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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Interview mit RT International zum Bild-Coup: Auftritt von Titanic-Redakteur bei russischem Staatssender stößt auf Kritik
Nach dem Satire-Coup legt die Titanic nach: Der leitende Redakteur Moritz Hürtgen hat im russischen Sender RT International ein Interview gegeben. Für den Auftritt erntet er nicht nur von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt Kritik. Wie weit darf Satire gehen, fragt die Netz-Community. Hintergrund: RT International ist ein vom Kreml finanzierter Propagandasender.
Die Affäre um angebliche E-Mails von Juso-Chef Kevin Kühnert sorgt auch international für Aufmerksamkeit. Nachdem das Titanic-Magazin sich am Mittwoch zu der Aktion bekannt hatte, die in eine Bild-Titelstory über eine „SPD-Schmutzkampagne“ mündete, äußerte sich der zuständige Redakteur in einem Interview mit dem russischen TV-Sender RT International zum Vorfall. In dem am Donnerstagmorgen veröffentlichten Beitrag gibt der Sender die Ereignisse wieder, die am 16. Februar ihren Anfang nahmen. Nachdem der Moderator die Einzelheiten von #miomiogate erklärt hat, beschreibt Hürtgen die Vorgehensweise der vergangenen Wochen. „It was a good laugh“, sagt Hürtgen im Gespräch mit dem Moderator. Das sei für sich genommen schon einiges wert, endet das Interview.
Quelle: Meedia
Anmerkung Jens Berger: Spätestens jetzt wird die Sache vollends absurd. Weil der zuständige Titanic-Redakteur RT ein Interview gegeben hat, ist er plötzlich der “Bösewicht” und die skandalöse Schmutzkampagne von BILD ist auf einmal nicht mehr so schlimm? Man fragt sich auch, wo Meedia eigentlich immer diese skurrilen O-Töne ausgräbt. Wer ist beispielsweise dieser Jan-Philipp Hein und warum sollte sein dümmliches Statement es wert sein, in einem Artikel zitiert zu werden? Das ist doch nichts anderes als modernes Trollen. Man hat als Viertel-Branchenpromi einen möglichst derben Spruch via Twitter raus, um in solchen “Zitatesammlungen” aufzutauchen und seinen Namen wiederzufinden. Absurd.
- 25 Jahre Tafeln: “Wir sind ein guter seismografischer Faktor, um zu erkennen, was schiefläuft”
Die inzwischen 900 Tafeln in Deutschland seien nicht nur stille Ausgeber von Lebensmitteln, sondern sie legten auch “die Finger in die Wunde”, um auf Probleme aufmerksam zu machen, sagte Jochen Brühl vom Bundesverband der Tafeln im Dlf. Sie verstünden sich als Bürgerbewegung, die Veränderungen einfordere. […]
Brühl: Die Gesellschaft ist nicht nur die Politik. Die Gesellschaft ist auch bürgerschaftliches Engagement. Wir würden ja heute kein Interview führen, wenn dieses Thema Armut nicht endlich auch in den Nachrichten oder in den Berichten vorkommen würde. Ich denke, dass die Tafeln es geschafft haben, dass dieses Thema skandalisiert wird. Wir wollen aber nicht nur fordern, sondern auch praktisch helfen. So verstehen wir uns auch als Bürgerbewegung. Wir fordern Dinge, damit sich Dinge auch ändern können, aber es wäre natürlich blöd, wenn man den Bock zum Gärtner macht. Das hilft auch den Menschen nicht. Ich freue mich heute an diesem Tag über das Engagement von über 60.000 Helferinnen und Helfern. Ich bin verärgert über die Millionen Tonnen achtlos weggeworfener Lebensmittel. Und ich bin wütend über die unzureichende gesellschaftspolitische Bedingung, dass Armut immer noch zur Seite geschoben wird, und daran müssen wir was ändern und das sehen wir als Aufgabe.
Schroeder: Ich habe gelesen, mittlerweile ist jeder vierte Kunde bei den Tafeln im Rentenalter. Der Anteil der Leute, die in Rente sind und zu den Tafeln gehen, der hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Wie erklären Sie sich das?
