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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 2. August 2018 um 8:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Griechenlandpolitik ist gescheitert
  2. Trump und der Iran: “USA wollen den Iran wirtschaftlich in die Kapitulation zwingen”
  3. Lohnentwicklung: Erfreuliche Nachrichten von der Tariffront. Wenn man nicht im tarifpolitischen Niemandsland arbeiten muss
  4. Minister Spahn löst seine Versprechen nicht vollständig ein
  5. Bundesregierung kontert BVA: Kein Reformbedarf beim Kassenwettbewerb
  6. Kindertagesstätten: Warum in Deutschland 300.000 Kitaplätze fehlen
  7. Bürgerbeteiligungs-Beschneidungsgesetz
  8. Anwältin von Sami A. verlangt Zwangsgeld
  9. Die Piste
  10. “Bittere Orangen”: Sklaverei in Europa
  11. Gute Pässe, schlechte Pässe: Die Macht eines Stück Papiers
  12. Vor dem großen Knall
  13. #metwo: Vorurteile sind typisch biodeutsch
  14. Zu guter Letzt: Jahrhundertraub von Kronjuwelen in Schweden: Von den Tätern keine Spur

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenlandpolitik ist gescheitert
    „Die Griechenlandpolitik von Merkel, Schäuble und Scholz ist gescheitert. Sie hat Deutschland 2,9 Mrd. Euro Zinsgewinne und dem griechischen Volk Not und Elend gebracht“, kommentiert Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die heutige Haushaltsausschusssitzung. Lötzsch weiter:
    „Die Bundesregierung verzögert die Auszahlung des letzten15-Milliarden-Euro-Kredits an Griechenland. Grund ist eine Entscheidung der griechischen Regierung, vorerst auf eine geplante Steuererhöhung auf fünf Inseln zu verzichten. Diese Debatte lenkt davon ab, dass das sogenannte Hilfspaket gescheitert ist. Die Bundesregierung hat nicht zur Lösung der Griechenlandkrise beigetragen. Mit ihrer Kürzungspolitik hat sie die Krise in Griechenland weiter verschärft. Nur zwei Zahlen beschreiben die katastrophale Situation: Betrug der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2007 noch 103 Prozent, waren es 2016 bereits 179 Prozent. Das Ziel des ‚Hilfsprogramms‘ war es, durch eine brutale Kürzungspolitik die Schuldenlast zu reduzieren. Das Gegenteil ist passiert. Der Sozialstaat wurde zerstört und die Schulden sind weiter gestiegen.
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

    dazu: Griechenland muss Reformkurs fortsetzen
    Die Unionsfraktion wird der jährlichen Auszahlung der rechnerischen SMP-Gewinne der EZB und der Freigabe der verabredeten weiteren Schuldenerleichterungen im Haushaltsausschuss nur zustimmen, wenn Griechenland den Reformkurs beibehält.
    Quelle: CDU/CSU Bundestagsfraktion

    Anmerkung André Tautenhahn: Das Folterprogramm wird also fortgeführt, wie man auch dieser Formulierung von Eckhardt Rehberg entnehmen kann. Einige Mitglieder des Haushaltausschusses waren sogar empört darüber, dass sie ihren Urlaub extra für so einen „Käse“ unterbrechen mussten. Andere mokierten sich darüber, dass Griechenland einen Vertrauensbruch begangen habe, als es eigenmächtig eine zugesagte Erhöhung der Mehrwertsteuer auf fünf griechischen Inseln verschob. Dabei hat doch Kanzlerin Merkel daran einen Anteil, weil sie doch als Folge des unionsinternen Streits um die Asylpolitik, bilaterale Abkommen, unter anderem mit Griechenland, versprach und dazu auch Gespräche führte, bei denen, wie man heute weiß, die nötige Klarheit fehlte. Die reduzierten Mehrwertsteuersätze gelten auf den griechischen Inseln, auf denen insgesamt mehr als 10.000 Flüchtlinge leben. Die Mehrwertsteuer hier zu erhöhen, hat da genau welchen Sinn?

