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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 17. Dezember 2017 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Russland
  2. Der Start der Militärunion
  3. Deutsche Waffenindustrie sahnt ab
  4. Genossen gegen SPD-Spitze
  5. Kein Grund zum Gratulieren
  6. WTO-Konferenz in Buenos Aires: Sackgasse Freihandel
  7. Einflusskampf um Afrika (II)
  8. Facebook will mehr Steuern in Deutschland zahlen
  9. Zwanzig Jahre nach dem Crash
  10. Finanzermittlungen: Tausende Geldwäsche-Meldungen stauen sich beim Zoll
  11. Studie: Steuerparadiese führen zu starker Unterschätzung der Ungleichheit
  12. Immer mehr Arbeitnehmer arbeiten befristet
  13. Jobcenter sind zu Kreditinstituten geworden – Bundesagentur beauftragt private Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug und treibt die Schuldner in die Insolvenz
  14. Bürgerversicherung: Warum nicht einfach das österreichische Modell übernehmen?
  15. Katja Kipping über die Zukunft der Linken: „Ja, vereint im Dagegen“
  16. «Es leben Eisner und die Weltrevolution!»

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Russland
    1. NATO Expansion: What Gorbachev Heard
      Declassified documents show security assurances against NATO expansion to Soviet leaders from Baker, Bush, Genscher, Kohl, Gates, Mitterrand, Thatcher, Hurd, Major, and Woerner
      Slavic Studies Panel Addresses “Who Promised What to Whom on NATO Expansion?”
      U.S. Secretary of State James Baker’s famous “not one inch eastward” assurance about NATO expansion in his meeting with Soviet leader Mikhail Gorbachev on February 9, 1990, was part of a cascade of assurances about Soviet security given by Western leaders to Gorbachev and other Soviet officials throughout the process of German unification in 1990 and on into 1991, according to declassified U.S., Soviet, German, British and French documents posted today by the National Security Archive at George Washington University.
      The documents show that multiple national leaders were considering and rejecting Central and Eastern European membership in NATO as of early 1990 and through 1991, that discussions of NATO in the context of German unification negotiations in 1990 were not at all narrowly limited to the status of East German territory, and that subsequent Soviet and Russian complaints about being misled about NATO expansion were founded in written contemporaneous memcons and telcons at the highest levels.
      The documents reinforce former CIA Director Robert Gates’s criticism of “pressing ahead with expansion of NATO eastward [in the 1990s], when Gorbachev and others were led to believe that wouldn’t happen.”[1] The key phrase, buttressed by the documents, is “led to believe.”
      Quelle: NSA Security Archive

      dazu: NATO-Osterweiterung: Deklassifizierte Dokumente belegen Wortbruch des Westens gegenüber Sowjetunion
      Tatsache ist jedoch, dass der damalige US-Außenminister Baker am 9. Januar 1990 Gorbatschow in einem Gespräch zugesichert hatte, dass die „militärische Präsenz der NATO in östlicher Richtung um keinen einzigen Zoll ausgedehnt“ werde. Während der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages die Existenz dieser Aussage in Zweifel zieht, indem er schreibt, Baker „soll“ sie gemacht haben, relativiert Die Zeit diese mit dem Hinweis, Bakers Notizen vom Gespräch mit Gorbatschow scheinen „die einzige Stelle gewesen zu sein, an der sich eine derartige Zusage schriftlich finden lässt.“
      Doch seit Dienstag ist bekannt: Bakers Zusage „war Teil einer ganzen Kaskade von Zusicherungen gegenüber der Sowjetunion, die westliche Staatschefs im Zuge der deutschen Wiedervereinigung bis ins Jahr 1991 gemacht haben“, heißt es in einem aktuellen Bericht des National Security Archive. Das an der George Washington-Universität in den USA beheimatete Institut veröffentlichte über 20 Dokumente, die eindeutig widerlegen, dass es sich bei dem von Moskau erhobenen Vorwurf des Wortbruchs um eine Lüge handelt.
      Quelle: RT deutsch