Brühl: Das liegt daran, dass Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt waren, die Rente nicht ausreicht und die dann zu den Tafeln kommen. Das sagen wir Politik, das sagen wir Gesellschaft. Es ist natürlich einfach zu sagen, Tafeln kompensieren da was weg, aber die andere Seite der Tafel ist, dieses Problem zu benennen. Deswegen wünschen wir uns auch an diesem Tag, in diesem Jahr, wo wir 25 Jahre alt werden, dass wir nicht jedes Mal immer darauf hinweisen müssen, dass sich etwas verändern muss, und wir Schulterklopfer bekommen, weil wir gute Arbeit machen, sondern wir wollen, dass sich durch die Tafeln und ihre Aktionen Dinge auch verändern und dass Rentnerinnen und Rentner von ihrer Rente leben können und nicht zu den Tafeln kommen müssen.
Quelle: Deutschlandfunk
dazu: Mein Reich komme: 25 Jahre Tafeln in Deutschland
Fiktive Autobiografie eines moralischen Unternehmens – Teil 1
Irgendwann lässt sich jeder Promi eine Biographie schreiben. Aber soweit kommt es noch! Wer so viel gestemmt hat wie ich, der macht das selbst! Ehrenamtlich, versteht sich. Wer wie ich seit 25 Jahren existiert und nun endlich mitten in der Gesellschaft angekommen ist, der darf auch mal ein wenig zurückblicken und sich freuen. Bloß nostalgisch werden, das sollte nicht sein. Wer wie ich in diesen Tagen rundherum gefeiert wird, der darf sich auch selbst einmal an die vielen Herausforderungen erinnern, die mit der eigenen Arbeit verbunden sind.
Ich sage nicht “verbunden waren”, ich sage “sind”. Weil das hier keinesfalls eine abschließende Biografie ergeben wird, nach der nichts mehr kommt. Türchen sollte man sich immer offenhalten. Und die nächsten 25 Jahre sind ein solches Türchen. Es stimmt: Wann immer ich irgendwo öffentlich auftrete und mich präsentiere – auf Kirchentagen oder Podiumsdiskussionen – betone ich, dass es mich eigentlich gar nicht geben dürfte, dass ich am liebsten überflüssig sei, dass alles getan werden müsse, damit ich endlich, ja endlich wirklich überflüssig werde. Diesmal bestimmt.
Aber wie schrecklich herzlos und wie brutal verachtend ist es, so über sich selbst reden zu müssen, nur weil das der sozialen Erwünschtheit meiner Beobachter und Kommentatoren entspricht? Mit aller Macht sträube ich mich dagegen und unterdrücke diesen existentiellen Juckreiz. Mir macht es fast nichts mehr aus, mir selbst zu widersprechen.
Je reifer ich werde und je mehr ich für meine Arbeit geehrt werde, desto seltener rede ich überhaupt noch so. Nun, nach 25 Jahren, bin ich endlich soweit und kann es aussprechen: Ich bin da und ich will gebraucht werden! 25 Jahre sind mir nicht genug! Es gibt keinen Grund aufzuhören. Ich will geliebt und unterstützt werden. Ich bin einfach zu gerne in dieser Welt.
Quelle: Telepolis
Anmerkung Lutz Hausstein: Ein launig geschriebener Artikel von Stefan Selke zu einem bitteren Thema. Schon seit vielen Jahren legt Prof. Selke immer wieder den Finger in diese Wunde, indem er auf die Absurdität der Notwendigkeit der Tafeln hinweist – u.a. in seinem Buch “Schamland – Die Armut mitten unter uns” (Rezension auf den NDS). Ja, es ist für die bis zu 1,8 Mio. Armen, die ihre Nahrungsmittel teilweise oder vollständig von den deutschlandweit fast 1.000 Tafeln erhalten, sehr häufig (über-)lebensnotwendig, dass es die Tafeln überhaupt gibt. Und dennoch: Schon allein durch die Notwendigkeit ihrer Existenz zeigt sich, dass die angebliche “Soziale Marktwirtschaft” und der “Sozialstaat” nicht mehr als hohle Floskeln sind. Vom “Uns-geht-es-gut”- und “Ein-Land-in-dem-wir-gut-und-gerne-leben”-Neusprech will ich da erst gar nicht anfangen. Und mehr noch: Immer wieder werden Arme, die die viel zu niedrig bemessene Grundsicherung kritisieren, von den Sozialleistungsträgern damit abgespeist, dass sie sich “ja etwas bei der Tafel holen können, wenn es nicht reicht”. Vgl. dazu die Studie “Was der Mensch braucht“. Dass die Politik seit vielen Jahren konsequent das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verletzt und ignoriert, ist im Kern genommen Grundlage des Geschäftsmodells der Tafeln.
