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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. August 2018 um 8:40 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Demokratien werden von ihren Eliten zerstört
  2. Wohnungsnot
  3. Kontraproduktive Sanktionen?
  4. Zuwanderungsregeln: Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung an
  5. Flüchtlinge: Gewerkschaften für Möglichkeit eines “Spurwechsels”
  6. Griechenland: „Die Menschen werden noch mehr leiden“
  7. Mehrere VW-Mitarbeiter wegen Abgas-Skandal vor Entlassung
  8. Pipelines im Visier
  9. Milliarden-Auftrag für MBDA rückt näher
  10. Zum Fall Sami A.
  11. Vorzeigeprojekt der CSU: Ein Monat bayerische Grenzpolizei – das ist das magere Ergebnis
  12. Österreich als sozialpolitischer Prügelknabe der Merkel-EU?
  13. Finanzminister Scholz will Rentenniveau bis 2040 sichern

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Demokratien werden von ihren Eliten zerstört
    Die wahre Parallelgesellschaft bilden die Topmanager: Mit ungeheurer Ignoranz tragen sie die Demokratie zu Grabe. Damit seien Sie die wirkliche Gefahr für Deutschland, sagt Michael Hartmann.
    Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Das ist, jeder weiß es, eine Lüge. Die einzigen, die ihr noch anzuhängen vorgeben, sind die, die so tun, als glaubten sie, sie würden so gut bezahlt, weil sie zu den Leistungsträgern gehören. Spätestens seit wir beobachten können, dass Manager, die ihre Firmen ruinieren, nicht nur ihre exorbitanten Gehälter, sondern auch weiter ihre Boni beziehen, glauben wir nicht mehr an die Leistungsgesellschaft. Der Dieselskandal hat jetzt auch dem letzten gläubigen Anhänger der Rede von der Leistungsgesellschaft gezeigt, dass zu den besonders gut vergüteten Leistungen der Betrug gehört. (…)
    Vor allem die Vorstellung, die berühmten Business Schools oder Eliteuniversitäten wären die Brutstätten einer globalen Elite, erweisen sich als falsch. Nicht einmal 10 Prozent der Topmanager und der Milliardäre haben überhaupt eine Hochschule im Ausland besucht, gerade einmal fünf Prozent eine Elitehochschule.“ Es gibt keine globale Wirtschaftselite. Es gibt auch keinen globalen Stellenmarkt für sie. Unsere Elite ist unsere und niemandes sonst. Sie hält sich an uns schadlos.
    Das ist zu lesen im neuesten Buch von Michael Hartmann: „Die Abgehobenen – Wie die Eliten die Demokratie gefährden“. Bevor demnächst uns Thilo Sarrazin, Ex-Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, wieder weiszumachen versuchen wird, dass es der Islam und die Muslime sind, die unsere Welt zerstören, kommt Hartmanns Buch gerade rechtzeitig, um uns darüber aufzuklären, dass unsere Probleme zwar nicht verstanden werden können ohne die globalen Zusammenhänge, in denen sie stehen, dass sie aber eben doch hausgemacht sind.
    Die wahre Parallelgesellschaft in Deutschland bilden nicht die Hinterhof-Scharia-Gerichtshöfe, die es tatsächlich gibt, die aber für die weite Mehrheit auch der eingewanderten Bevölkerung irrelevant sind, sondern die von Hartmann beschriebenen Eliten. Das wird aus jeder seiner Untersuchungen deutlich. In seinem neuesten Buch, das die Erkenntnisse der früheren zusammenfasst, zitiert er Peer Steinbrück: „Das ist der Hauptvorwurf, den ich den so genannten Eliten mache: Diesen Leuten fehlt jegliches Verständnis dafür, was ihr Tun in der Gesellschaft auslöst. Die Ignoranz ist enorm.“
    Quelle: FR Online

    dazu: Primat der Politik zurückerobern
    Sammlungsbewegung »Aufstehen« soll Möglichkeiten zur Selbstermächtigung eröffnen
    Angesichts der postdemokratischen Auflösungserscheinungen im Lande, in Europa und in der Welt wollen sich viele Menschen mit den mangelnden Möglichkeiten zu Einmischung und Selbstermächtigung nicht mehr abfinden. Gerade im weitesten Sinne Linksorientierte wollen nicht in Ratlosigkeit und Resignation verharren. Das zeigt der große Widerhall, den die Idee einer Sammlungsbewegung schon in den ersten Tagen des Registrieren-Könnens erfährt. Bislang war für Hunderttausende die einzige Möglichkeit, ihre Veränderungswünsche durch Resolutionen und Appelle an die Politiker zu erbitten. Das war mitunter nicht ohne Wirkung, befriedigt aber das Bedürfnis aktiv mitzugestalten nicht.
    Dazu sind die noch aus dem vorigen Jahrhundert mitgeschleppten und aufgestauten Probleme zu grundsätzlich. Ob eine vernünftige Politik die Bürger vor dem globalen Finanzkapitalismus schützen kann, ist bisher nicht bewiesen. Denn die Macht der Wirtschaft ist größer als die der Politik. Die zersplitterte nationale und internationale Linke stellt derzeit keine konzept- und handlungsfähige Opposition dagegen dar. Opposition aber ist die Seele der Demokratie.
    Der Auftrag der Sammlungsbewegung wäre, das Primat der Politik zurückzuerobern. Kann man dafür sammeln, ohne zu spalten? Den drei quasi-linken Parteien im Bundestag war bisher die Kultivierung ihrer Unverträglichkeiten wichtiger als das Ergreifen einer gemeinsamen Veränderungsoption. Dabei sind die programmatischen Schnittstellen nicht gering. Es bleiben dennoch markante Unterschiede, innerhalb und zwischen den Parteien. Insbesondere in der Friedens- oder Interventionspolitik, in der angeblichen Notwendigkeit von Rüstung und deren Export. Hier ist auch die Kluft zwischen dem Willen der Wähler und deren Repräsentanten besonders groß.
    In solches Vakuum könnten Bewegungen vordringen und damit Abgeordnete ermutigen, ihr vermeintlich freies Mandat mehr am Wählerauftrag zu orientieren, als an den Partei-Hierarchien. Außerparlamentarischer und außerpropagandistischer Druck muss klarstellen: Parteien, Parlament und Regierung sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Und zwar nur diesem – im Gegensatz zur Wirtschaft, die pflichtschuldig nur der Rendite ist. Diese dient nur dann dem Gemeinwohl, wenn sie gerecht verteilt wird. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist ein sicheres Maß dafür, wie ungezügelt die vermögende Elite schaltet und waltet.
    Quelle: Daniela Dahn in Neues Deutschland