    dazu auch: Krank gespart: Griechenland nach acht Jahren Troika
    Von den Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre war vor allem das Gesundheitssystem betroffen: Personal wurde eingespart, Gehälter rabiat gekürzt und die Ausgaben für medizinische Geräte zusammengestrichen. Die Folgen sind dramatisch: In den öffentlichen Krankenhäusern können selbst lebensnotwendige Operationen erst mit monatelanger Verzögerung durchgeführt werden, Ärzte und Krankenschwestern sind völlig überlastet und junge Ärzte verlassen zu Tausenden das Land, um in Deutschland oder anderen europäischen Ländern zu arbeiten. Wer nicht genug verdient, um sich in einer Privatklinik behandeln zu lassen, für den ist Kranksein ein existenzielles Risiko.
    Quelle: frontal 21

  2. Trump und der Iran: “USA wollen den Iran wirtschaftlich in die Kapitulation zwingen”
    Die Linie der US-Regierung sei es bislang gewesen, den Druck auf den Iran zu erhöhen, um einen Regimewechsel herbeizuführen, sagte Nahostexperte Michael Lüders im Dlf. Ziel sei es, den Iran wirtschaftlich zur Kapitulation zu zwingen und die religiösen und ethnischen Minderheiten gegen die Regierung aufzuwiegeln. […]
    Heuer: Aber eigentlich, Herr Lüders, folgt Donald Trump ja jetzt dem Strickmuster, das er schon im Fall Nordkorea angewandt hat, erst Drohungen, dann Gespräche ohne Vorbedingungen, und dann klopft man sich gegenseitig auf die Schulter.
    Lüders: Das wird aber in diesem Fall nicht funktionieren, weil die Lage zu komplex ist, denn es steht zu viel auf dem Spiel, wie der Korrespondent ja auch völlig zu Recht darauf hingewiesen hat, ist die Linie der Administration eine ganz andere. Man will den Iran unter Druck setzen, daran besteht gar kein Zweifel. Es ist aber wohl der Psychologie von Donald Trump geschuldet, dass er so widersprüchlich sich verhält. So hat er, ich glaube, es war im Oktober des vorigen Jahres, wenn ich mich recht erinnere, vor den Vereinten Nationen eine wütende Suada gegenüber dem Iran abgelassen und den Iran allerlei Missetaten in der Region beschuldigt, hat aber unmittelbar danach dann versucht, den iranischen Präsidenten Rohani per Telefon noch zu erreichen, der bereits auf dem Weg zum Flughafen war in New York, um mit ihm ein Gespräch zu führen. Dazu kam es dann aber nicht mehr. Möglicherweise folgt er der Linie, den Gegner in eine vermeintliche Schockstarre zu versetzen, ihm so viel Angst zu machen, dass er danach dann freiwillig gewissermaßen die Kapitulationsurkunde oder wie auch immer unterschreibt. Das funktioniert aber im Fall des Irans nicht. Es steht auch zu viel auf dem Spiel.
    Quelle: Deutschlandfunk
  3. Lohnentwicklung: Erfreuliche Nachrichten von der Tariffront. Wenn man nicht im tarifpolitischen Niemandsland arbeiten muss
    Das hört sich doch erst einmal gut an: Tariflöhne steigen 2018 durchschnittlich um 3,1 Prozent, so hat das WSI-Tarifarchiv seine Zwischenbilanz für das laufende Jahr überschrieben. »Unter Berücksichtigung der im 1. Halbjahr 2018 abgeschlossenen Tarifverträge und der in den Vorjahren für 2018 bereits vereinbarten Tariferhöhungen steigen die Tariflöhne in diesem Jahr um durchschnittlich 3,1 Prozent. Die Tariferhöhungen fallen damit deutlich stärker aus als in den beiden Vorjahren, in denen sie um jeweils 2,4 Prozent zugenommen haben … Bei einem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise von 1,7 Prozent im ersten Halbjahr 2018 ergibt sich demnach ein Reallohnzuwachs von 1,4 Prozent.« […]
    Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bedeutsamer ist die zweite Einschränkung – hier werden „nur“ die Tarifverdienste betrachtet, was voraussetzt, dass die Arbeitnehmer nach tarifvertraglichen Regelungen vergütet werden. Das aber ist nur für einen Teil der Lohnabhängigen der Fall. Für rund 43 Prozent der westdeutschen und 56 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmer gab es 2017 keinen Tarifvertrag. In Ost- wie in Westdeutschland ist die Tarifbindung seit Jahren rückläufig. Auch wenn dieser Erosionsprozess schleichend verläuft, ist der Trend als solcher eindeutig und hält nach wie vor an. […]
    Nun könnte der eine oder andere auf die durchaus naheliegende Idee kommen, dass die Löhne gerade in Deutschland doch eigentlich noch stärker hätten steigen müssen angesichts der seit Jahren anhaltend guten Arbeitsmarktlage und dem überall beklagten Mangel an Personal. Die nicht vorhandene Tarifbindung in vielen Unternehmen und ganzen Branchen trägt sicherlich dazu bei, dass es „lohnmoderierende“ Effekte gab und gibt. Und wie schwer es in solchen Bereichen ist, auf eine andere Spur zu wechseln, kann man derzeit in der Pflege-, vor allem in der Altenpflege studieren.