    2. Russischer Verteidigungsetat
      ARD Mittagsmagazin vom 14.12.2017 ab Minute 18:00:
      Quelle: ARD Mittagsmagazin

      Anmerkung unseres Lesers W.M.: Schon die Einleitung wird für eine unterschwellige Meinungsmache benutzt: „…Nein, Putin nutzt diesen Tag auch für eine überdimensionale Selbstinszenierung.“ Es geht dann u.a. um die Ankündigung seiner Bewerbung als unabhängiger Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2018. Ab Minute 18:55 heißt es dann: „Auf den vergleichsweise hohen Rüstungsetat von umgerechnet 46 Milliarden $ angesprochen und die möglichen Folgen für soziale Projekte in Russland konterte Putin mit Verweis auf den amerikanischen Rüstungsetat: “Wir über 46, die über 700. Sehen Sie den Unterschied?“.

      Die ARD bezeichnet einen Rüstungsetat von Russland von 46 Milliarden $ als vergleichsweise hoch. Laut BMVG beträgt der deutsche Etat für 2017 ca. 37 Milliarden € (42,8 Mill. $) und soll bis 2021 auf 42 Milliarden € (49,7 Mill. $) erhöht werden. Wenn man dann noch weiß, dass die russischen Verteidigungsausgaben laut SIPRI 2016 etwa 69 Milliarden $ betrugen und demnach deutlich zurückgefahren werden, dann kann man doch die Bewertung des russischen Rüstungsetats durch die ARD als „vergleichsweise hoch“ nur noch als Volksverdummung ansehen.

      dazu: Willy Wimmer über Putins Pressekonferenz: Nette Leute wie du und ich
      Herr Wimmer, Sie haben die Pressekonferenz des russischen Präsidenten verfolgt. Wie war Ihr Eindruck?
      Der ist natürlich vielfältig. Das fängt mit den Bildern aus dieser Großen Pressekonferenz an. Ich sage das mal unter rein menschlichen Gesichtspunkten: Da sieht man Leute im Publikum sitzen, wie du und ich, nette Leute, und da fragt man sich: Warum wird bei uns alles unternommen, um uns wieder gegen Russland und die Russen in Stellung zu bringen?
      Das zweite ist, wenn ich daran interessiert bin, ein nüchternes Bild über ein großes Nachbarland zu bekommen, dann muss ich mir nur diese Pressekonferenz ansehen. Die Leute fragen das, was ich als politische Fragen auch kenne. Und sie erleben dann einen Präsidenten, der sich bemüht, auf diese Fragen auch noch Antworten zu geben. Und das in der ganzen Bandbreite von Wasserschutzzonen am Baikalsee bis hin zum nordkoreanischen Nuklearprogramm und der Frage, ob man den Präsidenten Trump nun duzt oder siezt. Das heißt, komplexer kann man über ein anderes Land überhaupt nicht unterrichtet werden.
      Quelle: Sputnik

    3. Russlandsanktionen schaden beiden Seiten
      Die Sanktionen gegen die Russische Föderation haben auch für die sanktionierenden Länder massive negative Folgen. Insbesondere die EU und hier Deutschland sind durch deutliche Handelsverluste betroffen. Der Exportrückgang betrifft vor allem Produkte, die nicht unter das russische Embargo fallen.
      Die Sanktionen gegen die Russische Föderation durch insgesamt 37 Länder, darunter alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Vereinigten Staaten, haben zu hohen finanziellen Einbußen auf beiden Seiten geführt. Nach Berechnungen von Julian Hinz, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel, und Matthieu Crozet von der Universität Hongkong, führte der durch die Sanktionen verursachte Rückgang im Warenaustausch zwischen den Ländern bis Ende 2015 zu einem Handelsverlust von insgesamt 114 Milliarden US-Dollar.
      Von diesen Kosten trägt Russland aber nur gut 60 Prozent, der Rest entfällt auf die sanktionierenden Länder. Für sie beläuft sich der Exportverlust auf rund 44 Milliarden Euro, wovon 90 Prozent auf die Europäische Union entfallen. Die deutschen Exporte sind im Durchschnitt um 727 Millionen US-Dollar pro Monat niedriger als bei einem Szenario ohne Sanktionen, dies entspricht 0,8 Prozent der gesamten Exporte. Deutschland trägt damit fast 40 Prozent des westlichen Verlustes, während andere wichtige geopolitische Akteure wie das Vereinigte Königreich, Frankreich und die Vereinigten Staaten viel weniger betroffen sind.
      Quelle: Institut für Weltwirtschaft

