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- Davos
- Merkel in Davos: Gegen die Wand
Unter Angela Merkels Kanzlerschaft hat Deutschland die EU in eine historische Krise geführt. Die Kanzlerin ignoriert die internationalen und europäischen Ungleichgewichte, allen voran den deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Merkels Vision für die EU ist die Vertiefung von Strukturreformen – also Lohn- und Rentenkürzungen – gegen etwas Taschengeld und mehr Aufrüstung“, kommentiert der Finanzexperte der Fraktion DIE LINKE, Fabio De Masi, den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Weltwirtschaftsforums in Davos. De Masi weiter:
„Dass die deutsche Wirtschaft brummt, ist der Unterbewertung des Euros zu verdanken. Bei großen Teilen der Bevölkerung kommt davon aber nichts an. Die immer extremere Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen schrumpft die Mittelschicht und führt zur Stagnation. Die Industrieländer hängen am Doping des billigen Geldes. Wenn gleichzeitig aber öffentliche Investitionen gekürzt werden, landet das billige Geld auf den Finanzmärkten und nicht in der realen Wirtschaft.
Die Party an den Finanzmärkten kann schnell im erneuten Crash münden, wenn die Zentralbanken aus der unkonventionellen Geldpolitik aussteigen und in Deutschland weiter die schwarze Null regiert. Die Leistungsbilanzüberschüsse der Eurozone werden zudem neue internationale Schuldenkrisen provozieren. Die USA unter Trump heizen den Steuerwettbewerb an und könnten bald auch Strafzölle aktivieren. Die USA gehören wegen des Boykotts des Informationsaustausches auf die schwarze Liste der Steueroasen. Deutschland und Frankreich sollten darüber hinaus durch die Einführung von Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen und Mindeststeuern für Konzerne voranschreiten.
Deutschland muss daher seine Binnenwirtschaft stärken. Wir sind Ungleichland. Dies erfordert einen Abschied von der schwarzen Null statt die zunehmende Privatisierung der Infrastruktur sowie eine verfassungsfeste Vermögen- und Erbschaftsteuer. Nur so ließe sich etwa die digitale Infrastruktur ausbauen und die Verkehrs- und Energiewende einleiten, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Mit der GroKo ist das leider unmöglich.“
Quelle: Fabio de Masi
- „Es ist eine Show-Veranstaltung”
Der Ökonom Heiner Flassbeck hält das Wirtschaftsforum in Davos für überschätzt: “Die Forderungen, die da gestellt werden, werden nie weiterverfolgt”, sagte der ehemalige Staatssekretär im Dlf. Von dem ursprünglichen Gedanken des Gipfels, die Welt zu verbessern, sei nichts mehr übrig. […]
Heinlein: Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden, Herr Flassbeck. Schutzzölle auf Waschmaschinen und Solaranlagen, wie Donald Trump es jetzt ankündigt, ist das prinzipiell der richtige oder der falsche Weg für fairen Handel?
Flassbeck: Nein, das ist erlaubt. Das ist im Rahmen der Welthandelsorganisation absolut erlaubt. Wenn ein Land ein fundamentales Ungleichgewicht hat, dann kann es etwas dagegen tun, und das ist noch nicht Protektionismus. Und wie gesagt, wenn ein anderes Land wie Deutschland einen riesigen Überschuss hat, den größten der Welt hat – Deutschland hat den größten Leistungsbilanzüberschuss der Welt -, und andere Länder sich dagegen wehren, dann ist das überhaupt kein Protektionismus, sondern das ist absolut im Rahmen der Freihandelsregulierung, wie sie in der Welthandelsorganisation niedergeschrieben ist. Das ist erlaubt! Das sind Schutzmaßnahmen gegen aggressive Exporteure.
Heinlein: Ist Donald Trump prinzipiell mit seiner Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Weg?
Flassbeck: Nein, prinzipiell mit seiner Wirtschaftspolitik nicht. Aber im Handel hat er einen Punkt, den man nicht einfach bei Seite schieben kann. Sonst ist die Wirtschaftspolitik wie der Rest auch von Donald Trump nicht sehr rational. Aber im Bereich Handel kann man nicht einfach sagen, er ist der Protektionist und die anderen sind die guten Freihändler. Das stimmt so nicht.
Heinlein: Wenn wir jetzt bei den Schlagworten bleiben. Nach Ihrem Eindruck, Herr Flassbeck, wie heftig tobt denn auf der internationalen Ebene der Kampf zwischen Protektionismus und den Befürwortern des freien Handels? Emmanuel Macron, der französische Präsident, wird dazu heute in Davos ja eine Rede halten.
Flassbeck: Macron wird sicher wieder sehr vorsichtig sein und Deutschland nicht kritisieren, obwohl er das sicher im Hinterkopf hat. Die EU-Kommission hat gerade ein Papier geschrieben für den nächsten EU-Gipfel, wo ganz klar drinsteht, die Überschussländer müssen etwas tun, weil es so nicht funktionieren kann. Die hat jetzt nicht geschrieben, Deutschland ist ein Merkantilist, was aber stimmt, aber sie hat ganz klar Deutschland kritisiert.
Die Überschussländer werden klar kritisiert und da stehen natürlich auch in gewisser Weise die Franzosen dahinter und Macron dahinter. Macron ist zu diplomatisch, um das jetzt auf offener Bühne zu sagen, aber machen wir uns nichts vor: In Frankreich und in Italien, Italien noch viel mehr als in Frankreich, wird Deutschland wegen seiner Überschüsse nicht als Freihändler bejubelt, sondern als ein wirtschaftlicher Aggressor.