    Aber es ist nicht nur das. Auch die Deutsche Bundesbank hatte kürzlich eine Studie publiziert, die sich mit diesen Fragen beschäftigt: Lohnwachstum in Deutschland: Einschätzung und Einflussfaktoren der jüngeren Entwicklung, so ist der Beitrag aus dem Monatsbericht April 2018 der Bundesbank überschrieben. Dort findet man diese interessanten Hinweise:

    »Mit der raschen gesamtwirtschaftlichen Erholung in Deutschland nach dem Ende der jüngsten Rezession setzte ein kräftiges Beschäftigungswachstum ein. Zudem erreichte die Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr den niedrigsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung. Während es in der Anfangsphase der wirtschaftlichen Erholung zu Aufholeffekten bei den nominalen Lohnzuwächsen gekommen war, hielt der Anstieg der Stundenverdienste seit dem Jahr 2014 nicht Schritt mit der anhaltend hohen Arbeitskräftenachfrage. Der Befund einer in den letzten Jahren vergleichsweise moderaten Lohnentwicklung fand auch internationale Beachtung.« Und dann das hier: »Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die in den vergangenen Jahren hohe arbeitsmarktorientierte Nettomigration vor allem aus anderen EU-Ländern half, die zunehmende Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen. Damit ging eine tendenziell lohndämpfende Wirkung einher. Insgesamt spricht auf Basis der aktuell zur Verfügung stehenden Daten einiges dafür, dass dieser Effekt zu einem Gutteil daher rührt, dass viele zugewanderte Arbeitskräfte ihre Beschäftigung in vergleichsweise niedrig entlohnten Tätigkeitsbereichen beziehungsweise Branchen aufnahmen.«

    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik

  4. Minister Spahn löst seine Versprechen nicht vollständig ein
    „Es ist ein Fortschritt, dass mit diesem Gesetzentwurf erstmals der Pflegenotstand ernsthaft angegangen wird. Es gibt aber auch große Wermutstropfen: Das Minister-Versprechen, die Pflege aus den Fallpauschalen herauszulösen, wird mit diesem Kabinettsbeschluss nicht vollständig eingelöst“, so Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, zu dem heutigen Kabinettsbeschluss zum Pflegepersonalstärkungsgesetz. Weinberg weiter:
    „Es wird ein komplexer krankenhausindividueller Pflegeentgeltwert und ein bundesweiter Pflegeerlöskatalog eingeführt. Dass diese aufwändige und bürokratische Prozedur nur zu der im Entwurf vorgesehenen Abschlagszahlung dienen soll, die dann am Jahresende ohnehin ausgeglichen wird, kann niemand ernsthaft glauben. Die einzige Erklärung dafür ist, dass die Bundesregierung beabsichtigt, zukünftig wieder aus der versprochenen Selbstkostendeckung bei der Pflege auszusteigen und auf fallbezogene Pflegepauschalen („Nurses Related Groups“) umzustellen.
    Der Pflegelastkatalog bildet nicht den tatsächlichen krankenhausindividuellen Pflegeaufwand ab. Tritt er wirklich in Kraft, dann sind Unterfinanzierungen in der Pflege und ein Wettbewerb, welches Krankenhaus mit möglichst wenig Pflegekräften auskommt, programmiert.
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

    dazu: Prof. Stefan Sell zum Pflegepersonalstärkungsgesetz am 01.08.18
    Das Kabinett beschließt den Gesetzesentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Pflegepersonalstärkungsgesetz. Die Bundesregierung will demnach sowohl in den Krankenhäusern als auch in Alteneinrichtungen mehr Pflegestellen schaffen. Wie realitätsnah dieser Gesetzesentwurf ist, analysiert Sozialwissenschaftler Prof. Stefan Sell.