    dazu auch: “Der Einfluss der Konzerne ist sehr stark geworden.”
    Der Einfluss der Konzerne auf die Politik sei in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen, sagte der Verbraucherschützer und Gründer von Foodwatch, Thilo Bode, im Dlf. Wähler seien heute nicht mehr in der Lage, die Politik zu lenken.
    Der Einfluss von Konzernen auf die Politik sei in den letzten 20 bis 30 Jahren stark gewachsen, sagte der Gründer der Organisation Foodwatch, Thilo Bode, im Deutschlandfunk. Die Wähler seien nicht mehr in der Lage, diesen Einfluss zu begrenzen: “Die Politik – so ist meine These – greift immer weniger ein, weil die Konzerne zunehmend mehr Erpressungspotential haben. Sie kaufen sich ja auch Politiker nach ihrer Amtszeit, die als Berater bei den Konzernen tätig werden. Sie beeinflussen Stiftungen, sie kaufen Lehrstühle, sie finanzieren Universitäten – alles in ihrem Sinne. Und das schafft ein großes Ungleichgewicht und die Demokratie wird dadurch entwertet.”
    Quelle: Deutschlandfunk

  2. Wohnungsnot
    1. Wie die Immobilienkonzerne von der Wohnungsnot profitieren
      Steigende Mieten haben dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen im ersten Halbjahr im laufenden Geschäft mehr Gewinn eingebracht. Die meisten Immobilien des Unternehmens liegen in Ballungszentren, wo es immer weniger bezahlbaren Wohnraum für geringere Einkommen gibt. Knapp drei Viertel der Wohnungen befinden sich in Berlin.
      In der ersten Jahreshälfte legte das Betriebsergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,5 Prozent auf 248,5 Millionen Euro zu, wie der MDax-Konzern aus der Hauptstadt am Dienstag mitteilte. Für das Gesamtjahr peilt die Deutsche Wohnen hier weiterhin rund 470 Millionen Euro an. Das wären fast neun Prozent mehr als 2017.
      Außerdem setzt der zweitgrößte deutsche Wohnungskonzern seine Expansion im Geschäft mit Pflegeheimen fort. Das Unternehmen erwarb 30 Pflegeeinrichtungen mit rund 4700 Pflegeplätzen, wie der Konzern mitteilte. Der Kaufpreis liege bei rund 680 Millionen Euro. „Mit über 12.000 Pflegeplätzen werden wir als einer der größten Eigentümer von Pflegeimmobilien in Deutschland von den positiven Makrotrends im Pflegemarkt stark profitieren“, sagte Konzernchef Michael Zahn.
      Quelle: FAZ
    2. Wohnen ist ein Menschenrecht
      Fehlende Wohnungen, zunehmende Obdachlosigkeit, steigende Immobilienpreise und Mieten: Das grundlegende menschliche Bedürfnis nach einer angemessenen Wohnung wird in Deutschland zunehmend nicht erfüllt. Wie eine fortschrittliche Wohnungspolitik aussehen könnte, zeigt der neue Attac-Basistext „Wohnen ist ein Menschenrecht“. Die Autoren untersuchen die Ursachen der Wohnungskrise und machen Vorschläge, wie das Menschenrecht auf Wohnen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge besser verwirklicht werden kann.
      „Durch die steigende Konzentration des Reichtums gibt es weltweit immer mehr Vermögen, das nicht gewinnbringend angelegt werden kann. Die Folge: Kapital fließt zunehmend in den Immobiliensektor. Wohnen wird zur Ware, Immobilien werden zu Anlageobjekten“, sagt Autor Thomas Eberhardt-Köster. Eine weitere Ursache der Krise sind den Autoren zufolge die Privatisierungen öffentlicher Wohnungen und die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit Ende der 1980er Jahre.
      Der Text zeigt aber auch, dass es Alternativen gibt und schildert, wie sich Betroffene gegen Mieterhöhungen und Vertreibung wehren. Der Widerstand geht von der Unterschriftensammlung bis zur Hausbesetzung. Die anstehende Reform der Grundsteuer muss den Autoren zufolge genutzt werden, um Bodenspekulation einzudämmen. Zudem stelle sich die Frage, ob Privateigentum an Grund und Boden noch angemessen ist oder Kommunen Grundstücke Privaten nur zur Nutzung überlassen sollten.
      Mit den Folgen der Krise auf dem Wohnungsmarkt sind vor allem die Städte konfrontiert. „Die Wohnungsfrage wurde in den letzten Jahren zunehmend auf die Kommunen abgewälzt. Gleichzeitig haben diese aufgrund der prekären finanziellen Lage vieler Kommunen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, die Krise zu bewältigen“, stellt Autor Wolfgang Pohl fest.
      Quelle: attac
    3. Bürgerbewegung für mehr Sozialwohnungen
      Weil es immer schwerer wird, an eine bezahlbare Wohnung zu kommen, haben sich Bürger in Frankfurt am Main zu einem Bündnis zusammengetan. Ihr Ziel: Über einen Bürgerentscheid die städtische Wohnungsbaugesellschaft zu verpflichten, in Zukunft nur noch Sozialwohnungen zu bauen.
      Der Saal im Frankfurter DGB-Haus ist gut gefüllt. Rund 100 Menschen sind zum ersten Treffen der Initiative “Mietentscheid” Frankfurt gekommen. Plakate werden aufgehängt mit Sprüchen wie: “Ein Leben lang hart gearbeitet? Mieterhöhung kommt bestimmt”. Oder “Für ne gute Wohnung zahlst Du gerne mehr? Hier sind auch die schlechten unbezahlbar.” Auch die alte Hassliebe zur Nachbarstadt wird bemüht, um die Wohnungsnot deutlich zu machen: “Wohnraum in Frankfurt? Gibt es nur noch in Offenbach.” Der Politikwissenschaftler Alexis Pasadakis von Attac ist der Sprecher des “Mietentscheids” Frankfurt am Main:
      “Was wir zurzeit in Frankfurt erleben, ist eine krasse Verdrängung von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen. Diese Verdrängung führt zu Verzweiflung bei vielen Menschen. Der geförderte Wohnungsbau wurde viele Jahre lang vernachlässigt, sowohl von Sozialwohnungen als auch von Mittelschichtswohnungen. Und deshalb sind wir der Überzeugung, dass rasch zusätzlich viele zusätzliche geförderte Wohnungen geschaffen werden müssen. Und deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die ABG in Zukunft zu 100 Prozent geförderten Wohnbau errichtet.”
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung Christian Reimann: Solche Bündnisse/Initiativen sind zu begrüßen. Vermutlich gibt es sie bereits in vielen Kommunen – so erfreulicherweise z.B. auch in Osnabrück.

