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Titel: Angela Merkel wird mit dem „Deutschen Medienpreis“ ausgezeichnet
Datum: 23. Januar 2010 um 9:51 Uhr
Rubrik: Finanzkrise, Medien und Medienanalyse, PR
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Hätte es eines Belegs für die Unterwürfigkeit der Medien unter die Obrigkeit bedurft, so wird er mit der Verleihung mit der Auszeichnung Angela Merkels mit dem Deutschen Medienpreis einmal mehr geliefert. Unter dem Vorsitz des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust wählten weitere nicht genannte „führende“ Chefredakteure die Preisträgerin aus. Sich sonst gerne als vierte Gewalt und als Kontrollinstanz gegenüber der Politik aufspielende Chefredakteure machen ihren Kotau vor der Herrschaft und das noch unter dem Namen „Media Control“. Das spricht Bände über ihr kontrollierendes Rollenverständnis. Es ist gerade so, als würde die Gerichtsbarkeit der Exekutive huldigen und sie als oberste Wahrerin des Rechts auszeichnen. Wolfgang Lieb
In der Begründung der Jury heißt es:
„Im Mittelpunkt ihres politischen Denkens und Handelns steht stets der Mensch. Die Würde und die Rechte des Individuums leiten Angela Merkel bei ihren politischen Entscheidungen, die geprägt sind von Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. In der Außenpolitik verfolgt sie einen Kurs, der die Partnerschaft in den Vordergrund stellt, ohne dass sie die manchmal notwendige Konfrontation scheut. Ihr konsequenter Einsatz für Menschenrechte, für die Wahrung der Schöpfung und eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung habe ihre Wurzeln in der ganz persönlichen Biographie von Angela Merkel.“
Lassen wir eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der abgehobenen und schleimigen Begründung einmal ausnahmsweise außen vor. Über die „Berechenbarkeit und Verlässlichkeit“ von Frau Merkel ist in den letzten Wochen selbst von ihren Parteifreunden ausreichend palavert worden. Ihr Kurs der „Partnerschaft“ etwa in der Europäischen Union wurde bei der gemeinsamen Bewältigung der Finanzkrise ausreichend kritisiert. Und ihr konsequenter Einsatz für die Wahrung der Schöpfung in Kopenhagen allenthalben vermisst. Diese Begründung ist reine Sülzholzraspelei, um ihr die Annahme des Preises schmackhaft zu machen. Und ausschließlich darum, dass Merkel den Preis auch annimmt, geht es den Veranstaltern.
Der Preisverleiher ist „Media Control“ „The World`s Leading Entertainment Data Provider“, also ein Marktforschungsinstitut, das sich aus der Gesellschaft für Konsumforschung ausgegründet hat.
Nach eigner Selbstvermarktung rühmt sich „Media Control“, dass dieses Marktforschungsunternehmen seit 32 Jahren der „Marktführer im Bereich der Ermittlung von Abverkaufszahlen des Unterhaltungssektors in Deutschland, der Schweiz, Österreich und seit kurzem auch in Spanien“ ist. Mit Kontrolle der Medien hat dieses kommerzielle Unternehmen also allenfalls soviel zu tun, als es Hitlisten und Verkaufszahlen von Tonträgern, von DVDs, kommerzielle Downloads, Videospielen bis hin zu Klingeltönen auf Handys oder TV-Quoten ermittelt.
Mit Medieninhalten oder demokratischer Kontrolle durch die Medien hat weder das Unternehmen noch der Medienpreis etwas am Hut. „Media Control“ misst die Verkaufe. Es ist, als ob der Verein der Zeitnehmer und Maßbandhalter auf den Sportplätzen, den Sportler des Jahres wählten.
Mit dem Deutschen Medienpreis und seiner bisherigen Preisträger verkauft „Media Control“ vor allem sich selbst.
Seit 1992 waren Preisträger dabei, mit deren Namen man trefflich Eigenwerbung betreiben konnte, 1992 (klein angefangen) mit RTL-Chef Helmut Thoma, dann aber über Helmut Kohl, Francois Mitterand, Boris Jelzin, Bill Clinton, Gerhard Schröder, Königin Silvia, dem Rockstar Bono, bis Stefanie Graf. Und an Laudatoren wurde gleichfalls aufgeboten, was vor allem Schlagzeilen und Aufmerksamkeit auf dem Boulevard erregt [PDF – 722KB].
Man kann dem Unternehmen „Media Control“ diese publizitätswirksame Marketing-Strategie nicht einmal vorwerfen, das gehört zum Geschäft; man wundert sich eher darüber, wer sich schon alles dafür als Werbemaskottchen hergegeben hat.
Hätte Angela Merkel die Auszeichnung dafür bekommen, dass sie – von „Media Control“ gemessen – die häufigsten Medienauftritte hatte, hätte man die Auszeichnung ja noch als begründet hinnehmen können. Aber nein, der „Deutsche Medienpreis“ liefert eine inhaltliche Begründung für die Auszeichnung. Und dafür haben sich Stefan Aust und „führende“ Chefredakteure einspannen lassen. Man würde zu gerne wissen, wie viel dafür an Annehmlichkeiten herausgesprungen ist.
Typischerweise hält der Opern-Star Anna Netrebko die Laudatio auf die Kanzlerin.
Ich bewundere diese Opernsängerin wirklich sehr, doch sie wird am Abend der Preisverleihung nicht ihre außerordentliche Begabung als Sängerin einbringen, nein, sie lässt sich – vermutlich teuer bezahlt – als Reklamefläche missbrauchen. Über politische Leistungen Angela Merkels hat sie sicherlich keine bessere Urteilskompetenz als jeder normale Bürger. Aber Hauptsache, sie ist ein Star und es wird deshalb darüber in den Medien berichtet – und das erhöht wiederum Netrebkos eigenen Marktwert.
Beim Deutschen Medienpreis geht es um eine Werbemaßnahme eines kommerziellen Unternehmens, das sich der Selbstbezogenheit prominenter Akteure bedient, die sich dadurch wiederum selbst vermarkten. Damit steigern diese ihre Prominenz und heben sich damit gleichzeitig von ihrer Umwelt ab, ja sie schließen sich geradezu von der übrigen Gesellschaft aus. Motto: Wir feiern uns gegenseitig und die da draußen dürfen uns begaffen.
Wenn also Angela Merkel das Lob verdient hätte, dass nämlich im Mittelpunkt ihres politischen Denkens und Handelns steht stets „der Mensch“ stünde, dann müsste sie konsequenterweise diesen Rummel ablehnen. Ein Spektakel, das zu nichts anderes dient, als dass sich auf diesem Tummelplatz der Eitelkeiten eine abgehobene, ziemlich menschenfeindliche Welt der Selbstverkäufer tummeln darf.
Wenn es in der deutschen Medienlandschaft noch Journalisten und Chefredakteure gäbe, die ihre „Wächterrolle“ in einer demokratischen Gesellschaft wirklich wahrnähmen, dann müssten sie alles tun, um dem Marktforschungsunternehmen „Media Control“ das Markenzeichen „Deutscher Medienpreis“ zu entziehen.
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