    Quelle: phoenix via YouTube

  5. Bundesregierung kontert BVA: Kein Reformbedarf beim Kassenwettbewerb
    Die Bundesregierung weist Forderungen des Bundesversicherungsamtes zurück, den Wettbewerb zwischen Kassen stärker zu regulieren. Deren Eigenwerbung kostete zuletzt fast 194 Millionen Euro pro Jahr.
    Beim Wettbewerb der Krankenkassen verordnet sich die Bundesregierung eine Politik der “ruhigen Hand”. Gründe für weitgehende Reformen sieht sie nicht – und lässt damit Forderungen des Bundesversicherungsamtes ins Leere laufen.
    Im April hatte die Bonner Behörde einen Bericht über die Folgen des Wettbewerbs vorgelegt, der mit dem Gesundheits-Strukturgesetz (GSG) im Jahr 1993 seinen Anfang genommen hatte. Bei der wettbewerblichen Ausrichtung stehe die “Marktbehauptung” der Kassen oft im Vordergrund und nicht das Bemühen um eine bessere Versorgung, monierte das BVA. In der Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag bremst die Regierung Forderungen der Bundesoberbehörde aus, den Wettbewerb schärfer zu regulieren.
    Auf dem Kieker hat das Amt insbesondere Selektivverträge: Viele dieser Verträge verletzten gesetzliche Vorgaben, nur wenige seien innovativ. Die Forderung des BVA, Hausarztverträge umfassend zu evaluieren, weist die Regierung zurück – das sei “kaum praktikabel und zeit- und kostenintensiv”. Die Kassen unter BVA-Aufsicht hatten 2016 fast 5400 Selektivverträge (nach Paragraf 140a SGB V).
    Auch bei der Entwicklung von Satzungsleistungen erkennt die Regierung keinen Reformbedarf. Vor sechs Jahren wurde im Versorgungsstrukturgesetz unter einem FDP-geführten Bundesgesundheitsministerium der gesetzliche Rahmen für Satzungsleistungen liberalisiert. Ein Jahr später, 2013, waren die Ausgaben der Kassen für diese Extra-Leistungen um 238 Prozent auf 203 Millionen Euro explodiert (siehe nachfolgende Grafik). Bei diesen Leistungen stünden “die Bindung und Akquise von Versicherten mit guten Risiken” im Mittelpunkt, bemängelt das BVA. Der Gesetzgeber solle diese Zusatzleistungen der Kassen auf evidenzbasierte Angebote beschränken, riet die Behörde.
    Quelle: Ärztezeitung
  6. Kindertagesstätten: Warum in Deutschland 300.000 Kitaplätze fehlen
    Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige – der existiert seit fünf Jahren. Allerdings fehlen bundesweit 300.000 Kitaplätze. Die Nachfrage steigt, eine Besserung ist nicht in Sicht, denn es mangelt an Personal. Trotzdem verzichten immer mehr Kommunen und Länder auf Kita-Gebühren. […]
    Kita-Personal wird händeringend gesucht. Laut einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren im vierten Quartal des Jahres 2017 bundesweit über 14.000 Stellen im Bereich der Kindertagesbetreuung nicht besetzt. Der Beruf gilt als unattraktiv. 2.600 Euro brutto im Monat verdienen Erzieherinnen und Erzieher als Einstiegsgehalt. Für die Ausbildung muss bei den meisten freien und privaten Schulträgern sogar bezahlt werden, kostenfrei sind nur die staatlichen Erzieherschulen. Damit sich fünf Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz auch für unter Dreijährige die Situation nun endlich verbessert, soll das Gute-Kita-Gesetz von einer Fachkräfte-Offensive begleitet werden, verspricht Familienministerin Franziska Giffey. […]
    Der Bund stellt mit dem Gute-Kita Gesetz allerdings “nur” 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Hinzu kommt etwas über ein Milliarde Euro aus einem Investitionsprogramm für den Ausbau von Betreuungsplätzen. Die Zeit drängt, denn schon jetzt werden bundesweit weitere 300.000 Kitaplätze benötigt, für die – das weiß man schon heute – das Erzieherpersonal fehlt.
    Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige existiert seit fünf Jahren. Zuverlässig umgesetzt werden allerdings kann dieses Recht bis heute nicht. Auch fünf Jahre nach dessen Einführung gilt stattdessen vielfach das Recht des Stärkeren.