Quelle: Deutschlandfunk
- Attac kritisiert Weltwirtschaftsgipfel Der Wunsch nach einem anderen Davos
Soziale Ungleichheit, steigende Umweltrisiken: Attac-Sprecher Alfred Eibl geht nicht davon aus, dass Davos dazu beitragen wird, Problemlagen zu entschärfen. “Die Übel dieser Welt werden im Weltwirtschaftsforum seit Jahren beklagt, aber in konkreter Politik wirkt sich das nicht aus”, sagte Eibl im Dlf. […]
Es geht nicht darum, in nationalstaatliche Politik zurückzufallen und zu glauben, allein auf nationalstaatlicher Ebene würden die globalen Probleme gelöst werden können. Nein, es geht um eine bessere Zusammenarbeit. Es geht um eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Rücksicht nimmt auf die Natur und auf die Menschen. Darum geht es und da sehen wir keinerlei Fortschritte. Die Übel dieser Welt werden im Weltwirtschaftsforum seit Jahren beklagt, aber in konkreter Politik wirkt sich das dann hinterher nicht aus.
Quelle: Deutschlandfunk
- Wirtschaftliche Ungleichgewichte: Rechnungshof wirft EU-Kommission laxe Überwachung vor
Viele Mitgliedstaaten verstoßen gegen die ökonomischen Regeln – doch noch nie hat die EU-Kommission ein Strafverfahren eingeleitet. Der Europäische Rechnungshof hat die Brüsseler Behörde nun dafür gerügt.
Ein gutes System – wenn es denn nur richtig umgesetzt würde. So lässt sich die Kritik des Europäischen Rechnungshofs an der EU-Kommission zusammenfassen. Die Brüsseler Behörde wende den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht effektiv an, um übermäßige Verschuldung und wirtschaftliche Ungleichgewichte in Europa wirksam zu verhindern, teilten die Rechnungsprüfer mit. Die EU-Kommission habe etwa nicht überzeugend begründen können, weshalb sie noch nie ein Strafverfahren eingeleitet habe.
Seit Ende 2011 hat die EU-Kommission die Aufgabe, nicht nur die staatliche Neuverschuldung und die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten zu überwachen – sondern viel weiter gefasst darauf zu achten, dass es nicht zu sogenannten übermäßigen wirtschaftlichen Ungleichgewichten kommt. Das kann außer einer zu starker Neuverschuldung auch ein enormer Exportüberschuss sein, wie ihn Deutschland aufweist. Die EU-Kommission hat diesen bereits mehrfach moniert, stuft ihn bislang allerdings noch nicht als “übermäßiges” Ungleichgewicht ein. […]
“Die Europäische Kommission wird ihrer Rolle als Wächterin über den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht gerecht”, meinte auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Daher müssten die Aufsichtsbefugnisse auf eine unabhängige Behörde übertragen werden, forderte Ferber. In der EU wird derzeit eine Reform der Eurozone und der Wirtschafts- und Währungsunion diskutiert. Dabei könnte auch die Überwachung der nationalen Haushalte neu geregelt werden.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Immerhin wird erwähnt, dass auch Deutschland durch seinen Exportüberschuss massiv gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstößt. In diesem Zusammenhang ist die Kritik des Rechnungshofs an der EU-Kommission mehr als berechtigt und würde eine wirklich unabhängige Behörde vielleicht tatsächlich Strafen gegen die Deutschen verhängen. Ein besonders merkwürdiger Fall ist an dieser Stelle der zitierte CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, der zwar eine unabhängige Aufsichtsbehörde fordert, aber gleichzeitig die riesigen deutschen Regelverstöße seit Jahren dreist und falsch zu korrektem Verhalten umdefiniert.
- Arbeitnehmer werden immer häufiger durch den Beruf krank
Die Zahl der nach einem Verdacht bestätigten Fälle von Berufskrankheiten (BK) ist im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr (VersicherungsJournal 25.1.2017) um fast acht Prozent gestiegen. Das zeigen die aktuellen Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV). Demnach bestätigten sich in ganzen Zahlen 40.056 (2015: 37.149) von 75.491 (76.991) Anzeigen.
Die Zahl derer, die an anerkannten BK leiden, ist um 22 Prozent angestiegen. Dies führt die DGUV zum Teil auf die am 1. Januar 2015 neu in die Berufskrankheitenliste aufgenommenen BK zurück. Die häufigsten BK sind Lärmschwerhörigkeit (6.850 Fälle), durch Asbest hervorgerufene Atemwegserkrankungen (4.126 Fälle) und Hautkrebs durch arbeitsbedingte UV-Strahlung (3.723 Fälle). 5.365 Berufstätigen und Schülern wurde nach der Anerkennung einer BK eine Rente gewährt. Das ist ein Anstieg von knapp sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
2.573 Menschen starben an den Folgen einer Berufskrankheit (plus 6,37 Prozent). Mit insgesamt 1.661 Todesfällen führen Folgeschäden von Asbest, wie auch in den Jahren zuvor, die Liste der tödlichen BK an.
