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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Political Correctness: „Der Angeklagte ist zugleich der Verurteilte“
Datum: 21. Dezember 2017 um 9:19 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Interviews, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Neoliberalismus und Monetarismus
Verantwortlich: Redaktion
„Die Political Correctness ist die feudale Sprache unserer Zeit“, sagt der Dramaturg Bernd Stegemann im Interview mit den NachDenkSeiten. Es sind Aussagen wie diese, die schnell verdeutlichen: Stegemann versteht, dass sich in unserer Gesellschaft ein komplexes Herrschaftssystem entwickelt hat, das unter anderem tief in unsere Sprache und damit auch in unser Denken eingedrungen ist. Im Interview legt der Autor, der Anfang des Jahres ein kluges Buch zum Thema Populismus verfasst hat, dar, wie die Political Correctness im Laufe der Zeit in ihr Gegenteil verkehrt wurde und erklärt, wie sich auch in ihr der Geist des Neoliberalismus entfaltet. Ein Interview über die Pervertierung der politisch korrekten Sprache sowie den rechten, linken und liberalen Populismus.
Das Interview führte Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Herr Stegemann, in Ihrem Buch zum Thema Populismus zeichnen Sie ein geradezu katastrophales Bild unserer Gesellschaft. Sie schreiben: „Wir alle sind gerade Zeugen, wie die offene Gesellschaft sich mit ihren paradoxen Sprachspielen, hyperkritischen Diskursen und gut verschleierten Privilegien selbst zerstört und wie die Rechtspopulisten hierbei gewaltig mithelfen.“
Die offene Gesellschaft zerstört sich gerade? Was passiert hier?
Schaut man auf die größeren historischen Entwicklungen des Liberalismus, so ist zu erkennen, dass seine fortschrittlichen Gedanken inzwischen immer deutlicher in ihr Gegenteil umschlagen. Im Kern kämpfte der Liberalismus für die Freiheit des Einzelnen und für das Recht auf Privateigentum. Damit stellte er sich gegen die Herrschaft des Adels und kämpfte für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, deren Endspiel wir heute in Europa und Nordamerika vorfinden. Die Kombination aus individueller Freiheit und Eigentum ist inzwischen in eine kritische Phase eingetreten. Kurz gesagt: der Neoliberalismus hat aus Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit die Forderung abgeleitet, dass jeder Mensch ein Unternehmer seiner selbst werden solle. Die Folgen sind immer deutlicher erkennbar: Menschen wie Natur sind in einen globalen Stress versetzt. Das Problem für die politische Auseinandersetzung besteht heute vor allem darin, dass einstmals positiv besetzte Begriffe wie Freiheit und Individualismus zu Befehlen im neuen Arbeitsregime geworden sind: Sei flexibel und fügsam, denn du stehst in einem unendlichen Wettbewerb.
Wo fängt denn Ihrer Meinung das Problem an? Offensichtlich ist etwas gewaltig aus dem Ruder gelaufen.
Dieser Umbau von einst fortschrittlichen, emanzipatorischen Begriffen zu Befehlen im Neoliberalismus durchzieht die gesamte öffentliche Sprache. Die notwendige Kritik an dieser Umdrehung des einstigen Inhalts sieht sich dabei vor fast unlösbare Probleme gestellt. Denn indem der Neoliberalismus alle die Worte verwendet, die als positive Eigenschaften unserer offenen Gesellschaft gelten, kann jede Kritik als rückwärtsgewandte Gefahr diffamiert werden. Zum Beispiel sind die offenen Grenzen von TTIP und vom Winter 2016 von sehr unterschiedlicher Qualität, und ebenso kam der Protest dagegen aus unterschiedlichen Richtungen, doch die Verteidiger der jeweiligen Offenheit bedienten sich der gleichen Argumente: der ungehinderte Warenverkehr ist ebenso alternativlos wie der ungehinderte Zustrom von Flüchtlingen. Die Formel der Alternativlosigkeit bedient sich dabei des großen Resonanzraumes, in dem die Begriffe der Freiheit und des Privateigentums mit der Vernunft und der moralisch guten Position verknüpft sind. Dieses moralisch-intellektuelle Cluster gilt noch immer als eine unhinterfragbare Letztbegründung von richtigen Handlungen, und solange das so bleibt, kann in dessen Schutz der neoliberale Umbau weitergehen.