    Quelle: Deutschlandfunk
  7. Bürgerbeteiligungs-Beschneidungsgesetz
    Die BürgerInnen müssen auf jeden Fall gehört werden, wenn Großes gebaut wird. So verlautbart es aus der Politik, die dazu jetzt ein Gesetz bastelt. Es heißt “Planungsbeschleunigungsgesetz”, ist von CSU-Minister Scheuer und schränkt die Bürgerbeteiligung ein.
    Erinnert sich noch jemand? Als der Streit um Stuttgart 21 am heißesten kochte, war allerorten zu hören und zu lesen, dass nie wieder ein Großprojekt ohne frühzeitige umfassende Bürgerbeteiligung durchgezogen werden könne. Dass im baden-württembergischen Staatsministerium die Stelle einer Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung geschaffen und mit Gisela Erler besetzt wurde, war eine Reaktion darauf, ungeachtet dessen, wie man deren bisherige Arbeit bewerten mag.
    Beim neuen, Achtung Wortungetüm, Planungsbeschleunigungsgesetz, hat man nun nicht den Eindruck, als sei eine mangelnde Bürgerbeteiligung als Problem bei der Umsetzung von Großprojekten wie Stuttgart 21 oder BER (Berliner Flughafen) erkannt. Im Gegenteil, schaut man sich den Gesetzentwurf und die Verlautbarungen aus dem von Andreas Scheuer (CSU) geführten Bundesverkehrsministerium an, sieht es eher so aus, als werden die Planungsprozesse an sich für zu langwierig erachtet. […]
    Zentrale Aspekte des am 18. Juli vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurfs sind, dass erste Baumaßnahmen in Zukunft schon vor Planfeststellungsbeschluss erlaubt sein sollen, dass bei Einsprüchen das Bundesverwaltungsgericht die nur mehr einzige Gerichtsinstanz sein soll, und dass Vorhabenträger künftig auch private Projektmanager beauftragen dürfen.
    Die Bürger kriegen mehr Unterlagen im Netz, sonst nicht viel. Aber wie sieht es nun mit der Bürgerbeteiligung aus? Scheuer sagte im März, man müsse effizienter werden und Planungszeiten verkürzen, “ohne den Dialog mit dem Bürger zu reduzieren.” Nota bene: Ziel ist nicht etwa eine Erweiterung, sondern die Aufrechterhaltung des Status Quo. Aber ob selbst das mit dem neuen Gesetz garantiert ist, daran gibt es erhebliche Zweifel.
    Das Bundesverkehrsministerium verspricht “mehr Transparenz und Digitalisierung bei der Bürgerbeteiligung”. Die Vorhabenträger seien verpflichtet, ergänzend zu bestehenden Bekanntmachungsregeln alle Planungsunterlagen im Internet zu veröffentlichen. Dies bleibt aber auch der einzige Teil des Gesetzes, der sich konkret mit Bürgerbeteiligung befasst.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  8. Anwältin von Sami A. verlangt Zwangsgeld
    Die Anwältin des wohl rechtswidrig nach Tunesien abgeschobenen »Gefährders« Sami A. (jW berichtete) hat von der Stadt Bochum das angedrohte Zwangsgeld von 10.000 Euro eingefordert. »Das Fax ist in der Nacht raus, das Geld muss gezahlt werden«, sagte die Anwältin Seda Basay-Yildiz am Mittwoch in Frankfurt der Deutschen Presseagentur. Zuvor war das mit der Androhung des Zwangsgeldes versehene Ultimatum des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen ausgelaufen. Demnach musste die Stadt Bochum Sami A. am Dienstag bis Mitternacht zurückholen – was nicht passierte. A. könne nach Angaben tunesischer Behörden zur Zeit allerdings auch nicht in die Bundesrepublik ausreisen. Sein abgelaufener Pass sei im Besitz der Behörden, und gegen ihn werde weiter ermittelt, hatten diese am Dienstag mitgeteilt. Am Dienstag abend hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) von Nordrhein-Westfalen einen Antrag der Stadt Bochum gegen das Ultimatum abgewiesen.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Leben wir noch in einem Rechtsstaat, der funktioniert? NRW-Innenminister Stamp ließ Herrn A. ausweisen und der Bundesinnenminister sagte anschließend: „Die Entscheidung ist nach unserer Auffassung rechtmäßig“. Offenbar werden (nicht nur in diesem Fall?) Fakten geschaffen, die nicht im Einklang mit deutschen Gesetzen stehen, oder? Insbesondere Herr Seehofer sollte sich ernsthaft fragen, ob er mit seinen Aufgaben überfordert ist. Er ist schließlich auch Bauminister und in dieser Funktion kaum wahrnehmbar. Sein Rücktritt wäre wohl für alle Beteiligten das Beste und angesichts seines Alters auch verkraftbar …

  9. Die Piste
    Weil Italien viele Flüchtlinge sich selbst überlässt, leben sie in wilden Barackenlagern. Das größte wächst auf dem ehemaligen Flugplatz von Borgo Mezzanone – eine Kleinstadt mit Läden, Moscheen, Bordellen und einer Mafia.