  3. Kontraproduktive Sanktionen?
    SPD-Chefin Andrea Nahles hat sich für weitere Korrekturen an den Arbeitsmarktreformen von Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ausgesprochen. Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger sollten abgeschafft werden, sagte Nahles den Zeitungen der “Funke Mediengruppe”. Zwar sei nicht alles abzulehnen, was den Namen Hartz trage, “aber wir müssen grundlegende Fragen stellen. Wie wirken denn überhaupt Sanktionen bei Jüngeren? Kontraproduktiv!”.
    “Die melden sich nie wieder im Jobcenter, um einen Ausbildungsplatz zu suchen”, erklärte die SPD-Chefin. “Ergebnis sind ungelernte junge Erwachsene, die wir nicht mehr erreichen.” (…)
    Darüber hinaus wünscht Nahles sich weitere Korrekturen an den Arbeitsmarktgesetzen. “Ich bin zum Beispiel dafür, den Schutz durch die Arbeitslosenversicherung zu verbreitern und zu verlängern”, sagte Nahles. “Es kann auch nicht sein, dass Familien mit Kindern dauerhaft auf Grundsicherung angewiesen sind. All das diskutieren wir.”
    Nahles sprach sich zugleich für ein Fortbestehen einer Grundsicherung aus. “Natürlich werden wir immer eine Form der Grundsicherung als unterstes soziales Netz brauchen, alles andere wäre ja ein enormer sozialpolitischer Rückschritt”, sagte die frühere Arbeitsministerin.
    Auf die Forderung des nordrhein-westfälischen SPD-Landesverbands, Hartz IV komplett abzuschaffen, reagierte Nahles zurückhaltend. Der Beitrag werde “in die Debatten, die wir jetzt führen”, einfließen.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Christian Reimann: Spät kommt diese Einsicht von der jetzigen SPD-Bundesvorsitzenden. Aber warum kommt Frau Nahles erst jetzt zu der Erkenntnis, dass Sanktionen kontraproduktiv seien – und warum lediglich bei den jüngeren ALG-II-beziehenden Personen? Meint die ehemalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Sanktionen seien für ältere Personen förderlich?