“Es gibt kein richtiges Leben im falschen.” (Minima Moralia, Theodor Adorno)
- Kampf gegen Korruption: Deutschland fällt im internationalen Vergleich zurück
Eine aktuelle Studie von Transparency International belegt: Deutschland tut zu wenig gegen Korruption. Andere Staaten zeigen mehr Initiative und überholen Deutschland in der Rangfolge
In Sachen Korruptionsbekämpfung besteht in Deutschland Handlungsbedarf. Das geht aus einer aktuellen Studie zur Wahrnehmung von Korruption von Transparency International hervor. Im Vergleich zum Vorjahr verliert Deutschland im Ranking zwei Plätze und landet auf Platz 12. Zwar ist die erreichte Punktzahl gleich geblieben, Luxemburg und Großbritannien konnten ihr Ergebnis jedoch verbessern und sind an Deutschland vorbei gezogen.
Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) misst die von ExpertInnen wahrgenommene Korruption im öffentlichen Sektor. Es geht dabei unter anderem um den Einfluss von Interessengruppen und den Zugang der Zivilgesellschaft zu Informationen über öffentliche Angelegenheiten. Dafür werden verschiedene Datenquellen unabhängiger Institutionen ausgewertet. Die Ergebnisse werden auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) angegeben und in einem Ranking dargestellt.
Quelle 1: abgeordnetenwatch.de
Quelle 2: Transparency International
dazu: Deutschland hat ein Korruptionsproblem
Die Bundesregierung tut laut Transparency International zu wenig gegen Korruption. Im internationalen Korruptionsindex verschlechterte sich Deutschland um zwei Plätze. […]
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers V.K.: Dass Deutschland zu wenig gegen Korruption tun würde, dürfte der Regierung wohl schon vor dem aktuellen Bericht von Transparency International bekannt sein. Im Koalitionsvertrag sucht man auch vergeblich, ob die neue GroKo etwas gegen Korruption in Deutschland weiter zu unternehmen beabsichtigt bzw. überhaupt als Thema würdigt. (“Bleiminimierung in Jagdmunition” ist wichtiger, wie Ihnen bekannt ist). Bei den Suchwörtern “Korruption” “Bekämpfung der Korruption” wird im Koalitionsvertrag lediglich nur die Ukraine und der Westliche Balkan erwähnt.
- Konjunkturprogramm für Ärzte? Was von der Bürgerversicherung übrigblieb
190.000 Euro verdient ein niedergelassener Arzt pro Jahr im Durchschnitt in Deutschland. Geht es nach Union und SPD, könnten die Spitzenverdiener künftig noch mehr bekommen – obwohl es eigentlich um die Patienten gehen sollte. Noch im Januar hatte die SPD die Bürgerversicherung als Voraussetzung für die Große Koalition gefordert. Stattdessen soll jetzt eine Kommission ausloten, ob Ärzte für Kassenpatienten künftig dasselbe Honorar erhalten sollen wie für Privatpatienten. Für Gesundheitsökonomen nichts anderes als ein staatliches Konjunkturprogramm für Ärzte.
Quelle: Monitor
- Gesetzesänderung gefordert: Fast 20 Prozent vieler Betriebsrenten gehen verloren
Wer im Alter gut leben will, sollte sich nicht auf die staatliche Rente verlassen. Millionen Deutsche haben deshalb Betriebsrenten abgeschlossen. Meistens zahlt der Arbeitgeber dort einen Teil des Gehalts direkt ein. Die ersparte Summe bekommt man dann mit Renteneintritt ausgezahlt. Doch viele Versicherte erleben dann eine böse Überraschung. Denn die Krankenkassen ziehen erst einmal Versicherungsbeiträge ab – nicht nur einmal, sondern gleich doppelt. […]
Erst 2004 beschloss die Bundesregierung, dass auf die Auszahlung sogenannter Direktversicherungen Kranken- und Pflegekassenbeiträge fällig werden. Das gilt auch rückwirkend für bestehende Verträge. Die Betroffenen bezahlen als Rentner jetzt beides: den Arbeitnehmeranteil und den Arbeitgeberanteil. So gehen in Summe fast 20 Prozent des Angesparten an die Sozialkassen.