    Die Stadt ohne Namen ist gut versteckt. Kein Wegweiser führt hin. Am Ausgang von Borgo Mezzanone, einem Dorf, das Mussolini einst in die Felder Apuliens pflanzen ließ, verabschieden einen stattdessen Hakenkreuzschmierereien. Nach vier Kilometern geht es rechts auf eine schmale Teerstraße, die sich schon bald auflöst, so als wolle auch sie einen nicht weiterbringen. Bei Regen ist sie Matsch, bei Sonnenschein Staub. Und dann liegt sie plötzlich vor einem, schnurgerade in Richtung Horizont: die Piste.
    Im Zweiten Weltkrieg starteten hier Flugzeuge. Heute ist sie die Hauptstraße einer Stadt, die es offiziell nicht gibt. Sie hat 4000, 5000 Einwohner, vielleicht mehr. Keiner hat sie gezählt. Es sind Menschen, die der italienische Staat sich selbst überlassen hat. Sie kommen aus Senegal, Gambia, Mali, Guinea, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria. Auch ein paar Somalier und Eritreer leben hier, Sudanesen und Marokkaner. Es gibt afghanische und pakistanische Händler und eine Prostituierte aus Rumänien.
    Manche von ihnen leben in den alten Militärbaracken, in Bunkern, manche in Containern, manche in selbstgebauten Ziegelhäuschen. Die meisten aber in Verschlägen aus Sperrholz und Plastikfolien. Es gibt zwei Moscheen, in einer wird Französisch gesprochen, in der anderen Englisch. Es gibt die Church of Pentecost und die Garden of Jesus Christ Church. Es gibt die nigerianische Mafia, Bordelle, Friseure, ein Reisebüro, einen Copyshop, Mechaniker und Autohändler, Lebensmittel- und Tante-Emma-Läden. Restaurants, einen senegalesischen Bäcker und den Grill von Roman, einem ghanaischen Rasta, der jeden Tag ein Schaf schlachtet und an besonderen Tagen auch mal zwei. Vor seiner Hütte und entlang der Piste hat jemand Betonklötze verteilt und ausrangierte Kühlschränke, so dass die Autos nicht mehr ganz so schnell rasen können. Es hat schon genug Unfälle gegeben.
    Auf der Piste gibt es keine Ärzte. Ab und zu schauen ein paar Freiwillige vorbei. Ansonsten kommt nicht einmal der Krankenwagen. Es gibt keine Feuerwehr, keine Polizei, keine Müllabfuhr, kein fließendes Wasser und keine Kanalisation.
    Quelle: FAZ
  10. “Bittere Orangen”: Sklaverei in Europa
    Hungerlöhne und katastrophale Lebensbedingungen: In der süditalienischen Zitrusfrüchteproduktion arbeiteten überwiegend afrikanische Migranten unter erschütternden Verhältnissen, sagte der Ethnologe Gilles Reckingers im Dlf. In seinem neuen Buch beschreibt er seine jahrelangen Beobachtungen vor Ort. […]
    “Bittere Orangen, eine neues Gesicht der Sklaverei” heißt Gilles Reckingers neues Buch. Herr Reckinger, warum sind afrikanische Erntearbeiter Sklaven?
    Gilles Reckinger: Es ist so, dass im äußersten Süden Kalabriens, in der Ebene von Gioia Tauro um die Stadt Rosarno herum, sich das Herz der kalabrischen oder süditalienischen Orangenproduktion oder Zitrusfrüchteproduktion konzentriert. Es gibt einen zweiten, bedeutenderen Produktionsort, das ist Sizilien, aber auf dem Festland ist diese Region sozusagen die bedeutendste. Es ist eben so, dass die Menschen, die diese Orangen pflücken, in sehr großer Zahl eben Menschen sind aus afrikanischen Ländern jenseits der Sahara, also subsaharischen Gebieten. Es gibt auch Menschen aus Osteuropa, die dort arbeiten, das ist eine andere Migration, und die sind auch anders mit Rechten ausgestattet – deswegen möchte ich das jetzt hier nicht so in den Blick nehmen -, aber eben die Menschen, die aus Afrika kommen, die sind überwiegend eben über das Meer gekommen, also diese viel beschworene zentrale Mittelmeerroute über die Insel Lampedusa nach Italien hinein. Und wir wissen ja, dass die europäische Solidarität in Bezug auf den Umgang mit diesen Menschen, die über das Meer kommen, nicht sehr gut funktioniert und dass ganz viele Menschen in Italien festsitzen.