      dazu: Raus aus den Russland-Sanktionen
      „Der Ausstieg aus den Wirtschaftssanktionen ist die einzige Positionierung, die für die Bundesregierung Sinn ergeben würde. Die Sanktionen waren nicht zielführend, sondern haben die politischen Probleme verschärft. Darüber hinaus widersprechen sie eklatant den wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen Deutschlands und Europas“, kommentiert Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, die Studie des Instituts für Weltwirtschaft, wonach Deutschland im Westen die Hauptlast der Russland-Sanktionen trägt. „Für die USA stellt sich die Situation anders dar. Auf sie fallen auch nur 0,6 Prozent des Rückgangs des Handelsvolumens im Westen, während Deutschland 40 Prozent zu tragen hat. Daher ist es falsch, sich der Argumentation der USA anzuschließen.“
      Quelle: die Linke im Bundestag

  2. Der Start der Militärunion
    Für den heutigen Montag kündigt die Bundesregierung den offiziellen Einstieg in die EU-Militärunion an. Dazu wird der Europäische Rat 17 Projekte in aller Form verabschieden, die dem Aufbau gemeinsamer EU-Militärstrukturen dienen. Deutschland führt unter anderem den Aufbau eines Europäischen Sanitätskommandos an, das – neben dem seit 2010 bestehenden Europäischen Lufttransportkommando – als ein unverzichtbares Element künftiger EU-Kriegseinsätze gilt. Zudem baut Berlin Logistikstrukturen auf, die Interventionen binnen kürzester Frist ermöglichen sollen. Auf beiden Feldern ist die Bundeswehr auch im NATO-Rahmen aktiv. Die operative Vorbereitung kommender Militäreinsätze ist dabei von heftigen deutsch-französischen Machtkämpfen geprägt. Wie es im Bundesverteidigungsministerium heißt, dient die Militärunion nicht nur dem Ziel, „Eigenständigkeit“ gegenüber den Vereinigten Staaten zu erlangen; sie soll auch die auf zivilem Weg nicht hinlänglich erreichbare „Integration“ der EU voranbringen.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: EU-Verteidigungsunion: Die fliegende Klinik macht den Anfang
    Auf dem EU-Gipfel in Brüssel feiern Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen den ersten Schritt hin zur kürzlich beschlossenen EU-Verteidigungsunion. 25 Staaten haben sich auf insgesamt 17 Projekte geeinigt.
    Wenn die EU-Staats- und Regierungschef in Brüssel eintreffen, besiegeln sie zunächst in Anwesenheit von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die künftige Europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. An der sogenannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit – nach dem englischen Kürzel PESCO genannt – nehmen 25 der 28 EU-Staaten teil. Das sind die wichtigsten Projekte: […]
    Ein Thema, das nicht nur der EU, sondern auch der NATO am Herzen liegt: Weil einige osteuropäische Staaten sich von Russland bedroht fühlen, plant die Militärallianz sogar extra ein neues Hauptquartier in Europa. Sichergestellt werden soll, dass Mann und Material im Ernstfall schnell genug von A nach B transportiert werden können. Und dies nicht an Straßen scheitert, die unter dem Gewicht einer Panzerkolonne nachgeben, oder am Grenzbeamten, der eine lange Checkliste abarbeiten muss, bevor er die Weiterfahrt zulässt. Auch die EU will nun bürokratische Hürden abbauen. Und will durch den Aufbau „logistischer Drehscheiben“ in Europa sicherstellen, dass bei künftigen Missionen das benötigte Material auch ankommt.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung unserer Leserin A.L.: Weder das Nato-Verteidigungsbündnis noch die im Aufbau befindliche EU-Verteidigungsunion haben etwas mit Verteidigung zu tun. Es geht vorrangig um militärische Angriffe! Und nun plant die Militärallianz ein neues Hauptquartier und logistische Drehscheiben in ganz Europa aufzubauen. Für mich sind das eindeutige Vorbereitungen für perfekte Kriegsführung – es hat absolut nichts mit der Wahrung von Frieden zu tun!

