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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: 80 Jahre Staeck – Er war einmal ein herausragend kritischer Begleiter der Politik. Heute ist er ein Symbol des Versagens der Intelligenz und ein Förderer des Niedergangs der SPD.
Datum: 28. Februar 2018 um 10:50 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kultur und Kulturpolitik, SPD
Verantwortlich: Albrecht Müller
Schade, ich hätte ihm gerne vorbehaltslos zum Geburtstag gratuliert. Denn von diesem Heidelberger Grafikdesigner, Juristen und Karikaturisten stammen wunderbare Werke der Aufklärung. Der WDR berichtet hier (Plakate von Klaus Staeck in Essener Ausstellung | WDR – YouTube) über eine Ausstellung und interviewt Klaus Staeck. Respekt für das große Werk. Und dafür danke. Wir haben oft zusammengearbeitet. Diese wunderbare Headline stammt zum Beispiel von ihm: „Im Himmel CDU, auf Erden SPD“. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Damals, vermutlich in der ersten Woche des November 1972, saßen wir in unserer Bonner Wohnung beim Abendessen. Ich berichtete davon, dass der Spiegel Verlag allen Parteien eine Doppelseite im Heft für eine Anzeige geschenkt hatte. Wir überlegten dann gemeinsam, was die Botschaft sein sollte. Es war damals erkennbar, dass die SPD aus dem tiefen Tal der drohenden Niederlage – mit 51 % für die CDU/CSU im September – herauskommen könnte. Die Stimmung hatte sich gedreht. Klaus Staecks Vorschlag für die Headline saß. Sie erschien dann am Montag der letzten Woche vor der Wahl am 19. November.
Auch der Anstoß zur Entwicklung der NachDenkSeiten geht indirekt auf ihn zurück. Ende Oktober des Jahres 2000 machte er mich am Telefon darauf aufmerksam, dass in Bonn gerade die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, von den Metallarbeitgebern ausgestattet mit 100 Millionen DM, an den Start gegangen sei. Da müsse man doch etwas tun. Wir waren uns einig, dass die IG Metall oder der DGB dagegenhalten müssten. Dann hatte ich Anfang 2001 im Zusammenhang mit Gesprächen mit der IG Metall die Idee, eine kritische Internetseite aufzubauen. Ich versuchte, mit Hinweis auf die INSM die genannten Gewerkschaften als Mitträger zu gewinnen. Der Anstoß, etwas zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zu tun, kam von Klaus Staeck.
Klaus Staeck war über lange Zeit auch führend in der Kritik von Medien. Sein Aufkleber zu Gerhard Löwenthals ZDF-Magazin zum Beispiel zierte so manches Fernsehgerät:
(Quelle: Klaus Staeck.de)
Die Nibelungentreue des Klaus Staeck und seiner Freunde hat den Niedergang der SPD befördert
Als seine Partei, die SPD, dann 1998 mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler wieder die Regierung bildete, als sie dann den Krieg in Jugoslawien mitbetrieb und dann die Agenda 2010 durchsetzte, blieb die notwendige harte kritische Auseinandersetzung von Seiten Staecks genauso aus wie von Seiten anderer Intellektueller. Günter Grass, Oskar Negt und Johano Strasser zum Beispiel signalisierten Unterstützung.
Spätestens da begann der massive Abstieg der SPD. Wo sind denn die Plakate zu Gerhard Schröders Aussage, er habe den besten Niedriglohnsektor aufgebaut? Wo sind die Staeck-Plakate zum Jugoslawien-Krieg und zum Beispiel zu Rudolf Scharpings kriegsbewundernden Auftritten in Pressekonferenzen des Jahres 1999? Wo sind die Postkarten gegen den blöden Spruch von Peter Struck, damals Verteidigungsminister, Deutschlands Sicherheit würde am Hindukusch verteidigt?
Wo ist das Plakat gegen die Riester-Rente? In der Tradition der berechtigten fundamentalen Kritik an dieser Gesellschaft, wie sie etwa im Staeck-Plakat zur Mutter von Albrecht Dürer zum Ausdruck kommt, hätte Staeck spätestens zum 1.1.2002, dem Beginn der Riester-Rente, etwas zur daraus wachsenden Altersarmut machen müssen.
Wo bleiben die Plakate zu Schröders Programm und Parole zur „Auflösung der Deutschland AG“? Wo zu seinen Steuergeschenken an die großen Konzerne? Gibt es etwa satirische Postkarten zum Beziehungsgeflecht Schröder/Maschmeyer?
Die Nibelungentreue des Klaus Staeck hat ihn auch noch dazu verführt, im Sommer vergangenen Jahres einen Aufruf zu Gunsten des Spitzenkandidaten Martin Schulz und seiner Rest-SPD zu verbreiten, obwohl es keine sachlichen Gründe für diese Unterstützung gab. Entsprechend dürftig ist der damalige Aufruf ausgefallen. Die NachDenkSeiten hatten davon berichtet: Dass wir bei der Bundestagswahl keine Alternative haben, verdanken wir auch sogenannten Linksintellektuellen: Günter Grass, Eppler, Staeck, Negt, Strasser, usw.