Jede Woche melden sich allein bei der Verbraucherzentrale Sachsen zwei bis drei Betroffene, sagt Beraterin Andrea Heyer: “Die Verbraucher haben natürlich darauf vertraut, dass nicht nachträglich in ihre Verträge seitens des Gesetzgebers eingegriffen wird. Dann geschieht das auch noch so einseitig zu ihren Lasten. Wir würden uns wünschen, dass diese Situation beseitigt wird. […]
Matthias W. Birkwald würde das Gesetz gern ändern. Der rentenpolitische Sprecher der Linken spricht von Ausplünderung. Statt die Betriebsrenten so hoch zu belasten, sollten alle etwas mehr in die Sozialkassen einzahlen. Birkwald sagt: “Von den Gesundheitspolitkern wird immer behauptet, dass das alles nicht finanzierbar sei, wenn man das Problem löste. Das stimmt nicht. Wenn man das ändert, müssten die Krankenversicherungsbeiträge um 0,18 Prozent angehoben werden. Das sind 0,09 Prozent für den Beschäftigten und das Gleiche für den Arbeitgeber. Umgerechnet bei einem Bruttolohn von 3.000 Euro sind das 2,70 Euro im Monat mehr. Das dürfte doch die Gerechtigkeit den Menschen Wert sein.”
In der geplanten Großen Koalition sieht man das offenbar anders. Im Entwurf des Koalitionsvertrages wurde eine Gesetzesänderung noch zugesagt. In der Endfassung steht die betreffende Passage nicht mehr drin.
Quelle: MDR
- Jeder vierte junge Mensch hat psychische Probleme
Der Chef der Barmer-Krankenkasse warnt: Die Zahl der Menschen wird weiter steigen, die von Depressionen, Angststörungen oder Panikattacken betroffen sind. Besonders die neuen Zahlen zu Studenten sind alarmierend.
Junge Menschen leiden immer öfter an psychischen Erkrankungen. Zu dem Schluss kommt eine neue Untersuchung der Barmer Ersatzkasse. Demnach leidet jeder Vierte im Alter zwischen 18 und 25 Jahren an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Panikattacken. „Allein in den Jahren 2005 bis 2016 ist die Zahl der betroffenen 18- bis 25-Jährigen in Deutschland über alle Diagnosen hinweg um 38 Prozent von rund 1,4 Millionen auf insgesamt 1,9 Millionen gestiegen“, sagte der Barmer-Vorstandsvorsitzende Christoph Straub. Im Jahre 2016 seien damit 25,8 Prozent aller jungen Erwachsenen von solchen Erkrankungen betroffen gewesen. Eine Depression haben die Mediziner laut dem „Arzt-Report“ der Kasse in 557.000 Fällen diagnostiziert. […]
Auch unter Studenten, die bisher eher als „gesunde“ Gruppe galten, seien Erkrankungen der Psyche ein großes Thema geworden. 477.000 Studenten litten daran, umgerechnet sei das etwa jeder sechste Studierende. „Gerade bei den angehenden Akademikern steigen Zeit- und Leistungsdruck kontinuierlich, hinzu kommen finanzielle Sorgen und Zukunftsängste“, diagnostizierte der Mediziner Straub.
Quelle: FAZ
Anmerkung unseres Lesers J.A.: „Gerade bei den angehenden Akademikern steigen Zeit- und Leistungsdruck kontinuierlich, hinzu kommen finanzielle Sorgen und Zukunftsängste“ – in einem “Deutschland, in dem wir gut und gerne leben”, in Zeiten des Fachkräftemangels, wo jungen Menschen die Welt offensteht und Akademiker praktisch nie arbeitslos werden? Wie kann das sein? Ist es nicht im Gegenteil, und das wäre meine Sicht der Dinge, um sämtliche Aspekte der Zukunft, die mangelhafte finanzielle und persönliche Sicherheit, die neoliberalisierten Beziehungen und der schlechte Zustand unserer Umwelt, noch einmal viel schlechter bestellt als vor 10, 20 oder 30 Jahren? Die Sorgen eines Hauptschülers, überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden, sind zu Recht groß. Wenn aber angehende Akademiker mit der bestmöglichen Ausbildung in immer größeren Zahlen Angst davor haben, den Anforderungen von Gegenwart und Zukunft nicht zu genügen, ist das nicht ein Alarmzeichen sondergleichen? Es wundert mich sehr, dass Merkel mit ihrer menschenfeindlichen Politik in Kombination mit realitätsverleugnenden Sprüchen tatsächlich 33% der Wählerstimmen bekommt und nicht nur die 5 Prozent der Klientel von Bestverdienern, die sie vertritt.