  3. Deutsche Waffenindustrie sahnt ab
    Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri legt seinen Jahresbericht vor. Weltweit steigern die Rüstungskonzerne wieder ihre Umsätze.
    Russland plus 3,8, die USA plus vier und Deutschland plus 6,8 Prozent: Deutsche Waffenschmieden sind Spitze im Boomindex der Rüstungskonzerne. Sie haben ihre Umsätze von 2015 auf 2016 erneut gesteigert und übertreffen damit das Plus von 2014 auf 2015 um 0,2 Prozent.
    Quelle: taz

    dazu: Die USA – der größte Schurkenstaat der Welt
    2016 haben die Rüstungskonzerne Waffen im Wert von 374,8 Milliarden Dollar verkauft. Die US-Konzerne sind die größten Profiteure. Auf sie entfällt mit 217,2 Milliarden Dollar der größte Teil der weltweiten Waffenverkäufe.
    Wir erinnern uns: Der Waffennarr im Weißen Haus, US-Präsident Donald Trump, hat mit der Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien vor einem halben Jahr einen „Waffendeal“ von 110 Milliarden Dollar abgeschlossen. Saudi-Arabien führt mit Rückendeckung der USA einen mörderischen Krieg im Jemen. Und die USA brauchten und brauchen auch selbst viele Waffen in Afghanistan, in Syrien, im Irak, in Libyen und für andere Konflikte der Welt, in denen sie „Frieden stiften“.
    Die USA nennen Staaten, deren Regierungen ihnen nicht passen, für die sie einen Regierungswechsel planen und wo sie notfalls mit Bomben nachhelfen, Schurkenstaaten. Der größte Schurkenstaat der Welt aber ist die USA.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    und: Optimierte Kriegsführung
    Die für die Rüstungsindustrie tätige Unternehmensberatung McKinsey nimmt entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der deutschen Militärpolitik und die Entwicklung der Bundeswehr. Bereits seit etwa fünf Jahren liefert die Agentur die inhaltlichen Vorgaben für die Münchner Sicherheitskonferenz, eine der weltweit wichtigsten militär- und rüstungspolitischen Tagungen. Fast zeitgleich wurde mit Katrin Suder eine vormals leitende McKinsey-Managerin auf den Posten einer Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium berufen. Suder zeichnet sowohl verantwortlich für die Beschaffung von Kriegsgerät als auch für den Aufbau der mit der Kriegsführung im Internet befassten „Digitalen Kräfte“ der deutschen Armee. Parallel dazu hat sich ein intensiver Personalaustausch zwischen McKinsey und der Truppe etabliert. So beschäftigt das Beratungsunternehmen mittlerweile etliche Absolventen des Studienganges „International Management“, den die Münchner Bundeswehruniversität anbietet. Es handelt sich ausschließlich um ehemalige Offiziere.
    Quelle: German Foreign Policy