    Das bedeutet, dass die Menschen zu extrem ausgebeuteten Bedingungen arbeiten müssen. Die Menschen verdienen für einen Arbeitstag zwischen zehn und zwölf Stunden 25 Euro, sie müssen aber dann noch den Transportteil quasi, dass der Bauer sie in einem überfüllten Minibus zu der Plantage bringt, die vielleicht ein, zwei Kilometer entfernt ist von dem Arbeitsstrich, wo er die Arbeiter abholt, noch mal fünf Euro zahlen. Das heißt, es bleiben maximal 20 Euro für einen Arbeitstag zurück. Es ist eine Tagelöhnerarbeit und eine saisonale Arbeit. Dadurch, dass die Konkurrenz inzwischen groß ist, weil sehr viele Menschen in Italien festgesetzt sind, finden die Leute nur an fünf bis zehn Tagen während drei Monaten im Jahr Arbeit, das heißt, es sind nur wenige hundert Euro, die in diesem Zeitraum verdient werden können.
    Quelle: Deutschlandfunk
  11. Gute Pässe, schlechte Pässe: Die Macht eines Stück Papiers
    Reisepässe öffnen Grenzen – oder eben auch nicht. Je nachdem, welches Land sie ausgestellt hat. Der austro-afghanische Publizist Emran Feroz kennt beide Seiten aus eigener Erfahrung. Er berichtet, wie sich Racial Profiling anfühlt.
    Im Laufe meines bisherigen Lebens kam ich in den Besitz von zwei verschiedenen Pässen. Als ich auf die Welt kam, wurde mir automatisch die afghanische Staatsbürgerschaft zuteil. Da meine Eltern zum damaligen Zeitpunkt noch keinen österreichischen Pass – meine Geburtsstadt ist Innsbruck – hatten, wurde ich per se nur zum Afghanen erklärt. Mein Name wurde einfach in den afghanischen Reisepass meines Vaters hinzugefügt.
    Damit hatte ich einen der nutzlosesten Pässe der Welt. Besitzer des afghanischen Passes haben nämlich vor allem eines: Probleme. Man kann kaum in ein Land einreisen, ohne auf umständliche Art und Weise ein Visum zu beantragen. Hinzu kommen zahlreiche bürokratische Probleme und ein Misstrauen, das mit dem afghanischen Staatsapparat zu tun hat. Allein in den letzten dreißig Jahren gab es in Kabul vier verschiedene Regierungen – von Kommunisten über die Mudschaheddin und Taliban bis hin zur jetzigen Regierung. Jede von ihnen hatte eigene Regeln, führte neue Pässe ein und erklärte die der vorherigen Machthaber für unrechtmäßig.
    Was gar keine Rolle spielt ist Lebenswirklichkeit vieler Afghanen, die in viele Länder ausgewandert sind. Dort gilt nämlich weiterhin: Wer kein Staatsbürger ist, ist kein vollwertiger, gleichberechtigter Bürger.
    Quelle: Emran Feroz auf Deutschlandfunk Kultur
  12. Vor dem großen Knall
    Studie: Ungleichverteilung der Einkommen in den USA übertrifft das Niveau von vor der Weltwirtschaftskrise von 1929
    Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass US-Finanzminister Steven Mnuchin die Besteuerung von Kapitalerträgen durch die Umformulierung einer Vorschrift einschränken will (jW berichtete). Wer ein Grundstück oder ein Aktienpaket mit Gewinn verkauft, soll in Zukunft die Inflation bei der Ansetzung des ursprünglichen Kaufpreises einrechnen dürfen. Dadurch würde dieser nominell steigen und damit die zu versteuernde Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis künstlich reduziert – obwohl der tatsächliche Veräußerungsgewinn natürlich höher ist. Etwas mehr als 100 Milliarden Dollar würden dem defizitären Staatshaushalt damit in den nächsten zehn Jahren verlorengehen.
