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Titel: Ohne Leidenschaft, keine Zukunftsvision … Beide eine schwache Besetzung
Datum: 14. September 2009 um 17:21 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Wahlen
Verantwortlich: Albrecht Müller
So das Urteil des Theaterregisseurs Claus Peymann bei Anne Will nach dem Duell zwischen Merkel und Steinmeier. – Wir sind schon bescheiden geworden, wenn wir diesem Medienereignis von gestern Abend etwas abgewinnen wollen. Es war sterbenslangweilig und perspektivlos. Und es war in weiten Teilen verlogen. Das ist zu belegen. Albrecht Müller
Mich interessiert nicht die von den Meinungsforschungsinstituten in den Vordergrund gerückte Frage, wer von beiden Spitzenkandidaten bei diesem Duell wohl mehr Punkte gemacht hat. Selbst wenn Steinmeier aufgeholt haben sollte, ist das ziemlich uninteressant, weil er keine Machtoption hat und damit keinerlei Perspektive zum Regierungswechsel bietet. Uns müssten einige andere Fragen interessieren. Dazu einige Anmerkungen:
Steinmeier fordert den Mindestlohn, die Begrenzung der Managergehälter, die Beibehaltung des Ausstiegs aus der Kernenergie und eine Finanzmarktsteuer/Börsensatzsteuer.
Merkel will die Steuern senken und erhofft sich davon Wachstum und damit Arbeitsplätze. Sie ist gegen den Mindestlohn und für eine Börsenumsatzsteuer nur, wenn das international geregelt wird, worauf man lange warten muss. Und dann noch das übliche Bekenntnis zu Familien usw..
Das sind magere programmatische Vorstellungen und keine richtungsweisenden Unterschiede. Der Mindestlohn ist wichtig, aber keine Richtungsentscheidung. Die Begrenzung der Managergehälter ist eine Alibiforderung, die am Skandal der ungerechten Einkommens- und Vermögensverteilung nichts ändert. Die Kanzlerin wie der Herausforderer haben offensichtlich keine Zukunftsperspektive.
Und emotionales Engagement schon gar nicht.
Es hätte gestern Abend die Chance gegeben, dass die Darstellung des angeblichen wirtschaftspolitischen Erfolgs der Großen Koalition und der Agenda 2010 aufgeflogen wäre. Peter Kloeppel (RTL) fragte Angela Merkel, ob sie wisse, wie hoch das durchschnittliche Wachstum in den letzten Jahren gewesen sei. Sie wich aus. Er nannte die 1,5 %, eine Ziffer, die gerade mal reicht, die Arbeitslosigkeit nicht steigen zu lassen. Die Sendung war aber so angelegt, dass nicht nachgehakt werden konnte. Deshalb wurde der von beiden Koalitionspartnern betriebene Schwindel nicht sichtbar.
Interessant war bei diesem Teil noch das Bekenntnis Angela Merkels zur Mitwirkung an der Agenda 2010 über den Bundesrat. Da ist wenigstens klar geworden, dass für diese neoliberale Politik sowohl Rotgrün als auch Schwarzgelb verantwortlich zeichnet. Das muss festgehalten werden, weil es innerhalb der Union Kräfte gibt, die sich aus dieser Verantwortung davon stehen wollen.
Von Angela Merkel hörten wir das Rezept: Steuern senken, daraus folgt Wachstum und daraus folgen Arbeitsplätze. Das ist einfachste neoliberale, angebotsökonomische Denke. Aus Steuersenkungen folgen keine Aufträge und keine neuen Investitionen. Investiert wird dann, wenn die Nachfrage steigt und die Kapazitäten nicht reichen, um diese zu befriedigen.
Von Angela Merkel hören wir auch wieder den Glauben an die heilsame Wirkung der Senkung von Lohnzusatzkosten. Das sind primitive Formeln. Übrigens nahezu in völliger Übereinstimmung mit ihrem Kontrahenten, der diesem Glauben schon bei der Formulierung des Kanzleramtpapiers vom Dezember 2002 verfallen war. Darüber ist in der „Reformlüge“ ausführlich berichtet.
Angela Merkel sagte, die Union stehe für die weitere Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft, weil wir die Globalisierung haben. Und keiner lacht.
Steinmeier spricht vom Neustart der sozialen Marktwirtschaft. Zum Weinen.
Die meisten programmatischen Vorstellungen waren ausgesprochen unpräzise formuliert. Wir brauchen Regeln für die Finanzmärkte, meint Merkel. Welche denn? Das zu erfahren wäre interessant.
Nichts zur inneren Situation unseres Landes, zum wachsenden Gewaltpotenzial. Kein Wort zum Mord in München.
Nichts wirklich Erhellendes zu Bildung, zum gescheiterten Bologna Prozess, zur bisherigen Hochschulpolitik.
Nichts zur Privatisierungspolitik und was uns dort weiter erwartet. Wie geht es mit der Bahn weiter? Will man weiter öffentliches Vermögen verscherbeln, um der Finanzwirtschaft außerordentliche Gewinnchancen zu eröffnen?
Wie will man mit der Verarmung des Staates umgehen und dem Zwang vieler Kommunen sich ihrer Pflichten zur Versorgung mit öffentlichen Leistungen zu entledigen?
Auch zu Afghanistan hätte ich eigentlich gerne mehr und Präziseres erfahren.
Dass wichtige Fragen ausgeklammert wurden, lag nicht an den vier Fragestellern. Es fiel auf, dass auf mehrere Fragen gar nicht oder ausweichend geantwortet wurde.
Mit diesen beiden Personen wird es keine Korrektur der von der neoliberalen Ideologie bestimmten Politik geben. Mit Steinmeier nicht die notwendige Kurskorrektur der SPD. Mit Angela Merkel, wenn eine Korrektur dann eine Verschärfung des wirtschaftsliberalen Kurses zusammen mit der FDP. Das sind keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Aber immerhin:
Noch ein Fazit zum Sendetyp: zwei Personen zum Duell einzuladen, die so miteinander verstrickt sind wie Merkel und Steinmeier, macht keinen Sinn. Da ist das alte Modell der Elefantenrunde, also der Präsenz aller im Bundestag vertretenen Parteien, in jedem Fall ergiebiger. Damit würde zusätzlich auch noch der undemokratische Eindruck vermieden, als gäbe es nur diese beiden Alternativen.
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