- Kalter Handelskrieg
Das kann noch Ärger geben. Da beschwert sich die halbe Welt seit Jahren über die exzessiven deutschen Exportüberschüsse – und das völlig zu Recht: Schließlich treiben sie zahlreiche Länder von Griechenland über Italien bis Frankreich immer tiefer in die Verschuldung. Was aber zeigen nun die jüngsten Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht hat? Die deutschen Exportüberschüsse haben auch im Jahr 2017 exorbitante Höhen erreicht. Frankreich etwa hat 41 Milliarden Euro mehr an deutsche Firmen gezahlt, als seine Unternehmen aus Verkäufen nach Deutschland verdienen konnten; die Agenda 2010, Lohnverzicht und Hartz IV haben die Preise deutscher Produkte effizient gedrückt und lassen bis heute Konzernkassen in der Bundesrepublik klingeln, Konzernkassen der ausländischen Konkurrenz hingegen eher darben. Ein Beitrag zur Lösung der europäischen Schuldenkrise ist das nicht.
Nun könnte man einwenden: Frankreich hat es längst aufgegeben, sich ernsthaft gegen die Berliner Exportoffensiven aufzulehnen, und versucht sich an einer Art eigener Agenda 2010 – so what? Nun, Paris mag resigniert haben, Washington hat es nicht. Das US-Handelsdefizit gegenüber Deutschland, das im Jahr 2000 noch bei weniger als 15 Milliarden Euro lag, hat 2017 mit rund 50,5 Milliarden Euro einen seiner höchsten Werte erzielt. US-Präsident Donald Trump hat oft genug angekündigt, auf die deutsche Exportoffensive, die schon die Obama-Administration immer wieder kritisiert hatte, zu reagieren – mit Strafzöllen zum Beispiel. In der klaren Erkenntnis, dass die neuen Zahlen Ärger geben, haben deutsche Medien schon vorab gemeldet, die EU bereite Gegenmaßnahmen auf etwaige US-Restriktionen vor, nämlich eigene Strafzölle zum Beispiel auf Harley Davidsons oder auf US-Whisky. Man wird sehen, ob und wann Trump den Fehdehandschuh aufgreift.
Quelle: junge Welt
Anmerkung Christian Reimann: Die NachDenkSeiten haben sich mehrfach gegen die deutschen Exportüberschüsse gewandt – u.a. hier:
- Das Beispiel „Exportüberschüsse“ zeigt: Merkel betreibt eine Politik gegen die eigene Bevölkerung
- Die Debatte um die Exportüberschüsse ist ein einziger Beleg für den Niedergang der ökonomischen Wissenschaft und der Qualität politischer Entscheidungen
dazu: Unsere Exporte sind nicht unfair
Deutschland handelt mit China mehr als mit jedem anderen Land. Ein Blick hinter die neuen Zahlen enthält auch eine wichtige Botschaft an Washington. […]
Tatsächlich sind diese Kennzahlen zumindest nach Ansicht der Fachleute kein echtes Problem. Weder das deutsche Handelsdefizit gegenüber China noch der abermals und nun auf ungefähr 50 Milliarden Dollar gestiegene Überschuss gegenüber den Vereinigten Staaten. Das spiegelt jeweils im Grunde einfach nur die Kaufwünsche von Amerikanern, Deutschen und Chinesen, die eben so sind wie sie sind – und mit Blick auf erfüllte Wünsche sind übrigens auch weder Exporte besser als Importe noch umgekehrt.
Eine andere Frage ist, wie lange ein Land ein Handelsbilanzdefizit aufweisen kann. Das muss auf Dauer ja irgendwie finanziert werden – mit Kapital aus dem Ausland eben. Das kann auch tatsächlich zu Problemen führen.
Quelle: FAZ
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein Handelsbilanzdefizit kann also auf Dauer ein Problem werden. Muss dann auf der anderen Seite der Gleichung (Plus und Minus, im Saldo 0, vielleicht erinnert sich der Redakteur) nicht zwingend ein Handelsbilanzüberschuss sein, der genauso *zwingend* ein Problem sein *muss*? Wie können anderenfalls gleichzeitig ein dauerhaftes US-Handelsdefizit schlecht, aber ein deutscher Handelsbilanzüberschuss gut sein???
