willkommenskultur allen anderen europäischen Staaten aufzwingen zu können. ”
Er unterschlägt dabei, dass die deutschen Regierungen (allen voran Merkel) immer mit dem Verweis auf die Dublin-Regeln eine solidarische europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik blockiert haben – bis zu dem Zeitpunkt, wo es sozusagen auch für Deutschland brenzlig wurde. Plötzlich appellierte sie an die Solidarität der anderen. Auch das gehört zu einer ehrlicheren Kritik an Merkels Migrationspolitik dazu und erklärt auch teilweise die jetzige Blockadehaltung anderer Mitgliedsstaaten in Sachen Migration.
Die Formulierung “Politik der grenzenlosen Willkommenskultur” ist m.E. ohnehin fernab der Realität. Wenn diese von Merkel je betrieben wurde, ist das doch schon längst Schnee von gestern. Und selbst im Jahr 2015 war es wohl eher ein opportunistischer Akt, weil man -völlig zu Recht und auch menschlich geboten- die schlimmen Bilder in der europäischen Peripherie verhindern wollte.- Die “Euro-Rettungspolitik” betreffenden Ausführungen sind relativ diffus, diese kann man dadurch im Grunde weder als “richtig” noch als besonders “falsch” werten. Aber auch hier unterschlägt er wieder mit der Formulierung, dass diese “[Euro-Rettungspolitik] zudem zu ökonomisch unkalkulierbaren Belastungen Deutschlands für die Zukunft” führe, dass unter dieser Politik zu allererst die anderen europäischen Staaten leiden. Deutschlands Lohndumpingpolitik erwähnt er mit keinem Wort, obwohl diese bei keiner Analyse der Probleme der Europolitik fehlen darf. Leiden wird “Deutschland” erst richtig, wenn der dt. Export in den anderen Mitgliedsstaaten eines Tages nicht mehr abgesetzt werden kann.
- Und zu guter Letzt mutmaßt er, dass Merkel womöglich als “weltfremde grüne Ideologin” in die Geschichte eingehen wird. Dass Merkels Umweltpolitik alles andere als grün ist, dürfte jedem regelmäßigen Leser der NDS ja bekannt sein. Das ist ja der Witz an Camouflage: Das sieht nach grüner Natur aus, ist aber keine. Da hat sich der Zitelmann wohl aus seiner ideologischen Borniertheit heraus täuschen lassen.
Allerbeste Grüße und viel Kraft für die weitere Arbeit wünscht ein treuer Leser,
Johannes Fedisch
Anmerkung Jens Berger: Herr Fedisch hat Recht. Die kommentarlose Aufnahme des Artikels war unglücklich.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=45732