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Kann es wohl sein, dass Nahles für die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen ist, weil sie ganz sicher weiß, dass die CDU dagegen ist? Dass sie in dem Moment, in dem vielleicht eine Abschaffung der Sanktionen möglich gewesen wäre (z. B. in den Verhandlungen zur aktuellen Großen Koalition, wo diese SPD-Forderung nicht aktenkundig ist), stumm geblieben ist? Und auch in den Jahren vorher? Sieht so die “Erneuerung” der SPD aus, weiterhin für die Galerie linke Inhalte faken?

    dazu: Abmildern ja, abschaffen nein
    Besondere Strafen für jüngere Hartz-IV-Empfänger gehören gestrichen. Alle Sanktionen zu streichen wäre aber nicht sinnvoll. […]
    Grundsätzlich alle Kürzungen für Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen, die jede Mitwirkung ablehnen, wie es die Linke etwa vorschlägt, wäre äußerst fragwürdig. Hartz IV würde damit zu einer Art Grundeinkommen ohne jede Gegenleistung. Die Spaltung zwischen SteuerzahlerInnen, die Hartz IV finanzieren, und den Leistungsempfängern würde sich vertiefen. Das Verhetzungspotenzial ist groß. Es wäre einfach keine gute Idee.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dass man weiterhin für Hartz-IV-Sanktionen eintritt (mit der wirklich aparten Begründung, die auch von der WELT kommen könnte: der Steuerzahler wird geschröpft) und sich nicht darum kümmert, dass eine Kürzung des amtlich festgestellten Existenzminimums verfassungswidrig ist: für jeden Journalisten sehr, sehr schlimm und ultrapeinlich. Dass implizit Hartz IV als gegeben und richtig akzeptiert wird von jemandem, der noch das alte System der Arbeitslosenhilfe gekannt hat: das ist weder alternativ noch links, dafür taz. Oder, wie ein Leserkommentar meint, Wirtschaftswoche. Wer mit den Grünen verbandelt ist, kann wohl nicht anders, als diese Perversion für richtig zu halten.

  4. Zuwanderungsregeln: Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung an
    “Schon heute fehlen 1,6 Millionen Arbeitskräfte”, betonte Schweitzer gegenüber dem “Handelsblatt”, “daher brauchen wir neben großem Engagement mit Blick auf inländische Potenziale dringend auch parallel bessere Zuwanderungsregeln.”
    Nun komme es auf die konkrete Ausgestaltung der großen Linien an, fuhr der DIHK-Präsident fort: “Der vereinfachte Zugang zum Arbeitsmarkt für beruflich Qualifizierte kann den in vielen Branchen wachsenden Fachkräftemangel lindern. Ebenso muss ein befristeter Aufenthalt für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung zur Arbeitsplatzsuche ermöglicht werden.” Es gelte, unnötige Hürden bei den Kriterien hierfür zu vermeiden.
    Schweitzers Angebot: “Wir sind seitens der Wirtschaft bereit, uns in der Umsetzung mit zu engagieren, damit die Betriebe dringend benötigte Fachkräfte auch aus dem Ausland einstellen können.”
    Quelle: DIHK

    Anmerkung Christian Reimann: Dass sich die hiesigen Konzerne über den Eckpunkte-Entwurf der Bundesregierung freuen wird, war abzusehen. Insbesondere bei den SPD-Mitgliedern der Merkel-Regierung sollten jedoch die „Alarmsirenen“ leuten, wenn Lob und Bereitschaft zur Mitwirkung vom falschen Lager kommt. Die Folgen für das Ausland dürften verheerend sein, da dort dann die Fachkräfte fehlen werden.

    Bitte lesen Sie dazu auch Der Grundwert der westlichen „Werte“gemeinschaft: Egoismus. Ein neuer Beleg: Fachkräfte-Einwanderungsgesetz.

    dazu: Einwanderungsgesetz: Was im neuen Einwanderungsgesetz stehen sollte
    Endlich schreibt die Regierung ein echtes Einwanderungsgesetz. Diese Inhalte sollte es enthalten, um den Fachkräftezuzug und Teile des Asylrechts neu zu regeln.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung J.K.: “Der Vorschlag stammt in ähnlicher Form vom Bundesverband der Arbeitgeber.” Lange Rede kurzer Sinn, Linksliberale und Neoliberale ziehen hier am gleichen Strang.

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Hier wird im Wesentlichen gefordert, alle noch bestehenden Beschränkungen (Qualifikationsschutz, Gehaltsgrenzen für Zuwanderer…) nieder zu reißen. Der Staat darf z. B. die deutschen Botschaften im Ausland, die sicher Langeweile haben, in Anwerbeämter im Dienste der “deutschen Wirtschaft” umfunktionieren und soll munter jedwede Qualifikation “unbürokratisch” anerkennen – man fragt sich schon, wofür man 3 Jahre und eine Abschlussprüfung im vielgelobten deutschen dualen System braucht, wenn auch ein oder zwei Jahre Praxiserfahrung in Pakistan oder Brasilien genügen.

    Allen Ernstes werden die viel zu niedrigen, bis heute geforderten Einkommensgrenzen für Akademiker, in “Mangelberufen” (40.000 Euro, ein normales Anfängergehalt) als zu hoch und Hindernis gescholten.

    Vorrangprüfung weg, Einkommensgrenzen auf das Mindesteinkommen senken, “Jugendliche dürfen auch ohne Job einwandern”, denn “[i]n Deutschland gibt es einen ungedeckten Bedarf an geringqualifizierten Arbeitskräften.” Dieser Teil ist besonders faszinierend, denn genau das, die mangelnde Qualifikation, wird durch die Bank den Arbeitslosen in Deutschland vorgeworfen.