- Kampf um das Nord-Stream-2-Projekt
Deutschland hat bei der Etablierung des aktuellen ukrainischen Regimes an eine alte deutsch-ukrainische Kooperation angeknüpft. Wenn nun die 7 deutschen Politiker für ihre Argumente gegen das Projekt Nord Stream 2 auch auf die Interessen dieser Ukraine rekurrieren, legen sie eine Geschichtsvergessenheit an den Tag, die seit den Maidan-Ereignissen in Deutschland zu beobachten ist.
Von Grünen wie Rebecca Harms bis zum damaligen Außenminister Westerwelle gab es wenig Skrupel, mit den alten rechten Bundesgenossen, die am Maidan mit Fahnen und Parolen aufgefahren waren, zu kooperieren. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in dem Gastbeitrag ein Bündnis von Politikern der Union, der FDP und der Grünen zusammengefunden hat. Das macht nur deutlich, dass eine gemeinsame Regierung dieser Parteien nicht an außenpolitischen Fragen geplatzt ist. Vielmehr zeigt das gemeinsame Statement, dass ein solches Bündnis durchaus noch eine Zukunft hat.
Es geht um unterschiedliche geo- und wirtschaftspolitische Interessen. Die Rhetorik um den Zusammenhalt Europas ist da nur eine ideologische Nebelkerze. Da wird die Krimaktion Russlands bemüht, bloß um nicht von Geopolitik und Ökonomie reden zu müssen.
Quelle: Telepolis
- Macrons Kampfansage an Brüssel
“Emmanuel Macron fordert Neugründung der EU” lauteten im Herbst die Schlagzeilen nach Macrons Europa-Rede in der Pariser Sorbonne. Die Aufregung war groß – und kam verspätet. Diese “Neugründung” hatte schon der Wahlkämpfer Macron gefordert.
“Die Überzeugung, meine Freunde, die ich mit Euch teilen möchte, ist diese: Wir sind die wahren Patrioten, hier in diesem Saal! Denn wir lieben kein abgeschottetes Frankreich, sondern ein starkes Frankreich, eines der Hoffnung – in Europa!”
Immer wieder benutzte Macron – wie hier in einer Wahlkampfrede am 6. April 2017 in Marseille – Begriffe wie den der “Nation” oder des “Patriotismus”, einzig um daraus im Verlauf der Rede ein Loblied auf Europa anzustimmen.
Im Zentrum der Macron’schen EU-Kritik stand neben der Schwäche ihrer Institutionen immer auch die mangelnde demokratische Legitimität. Das europäische Projekt müsse “für die Menschen und mit den Menschen” neu begründet werden, sagte er immer wieder – ohne konkreter zu werden. Dass er am liebsten das gesamte Parteiensystem des Europäischen Parlamentes aus den Angeln heben möchte, sagte er öffentlich bisher nicht. Nur im Rahmen eines Treffens mit Journalisten ging er vor kurzem darauf ein, abseits von Mikrofonen und Kameras.
Ende Mai 2019 wird ein neues Europaparlament gewählt. Spätestens dann wird Macrons Bewegung auch dort vertreten sein. Die Vorbereitungen laufen bei “en Marche” längst. Im Internet und den sozialen Netzwerken ist alles vorbereitet für den Auftritt von “Europe en Marche.” Die Suche nach Verbündeten läuft in vielen EU-Mitgliedsstaaten. Denn um eine eigene Fraktion im Europaparlament zu gründen, braucht Macron mindestens 25 Abgeordnete aus sieben europäischen Ländern. Matteo Renzi, der italienische Sozialdemokrat, könnte, so heißt es in Brüssel, mit einer Pro-Macron-Liste in Italien bei den Europawahlen antreten, wenn er bei den nationalen Wahlen im kommenden Monat scheitert. In Polen, Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern sammelt Macron liberale Pro-Europäer, die unter seinem Banner antreten.
Quelle: Deutschlandfunk
Anmerkung JK: Die wiederkehrenden Äußerungen Macrons sind unerträglich. Wenn nur einmal erklärt werden würde, was denn dieses “neue Europa” sein soll? Welche Vorteile hat “Europa” seinen Bürgern bisher gebracht? Haben sich die Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bürger der EU in den letzten zehn Jahren wesentlich verbessert? Wohl eher nicht. Die Vision Macrons für Frankreich ist die einer französischen Agenda 2010 mit einer Politik gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger für die verstärkte Privilegierung der Reichen und Superreichen. Antizipiert man das, dann ist Macrons Vision eines “neuen Europas”, die eines durch und durch neoliberalen Europas.