    Wo landet dieses Geld? Im vorliegenden Fall, das zeigt eine Untersuchung der University of Pennsylvania, zu 86 Prozent beim oberen Prozent der Einkommenspyramide. Das Argument, mit dem die Trump-Administration dem Publikum 2017 das 1,5 Billionen Dollar-Steuergeschenk an Vermögende und Unternehmer verkauft hatte – davon profitiere auch die »Mittelschicht« – funktioniert hier also eindeutig nicht. Dieser plumpe Eifer bei der Plünderung der Staatskasse zugunsten der Superreichen bringt sogar alte Schlachtrösser neoliberaler Umverteilungspolitik auf die Palme: Lawrence Summers, einer der Architekten der Finanzmarktderegulierung in der Clinton-Ära, teilte am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass es sich hier um eine »zutiefst rückschrittliche« Maßnahme handele.
    Dass Gestalten wie Summers jetzt öffentlich auf die Bremse treten, hat mit der spürbar gewandelten gesellschaftlichen Stimmung in den USA zu tun. Die Ansicht, dass das System zugunsten der Reichen arbeite, ja »manipuliert« sei (»rigged system«), teilen inzwischen Millionen Menschen. 2016 hat die als Verkörperung des Establishments geltende Hillary Clinton diese Stimmung völlig unterschätzt, während ihr schärfster Rivale bei den Vorwahlen der Demokraten, Bernard »Bernie« Sanders, seine Kampagne auf diesen Punkt ausrichtete.
    Quelle: junge Welt
  13. #metwo: Vorurteile sind typisch biodeutsch
    Seit Jahrzehnten pflegt man in Deutschland einen arg destruktiven Umgang mit der Zuwanderung. Man möchte partout kein Zuwanderungsland sein, obgleich man es seit Beginn der Sechzigerjahre bereits ist. Mein Vater wanderte ein, weil man hier keinen mehr fand, der arbeiten konnte – man brauchte zwar des Zuwanderers Arbeitskraft, tat aber zugleich arrogant so, als habe das keine Auswirkungen auf das Selbstverständnis des Landes. Bis heute weigert man sich, ein eindeutiges Zuwanderungsverfahren zu installieren – als habe man es nicht nötig, so ein Nischenthema zu besetzen.
    Aufgrund dieser speziell deutschen Anti-Haltung zur Zuwanderung, hat man es Mesut Özil tatsächlich sehr einfach gemacht. Er konnte in seiner Erklärung galant überspielen, dass er sich ja tatsächlich dem türkischen Präsidenten anbiederte und eilfertig zum Thema Rassismus wechseln und betonen, dass er sich latent immer als Fremdkörper in Deutschland fühlte. Obgleich er quasi mit diesem taktischen Kniff eine inhaltliche Erklärung zur Sache umging, kann man ihm ja nicht mal einen Vorwurf machen, denn es stimmt ja schon, was er da so anklingen ließ. Als jemand, der nicht Müller oder Huber heißt, bleibst du immer im Kern ein Ausländer für jene Menschen im Lande, denen man über Jahre eintrichterte, dass Zuwanderung ja gar nicht nötig und schon gar nicht Deutsch sei.
    Man kann sicher auf Bewährung dazugehören. Für einen Augenblick. Aber im nächsten Moment reduziert man einen auf eine Herkunft, die in dem Moment gar keine Rolle spielt. Bei Frau Maier käme ich jedenfalls nie auf die Idee, in ihren Namen Herkunft hineinzuinterpretieren. So geht es nur Özils, De Lapuentes und anderen Deutschen, an denen man das Autochthone nicht ablesen kann.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  14. Zu guter Letzt: Jahrhundertraub von Kronjuwelen in Schweden: Von den Tätern keine Spur
    Schweden in Aufruhr. Die Polizei sucht zu Land, zu Wasser und in der Luft nach den flüchtigen Tätern, denen es gelang, die Kronjuwelen aus dem 17. Jahrhundert zu rauben. Der Raub fand bei Tageslicht am Dienstag statt. Die Täter flüchteten mit einem Motorboot.
    Quelle: RT deutsch

    Anmerkung WM: Die Diebe sind auf hoher See in ein russisches U-Boot umgestiegen. Das U-Boot wurde von Putin selber gefahren. Bild hat ihn erkannt.


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