  5. Flüchtlinge: Gewerkschaften für Möglichkeit eines “Spurwechsels”
    Zur “Spurwechsel-Debatte” erklärt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach:
    “Eine sachlich geführte Diskussion über einen möglichen Spurwechsel von Geflüchteten, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder die sich nur geduldet in Deutschland aufhalten, ist wichtig.
    Zwar begrüßen wir den Vorstoß, jedoch sind wie als Gewerkschaften der Auffassung, dass das Grundrecht auf Asyl nicht angetastet und nicht mit der Erwerbstätigenzuwanderung vermischt werden darf. Deutschland muss weiterhin Menschen, die vor Krieg, Bürgerkrieg oder Verfolgung fliehen, aufnehmen und ihnen Perspektiven bieten.
    Am Beispiel der Ausbildung, bei der bereits jetzt ein Spurwechsel von einer Duldung in einen Aufenthalt zu Erwerbszwecken möglich ist – und zwar qua Bundesgesetz – zeigen sich die Schwierigkeiten: Ein abgeschlossener Ausbildungsvertrag oder eine begonnene qualifizierte Berufsausbildung bieten den Azubis und auch den Betrieben keine ausreichende Sicherheit vor Ausweisung oder Abschiebung. Es ist nicht akzeptabel, dass junge geflüchtete Menschen – wie in Bayern – aus einer beruflichen Ausbildung herausgeholt und abgeschoben werden. Solche Maßnahmen sind menschenunwürdig und schaden auch der Wirtschaft.
    Wir sind überzeugt, dass allen Geflüchteten die Möglichkeit eröffnet werden muss, eine Beschäftigung aufzunehmen. Wir wollen die gesellschaftliche und ökonomische Integration von allen in Deutschland lebenden Geflüchteten. Dies lässt sich nur umsetzen, wenn sie von dem Aufenthaltsrecht als Erwerbstätige oder Studierende nicht länger ausgeschlossen werden. Deshalb setzten sich die Gewerkschaften für Möglichkeit eines Spurwechsels ein und fordern ein konsequenten Abschiebestopp für alle, die sich in Ausbildung befinden oder eine lebensunterhaltsichernde Beschäftigung ausüben.
    Geflüchtete müssen schneller und intensiver in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Dazu braucht es weitergehende Maßnahmen, vor allem in Bezug auf die berufliche und sprachliche Qualifizierung.”
    Quelle: DGB
  6. Griechenland: „Die Menschen werden noch mehr leiden“
    Hunderttausende Griechen leben von weniger als 400 Euro im Monat, ohne Aussicht auf Besserung. Experten befürchten „eine Explosion der Armut“. […]
    Der Sparkurs, den die Athener Regierungen auf Geheiß der Gläubiger steuern mussten, trieb die Griechen in die tiefste und längste Rezession, die ein europäisches Land in Friedenszeiten durchzumachen hatte. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte um mehr als ein Viertel. Zehntausende Firmen gingen in Konkurs. Die Einkommen fielen um durchschnittlich ein Drittel, die Arbeitslosenquote stieg von 7,5 auf 27 Prozent. Das Arbeitslosengeld – 360 Euro für einen Single, 504 Euro für eine vierköpfige Familie – wird in Griechenland maximal ein Jahr lang gezahlt. […]
    Schon jetzt leben viele Rentner unter der Armutsgrenze. Nach 22 Rentenkürzungen beträgt die durchschnittliche Pension 723 Euro. Jeder vierte Rentner muss mit weniger als 372 Euro im Monat auskommen. Und weitere Abstriche stehen bevor: Zum 1. Januar 2019 werden die Renten erneut um bis zu 18 Prozent gekürzt, 2020 sinkt der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer von heute 8636 auf 5685 Euro. Auch nach dem Ende der Kreditprogramme geht also der Sparkurs weiter.
    Erwin Schrümpf ist besorgt: „Ich denke, die menschliche Krise wird sich in den nächsten Jahren noch dramatisch verschärfen, die Menschen werden noch mehr leiden und hungern als bisher.“ 2012 gründete der Salzburger seinen Verein Griechenlandhilfe. Inzwischen haben Schrümpf und seine 40 Mitarbeiter rund 430 Tonnen Hilfsgüter nach Griechenland gebracht. „Anfangs waren es vor allem Medikamente und medizinisches Zubehör, inzwischen bringen wir auch Babynahrung und Hygieneartikel“, berichtet der 53-Jährige. „Manche Familien haben nicht einmal Geld, um den Kindern eine Zahnbürste oder Schulhefte zu kaufen, in Behindertenheimen fehlt es sogar an Wasch- und Putzmitteln.“ Schrümpf sagt: „Die Not wird nicht kleiner, sondern größer.“
    Quelle: FR Online
  7. Mehrere VW-Mitarbeiter wegen Abgas-Skandal vor Entlassung
    “Dieselgate” und kein Ende: Die Abgas-Affäre bei Volkswagen könnte jetzt mehrere Beschuldigte den Job kosten. Dabei hatte VW seine Mitarbeiter zuvor noch ermutigt, die Hintergründe für den Betrug offenzulegen.
    Im Abgas-Skandal bei Volkswagen droht mehreren beschuldigten Mitarbeitern laut einem Bericht der “Bild am Sonntag” die fristlose Entlassung. Dieser Tage erhielten die Betroffenen die Kündigung, meldete die Zeitung am Freitag vorab. Die Ingenieure sollen demnach in die Abgas-Affäre verwickelt sein, gegen sie ermittle auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr aus Konzernkreisen, dass VW am 19. Juli Einsicht in die Akten der Braunschweiger Behörde erhielt.
    Derzeit werde der Inhalt der Ermittlungsunterlagen bewertet. Zudem prüft VW Kreisen zufolge in Abstimmung mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen, ob arbeitsrechtliche Maßnahmen notwendig sind. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt.
    Nach Informationen der Zeitung wollen sich die betroffenen Mitarbeiter gegen die Kündigungen juristisch zur Wehr setzen. Bislang habe VW auf fristlose Kündigungen verzichtet.
    Quelle: manager magazin