Welche Fehler wurden vonseiten der politisch Verantwortlichen begangen?
Ich würde das nicht als Fehler bezeichnen, sondern als besonders raffinierte Taktik bei der Durchsetzung der eigenen Klasseninteressen. Natürlich wäre es deutlich weniger erfolgreich, wenn für offene Grenzen damit geworben würde, dass damit die Reichen noch reicher würden und zugleich die Unsicherheit der Arbeitsplätze ebenfalls zunehmen würde.
Sie unterscheiden in Ihrem Buch zwischen dem Rechtspopulismus sowie dem liberalen und linken Populismus. Was macht den Rechtspopulismus aus?
Der Rechtspopulismus gehört zu den altmodischen Formen des Populismus. Er bedient sich der einfachen Entgegensetzungen von einem Wir und einer davon unterschiedenen fremden Gruppe. Zugleich nimmt der rechtspopulistische Politiker für sich in Anspruch, die wahren Interessen des Wir zu vertreten und für dessen Probleme einfache Lösungen parat zu haben. Der Rechtspopulismus kehrt jedoch die Wir/Sie-Unterscheidung am deutlichsten hervor. Man könnte auch sagen, dass er die Frage nach der Grenze zur entscheidenden politischen Frage stilisiert. Damit findet er Zugang zu einem anderen großen Resonanzraum politischer Kommunikation, denn jeder Mensch hat ein unmittelbares Empfinden seiner persönlichen Grenze und ihrer möglichen Verletzungen. Wer zum Beispiel U-Bahn fährt, kennt den Stress, den viele Menschen auf engem Raum auslösen. Und jeder ist im Alltag bemüht, seinen privaten Lebensbereich vor der Außenwelt abzuschirmen. So hat die Betonung der Grenze, die geschützt werden muss, eine unmittelbare Plausibilität. Daraus, dass der Rechtspopulismus die Grenzfrage zur zentralen Problematik stilisiert, folgen jedoch zwei gefährliche Entwicklungen: Zum einen wird das Wir zu einer naturhaften Instanz, die ohne kulturellen Austausch in die Sackgasse gerät. Und zum anderen verdrängt die Grenzfrage alle anderen gesellschaftlichen Probleme. Wenn aus Menschen ein Volk geformt werden soll, ist am Ende immer der Einzelne das Opfer.
Und den liberalen Populismus?
Der liberale Populismus scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich zu sein. Doch in der Phase des Neoliberalismus wurde eine eigene, postmoderne Variante des Populismus geboren. Hier wird die Wir/Sie-Unterscheidung in eine paradoxe Form gebracht. Denn nun steht jeder Einzelne vor der selbstgezogenen Grenze, die ihn vom erfolgreichen Marktzugang abhält. Wer es schafft, seinen inneren Schweinehund der Faulheit zu überwinden, der hat Erfolg, wer an sich selbst scheitert, der bleibt eben draußen. Die Grenze wird damit in jeden Einzelnen verlegt, was zu Folge hat, dass es keine äußeren Gründe mehr fürs Scheitern gibt. Um diese eigentlich absurde Behauptung zum allgemeinen Glauben zu machen, hat der liberale Populismus die beiden anderen Eigenschaften des alten Populismus für sich genutzt. Er behauptet ebenso eine Wahrheit, die nur er kennt und seine Lösungen sind ebenfalls sehr einfach: Seine Wahrheit ist der Markt und die Lösung aller Gerechtigkeitsprobleme findet sich nur auf dem Markt.