Quelle: VersicherungsJournal.de
dazu: Immer mehr Deutsche arbeiten nicht nur zu normalen Zeiten
Die arbeitsmarktpolitische Idealvorstellung in Deutschland ist das Normalarbeitsverhältnis: eine unbefristete Vollzeitstelle mit Acht-Stunden-Tagen von Montag bis Freitag. Viele Konstellationen aber weichen davon ab.
Das bestätigt auch die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann zum Ausmaß atypischer Beschäftigung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Grundlage der Daten, die das Arbeitsministerium zusammengestellt hat, sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Demnach hatten 2016 von den 37 Millionen abhängig Beschäftigten 1,7 Millionen eine Stelle mit “überlangen” Arbeitszeiten, also 4,6 Prozent. Knapp ein Viertel arbeitete “ständig oder regelmäßig” am Wochenende, knapp 14 Prozent an Sonn- und Feiertagen, knapp jeder Vierte abends und knapp neun Prozent nachts. Schichtarbeit gehörte für 15,6 Prozent zum Alltag. (…)
Problematisch können Arbeitszeiten jenseits der Norm sein, wenn sie die Gesundheit beeinträchtigen. Das Arbeitsministerium bezieht sich in seiner Antwort auf den Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und schreibt, dass der Anteil der Beschäftigten, die ihren Gesundheitszustand als “sehr schlecht oder schlecht” einschätzten, am höchsten sei in der Gruppe derjenigen mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 60 Stunden. Schichtarbeiter litten häufiger unter Erschöpfung und Schlafstörungen; tendenziell gingen lange Arbeitszeiten mit sinkender kognitiver Leistungsfähigkeit und steigendem Unfallrisiko einher. Grundsätzlich hätten Beschäftigte mit Überstunden häufiger Beschwerden als solche mit “hohen Einflussmöglichkeiten” auf ihre Arbeitszeit.
Quelle 1: Süddeutsche
Quelle 2: die Linke im Bundestag
Anmerkung Christian Reimann: War diese Entwicklung im Bundesarbeitsministerium nicht längst vorher bekannt? Hätte die bis vor kurzem noch amtierende und zuständige Bundesministerin Nahles nicht aktiv intervenieren können, um dieses Ausmaß – bzw. zuvor bereits den Trend – zu stoppen? Der selbst gesetzte Anspruch, Partei der sozialen Gerechtigkeit zu sein oder ein “Ohr für die kleinen Leute” zu haben, ist ganz offensichtlich verfehlt worden – vermutlich nicht zum letzten Mal …
- Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit: Programme des Bundes erreichen nur wenige Betroffene
Die von der schwarz-roten Bundesregierung vor rund vier Jahren ins Leben gerufenen Programme gegen Langzeitarbeitslosigkeit haben nach Recherchen des ARD-Magazins “Fakt” nur wenige Betroffene erreicht. Gründe dafür sind die in den Programmen formulierten Bedingungen, die von einer großen Zahl der potenziellen Zielgruppe nicht erreicht wurden. […]
Mit den beiden Programmen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit hätten maximal 53.000 Menschen bei der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben unterstützt werden können. Ein erstes Programm richtete sich an insgesamt 20.000 mögliche Empfänger, das zweite an 33.000. Nach einer im Juni 2017 vorgelegten Zwischenauswertung der bis 2020 laufenden Programme verlief der Beginn zunächst schleppend. Im zweiten Programm waren bis September 2016 rund 11.000 “Programmeintritte” zu verzeichnen. Als Reaktion erweiterte das Bundesarbeitsministerium den Teilnehmerkreis und lockerte die Bedingungen für die Teilnahme. Die Programme sehen neben der Lohnkosten-Förderung eine intensive Betreuung der Langzeitarbeitslosen bei der Suche nach einer Arbeitsstelle und der Eingliederung in den Betrieb vor.
Doch selbst wenn die Programme die volle Teilnehmerzahl erreichen, sind sie nach Einschätzung des Arbeitsmarktexperten Prof. Stephan Sell von der Hochschule Koblenz nur “ein Tropfen auf den heißen Stein”. Denn laut offizieller Statistik gelten derzeit rund 900.000 Menschen in Deutschland als langzeitarbeitslos, haben also seit mehr als einem Jahr keine Arbeit.
Quelle: MDR
- Rente für Fortgeschrittene
Nach dem bisher letzten im Jahr 2016 erschienenen Alterssicherungsbericht der Bundesregierung hatten 20 Prozent der alleinstehenden Männer und 25 Prozent der alleinstehenden Frauen der Generation 65+ Einkünfte von unter 1000 Euro pro Monat. Mehr als ein Drittel dieser Personen hatte sogar monatliche Einnahmen von nicht einmal 750 Euro.
Da die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten in den 1990er und den 2000er Jahren stark angewachsen ist und im Laufe der 2000er Jahre die Rentenversicherungsbeiträge für Langzeitarbeitslose in mehreren Schritten bis auf Null abgesenkt wurden, wird die Zahl der in prekären Verhältnissen lebenden RentnerInnen immer weiter ansteigen. Denn mit jedem Rentnerjahrgang werden mehr ehemalige Niedriglohnbeschäftigte und ehemalige Langzeitarbeitslose, die für die Zeit ab dem zweiten Jahr ihrer Arbeitslosigkeit keine oder nur minimale Rentenansprüche haben, in Rente gehen.