    Anmerkung Christian Reimann: Das „manager magazin“ schreibt auch: „VW beugt sich Druck aus USA“. Bedauerlich ist, dass es diesen Druck auf VW und andere Autokonzerne hierzulande offenbar gar nicht gibt. Warum eigentlich nicht? Wäre es nicht im Interesse der Mehrheit von Betroffenen (das dürften die Kunden sein), wenn die deutsche Politik wirklichen Druck ausüben würde? Aber stattdessen gibt es scheinbar einen privilegierten Schutz oder gar Verabredungen zwischen hiesigen Eliten aus Politik und Autoindustrie, oder?

    dazu: Vier VW-Mitarbeiter belasten Winterkorn und Diess
    In der VW-Dieselaffäre geraten der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn und der amtierende Vorstandsvorsitzende Herbert Diess immer stärker in den Blick der Justiz. Nach SPIEGEL-Informationen haben vier in der Affäre beschuldigte Techniker und ehemalige Manager bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig Aussagen getätigt, die Winterkorn und Diess belasten könnten. (…)
    Dabei stimmen sie im Kern in ihren Aussagen überein, dass die VW-Führungsspitze frühzeitig und umfassend über die in den USA eingesetzte Umschaltsoftware in Diesel-Pkw und über drohende Strafzahlungen informiert worden seien. Trotzdem seien die US-Behörden später hingehalten worden. Auch eine Information für die Aktionäre gab es nicht.
    Bei ihren Aussagen beziehen sich die Mitarbeiter auf den sogenannten Schadenstisch am 27. Juli 2015, eine Veranstaltung, die Ex-Chef Winterkorn ins Leben gerufen hatte, um Missstände und Fehler zu besprechen, und an der auch der damalige VW-Vorstand Diess teilnahm.
    Bei dem Treffen soll im Kreis von etwa einem Dutzend Managern ungefähr eine halbe Stunde lang über wesentliche Aspekte der später als illegal eingestuften Umschaltsoftware, über drohende Schäden, Strafen und Handlungsoptionen in den USA gesprochen worden sein. Es wurden auch Folien präsentiert, aus denen das Ausmaß des US-Betruges sichtbar geworden sein soll. Ausgeteilte Kopien habe man aus Sicherheitsgründen später wieder eingesammelt.
    Quelle: Spiegel Online

  8. Pipelines im Visier
    Nach den jüngsten deutsch-russischen Absprachen zur Erdgaspipeline Nord Stream 2 drohen US-Regierungskreise mit Sanktionen gegen die beteiligten Energiekonzerne aus der EU. Strafmaßnahmen seien fest geplant und befänden sich aktuell in den letzten Abstimmungen zwischen dem Weißen Haus und den involvierten Ministerien, wurde am Wochenende kurz vor dem Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Mitarbeiter der Trump-Administration zitiert. Aus den beteiligten Energiekonzernen wiederum verlautet, man werde sich auch durch US-Sanktionen nicht vom Pipelinebau abbringen lassen. Er gilt als zentrales Element der Berliner Energiestrategie. Darüber hinaus wäre die deutsche Wirtschaft, müsste sie nach ihrer Iran-Expansion auch Nord Stream 2 aufgeben, immer stärker auf den transatlantischen Markt zurückgeworfen – zu Lasten einer eigenständigen deutschen Weltpolitik. Berlin stellt Washington Kompensationen in Aussicht – und nimmt zudem den Bau einer neuen Kaukasuspipeline für turkmenisches Erdgas ins Visier.
    Quelle: German Foreign Policy
  9. Milliarden-Auftrag für MBDA rückt näher
    Der milliardenschwere Auftrag für das neue Raketenabwehr-System der Bundeswehr rückt für die Rüstungskonzerne MBDA und Lockheed Martin in greifbare Nähe. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr habe die Bietergemeinschaft für das sogenannte Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) aufgefordert, ein zweites, detaillierteres Angebot abzugeben, teilten MBDA und Lockheed Martin am Donnerstag mit.
    Das sei ein Meilenstein hin zu einem Vertragsabschluss. Die Vorgaben darin seien unverändert, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Ziel sei eine Auftragsvergabe im Laufe des nächsten Jahres. Die langwierige Regierungsbildung hatte die Vergabe verzögert.
    Die neue Raketenabwehr ist eines der größten Rüstungsprojekte der Bundeswehr. Das neue System soll ab 2025 an die Streitkräfte ausgeliefert werden und bis 2030 die alten Patriot-Batterien von Raytheon ersetzen. Ursprünglich waren dafür knapp vier Milliarden Euro veranschlagt.
    Insidern zufolge könnten sich die Kosten jedoch um mehrere Milliarden erhöhen. Dazu wollten sich am Donnerstag weder MBDA noch das Verteidigungsministerium äußern. Mit dem mehrstufigen Prozess will das Ministerium unerwartete Kostensteigerungen im Nachhinein vermeiden.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung Christian Reimann: Vermutlich wird Bundesfinanzminister Scholz (SPD) sein “OK” für diesen Auftrag geben. Aber auch hier könnte Herr Scholz beweisen, dass er noch weiß, was “soziale Gerechtigkeit” konkret bedeuten kann: Diese offenbar verplanten Milliarden könnten besser z.B. in Bildung&Wissenschaft, zur Stärkung der gesetzlichen Rente, zur Verbesserung der maroden Infrastruktur und zur Bekämpfung von Armut genutzt werden. Zu befürchten ist jedoch, dass Herr Scholz davon gar nichts hören/lesen möchte und sich wohl lieber auf die Beratung seines Staatssekretärs von Goldmann-Sachs verlässt …