Als bestes Beispiel für den liberalen Populismus kann das Sprechen von Angela Merkel gelten. Ihre Verteidiger betonen gerne, dass ihre technokratische Ausdruckweise und ihr Talent, Widersprüche durch Moderation einzuschläfern, das stärkste Bollwerk gegen den Populismus seien. Das Gegenteil ist richtig: Sie wiederholt quasi in jedem Satz die vollständige Abwesenheit von politischer Entscheidung und stellt damit alles dem Markt zur Verfügung, der dann als höhere Form der Vernunft entscheidet. Die von ihr geforderte marktförmige Demokratie ist in ihrer Person längst real geworden und alles was sie tut, ist von daher alternativlos. Denn im Weltbild des Neoliberalismus gibt es keine Alternative zur Wahrheit des Marktes. Der liberale Populismus ist also die zeitgemäße Form, wie die Klasseninteressen des Kapitals so in der Öffentlichkeit kommuniziert werden, dass niemand bemerkt, wie hier Klasseninteressen durchgesetzt werden. Der liberale Populismus wirkt also gerade dadurch, dass er jede politische Wirkung vermeidet. Denn er weiß, dass nur dann die Kräfte des Marktes, bei denen immer der Stärkere gewinnt, am besten zum Tragen kommen.
Dann noch zum Linkspopulismus.
Der Linkspopulismus hat leider keine entsprechende Form gefunden, um dem raffinierten liberalen Populismus etwas entgegensetzen zu können. Alle erfolgreichen Versuche des Linkspopulismus haben in südamerikanischen Staaten stattgefunden, die deutlich einfacher strukturiert waren. Von daher ist eine Kopie dieser Methoden, wie sie zum Beispiel Syriza in Griechenland versucht hat, für die deutsche Gesellschaft unbrauchbar. Bevor nicht eine linke Theorie und Erzählung entwickelt worden ist, die es an Komplexität mit dem Neoliberalismus aufnehmen kann, ist der Linkspopulismus in unserer Gesellschaft zum Scheitern verurteilt. Denn seine Leitunterscheidung zwischen Proletariat und Kapitalisten hat keinen Resonanzraum mehr, wenn sich alle einer breiten Mittelschicht zugehörig fühlen wollen und die tatsächlich prekär Beschäftigten entweder resigniert haben oder ihren Job als vorübergehendes Erlebnis begreifen.
Sie widmen sich in Ihrem Buch auch der Political Correctness. Was ist Ihnen aufgefallen?
Die Political Correctness ist, vergleichbar wie die anderen einst positiven Begriffe des Liberalismus, inzwischen in ihr Gegenteil verkehrt worden. Sie ging von der zutreffenden Beobachtung aus, dass Sprache auch Handeln bedeutet und darum mit Worten Verletzungen zugefügt werden können. Der reaktionäre Dreh ist in dem Moment in die Zivilisierung des Sprechens gekommen, als die Beurteilung einer sprachlichen Verletzung allein dem Opfer zugesprochen wurde. Heute ist es so, dass allein die Opfer darüber befinden, ob eine sprachliche Wendung sie verletzt hat oder nicht. Und darum haben allein die Opfer die Berechtigung, eine Bestrafung des Sprachtäters oder eine Verbannung bestimmter Formulierungen und Worte zu verlangen. Diese Verbindung von Opfer und Richter stellt gegenüber den Fortschritten des Rechts eine beängstigende Regression dar. Denn als erstes folgt daraus, dass auch der Angeklagte zugleich der Verurteilte ist. Wie in allen Kampagnen der letzten Jahre zu beobachten war, nimmt die Empörungswelle aufgrund eines „PC-Vergehens“ schnell Fahrt auf und die Gier der Öffentlichkeit nach möglichst vielen Schuldigen lockt immer mehr Anschuldigungen hervor. Wenn dann zum Beispiel bei der Metoo-Kampagne ein Kommentator auf SPIEGEL-Online fordert, dass es völlig richtig sei, wenn dabei auch unschuldige Männer öffentlich unter die Räder kämen, da es sich eben um eine Revolution handele, wird offenkundig, wie sehr die Lust an der allgemeinen Empörung zum archaischen Opferrausch führt. Denn erstens sind unschuldige Opfer nicht mit dem Hinweis darauf zu entschuldigen, dass das schon immer so gewesen sei. Zweitens handelt es sich bei einer medialen Empörungswelle nicht um eine Revolution, und drittens wird dabei die regressive Energie hinter der medialen Hetze verkannt. Man stelle sich nur einmal vor, was passieren würde, wenn eine Spielart der Political Correctness die Opfer-Richter-Verbindung für andere Zwecke nutzen würde. Dann hieße es plötzlich, wenn ein Deutscher zum Beispiel Opfer von einem Taschendiebstahl wird, darf nur er darüber befinden, was mit dem Täter geschehen solle.