  4. Genossen gegen SPD-Spitze
    In Oslo wurde am Sonntag feierlich der Friedensnobelpreis an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) überreicht. Zuvor hatte die Bremer Bürgerschaft in einer gemeinsamen Erklärung die Ehrung begrüßt und den Senat von SPD und Grünen aufgefordert, sich auf Bundesebene für die Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages über das Verbot von Kernwaffen einzusetzen. Die Bundesregierung von CDU, CSU und SPD hat dies bislang verweigert. Auch der amtierende SPD-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte sich dagegen ausgesprochen. Außerdem hatte er die Anfang Oktober verkündete Entscheidung des Nobelpreiskomitees für ICAN als kontraproduktiv bezeichnet und die Notwendigkeit atomarer Abschreckung betont. (…)
    Die Resolution »Bremen für eine atomwaffenfreie Welt« war mit großer Mehrheit beschlossen worden. Einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag hatten die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gemeinsam eingebracht. Darin heißt es, man begrüße die Verleihung des Nobelpreises an die internationale Kampagne. Der Senat der Hansestadt erklärte noch während der Parlamentsdebatte seine Bereitschaft, sich auf Bundesebene entsprechend zu engagieren.
    Die Annahme des Antrags kann vor allem für die Sozialdemokraten als eine kleine Sensation gewertet werden. Denn damit werden zumindest indirekt die SPD-Minister der noch amtierenden Bundesregierung und besonders Außenminister Gabriel kritisiert. Bremens SPD-Bürgermeister Carsten Sieling hatte sich schon im Vorfeld exponiert, indem er auf einer Kundgebung des Bremer Friedensforums am 18. November als Redner auftrat. Es sei bedauerlich, dass Deutschland an den wichtigen Verhandlungen zum UN-Vertrag nicht teilgenommen habe und die Aufrüstungsprogramme der NATO unterstütze, hatte er dort betont. Dies müsse kritisch hinterfragt werden.
    Quelle: junge Welt
  5. Kein Grund zum Gratulieren
    Vor zehn Jahren unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU den »Vertrag von Lissabon«. Ein Rückblick
    Die Entstehungsgeschichte des Lissabon-Vertrags ist zunächst einmal eine Lehrstunde in Sachen europäischer Demokratie. Dass es den Vertrag überhaupt gibt, ist der Tatsache geschuldet, dass die EU-Eliten sich von widerspenstigen Mehrheiten nicht aufhalten lassen. Am 29. Oktober 2004 hatten die Staats- und Regierungschefs der Union in Rom feierlich den »Vertrag über eine Verfassung für Europa« unterzeichnet, der am 1. November 2006 in Kraft treten sollte. Zuvor musste er noch ratifiziert werden, und dazu waren – da es sich nun mal um ein Verfassungsdokument handelte – in einigen Ländern Referenden unumgänglich. Das erste in Spanien ging glatt; beim zweiten in Frankreich krachte es: Die französische Bevölkerung lehnte den Vertrag am 29. Mai 2005 mit 55,7 Prozent ab. Im dritten Referendum in den Niederlanden gab es ein weiteres »Nein«, diesmal sogar mit 61,5 Prozent. Die EU-Verfassung war gescheitert – sollte man meinen. Die Staats- und Regierungschefs verordneten sich erst einmal eine »Reflexionsphase«.
    Das Ergebnis des Nachdenkens: Auf einem EU-Sondergipfel am 25. März 2007 in der deutschen Hauptstadt einigten sie sich in einer »Berliner Erklärung« darauf, die Union »auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen«. Diese entpuppte sich allerdings als eine lediglich minimal abgewandelte Version des gescheiterten EU-Verfassungsentwurfs, die am 13. Dezember als »Vertrag von Lissabon« unterzeichnet wurde. Nun musste der Vertrag ebenfalls in den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Diesmal aber war man gewarnt: Frankreichs Regierung änderte kurzerhand die nationale Verfassung, um ein erneutes Referendum vermeiden zu können. Die Niederlande legten die Ratifikation ohne weitere Umstände in die zuverlässigen Hände ihres Parlaments. Nur in Irland war das nicht möglich. Und prompt gab es dort am 12. Juni 2008 mit 53,5 Prozent »No«-Stimmen eine weitere Schlappe. Also ließ man Irland nachsitzen. Es funktionierte: Nach der erneuten Abstimmung vermeldete Dublin am 2. Oktober 2009 mit 67,1 Prozent ein klares »Yes«.
    Quelle: junge Welt
  6. WTO-Konferenz in Buenos Aires: Sackgasse Freihandel
    Die 11. WTO-Ministerkonferenz ist am Mittwoch in Argentinien ohne Ergebnisse beendet worden. Für Donald Trump mag dies Anlass zur Häme bieten – aus linker Perspektive besteht jedoch keinerlei Anlass zur Freude. Denn das Scheitern der WTO-Verhandlungen bedeutet, dass viele für Entwicklungsländer nachteilige Beschlüsse, insbesondere im Agrarbereich sowie bei den investorfreundlichen Schiedsgerichten, bestehen bleiben. Zudem hat der Gipfel in Buenos Aires auch gezeigt, mit welch schmutzigen Mitteln Politiker und Medien versuchen, linke Globalisierungskritik zu diskreditieren und zu kriminalisieren.
    Quelle: die Linke im Bundestag