Wenn Klaus Staeck, Oskar Negt, Günter Grass, Friedrich Schorlemmer, Johano Strasser und andere Intellektuelle die SPD davor gewarnt hätten, wichtige Grundwerte und Basisvorstellungen zu verraten, dann hätten die jeweiligen SPD-Führungen von Schröder über Müntefering bis Steinmeier, Gabriel, Steinbrück, Schulz und Nahles dreimal überlegen müssen, ob sie den Pfad der totalen Profillosigkeit wirklich gehen wollen. Dann hätten diese Führungspersonen vielleicht noch einmal darüber nachgedacht, welche Bedeutung Aussagen wie „Soziale Sicherheit ist das Vermögen der kleinen Leute“ (Helmut Schmidt) und „Der Frieden ist der Ernstfall“ (Gustav Heinemann) und „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“ (Willy Brandt) für die Anhänger, Wähler/innen und Mitglieder der SPD hatten.
Klaus Staeck hat nach der letzten Bundestagswahl noch einen draufgesetzt. Zusammen mit dem Schriftsteller Bernhard Schlink hat er am 28.11.2017 einen Text veröffentlicht, den man hier findet.
Die Überschrift lautet:
Zwei plus fünf
Ein Vorschlag zur Diskussion von Bernhard Schlink und Klaus Staeck
Es geht dabei um die Frage, große Koalition oder welche Lösung sonst infrage käme. Ich zitiere die beiden letzten Absätze:
„Zwei plus fünf – nicht vier weitere Jahre wie gehabt, sondern zwei Jahre, in denen fünf zentrale sozialdemokratische Ziele zu erreichen sind. Jetzt nicht abwarten, was Merkel anbietet, nicht vorfühlen, was sie akzeptiert, keine Sondierungen und Koalitionsgesprächen mit dem bunten Strauß von Zielen und Wünschen, der schon im Wahlkampf verwirrte statt überzeugte. Sondern mit fünf zentralen sozialdemokratischen Zielen ein klares Profil. Zwei Jahre – damit wären Neuwahlen und eine Minderheitsregierung vom Tisch und damit genügte die SPD ihrer Verantwortung für Stabilität. Fünf Ziele – damit gewinnt die SPD wieder das Profil, das die Jusos, die Parteibasis und die Wähler und Wählerinnen vermissen und das die SPD braucht.
Welche fünf Ziele?
Die Bürgerversicherung, eine Bildungsoffensive, ein Einwanderungsgesetz, eine Steuerreform und mit Macron Europa gestalten. Wenn nicht diese fünf, dann andere – darüber, welche sozialdemokratischen Ziele jetzt zentral sind, sollten wir in der SPD diskutieren. Nicht über die Fortsetzung der großen Koalition wie gehabt – mit ihr geht es nur weiter abwärts.
Bernhard Schlink, Klaus Staeck“
Da wird als fünftes Ziel von deutschen Intellektuellen ernsthaft empfohlen, „mit Macron Europa zu gestalten“.
Das ist unbegreiflich. Dass Frau Merkel mit Macron gut kann und will, das kann man ja noch verstehen. Dass aber Intellektuelle im Umfeld der SPD sich eine solche Fehleinschätzung leisten, das ist schon nicht mehr akzeptabel.
Vielleicht findet Klaus Staeck nach den Geburtstagsfeiern mal die Zeit, diesen von den NachDenkSeiten übersetzten und am 6. Juni 2017 publizierten Artikel der belgischen Sozialwissenschaftlerin Chantal Mouffe zu lesen: „Macron als höchstes Stadium der Post-Politik“. Haben die beiden Autoren Staeck und Schlink nicht mitbekommen, dass die Zusammenarbeit mit diesem französischen Präsidenten vor allem auch dem Zweck dient, gemeinsam militärisch aufzurüsten und die Europäische Union zu einer Militärunion zu machen? Haben sie seine neoliberale Grundeinstellung nicht mitbekommen? Und die Art der Unterstützer, die Macron in Frankreich hatte und hat?
Klaus Staeck kommt aus der DDR und hat dort offensichtlich Schlimmes erlebt. Dass dies noch heute sein Denken bestimmt, ist schade. Eigentlich hätte er gerade auf dem Hintergrund dieser Herkunft das Potenzial gehabt, der SPD klarzumachen, dass sie ohne Zusammenarbeit mit den anderen Kräften auf der linken Seite, einschließlich der SED-Nachfolge, voraussichtlich nie mehr eine kanzlerfähige Machtoption erwerben wird. Statt Martin Schulz irrlichtern zu lassen, hätten Leute wie Klaus Staeck spätestens hier und eigentlich ja schon bei Steinmeier und bei Steinbrück und auch schon bei Schröder klarmachen müssen, dass die fortschrittlichen Kräfte nur noch werden punkten können, wenn sie sich verständigen, vielleicht zwar getrennt marschieren, aber vereint schlagen, vielleicht sogar irgendwann auch wieder vereint marschieren. Das wäre übrigens eine Aufgabe, die sich der 80-jährige Jubilar noch vornehmen könnte. Die handelnden Personen kennt er. Einmal im Leben bisherige Vorurteile noch einmal hinter sich zu lassen – eigentlich eine schöne Aufgabe für den Rest des Lebens.
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