Also ist ein Rentenniveau von 48 Prozent alles andere als ein ambitioniertes Ziel. Gelingt es nicht, eine politische Mehrheit zu organisieren, die ein höheres Rentenniveau durchsetzt, werden für eine immer größer werdende Zahl von RentnerInnen ihre Alterseinkünfte nicht mehr ausreichen. Das gerne nachgeplapperte Argument, höhere Renten seien unbezahlbar, ist nicht stichhaltig.
Wurden 2005 noch 10,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt von der gesetzlichen Rentenversicherung ausgegeben, waren es 2016 nur noch 9,2 Prozent. Geld wäre also genügend vorhanden. Es fehlt aber der politische Wille, RentnerInnen nicht in erster Linie als Kostenfaktoren, sondern als Menschen zu betrachten. Und die haben einen Anspruch auf einen menschenwürdigen Lebensabend.
Quelle: Kontext: Wochenzeitung
- Choose France
Das Bett ist gemacht: Präsident Emmanuel Macron umwirbt die globale Wirtschafts- und Finanzaristokratie
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am Montag in Paris die globale Wirtschafts- und Finanzelite zu Gast. Das im Prachtschloss von Versailles organisierte Präludium zum World Economic Forum in Davos hatte offensichtlich zum Ziel, ihn als neuen starken Mann Europas zu inszenieren. Global handelnden Investoren wollte man zeigen, dass Macron ihnen in nur acht Monaten Regierungszeit das Bett gemacht hat. Das neue, im Sommer von ihm per Verfassungsdekret erlassene Arbeitsrecht schmälert die Rechte der Lohnabhängigen und ihrer Gewerkschaften zugunsten der Unternehmerseite. Mit dem neuen »Antiterrorgesetz«, in dem der Ausnahme- zum Normalzustand wird, bietet sich Frankreich den Konzernführern als ein Land an, in dem nun »Sicherheit und Ordnung« herrschen. (…)
Macrons zog seine »Charmenummer«, wie Pariser Tageszeitungen die Werbeaktion am Dienstag ironisch nannten, in eindrucksvoller Umgebung ab. Wie so oft in seiner noch kurzen Amtszeit wählte er einen geschichtsträchtigen Schauplatz für die Vorstellung: Nach dem Louvre und der Akropolis in Athen war es am Montag Versailles, Symbol des Absolutismus und der Herrschaft allmächtiger Aristokratie. Die aktuellen globalen »Eliten«, vertreten u. a. durch die Chefs von Google, Facebook, Goldman Sachs, Mitsubishi, Samsung oder des Schweizer Pharmariesen Novartis, dürften in Macron einen Bruder im Geiste gefunden haben, einen jesuitisch geschulten Redner und hoffnungsvollen Verkäufer einer neuen kapitalistischen Epoche.
Quelle: junge Welt
- Wie Altmaier die SPD vorführt
Bei der Bankenunion steht Berlin weiter auf der Bremse. Es hakt vor allem bei der Einlagensicherung, Altmaier fordert zunächst einen Abbau der Bankrisiken. So weit, so bekannt. Doch nun kommt’s: Bis Juni will Kanzlerin Merkels wichtigster Helfer nicht etwa die deutschen Bedenken ausräumen, damit die 2012 beschlossene Bankenunion endlich vollendet werden kann. Nein, es kommen neue Hürden hinzu.
Neben dem Abbau von faulen Krediten bei den Banken fordert Altmaier nun auch noch die Senkung des Anteils an Staatsanleihen in den Bankbilanzen, einen “Bail-in-Buffer”, eine Reform des Insolvenzrechts… Erst wenn die “technischen” Fragen geklärt sind, will er mit einer politischen Debatte beginnen. Als Vorbild nennt Altmaier den Maastricht-Vertrag – da dauerte die Abarbeitung deutscher Forderungen zehn Jahre! Noch zehn Jahre bis zur Bankenunion? Das ist gewiss nicht das, was Macron und Schulz vorschwebte. Aber es kommt noch dicker. Gleichzeitig macht Altmaier nämlich beim Fiskalpakt Druck. Deutschland wolle den in Frankreich immer noch umstrittenen Pakt “strikt und justiziabel” machen, so der Interims-Finanzminister in Brüssel. Das heißt “Schwarze Null” für alle – einklagbar!
Quelle: Lost in Europe
- Rüstungsgüter aus Deutschland: Deutsche Waffenexporte unter großer Koalition stark gestiegen
Die SPD wollte in der großen Koalition restriktiver mit Genehmigungen für Waffenexporte umgehen. Letztlich aber wurden wesentlich mehr Waffen ins Ausland geliefert als zuvor unter Union und FDP.
Die große Koalition hat in den vergangenen vier Jahren deutlich mehr Rüstungsexporte genehmigt als die Vorgängerregierung von Union und FDP. Der Gesamtwert der Lieferungen lag von 2014 bis 2017 bei 25,1 Milliarden Euro und damit 21 Prozent höher als in den Jahren der schwarz-gelben Koalition von 2010 bis 2013.
Die Lieferungen in Drittstaaten außerhalb von EU und Nato nahmen sogar um 47 Prozent auf 14,48 Milliarden Euro zu. Alleine im vergangenen Jahr wurden Waffen und andere Rüstungsgüter im Wert von 3,79 Milliarden Euro an diese sogenannten Drittländer exportiert. Das sind 127 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Die noch vorläufigen Zahlen teilte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Linksfraktion mit. Die Aufstellung liegt der ARD und der Deutschen Presse-Agentur vor. Der Gesamtwert der Exporte ist im vergangenen Jahr zwar um 6,3 Prozent auf 6,42 Milliarden Euro gesunken. Das ist aber immer noch der dritthöchste Wert überhaupt nach den beiden Rekordjahren 2015 und 2016.