  10. Zum Fall Sami A.
    1. Wir sind der Rechtsstaat
      Haben Sie schon mal mit einer Behörde vor einem Gericht gestritten? Beispielsweise, weil das Bauamt Ihren Bauantrag nicht genehmigen wollte? Möglicherweise haben Sie in diesem Augenblick die Unabhängigkeit des Gerichtes und diesen doch sehr abstrakten Begriff “Gewaltenteilung” schätzen gelernt. Weil es eine dritte, unabhängige Instanz gab, die sich in den Streit einschaltete und nicht mit der betroffenen Behörde kungelte.
      Die Gewaltenteilung ist die Lebensversicherung der Demokratie. Und diese Versicherung hat im Fall Sami A. spät, aber doch noch rechtzeitig gegriffen. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat unmissverständlich klargemacht, dass es sich die Ungeheuerlichkeiten der Landesregierung und ihrer Behörden nicht bieten lässt. Dass es eben nicht rechtens ist, wenn eine Behörde eigenmächtig entscheidet, ab wann der Rechtsweg ausgeschöpft ist und abgeschoben werden kann, nur weil das politisch opportun erscheint.
      Das Urteil im Fall Sami A. ist daher auch nichts, wofür sich “Deutschland schämen” müsste oder “sich in der Welt lächerlich macht”, wie manche jetzt schimpfen. Im Gegenteil: Dieses Urteil belegt eindrucksvoll, wie stark der deutsche Rechtsstaat ist. Er stuft die Einhaltung von Gesetzen und der Gewaltenteilung als das schützenswertere Rechtsgut ein, auch wenn von diesem Mann möglicherweise eine Gefahr ausgeht.
      Quelle: nordbayern
    2. Der Fall Sami A. und der Streit zwischen Justiz und Politik
      Eine Gerichtspräsidentin, die der Politik vorwirft, die Grenzen des Rechtsstaates ausgetestet zu haben – so etwas hat man in den letzten Monaten in Europa vor allem aus Polen und Ungarn gehört.
      Politiker der Bundesregierung und ihnen nahestehende Medien gerieren sich dann immer als Hüter des Rechtsstaates oder der “europäischen Werte”, um die Regierungen zu sanktionieren. Nun erhebt die Gerichtspräsidentin von NRW Ricarda Brandts in mehreren Interviews Vorwürfe, die Justiz stände auch in Deutschland unter Druck der Politik. (…)
      In der BRD wurden diese Machtkämpfe immer relativ geräuschlos ausgetragen, was ein Zeichen für eine starke Hegemonie des dominanten Kapitalblocks im Lande war. Umgekehrt sind die offenen Auseinandersetzungen eben auch Anzeichen für Risse und Friktionen in diesem Block.
      Das Interessanteste dabei ist, dass in diesen Auseinandersetzungen Herrschaftspraktiken dekonstruiert wurden. So lernt der Bürger nun, dass er nicht gemeint ist, wenn Urteile im Namen des Volkes gesprochen wurden. Und so erntete NRW-Innenminister Reul (CDU) heftige Kritik, weil er benannte, was eigentlich offenkundig ist.
      Im Namen des Volkes werden täglich die Sanktionierung von Erwerbslosen, die Kündigung von einkommensschwachen Menschen und viele anderen kapitalistischen Zumutungen tausendfach gerichtlich legitimiert. Da sollte man endlich mal erkennen, dass da, wo der Begriff “Volk” ins Spiel kommt, für die meisten Menschen nur Nachteile entstehen. Das gilt nicht nur für die Justiz, sondern auch für die anderen Staatsgewalten. Die Floskel “im Namen des Volkes” gehört zur Ideologie des bürgerlichen Staates.
      Quelle: Telepolis
  11. Vorzeigeprojekt der CSU: Ein Monat bayerische Grenzpolizei – das ist das magere Ergebnis
    Es ist ein Prestigeprojekt der bayerischen Staatsregierung: Gegen den Widerstand der Opposition und sogar Irritationen zwischen München und Seehofers Innenministerium zum Trotz hat Markus Söder im Juli Bayerns eigene Grenzpolizei in ihre Mission entlassen. Ganz oben auf der Liste stand dabei, das ist kein Geheimnis, das Aufspüren und Dingfestmachen illegaler Einwanderer an den Grenzübergängen.
    Mittlerweile ist rund ein Monat ins Land gegangen. Und die Bilanz von Söders Grenzpolizisten fällt zumindest in Sachen Einwanderung ziemlich mau aus. Gerade mal ein unrechtmäßig Eingereister ist ihnen ins Netz gegangen. So berichtet es dem Stern zumindest – pikantes Seitendetail – die Bundespolizei, die an den Grenzen weiterhin das letzte Wort hat. (…)
    „Seit dem Einsatzstart der bayerischen Grenzpolizei wurde an die Bundespolizei ein unerlaubt Eingereister übergeben”, sagte eine Sprecherin dem Nachrichtenmagazin in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.
    „Wir setzen auch – und das ist das Ziel – ein klares Signal in die internationale Schlepper- und Schleuserszene, dass es sich weniger lohnt, Bundesgrenzen zu übertreten, und dass es sich noch weniger lohnt, das hier in Bayern zu machen“, hatte Söder zum Start der Grenzpolizisten gesagt.