Ich möchte nochmal eine Stelle aus Ihrem Buch zitieren. Sie schreiben: „Ungestraft macht heute niemand mehr einen Witz, der sexistische oder rassistische Anteile hat. Über Arbeiter, prekäre Existenzen und Forderungen nach Gleichheit kann gefahrlos gelacht werden. Das liberale Milieu, das bei jedem Anschein eines rassistischen Satzes Alarm schlägt, hat selbst keinerlei Hemmungen, über die „dummen“ Wähler, die für die AfD, Donald Trump oder den Brexit stimmen, zu schimpfen. Und das Bild der champagnertrinkenden Broker auf der Frankfurter Börse, die den Demonstranten von Occupy höhnisch zuprosteten, hat nicht ansatzweise die Empörung hervorgerufen, die ein dümmlicher Kommentar eines alternden Berufspolitikers über das Dekolleté einer Journalistin provoziert hat.“
Was läuft hier falsch?
Das Beispiel zeigt, wie einseitig der gesamte PC-Komplex auf die Fragen der Identität fixiert ist. Gilt eine Aussage als rassistisch oder sexistisch, so wird sie mit der größten öffentlichen Empörung überzogen. Wird hingegen in den raffinierten Sprachspielen des neoliberalen Populismus über die natürlichen Ungleichheiten schwadroniert, so gilt das als vernünftige politische Meinung. Mir will nicht einleuchten, warum ein Kommentar, der jemanden aufgrund seiner ethnischen oder sexuellen Identität beleidigt, eine größere Verletzung darstellen soll, als die tägliche Demütigung, die jemand im Job ertragen muss, und die jemand mit wenig Geld auf dem Wohnungsmarkt oder beim Einkaufen erlebt. In allen Fällen gibt es eine strukturelle Gewalt, die sich gegen ein einzelnes Schicksal wendet. Es scheint hier wieder das neoliberale Regime zu greifen, nachdem jeder für seinen Erfolg selber verantwortlich ist. Die Fokussierung auf die identitätspolitischen Fragen wirkt dann fast wie ein Ausweg, um noch einen Punkt in der eigenen Biographie nutzen zu können, für den man nicht selbst verantwortlich zu machen ist. Und aus diesem Punkt heraus wird dann der gesamte politische Protest formuliert. Das mag individuell verständlich sein, gesamtgesellschaftlich entsteht daraus ein Ablenkungsfeuerwerk immer neuer Empörungswellen, hinter denen die Ausbeutung ungestört weiterläuft.
Hat sich unter der Political Correctness also eine Form der Herrschaft eingeschlichen, die in der Sprache ihre Macht entfaltet?
Auf jeden Fall. Das besondere an der PC-Sprache ist, dass sie ziemlich voraussetzungsvoll ist. Man muss schon einige Zeit in den entsprechenden Seminaren zugebracht haben, damit das Gehör soweit geschult ist, um die feinsten Rassismen und Sexismen heraushören zu können. Ich würde sogar sagen, dass die Political Correctness die feudale Sprache unserer Zeit ist. Es braucht lange, um sie zu erlernen, sie hat ein fein differenziertes Vokabular für die größten Grausamkeiten und sie dient immer demjenigen, der sie am besten beherrscht.