Die SPD hatte sich Ende 2013 vorgenommen, in der großen Koalition eine restriktive Genehmigungspraxis durchzusetzen – allen voran Vizekanzler Sigmar Gabriel, der drei Jahre lang als Wirtschaftsminister dafür zuständig war. Die Rüstungsexportpolitik wird auch in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen ein Thema sein. Bereits in den Sondierungsgesprächen haben Union und SPD sich verständigt, die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 zu „schärfen“. Was das genau bedeutet, ist aber noch unklar.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Friedensmacht SPD”. Zynisch könnte man vermuten, dass die in den Sondierungsgesprächen verabredete Verschärfung der Exportrichtlinien in der Praxis noch mehr Rüstungsexporte bedeuten.
dazu: Soll die Welt in deutsche Gewehrläufe schauen?
Sie wollten weniger Kriegsgerät in alle Welt schicken. Gemacht hat die große Koalition das Gegenteil – ein heikler Exportschlager.
Auf die Überzeugungskraft der Phrasen, mit denen ihre Pressestelle den Skandal abzudimmen sucht, scheinen selbst die Wirtschaftsminister nicht mehr zu vertrauen. Die beiden letzten Jahre haben der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und nach ihm Brigitte Zypries die deutschen Rüstungsexportzahlen schon nicht mehr selbst erläutert. Oder: gebeichtet.
Quelle: Tagesspiegel
- “Fluide Lage, legitime Interessen”
Zusätzlich zur Ankündigung neuer Rüstungshilfen intensiviert Berlin ungeachtet des türkischen Überfalls auf Afrin die politische Kooperation mit Ankara. Vor wenigen Tagen haben die Regierungen beider Länder mit einem Treffen auf Staatssekretärsebene ihre regelmäßigen Konsultationen wieder aufgenommen. Man sei “in einem Prozess”, der “die Beziehungen Schritt für Schritt verbessern” solle, verlautbart das Auswärtige Amt. Während Experten bestätigen, der Krieg der Türkei in Afrin, der nicht zuletzt mit deutschen Panzern geführt wird, sei ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, spricht das Auswärtige Amt von einer “fluiden Lage”; man müsse, erklärt ein Sprecher, “legitime Sicherheitsinteressen” Ankaras berücksichtigen. Kanzlerin Angela Merkel stellt ein baldiges EU-Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten in Aussicht, das einen EU-Türkei-Gipfel vorbereiten soll. EU-Kommissar Günther Oettinger hat schon vor Jahren geurteilt, die geostrategische Bedeutung der Türkei für Berlin werde die Kanzlerin dereinst veranlassen, “auf Knien nach Ankara [zu] robben”.
Quelle: German Foreign Policy
dazu: Afrin: Entfesselte Geopolitik
In Medien und Zivilgesellschaft ist der Aufschrei über den türkischen Einmarsch in den Norden Syriens groß. Tatsächlich ist er sowohl humänitär, als auch völkerrechtlich in keiner Weise zu rechtfertigen. Überraschend jedoch ist er in keiner Weise, sondern allenfalls die Fortsetzung dessen, was in Syrien seit Jahren stattfindet. Wenn nun die Bundesregierung behauptet, sie könnte keine völkerrechtliche Einordnung des türkischen Einmarsches vornehmen, verweist das darauf, dass sie selbst und im Rahmen von EU und NATO die Gültigkeit des Völkerrechts in Bezug auf Syrien schon zuvor kontinuierlich und systematisch negiert hat. Das begann bereits mit der quasi-Anerkennung einer Exilregierung und der Unterwanderung von Souveränitätsrechten des syrischen Staates, zunächst bei humanitärer Hilfe, später auch bei Waffenlieferungen. Im Mai 2013 hat sie die Aufhebung der EU-Sanktionen gegenüber Syrien mitgetragen, um Waffenlieferungen Frankreichs und Großbritanniens an Aufständische zu ermöglichen. Bereits nach den ersten Zwischenfällen an der Grenze zur Türkei hat sie sich hinter die türkische Lesart gestellt, dass dies einen Angriff auf die Türkei darstellen und militärische Gegenmaßnahmen rechtfertigen würde, u.a. nachdem die Türkei im Oktober 2012 Konsultationen nach Artikel vier des NATO-Vertrages beantragt hatte. Darauf folgte die von der NATO koordinierte Stationierung deutscher Patriot-Luftabwehrsysteme in der Türkei. Diese hatte vor allem symbolischen Wert, insofern Deutschland und die NATO damit der Türkei Rückendeckung gaben, die zugleich relativ offen und ebenfalls klar völkerrechtswidrig die Bewaffnung islamistischer Milizen unterstützte und ihnen Rückzugsraum bot, um das Nachbarland Syrien zu destabilisieren. Ein weiterer Höhepunkt bei der Negierung des Völkerrechts in Syrien durch Deutschland bestand darin, die Anschläge am 13. November 2015 in Paris zum Anlass zu nehmen, sich an den militärischen Operationen gegen den IS zu beteiligen und dies völker- und verfassungsrechtlich mit dem Recht auf kollektive Selbstverteidigung im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit – in diesem Falle war die EU gemeint – zu begründen. Diese Argumentation, mit der die EU für sich in Anspruch genommen hat, ohne Zustimmung der dortigen Regierung auf syrischem Gebiet militärisch tätig zu werden, entspricht weitgehend der Begründung, mit der die Türkei nun in Afrin einmarschiert. In beiden Fällen richtet sich der offene militärische Einsatz der EU und NATO-Staaten zwar gegen nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und nicht direkt gegen die syrischen Streitkräfte, die beteiligten Staaten haben jedoch aus ihrer zeitgleichen militärischen Unterstützung für andere bewaffnete Gruppen keinen Hehl gemacht und diese tw. offen eingeräumt. Deutschland hat dies geduldet und u.a. durch die Aufhebung des EU-Waffenembargos auch aktiv unterstützt.
Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
- Israel’s “Safe Zone” Is Creeping Farther Into Syria
Israel is expanding its influence and control deeper into opposition-held southern Syria, according to multiple sources in the area. After failed attempts to ensure its interests were safeguarded by the major players in the war next door, Israel is pushing to implement the second phase of its “safe-zone” project — an attempt to expand a buffer ranging out from the occupied Golan Heights deeper into the southern Syrian provinces of Quneitra and Daraa. The safe zone expansion marks a move toward deeper Israeli involvement in Syria’s civil war.
The Intercept learned the outlines of the safe-zone expansion plan through a monthslong investigation relying on information from a variety of sources, including Syrian opposition activists on the ground in the south, Syrian opposition figures based in Jordan, Syrian government sources, and an Israeli-American NGO directly involved in the safe-zone project.
The safe zone appears intended to keep the Syrian army and its Iranian and Lebanese allies as far away from Israel’s border as possible, as well as solidify Israel’s control over the occupied Golan Heights. Israel seized the Golan from Syria in 1967’s Six-Day War. Expanding a buffer zone would likely make any negotiations over the return of the Syrian territory more difficult in the future, because the Golan Heights will be surrounded on both sides by areas with significant Israeli influence.
Quelle: The Intercept_
- Die Wölfin im Schafspelz – eine Gefahr für Erdogan?
Während Recep Tayyip Erdogan die türkische Demokratie dekonstruiert und ein autoritäres Präsidialsystem einführt – mit dem Verfassungsreferendum im April als Höhepunkt – erschien nun eine Person, die noch radikaler als Erdogan ist und ihm seinen Job streitig machen will: die ultranationalistische Meral Akşener, die auch Teil der rechtsextremen, paramilitärischen Grauen Wölfe ist, auf deren Konto unzählige Morde an Kritiker*Innen und Oppositionellen aus dem linken und kurdischen Spektrum gehen. […]
Schon in den 1990er Jahren hat sich Akşener einen Namen als skrupellose Innenministerin im Kabinett Erbakans gemacht. Im Zuge des vom türkischen Zentralstaat geführten „schmutzigen Krieges“ gegen die bewaffnete kurdische Arbeiterpartei PKK, aber auch gegen eine Vielzahl kurdischer Zivilist*Innen, spielte sie eine gewichtige Rolle. Bis heute zeichnet sich Akşener, typisch für die nationalistische türkische Rechte, durch hasserfüllte Rhetorik gegen die größte Minderheit in der Türkei aus, auch wenn erste Auftritte sie sogar in die Kurdengebiete geführt hatten. Nun möchte die „Leitwölfin“ neue Präsidentin der Türkei werden und niemand geringeres als den mächtigsten Mann seit Staatsgründer Atatürk, Präsident Tayyip Erdogan, herausfordern. Politische Beobachter*Innen rechnen ihr – angesichts der Machtfülle und des zementiert erscheinenden politischen Systems zugunsten Erdogans AKP – für die Wahlen im November 2019 nicht geringe Chancen zu. Muss sich die Staatspartei AKP Sorgen um ihre Macht machen?
Akşeners Weg ins politische Machtzentrum der Türkei könnte über zwei Wege führen, durch ihre Partei ins degradierte Parlament oder als Präsidentschaftskandidatin in den Palast ak saray. […]
Das größte Wählerpotenzial befindet sich in der Türkei im Segment der politischen Mitte und der politischen Rechte. Hier könnte Akşeners Iyi-Partei tatsächlich zur ernsthafteren Konkurrenz für die AKP werden, da sich das ultranationalistische Original, die MHP unter ihrem Vorsitzenden Devlet Bahçeli zum stimmenreduzierten Anhängsel der AKP gemacht hat. Die AKP hat durch die internationale politische Isolation, die massiven Säuberungen und Repressionskampagnen gegen weite Teile der Bevölkerung, nie endende Korruptionsvorwürfe und die schlechte Wirtschaftslage viele Wähler*Innen verärgert. Mit diesem Prozentsatz könnte die Iyi-Partei die 10-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament schaffen. Ob die in rechtskonservativen und nationalistischen Kreisen durchaus populäre Akşener daraus politisches Kapital schlagen könnte, hinge auch davon ab, ob es ihr gelingt, enttäuschte oder gar verfolgte Wählerschichten aus der (liberaleren) Mitte für sich gewinnen zu können. Dafür müsse sie einen moderaten Kurs gegenüber Kurd*Innen, säkularen und pro-europäisch eingestellten Wähler*Innen führen, gleichzeitig aber ihr radikales rechtes Programm nicht vernachlässigen und das fordert Härte gegen Linke, Liberale und die kurdische Ethnie.