    Offen bleibt zunächst, ob das „klare Signal“ bereits präventiv viele potenzielle Zielpersonen abschreckte – oder ob die unter großem Aufsehen eingerichtete Polizeieinheit zumindest Blick auf ihr intendiertes Haupteinsatzfeld einfach weitgehend ohne Effekt bliebt.
    Quelle: Merkur.de
  12. Österreich als sozialpolitischer Prügelknabe der Merkel-EU?
    Der Zentralisierungsangriff auf die Regionalkrankenkassen der Alpenrepublik
    Zu den Kronjuwelen des österreichischen Sozialstaats zählen die 9 Gebietskrankenkassen. Jede von ihnen ist für die große Mehrheit der Bevölkerung in einem der neun österreichischen Bundesländer zuständig. Die menschenfeindliche Regelung einer aus der Krankenversicherung ausgesonderten kümmerlichen Teilkasko-Pflegeversicherung, wie sie in Deutschland besteht, kennt man in Österreich nicht.
    Ebenso wenig gibt es im Nachbarland den abstoßenden “Wettbewerb” von angeblich sozialen Kassenkonzernen um “gute Risiken”: Das sind Versicherte mit möglichst hohem Einkommen und mit möglichst guter Gesundheit. Unmöglich sind bei den österreichischen Gebietskrankenkassen auch so ekelhafte Deals, wie sie manche deutschen Krankenkassen mit Ärzten machen. Diese diagnostizieren dann Kranke als noch Kränkere, damit deren Kassen für sie dadurch “Morbiditätsausgleich” kassieren können.
    Vor allem aber hat in Österreich der Staatshaushalt keinen direkten Zugriff auf die Kassenfinanzen. Immerhin sind diese ja Lohnfonds, gebildet aus den Beitragszahlungen der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer aus deren Bruttolöhnen. Im Unterschied dazu hat sich Deutschland mit dem so genannten zentralen “Gesundheitsfonds”, der als Finanzkarussell zwischen den Kassenkonzernen fungiert, eine ergiebige Geldquelle erschlossen.
    Mit Hilfe von Krankenversicherungsbeiträgen kann auch über ihn ein verschuldungsfreier Bundeshaushalt erreicht werden. Die außerdem bei den Kassenkonzernen zu Lasten der Versicherten zusammengesparten Milliardenüberschüsse erlauben es der Berliner Regierung zusätzlich, gegenüber der Rest-EU finanzstatistisch Schuldenfreiheit vorzutäuschen. Dieser Beitragsmissbrauch heißt “Schwarze Null”.
    Zu welchen Abwegigkeiten es der deutsche Sozialstaat mittlerweile gebracht hat, zeigt sich im Zusammenhang der Minus-Zins-Debatte: Dass die EZB-Geldpolitik eine zwangsläufige Folge der Austerity-Offensive des Berliner Regimes vor allem gegen die südeuropäischen Volkswirtschaften und Gesellschaftsordnungen ist, hat sich herumgesprochen.
    Nicht durchschaut ist bisher, wie das Berliner Parlament die bei der EZB-Geldpolitik unvermeidlichen Zinsverluste der Beitragsüberschüsse benutzt, um nach der Rentenversicherung nun auch die Krankenversicherung der globalen Finanzspekulation auszuliefern. Mit dem Alibi der Zinsverluste wurde es kurz vor der Bundestagswahl den deutschen Kassenkonzernen noch rasch erlaubt, ihre Pflichtrücklagen auch auf dem internationalen Aktienmarkt anzulegen.
    Quelle: Telepolis
  13. Finanzminister Scholz will Rentenniveau bis 2040 sichern
    Bundesfinanzminister Olaf Scholz will eine Garantie des Rentenniveaus bis 2040 noch in dieser Legislaturperiode beschließen. “Wir werden darauf bestehen, dass die Bundesregierung ein stabiles Rentenniveau auch in den 20er und 30er Jahren gewährleistet und ein plausibles Finanzierungsmodell vorlegt. Das hat für uns hohe Priorität”, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. […]
    Scholz droht der Union mit einem Rentenwahlkampf, falls es zu keiner weiter reichenden Lösung komme: “Wir hoffen auf einen Konsens in der großen Koalition. Sollte das nicht hinhauen, wird es eben ein Thema der politischen Auseinandersetzung. Dann entscheiden die Bürgerinnen und Bürger diese Frage mit ihrem Kreuz auf dem Stimmzettel.”
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung André Tautenhahn: Dass mit der Wahlkampfdrohung hat bei Martin Schulz auch schon nicht funktioniert. Der Grund ist einfach. Die SPD macht konsequent Politik gegen die Interessen ihrer eigenen Wählerschaft und versucht das mit dem Werfen von Nebelkerzen zu kaschieren. Das kann man auch an dem Gerede über ein stabiles Rentenniveau erkennen. Dieses Niveau stabilisiert ja in Wirklichkeit nur die Altersarmut. Außerdem ist sich die Große Koalition weiterhin einig darüber, die private Altersvorsorge auszubauen und damit ganz klar die Schwächung der gesetzlichen Rente fortzusetzen. Mehr dazu auch hier auf den NachDenkSeiten.


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