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Titel: Das Scheitern der Föderalismuskommission: Scheitern ist besser als eine Verschlimmbesserung
Datum: 19. Dezember 2004 um 16:39 Uhr
Rubrik: Demokratie, Erosion der Demokratie
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Die ein Jahr andauernden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Reform des deutschen Föderalismus sind (vorläufig) ohne ein Ergebnis zu Ende gegangen. Ist das gut oder schlecht?
Man weiß es nicht, denn außer den Überschriften über die Themenkomplexe sind ziemlich wenige Details nach außen gedrungen und schon gar nicht gab es darüber eine inhaltliche und breit geführte öffentliche Debatte: Bei einer so grundlegende Veränderung unseres Verfassungsgefüges ein Armutszeugnis für die öffentliche Meinungsbildung in unserem Lande.
Zum Glück hat der Bund der Kleinstaaterei in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik nicht weiter Vorschub geleistet und seine ohnehin schwache (Rahmen-)Zuständigkeit nicht vollends aufgegeben. Wir wären im (Wettbewerbs-) Chaos gelandet.
Prüfen Sie sich einmal selbst: Welche Themen und vor allem welche Details wurden in der Föderalismuskommission verhandelt und worüber wurde gestritten? Welche unterschiedlichen Vorstellungen über die „Statik“ unseres Staatsaufbaus standen sich gegenüber? Welche Vor- und Nachteile hat eine Länderzuständigkeit etwa in der Bildung? Haben Sie dazu Textentwürfe oder Positionspapiere gelesen? Hat es darüber eine breite Diskussion gegeben? Wurden Argumente öffentlich ausgetauscht? Hat sich der CDU-Parteitag wenige Tage vor dem festgelegten Entscheidungstermin damit befasst?
Vergleichen Sie doch einfach einmal Inhalt und Ausführlichkeit des Diskurses um die hier anstehende grundlegende Reform des Grundgesetzes etwa mit der Debatte um das Dosenpfand, um die Rechtschreibreform oder um die Zuwanderung, ganz zu schweigen mit dem Streit um die Hartz-Gesetze oder der Gesundheitsreform. Ich will die Bedeutung dieser Gesetze gar nicht klein schreiben, sie waren tiefgreifend genug, aber es ging dabei um „Petitessen“ gemessen an der Reform der Verfassung unseres Staatsaufbaus, der größten Grundgesetzänderung seit Jahrzehnten. Nun scheint es in Deutschland eine ganz besondere Scheu unserer Politiker vor dem Volk zu geben, zumal wenn es um Verfassungen geht: Das hat sich nach der Wiedervereinigung gezeigt, als die Chance bestand, das vereinigte Volk in einem symbolischen Akt über die gemeinsame Verfassung abstimmen zu lassen. Das zeigt sich bei der Zurückhaltung vor einer Volksabstimmung über die Europäische Verfassung.
So sehr wie bei der Föderalismuskommission, war das Volk aber noch nie außen vor, wenn es um eine Verfassungsänderung ging.
Trotz intensiver Bemühungen ist es mir nicht gelungen, irgendeinen Text oder wenigstens ein Versatzstück ausfindig zu machen, worüber man sich bei der künftigen Bildungsverfassung im Detail gestritten hat. Gab es überhaupt einen Text? Jedenfalls bis kurz vor dem Scheitern offenbar nicht.
Erklärungsversuche für das Scheitern:
Nehmen wir doch einmal die Hochschulpolitik:
Dort war die Zuständigkeit des Bundes, wie man etwa an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur bundesweiten Einführung der sog. Juniorprofessur – also zur Personalstruktur an den Hochschulen – ablesen kann, ohnehin nicht sehr stark.
Würde man aber noch die Fragen der Berechtigung zum Hochschulzugang oder der Qualität von Hochschulabschlüssen den Ländern alleine überlassen, so hätten wir in absehbarer Zeit das gleiche Chaos, wie wir das bei der Oberstufenreform an den Gymnasien oder bei der recht unterschiedlichen Qualität des Abiturs quer durch die Republik erleben. (Bei der Sicherung der Qualität von schulischen Leistungen wird nach Jahrzehnten der Beliebigkeit mühselig wieder versucht, vergleichbare Qualitätsstandards einzuführen.) Kleinstaaterei in einer Zeit, wo man die Internationalisierung des Studiums und im sog. Bologna-Prozess die europäische Angleichung und die gegenseitige Anrechenbarkeit der Studienabschlüsse anstrebt.
Oder wenn sich der Bund aus der Hochschul- und Gerätefinanzierung gänzlich zurück ziehen müsste, dann öffnete das Doppel- und Mehrfachinvestitionen Tür und Tor und das bei ohnehin viel zu knappen Wissenschaftsetats. Und was noch schlimmer wäre: Das Gefälle zwischen reichen und armen Ländern bei der Hochschul- und Forschungsentwicklung würde noch stärker. Arme Länder könnten sich alleine kaum mehr Forschungsgroßgeräte leisten oder einen notwendigen Ausbau ihrer Hochschulen vorantreiben – gleichgültig ob sie exzellente Qualität bieten oder nicht. Der Wettbewerbsföderalismus hätte über einen kooperativen Föderalismus vollends gesiegt. Siegen würde aber nicht unbedingt Qualität, sondern in jedem Falle das Geld – eben das wichtigste Steuerungsinstrument im Wettbewerb. Auch bei Hochschulen oder in der Wissenschaft hieße dann der Wettbewerb: FC Bayern München gegen FC Cottbus. Dass die Bayern die teuersten Spieler der Welt kaufen können, hilft vielleicht dem Unternehmen FC Bayern, aber nicht der deutschen Nationalmannschaft.
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