- Neue Regeln in Levante
Moskau fordert Netanjahu nach Drohnenabschuss auf, die Souveränität Syriens zu respektieren […]
Doch die jüngste Aggression gegen Syrien vom 10. Februar hat die Regeln für Israel in der Levante, also der östlichen Mittelmeerküste und ihrem Hinterland, geändert. Diese hatte mit dem Abschuss einer Drohne durch die israelische Luftwaffe im nördlichen Jordantal begonnen und wurde durch ein knappes Telefongespräch zwischen Netanjahu und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am gleichen Tag beendet. Putin forderte den israelischen Premier auf, die syrische Souveränität zu respektieren, und machte klar, dass der Iran strategischer Verbündeter Russlands sei. Ein Angriff auf diesen Verbündeten in Syrien werde von Moskau nicht geduldet. […]
Der Vorsitzende der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, lenkte am vergangenen Freitag die Aufmerksamkeit auf einen weiteren Aspekt. Bei einer Gedenkveranstaltung in Süden Beiruts sagte er, im Nahen Osten habe »ein Krieg um Öl und Gas« begonnen. Israel plane, die gesamten Golanhöhen zu übernehmen, weil dort große Mengen Öl vermutet würden. Zudem mache Israel dem Libanon einen Teil seine Gasressourcen im östlichen Mittelmeer streitig. Dabei verwies er auf zwei als »Block 8 und 9« markierte Gasfelder im Mittelmeer, die an der maritimen Grenzverlängerung der »Blauen Waffenstillstandslinie« (1978) im östlichen Mittelmeer liegen. Nach Ansicht von Beirut gehört das Gebiet zum Libanon. Israel hat die Grenzverlängerung zu seinen Gunsten gezogen und beansprucht ebenfalls den Zugriff auf die Ressourcen. Der Öl- und Gasreichtum im Süden des Libanon gehöre dem ganzen Land und werde in den Staatshaushalt fließen, betonte Nasrallah. »Diese Öl- und Gasreserven sind möglicherweise die einzige Hoffnung, die wirtschaftliche Situation zu entspannen.« Auch der Krieg gegen Syrien habe mit den Öl- und Gasreserven zu tun, so Nasrallah. Obwohl der »Islamische Staat« weitgehend geschlagen sei, wollten die US-Amerikaner aus dem Osten Syriens nicht abziehen, »weil die wichtigsten Öl- und Gasfelder dort liegen«. Die USA betrachten auch den Irak als ein Ölfeld und selbst der Konflikt zwischen den Golfstaaten habe damit zu tun, dass »einige Staaten die Gasreserven von Katar kontrollieren« wollten.
Quelle: Karin Leukefeld auf junge Welt
- Kämpfe im Jemen: Milliarden-Rüstungsexporte an Kriegsparteien
Der Krieg im Jemen hat eine humanitäre Katastrophe ausgelöst. Unterstützt wurde die Militärintervention Saudi-Arabiens dabei von Rüstungslieferungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro aus Deutschland.
Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr Rüstungsexporte für rund 1,3 Milliarden Euro an die am Jemen-Krieg beteiligten Länder genehmigt. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Quelle: Tagesschau
- Der freie Fall der Ukraine
Vier Jahre nach den Kämpfen auf dem Maidan ist den Menschen in Kiew nichts geblieben außer Enttäuschung und Zweifel. Eine Stadt zwischen Armut und Arbeitslosigkeit, Korruption und Krieg.
