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Titel: Privatvorsorge – die Aufklärung schreitet voran. Bravo FR!

Datum: 6. Januar 2005 um 11:57 Uhr
Rubrik: Bundestag, Rente, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
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In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau finden Sie einen interessanten Artikel über die Folgen der Privatisierung der Altersvorsorge in Chile: „Als Vorbild taugt die private Altersvorsorge in Chile nicht – Experten prognostizieren der Mehrheit der Rentner ein Leben ohne Einkommen – dabei gilt das System vielen als nachahmenswert.” Wenn Sie meine Tagebucheintragung vom 4.1.05 zum Versagen des britischen Systems und die einschlägigen Passagen aus der „Reformlüge“ gelesen haben, kennen Sie schon einige Hintergründe. Zur Rolle der chilenischen Privatisierungsbefürworter…

…. insbesondere des Arbeitsministers von Diktator Pinochet, Jose Pinera, als weltweit tätige und auch die deutsche Diskussion prägende Agitatoren steht in der „Reformlüge“ auf Seite 380 ff der folgende Text (Anlage 1). Er passt sehr gut in den Kontext des FR-Artikels, spannt insbesondere den Bogen zum Geschehen in Deutschland. Zur Information über die prägenden Wirkung in Deutschland füge ich noch einen Bericht des WDR vom März 2004 (Anlage 2) an:

Anlage 1:

Auszug aus Albrecht Müller, „Die Reformlüge …“:
„Zu den wirksamsten Förderern der neoliberalen Reformbewegung gehören Institutionen und Personen, die auf internationaler Ebene aktiv sind, vor allem die mit der Autorität der internationalen Gemeinschaft ausgestattete Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF). So hat zum Beispiel Robert Holzmann, bei der Weltbank Abteilungsleiter für soziale Sicherheit, jahrelang die private Altersvorsorge propagiert. Und der IWF hat, noch unter der Federführung von Horst Köhler, in vielen Ländern neoliberale Reformen erzwungen und auf einseitige, neoliberal geprägte Sparmaßnahmen gedrängt. Eine Person bedarf in diesem Zusammenhang der besonderen Erwähnung: José Piñera und sein »International Center for Pension Reform«. José Piñera war Arbeitsminister unter Chiles Diktator Pinochet und hat in dieser Funktion den Arbeitnehmern dort 1980 die private Vorsorge aufgezwungen – mit all den damit verbundenen Nachteilen für die Mehrheit der Chilenen. Piñera ist seitdem als Lobbyist und Propagandist der Privatvorsorge und der internationalen Finanzindustrie tätig. Er rühmt sich der Beratung vieler Länder und Regierungen bei ihrem Weg zur Ablösung sozialer Sicherungssysteme und der Einführung privater Rentenversicherungen: In Südamerika und Osteuropa, in Großbritannien

und Australien, in Kasachstan und auch bei uns in Deutschland hat er seine Spuren hinterlassen. Was er zum Beispiel in einem Artikel für das Wallstreet Journal Europe am 25. Juni 1998 über das angebliche Scheitern des Umlageverfahrens und die Vorteile des Kapitaldeckungsverfahrens geschrieben hat, findet sich nahezu wortgleich in den Äußerungen von Schwarz und Gelb, von Rot und Grün in Deutschlands Renten- und Demographiedebatte wieder. Wer sich durch die Seiten seiner Homepage www.pensionreform.org84 klickt, der bekommt einen zugleich umfassenden wie auch bedrückenden Eindruck von der Dimension und dem weltumspannenden Charakter seiner Aktivitäten. Der Arbeitsminister Pinochets als Ghostwriter einer rotgrünen Koalition in Deutschland – das hätte ich mir noch vor zehn Jahren nicht einmal in einem sehr schlechten Traum vorstellen können. Doch die Parallelen gehen bis in die Terminologie: Auf seiner persönlichen Website www.josepinara.com präsentierte Piñera im Mai 2004 die »Agenda Chile 2010«.
Was ich mir genausowenig hätte vorstellen können, ist die Rolle, die der Spiegel in dieser Koalition der Willigen heute spielt. Eigentlich pflegt der Spiegel bis heute das Image, ein Nachrichtenmagazin mit kritischem Charakter zu sein. Doch das ist lange her. Er ist zu einem Hauptorgan des Mainstream geworden. Seit Jahren propagiert er die Grundlinien der Reformlüge. Prototypisch für die Botschaften, die er immer wieder unters Volk bringt, sind die neun Titelbilder, die auf S. 381 abgedruckt sind. Das demographische Problem, der zu weit ausgebaute Sozialstaat, der Niedergang des Staates, der Untergang des Landes: Immer und immer wieder lesen wir im Spiegel die gleichen Inhalte, die in hohem Maße Propaganda sind. Ein Titel wie »Der letzte Deutsche« sagt in seiner übertreibenden und hysterischen Art alles über den Zustand einer vormals kritischen Öffentlichkeit in Deutschland.