Ein Beispiel aus dem US-amerikanischen Campusalltag ist hier sehr entlarvend. Eine besondere Spielart der PC ist die kulturelle Aneignung. Wer zum Beispiel als weißer Student Rastazöpfe trägt, eignet sich ein kulturelles Merkmal an, das ihm nicht zusteht. Schon hier könnte man einwerfen, dass mit genau diesem Argument auch die rechte Identitäre Bewegung gegen jede Form der kulturellen Vermischung auftritt und die Frauenemanzipation einst einen großen Erfolg darin gesehen hat, dass Frauen auch Hosen tragen dürfen. Aber die eigentliche Pointe liegt bei diesem Beispiel noch woanders. Hier war es so, dass die Mensa auf dem Campus mexikanische Tortillas angeboten hat. Das empörte eine Studentengruppe so sehr, dass die Mensabeschäftigten in einer hitzigen Veranstaltung dazu genötigt wurden, sich öffentlich für diese aggressive kulturelle Aneignung zu entschuldigen. Es hatte sich also folgende Situation ergeben: Studierende, die entweder aus der privilegierten Klasse stammen oder durch ihr Studium dahin aufsteigen wollen, erniedrigen einfache Angestellte, weil sie sie eines Vergehens gegen die PC-Regeln überführen konnten, von denen die Mensamitarbeiter noch nie gehört hatten. Die besondere Brutalität liegt hier nicht nur darin, dass Menschen öffentlich für etwas gedemütigt werden, von dessen Existenz sie gar nichts wussten, sondern sie liegt vor allem darin, dass Mitglieder einer privilegierten Klasse für sich das moralische Recht in Anspruch nehmen, so etwas tun zu dürfen.
Was bedeutete diese „Sprachherrschaft“ denn für die öffentliche Kommunikation?
Heute arbeiten der liberale Populismus und die Political Correctness wirkungsvoll zusammen, um die Menschen im Sinne der Kapitalinteressen zu regieren. Der liberale Populismus findet immer neue vernünftige Alternativlosigkeiten, die die Handlungsräume für alle, die anderer Meinung sind, sehr eng machen. Das letzte Beispiel hierfür war der von Angela Merkel gleich nach der Bundestagswahl ausgegebene Begriff der „staatspolitischen Verantwortung“, der sich nun alle Parteien zu stellen hätten. Mich erinnert das sehr an einen Satz von Wilhelm II. zu Beginn des 1. Weltkriegs, als er meinte, nun gäbe es keine Parteien mehr, sondern nur mehr ein deutsches Volk. Denn staatspolitische Verantwortung bedeutet doch nichts anderes, als dass die Parteien nun ihre Differenzen einpacken können, um alle gemeinsam mit der CDU-Kanzlerin den Weg der Vernunft einzuschlagen.
Die Political Correctness übernimmt in dieser Sprachherrschaft den Part der moralischen Überwachung. Denn nicht alle Lebensbereiche lassen sich gleich gut mit dem neoliberalen Dogma der Marktlogik regieren. Die Fragen der Identitätspolitik versuchen sich gerade dieser Logik zu entziehen und benötigen daher eine besondere Aufmerksamkeit. Deren Überwachung übernimmt dann die feinere Technik der PC. Zugleich stellt sie die Waffe der Empörung bereit, mit der jede Kritik an der alternativlosen Vernunft als reaktionär oder rassistisch aus dem öffentlichen Raum verbannt werden kann.
Wie können sich Menschen gegen diese Form der sprachlichen Unterdrückung wehren?
Das scheint ja alles andere als einfach.
Es braucht vergleichbar der liberalen Aufklärung eine neue Aufklärung, die die Machtverhältnisse im Neoliberalismus und seine Machttechniken offenlegt. Das ist eine Herkulesaufgabe, da heute sowohl die materiellen Kräfteverhältnisse immer ungleicher geworden sind. Nach einer jüngsten Untersuchung der Gruppe um Piketty ist in Deutschland die Ungleichverteilung der Vermögen wieder so groß wie 1913. Und zum anderen ist die Technik der kommunikativen Macht ungleich höher entwickelt als wohl jemals zuvor. Es muss eine zweite Aufklärung kommen, doch woher sie dieses Mal kommt, kann ich noch nicht erkennen.
Lesetipp: Stegemann, Bernd: Das Gespenst des Populismus: Ein Essay zur politischen Dramaturgie. Verlag Theater der Zeit. Januar 2017.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=41673