Quelle: Justice Now
- Erfahrungsbericht eines Journalisten
Der Arbeitsdruck und die Angst vor Jobverlust auf den Redaktionen sind überragend. Es handelt sich um eine Branche, in der die meisten davon ausgehen, dass sie nur noch schrumpft und weniger befriedigender zum Arbeiten wird. Die Vorgabe, mehr zu sparen, ist bei den führenden Schweizer Medienhäusern seit zwei Jahrzehnten omnipräsent. Manche Redaktionen sind bereits sehr ausgedünnt. Zehn- bis zwölfstündige Arbeitstage gelten als normal. Die Überzeit aufschreiben können Journalisten in den Printmedien selten.
Das Sparen hat Folgen: Selbst Chefredaktoren und Ressortleiter, die Mehrwert liefern wollen, müssen sich mit dem reinen Abfüllen von Seiten mit Agenturen oder second class Stories zufrieden geben. Erfahrene Journalisten versuchen first class stories mit möglichst wenig Aufwand vorzuschlagen. Man weiss, was zieht – wieso vom Bewährten abrücken?
Die meisten seilen sich bevor sie 50 werden in die PR ab. Das Angebot von gutbezahlten PR-Jobs ist für erfahrene Journalisten gross. Der Spruch: «jetzt gehe ich dann in die PR, weil das was ich hier mache ist nicht viel anders, einfach schlechter bezahlt», ist nicht unüblich.
Wer die Überzeugung hat, mit Journalismus etwas bewirken zu können, ist sehr jung, oder wird ausgelacht von der Mehrheit.
Vordergründig herrscht in den Mainstreammedien kompletter Meinungspluralismus – abgesehen von Einzelfällen tun sich Journalisten kaum mit festen Überzeugungen hervor: Man ist für alles offen, suspekt ist, wer eine Haltung hat und konsequent aus dieser Haltung berichtet. Die Journalisten mit einer konsequenten Weltanschauung sind rar. So wie man persönlich bei niemandem anecken will, zeigt man auch journalistisch keine Kanten, womit man polarisieren könnte.
Hinter den Kulissen verstehen die Verlage ihre öffentlichen Medien immer noch als «vierte Gewalt» im Staat. Aber sie wissen wohl selbst, dass sie diese Schritt um Schritt entmachten – mit ihren Sparstrategien, dem Abbau der Vielfalt etwa durch vereinheitlichte Mantelredaktionen und ihrer Orientierungslosigkeit.
Es ist nicht so, dass es vor 20 bis 30 Jahren auf den Redaktionsstuben keine Selbstzensur, Gleichschaltung, vorauseilenden Gehorsam und Tunnelblick gegeben hätte. Doch die Rahmenbedingungen in den heutigen „Redaktionsfabriken“ der Mainstream-Medien fördern geradezu den ideologielosen, opportunistischen, Klick-orientierten Journalismus, dem die wichtigen Fragen entgleiten.
Quelle: Swiss Propaganda Research
Anmerkung unserer Leserin M.S.: Ein sehr spannender Insiderbericht eines Mainstream-Journalisten aus der Schweiz. Beschreibt die vorgeformten Denkmuster, den vorauseilenden Gehorsam, den Gruppendruck in den Massenmedien. Ist bei uns sicher nicht besser… Sehr lesenswert und informativ!
- Stichtag für neue SPD-Mitglieder geplant
Die SPD-Spitze will Anfang nächster Woche einen Stichtag festlegen, bis zu welchem Eintrittsdatum Neumitglieder am bevorstehenden Mitgliedervotum teilnehmen dürfen. Der Beschluss soll bei der Sitzung des Parteivorstands gefasst werden, wie die SPD-Pressestelle der Deutschen Presseagentur am Mittwoch mitteilte. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte im RBB-Inforadio erklärt, der Parteivorstand werde einen entsprechenden Stichtag festlegen. Ein Datum stehe noch nicht fest. Klingbeil freue sich über jedes neue Mitglied. Ein vorübergehender Eintritt, um gegen den Koalitionsvertrag mit der Union zu stimmen, reduziere jedoch den Wert der SPD-Mitgliedschaft.
Quelle: junge Welt
Anmerkung Christian Reimann: Offenbar ist die Furcht vor einem “Nein” durch die SPD-Mitglieder in der SPD-Spitze sehr stark ausgeprägt, oder?
dazu: Die SPD braucht dieses Jugendbeben
Die Stimmung im Land war euphorisch. Junge Leute trugen T-Shirts mit dem Namen des Parteivorsitzenden im Stil des “Superman”-Logos. Auf den Jutebeuteln der Großstädter prangte das Motto des Wahlprogramms. Beim größten Musikfestival des Landes grölten die Besucher ausgelassen den Namen des Parteivorsitzenden nach der Melodie von “Seven Nation Army”.
Bei Neuwahlen hatte die Partei, die durch den massenhaften Eintritt neuer Mitglieder zuvor einen Linksruck erfahren hatte, entgegen aller Prognosen ein sensationelles Ergebnis erzielt. Eine wackelige Regierungskoalition ließ sie aber lieber die anderen bilden; sie selbst war stark genug, um die Politik des Landes aus der Opposition heraus zu beeinflussen.