    dazu: Die World Trade Organization (WTO), das Fundament der neoliberalen Welthandelsordnung
    Vom 10. bis 13. Dezember 2017 tagt in Buenos Aires die 11. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO, World Trade Organization). Strittiges Thema zwischen Schwellen- und Entwicklungsländern einerseits sowie den OECD-Ländern andererseits ist wie schon in früheren WTO-Runden der Agrarhandel. Diese Auseinandersetzung bestimmt die WTO seit ihrem Bestehen.
    Im Brennpunkt stehen jedoch Fischereisubventionen und vor allem das Themenfeld elektronischer Handel. Hier drängen die USA und die EU darauf, neue Normen für einen grenzüberschreitenden elektronischen Handel festzulegen. Dies führt zu einem gigantischen Rückschlag für den Datenschutz und zu einer beispiellosen Machtkonzentration der ohnehin mächtigsten Konzerne Amazon, Apple und Co.
    Quelle: attac

    und: WTO-Gipfel in Buenos Aires: NGO-Ausschluss überschattet Auftakt
    Weniger Handelshemmnisse und neue Regeln für Fischerei-Subventionen und elektronischen Handel: Die Themenliste des WTO-Gipfels in Buenos Aires ist lang. Doch bereits zum Auftakt der Konferenz, die vom 10. bis 13. Dezember stattfindet, gab es Missstimmungen: Denn Gastgeber Argentinien hatte zahlreiche NGOs ausgeschlossen – offiziell aus Sicherheitsgründen.
    Quelle: Deutschlandfunk

  7. Einflusskampf um Afrika (II)
    Flüchtlingsabwehr und profitable Geschäfte für deutsche Unternehmen stehen im Zentrum der heute zu Ende gehenden Ghana-Reise des Bundespräsidenten. Er müsse vor Versuchen „warnen“, über die Sahara und das Mittelmeer nach Deutschland zu reisen, erklärte Frank-Walter Steinmeier gestern in einem Interview in der ghanaischen Presse: Die Reise könne mit „Gefangenschaft“ bei libyschen Sklavenhändlern oder sogar mit dem Tod enden. „Bleibt zu Hause“, fassen deutsche Medien den Tenor der Äußerungen des Bundespräsidenten zusammen. Gleichzeitig ist Steinmeier bemüht, mit Hilfe des G20-„Compact with Africa“ deutschen Firmen den Weg zu profitablen Investitionen in Ghana zu bahnen. Der „Compact“ soll afrikanische Staaten dazu bringen, ihre Wirtschaft noch stärker als bisher auf die Wünsche westlicher Investoren auszurichten. Deutsche Wirtschaftskreise ordnen Ghana in die „zweite Reihe“ afrikanischer Länder hinter den ökonomischen Schwergewichten Südafrika und Nigeria ein und sprechen sich für eine Ausweitung der Geschäfte dort aus – im Konkurrenzkampf gegen China.
    Quelle: German Foreign Policy
  8. Facebook will mehr Steuern in Deutschland zahlen
    Künftig will Facebook seine Einnahmen stärker vor Ort versteuern. Doch all zu viel darf der hiesige Fiskus nicht erhoffen.
    Bislang sind die Steuerzahlungen von Facebook in Deutschland überschaubar. 466 000 Euro an Einkommens- und Ertragssteuer zahlte die Facebook Germany GmbH im Jahr 2015 – das ist der letzte veröffentlichte Wert. Als Umsatz hat die deutsche Tochter 20,6 Millionen Euro ausgewiesen. Das mag zunächst ganz ordentlich klingen, steht allerdings in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Einnahmen. Denn in ganz Europa hatte das Netzwerk in dem Jahr einen Umsatz von 4,3 Milliarden Dollar erzielt. Als einer der größten Märkte dürfte ein nicht unerheblicher Teil davon in Deutschland generiert worden sein.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Die Überschrift muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Facebook betreibt Steuerzahlung nach Gutsherrenart – und die Politik schaut einfach zu.

