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Titel: BILD zeigt einmal mehr, wie hauchdünn die Decke unserer Zivilisation doch ist

Datum: 9. August 2018 um 13:01 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Wertedebatte
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“Darf man sich freuen, dass Syriens mörderische Mutter Krebs hat?”. Mit diesem infamen Gedankenspiel kommentiert heute der BILD-Redakteur Daniel Böcking die Meldungen der Krebserkrankung der syrischen Präsidentengattin Asma al-Assad. Man darf, dies ist nur all zu menschlich, aber christlich sei dies nicht, so Böcking sinngemäß, der ansonsten vor allem als frisch bekehrter Christ und Autor christlicher Erweckungsliteratur von sich reden macht. Nun sollte selbst für die letzten Zweifler klar sein, dass BILD nicht nur keinen Anstand hat, sondern in puncto Verkommenheit und Niedertracht mittlerweile jeden Maßstab sprengt. Die Tatsache, dass die BILD immer noch die meistgelesene Tageszeitung des Landes ist und bild.de zu den reichweitenstärksten deutschen Internetseiten gehört, wirft ein dunkles Licht auf uns und unsere Mitbürger. Ein Kommentar von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Manchmal fragt man sich, wo eigentlich heutzutage die Grenzen unserer Zivilisation verlaufen. Sicher – wenn wir uns heute auf unseren Marktplätzen versammeln, bejubeln wir nicht mehr das Erhängen, Köpfen, Pfählen oder Vierteilen anderer Menschen und brutale Gewalt gilt heute als Verbrechen und ist weitestgehend zivilisatorisch geächtet. Doch vielleicht trügt der Schein. Immer wieder gibt es „Grenzsituationen“, die zeigen, wie dünn die Decke unserer Zivilisation doch eigentlich ist. An dieser Stelle sollte man sich aber davor hüten, zu verallgemeinern. Im Mittelalter war nicht jeder Mensch ein brutaler Folterknecht, genau so wenig wie heute jeder Mensch ein niederträchtiges ********* ist, das sich zwischen den Zeilen über die Krebserkrankung einer jungen dreifachen Mutter freut – und sei sie die Ehefrau des Leibhaftigen höchstpersönlich. Menschen, die den Mantel der Zivilisation abgelegt haben, eint vielmehr über die Jahrhunderte hinweg eine bestimmte moralische Verrohung und das komplette Fehlen jeglicher Empathie, was wohl nötig ist, um solche Berufe überhaupt ohne seelischen Schaden ausüben zu können.

Doch was tun? Wahrscheinlich wird BILD für diese Schlagzeile einmal mehr eine Rüge des Presserats bekommen, mit denen BILD-Chef Julian Reichelt mittlerweile schon sein Büro tapezieren kann. So what? Warum sollte die BILD den Pressekodex anerkennen, wenn sie generell die Regeln unserer Zivilisation nicht anerkennt? Es ist hoffnungslos, sich über BILD aufzuregen oder gar an die Moral der BILD-Macher zu appellieren. Wer in leitender Funktion bei der BILD tätig ist, ist wohl in den meisten Fällen ohnehin nicht mehr resozialisierbar. 

Doch was heißt dies für unsere Gesellschaft? Eine Gesellschaft, in der die BILD mehrheitlich immer noch nicht als moralisch bankrottes Sprachrohr einer verkommenen Elite gilt, sondern die auflagenstärkste Zeitung des Landes ist, hat ein ernstes Problem. Dies sollten vor allem unsere politischen Eliten bedenken, wenn sie wieder einmal die Stärke unserer Zivilisation und die moralische Überlegenheit des Westens bejubeln. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier weit auseinander. Ursache und Wirkung. Wir können uns nicht über Fremdenfeindlichkeit beschweren, ohne gleichzeitig mit dem Finger auf die unzähligen fremdenfeindlichen Schlagzeilen der BILD zu zeigen. Wir können nicht die Verrohung der Gesellschaft beklagen, ohne das Leitorgan der Verrohung beim Namen zu nennen. 

Doch was nutzt all die Kritik, wenn sie niemand ernst nimmt? Welcher Zeitungshändler, Bäcker oder Tankstellenpächter hat denn die BILD aus seinen Regalen verbannt? Welcher Großkonzern weigert sich, Werbung in der BILD oder auf bild.de zu schalten? Welcher Promi oder Politiker boykottiert BILD und weigert sich, dem Blatt Interviews zu geben? Wird ein Bischof sich durchringen und dem selbsternannten Christen Daniel Böcking eine Rüge erteilen? Egal was und wen man fragt – die Zahl derer, die sich auch dann aktiv gegen BILD stellen, wenn damit auch nur kleine persönliche Nachteile verbunden sind, ist überschaubar. Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Daher kann man nur an uns selbst appellieren, ein wenig mutiger zu werden und einen Kampf zumindest in Erwägung zu ziehen. Und dies gilt nicht nur für BILD.  Denn wer soll unsere Zivilisation verteidigen und ihre dünne Decke wieder verstärken, wenn nicht wir?


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