Das ist kein Bericht aus der Zukunft der SPD, sondern aus der jüngsten Vergangenheit der britischen Labour-Partei. An deren Erfolgsgeschichte orientieren sich zurzeit viele in der deutschen Politik: Die Jusos zum Beispiel, die mit ihrem Aufruf zum Parteieintritt, um die Große Koalition doch noch zu verhindern, eine Strategie linker Labour-Sympathisanten übernehmen. […]
In Zeiten von Brexit kann die SPD, zugegeben, nur bedingt etwas von ihrem britischen Pendant lernen – nicht zuletzt aber auch deshalb, weil es kaum mehr “altlinke” Recken wie Corbyn in den Reihen der deutschen Sozialdemokraten gibt. Aber die Vehemenz, mit der die SPD-Führung alle Erneuerungen bekämpft, die bei ihrer britischen Schwesterpartei so erkennbaren Erfolg hatten, ist bemerkenswert. Nicht nur steuert die Parteiführung gerade dagegen an, dass alle von den Jusos neu angeworbenen Mitglieder auch über eine mögliche Regierungsbeteiligung abstimmen können. Sie hat zuvor auch Sahra Wagenknechts Forderung nach einer linken Sammelbewegung eine rigorose Abfuhr erteilt.
Genauso eine Sammelbewegung war es aber, die Labours sensationelles Abschneiden bei den vergangenen Wahlen mit ermöglicht hat: Sie heißt “Momentum”, was sich am besten mit Lauf (im Sinne von “hat einen Lauf”) übersetzen lässt. 2015 in der Folge von Corbyns Gewinn des Parteivorsitzes entstanden, ist “Momentum” zu einem Netzwerk mit 31.000 Mitgliedern und 170 Ortsgruppen angewachsen. Mit Hilfe dieses alternativen – und jungen! – Parteiapparats konnte Labour seinen Wahlkampf 2017 viel breiter aufstellen und mehr Leute erreichen.
Der wichtigste Schritt, den Labour unter Corbyn vollzogen hat, ist allerdings ein anderer: Die Partei hat sich vom neoliberalen Projekt der “neuen Mitte” losgesagt. Ein schmerzhafter und von harten Grabenkämpfen begleiteter, letztlich aber alternativloser Prozess. Erst als die Verbindungen zu “New Labour” und dessen Erfinder Tony Blair gekappt waren, konnte sich die Partei glaubhaft als neu-wählbar präsentieren.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung JK: Der entscheidende Knackpunkt: “Die Partei [Labour] hat sich vom neoliberalen Projekt der “neuen Mitte” losgesagt”. Das hat die SPD bis heute nicht vermocht und so wird eine Erneuerung der SPD bis zum bitteren Ende eine Illusion bleiben.
- Dazuverdienen im Bundestag
- Im neuen Bundestag haben mindestens 41 Abgeordnete eine bezahlte Nebentätigkeit.
- Die Abgeordneten müssen ihre Nebeneinkünfte nicht genau angeben, sondern sie nur in eine von zehn Stufen einordnen.
- Insgesamt verdienen sich Abgeordnete der Union am meisten dazu, danach folgen FDP und AfD.
Im neuen Bundestag haben mindestens 41 Abgeordnete eine bezahlte Nebentätigkeit. Das ergibt eine Auswertung des Portals abgeordnetenwatch.de, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Mindestens 220 der insgesamt 709 Parlamentarier gehen einer unentgeltlichen Nebentätigkeit nach. In der Aufstellung ist der im Dezember gestorbene Sozialdemokrat Ewald Schurer nicht berücksichtigt, er hatte monatliche Nebeneinkünfte zwischen 1000 und 3500 Euro angegeben.
An der Spitze der Liste stehen mit großem Vorsprung der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach und Uwe Kamann von der AfD. Auf Platz drei rangiert der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben. Michelbach hat als Inhaber und persönlich haftender Gesellschafter der MIBEG Unternehmensgruppe einen jährlichen Gewinn der Stufe 10 angegeben, das entspricht Einkünften von mehr als 250 000 Euro.
Quelle: Süddeutsche
- Fall Aubameyang Andere Zeiten, gleiche Sitten
Nach dem Streik von Pierre-Emerick Aubameyang reden jetzt viele über den Sittenverfall im Fußball. Dabei ist das Verhalten des Stürmers in der Geschichte der Liga wirklich nichts Neues.
Ein neues Wort ist in die Fußball-Bundesliga eingezogen. Es ist das Wort “Sittenverfall” – und viele fühlen sich im Moment bemüßigt, davon zu sprechen. Die Wechselambitionen von Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang und dessen Fernbleiben von der BVB-Mannschaftssitzung sind der Anlass, dass in der Liga einige den Untergang des Abendlandes näherkommen sehen.
“Bei uns gab es so was früher nicht” schimpft Frankfurts Trainer Niko Kovac. “Wo endet das denn? In Anarchie!” Eurosport-Experte Matthias Sammer nennt die streikenden Profis “faule Äpfel”, die Situation sei “nicht mehr kontrollierbar”, und Bayern-Trainer Jupp Heynckes spricht von einer “ganz neuen Dimension”. […]
Heynckes hat gesagt, er würde sich weigern, solch einen Spieler wie Aubameyang zu verpflichten, wenn er der Trainer des entsprechenden Vereins wäre. Im Kader des FC Bayern stehen Spieler, die schon einmal vor Gericht erscheinen mussten wegen sexuellen Kontakts mit einer Minderjährigen, wegen Trunkenheit am Steuer, wegen häuslicher Gewalt. Man könnte fast über Sittenverfall reden.
Quelle: Spiegel Online