Anlage 2:

WDR.de

Bundestag verabschiedet Rentenreform
Koalition beschließt Einschnitte

Der Bundestag hat am Donnerstag (11.03.04) die Rentenreform mit den Stimmen von Rot-Grün bei einer Enthaltung beschlossen. Für Rentner bedeutet dies Einschnitte, dafür sollen die Beiträge der heute Berufstätigen nicht übermäßig steigen.

Die Rot-Grüne Koalition hat die Rentenreform ohne Probleme durch den Bundestag gebracht. 302 Abgeordnete stimmten zu, lediglich der SPD-Linke Ottmar Schreiner enthielt sich der Stimme. Damit werde die gesetzliche Rente allein künftig nicht mehr den Lebensstandard sichern, sagte Sozialministerin Ulla Schmidt. Privatvorsorge sei unerlässlich. Die Opposition kritisierte die Reform als widersprüchlich, die FDP forderte Schmidt zum Rücktritt auf.
Für das Gesetz stimmten 302 Abgeordnete, dagegen 291, einer enthielt sich. Damit hat es die entscheidende Hürde genommen, da der Bundesrat nicht zustimmen muss. Über einen Nachhaltigkeitsfaktor wird das Rentenniveau bis 2030 voraussichtlich von heute 53 Prozent des Durchschnittslohns nach Abzug der Sozialabgaben vor Steuern auf 43 Prozent gesenkt. Dafür wird der Beitragssatz bei 22 Prozent gedeckelt. Mit einer auf Druck der SPD-Linken eingefügten Zusatzklausel wird die Regierung aber gleichzeitig aufgefordert, auf Dauer das Niveau bei mindestens 46 Prozent zu halten.

Diese Festschreibung widersprüchlicher Ziele mache die Reform wertlos, sagten Redner von Union und FDP. Das angepeilte Mindestniveau von 46 Prozent sei mit 22 Prozent Beitragssatz im Jahr 2030 nicht zu erreichen, sagte CSU-Sozialexperte Horst Seehofer. Nötig seien entweder 24 Prozent Beitrag oder ein Renteneintrittsalter von 70 Jahren. “Anders macht diese Zielsetzung keinen Sinn”, sagte der CSU-Politiker. Das Gesetz sei “nichts anderes als der Auftakt einer neuen Rentenreform”.

Schmidt entgegnete, es sei durchaus möglich, das Rentenniveau bei 46 Prozent zu halten. Der Union hielt die Ministerin vor, dass ihre Rentenideen noch weit tiefere Einschnitte bedeuteten. SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch sagte, entscheidend zur Entlastung der Rentenkassen seien die Annäherung des tatsächlichen Renteneintrittsalters an 65 Jahre, eine höhere Beschäftigung insgesamt und mehr Frauenbeschäftigung.

Neben dem Nachhaltigkeitsfaktor sieht Schmidts Gesetz vor, bis 2008 die Möglichkeiten zur Frührente vor 63 zu kappen. Hochschuljahre werden künftig nicht mehr für die Rente gutgeschrieben. Die auf 0,2 Monatsausgaben abgeschmolzenen Rücklagen der Rentenversicherer sollen wieder auf 1,5 Monatsausgaben aufgefüllt werden. Deshalb kann der Beitragssatz von derzeit 19,5 Prozent des Bruttolohns auf Jahre nicht sinken.


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