Aber gegenüber dem Hilton-Hotel steht ein Mütterchen und bietet riesige Frauenunterhosen feil. Die ukrainische Durchschnittsrente liegt unter 75 Euro pro Monat. Das Bruttoinlandsprodukt kletterte vergangenes Jahr offiziell um zwei Prozentpunkte nach oben. Allerdings sagt der deutsche Wirtschaftsanwalt Wolfram Rehbock, der seit über 15 Jahren in Kiew arbeitet, gemessen in US-Dollar sei das Wirtschaftsvolumen gegenüber 2013, der Zeit vor dem Maidan, um 50 Prozent geschrumpft. „Eine Vielzahl meiner Aufträge in der letzten Zeit waren Rückabwicklungen.“
Selbst das erfolgreiche Kiew ist arm. Der Computerdesigner Michailo Gafin teilt sich mit seiner Freundin eine möblierte Einraumwohnung in einem Backsteinwohnblock, für umgerechnet knapp 200 Euro, das Treppenhaus riecht, als hausten hier seit Generationen Katzen. Der Block seines Computers steht auf billigem Linoleumfußboden, neben einem sowjetisch aussehenden Altschrank. Michailo zeigt stolz die Webseiten, die er für Kiewer Schönheitssalons, russische Baufirmen und ukrainische Internetläden entworfen hat. 500 bis 5000 Dollar verdiene er im Monat, diesen Januar aber gerade 370 Dollar. „Die meisten Ukrainer haben gerade Geld für Brot, Butter und Wurst. Für meine Arbeit fehlt eigentlich die Zielgruppe.“
Auch Michailo riskierte 2014 auf dem Maidan Kopf und Kragen, aber heute, sagt er, würde er nicht mehr hingehen. „Was haben wir geändert? Einen Dreck.“ Poroschenko sei nicht zu trauen, seinen Gegenspielern auch nicht. Jetzt klickt Michailo nicht mehr von Firmenlogo zu Firmenlogo. Er klickt von Fotos, die die Revolutionsheldin Nadeschda Sawschtschenko in verdächtiger Nähe zu Einsatzpolizisten zeigen, zu Fotos mit mutmaßlichen Einschusslöchern auf den Bäumen am Maidan. Die darauf hindeuten, dass die Aufständischen aus dem Hotel Ukraina beschossen wurden, welches die Aufständischen selbst kontrollierten. Die Fotos riechen nach Verrat, findet Michailo. „Ich glaube niemandem mehr.“
Quelle: FR Online
dazu: “Die Illusionen in der Ukraine waren erheblich”
Manfred Schünemann, langjähriger DDR-Diplomat in Moskau und Kiew, spricht im Interview mit Telepolis über die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Ukraine seit dem Umsturz vor vier Jahren
Von 1969 bis 1990 arbeitete Schünemann im diplomatischen Dienst der DDR, unter anderem als Botschaftsrat an den Botschaften in Belgrad und Moskau sowie in den 1970er Jahren im Generalkonsulat in Kiew. Nach 1990 war er bis 2005 beim Verband für Internationale Politik und Völkerrecht sowie im Informationszentrum für transatlantische Sicherheit tätig. Schünemann, der in Berlin lebt, veröffentlichte zahlreiche Publikationen zur Entwicklung in der Ukraine, zu Russland und der GUS, zuletzt erschien 2017 sein Buch über Ursachen und Folgen der Konflikte in der Ukraine seit 1991. (“Zerbricht die Ukraine?”)
Vier Jahre nach dem Maidan sieht er das Land in der tiefsten Krise seit der Unabhängigkeit. Die Wirtschaftsleistung liegt ein Drittel unter dem Niveau der Sowjetzeit, Oligarchen und Korruption haben die Ukraine weiter fest in der Hand und die sozialökonomische Lage der Bevölkerung ist katastrophal. Mitschuld daran sind auch die sozialen Einschnitte, die der Westen zur erwartbaren Vorbedingung für Kredite machte. “Die Illusionen durch den Maidan waren in der ukrainischen Bevölkerung erheblich”, sagt Schünemann.
Quelle: Telepolis
- Lettland zieht Russen-Vorwurf zurück
Im Korruptionsfall hat Riga keine Beweise für eine Einmischung der Russen. Die EZB sieht sich derweil wachsenden Fragen ausgesetzt, warum sie Geldwäsche nicht gesehen hat.
In der Korruptionsaffäre um den lettischen Notenbankchef hat die Regierung des baltischen Staates eingeräumt, dass sie keine Belege für eine russische Einflussnahme habe. Zuvor hatte das Verteidigungsministerium von einer weitreichenden Desinformationskampagne aus dem Ausland gesprochen, die „identisch“ sei mit Einmischungen in Wahlkämpfe in Amerika, Frankreich oder Deutschland. Die Aussage bezog sich offenkundig auf Russland.
Nun teilte Ministerpräsident Maris Kucinskis mit, es seien „professionelle und gut gemachte Bots“ in sozialen Netzwerken an den Vorgängen beteiligt gewesen. Zur Spekulation über eine Einmischung Russlands in die Korruptionsaffäre sagte er: „Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Beweise haben, dass unser Nachbar beteiligt ist.“
Die Europäische Zentralbank will sich derweil noch immer nicht zu dem Fall des wegen der Korruptionsvorwürfe suspendierten Notenbankchefs Ilmars Rimsevics äußern, der auch Mitglied des EZB-Rates ist. Rimsevics hat nicht an der Ratssitzung am Mittwoch in Frankfurt teilgenommen.
Quelle: FAZ