  9. Zwanzig Jahre nach dem Crash
    Basel III ist fertig: Die globalen Regeln, die Finanzkrisen verhindern sollen. Es wurde wieder nur in der Logik des vorhandenen Systems gedacht und gehandelt.
    Am 1. Januar 2027 wird es endlich so weit sein – fast 20 Jahre nach dem Ausbruch der großen Finanzkrise sollen bis dahin weltweit die letzten Regeln implementiert sein, um die nächste Krise zu verhindern.
    2027 – das ist einer der Punkte, auf die sich am Donnerstagabend Bankenaufsichten und Zentralbanken weltweit geeinigt haben. Und bevor Sie jetzt angesichts der Sperrigkeit des Themas wegklicken: Dieser Vorgang ist von fundamentaler Bedeutung für die ökonomische und damit politische Stabilität der Welt.
    Trotzdem ist es dazu gekommen, dass ein globales Gremium sieben Jahre lang an Basel III, den neuen Regeln für das internationale Finanzsystem, arbeitete, ohne die Grundsatzfrage überhaupt zu erörtern: Wie kann das wahnwitzig aufgeblähte internationale Finanzsystem zurückgestutzt werden auf die Größe, die es braucht, um eine dem Mensch und der Natur dienliche Wirtschaft zu schaffen? […]
    Doch der Ausschuss ist leider ein Gremium, das nur in der Logik des vorhandenen Systems denkt und handelt. So hat sich beispielsweise die Deutsche Bundesbank, die Mitglied in dem Gremium ist, vehement für die Interessen von deutschen Privatbanken eingesetzt. Obwohl sie eine staatliche, im Grundgesetz festgeschriebene Institution ist, die Banken beaufsichtigen und nicht vertreten sollte.
    Quelle: taz
  10. Finanzermittlungen: Tausende Geldwäsche-Meldungen stauen sich beim Zoll
    Innerhalb weniger Monate hat sich nach SPIEGEL-Informationen eine gewaltige Menge von Geldwäsche-Verdachtsanzeigen beim Zoll angestaut. Mehr als 24.000 Meldungen liegen dort auf Halde.
    Eine neue Sondereinheit des Zolls entwickelt sich zunehmend zum Problem. Nach Informationen des SPIEGEL hat die im Juli zum Zoll verlegte Financial Intelligence Unit (FIU) von etwa 29.000 Geldwäsche-Verdachtsanzeigen bislang mehr als 24.000 in der Bearbeitung zurückstellen müssen.
    Wie aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf die Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi hervorgeht, übermittelte die FIU erst knapp 4100 Geldwäsche-Verdachtsanzeigen an Polizei, Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden zur weiteren Bearbeitung, knapp 900 weitere Fälle wurden eingestellt.
    „Das ist eine sicherheitspolitische Katastrophe“, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler. „Damit ist die Geldwäschebekämpfung in Deutschland nahezu komplett vor die Wand gefahren worden.“ Die Zahlen beschönigten die Situation sogar noch. Unter den Meldungen, die an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden sind, „befinden sich nur wenige Vorgänge mit Substanz“, sagt Fiedler.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu: Die Skandalbank
    Seit der Bankenkrise 2008 war die HSBC in unzählige Skandale verwickelt. Egal ob Geldwäsche von Drogeneinnahmen, Steuerbetrug oder Korruption – die Bank schreibt immer wieder Schlagzeilen und kommt jedes Mal mit einem Bußgeld davon, ohne Prozess oder Verurteilung. Der Begriff „Too Big to Jail“, sprich zu groß für eine Gefängnisstrafe, scheint ihr auf den Leib geschrieben zu sein.
    Quelle: arte

  11. Studie: Steuerparadiese führen zu starker Unterschätzung der Ungleichheit
    Wie viel größer Einkommen und Vermögen der Reichsten sind als bekannt, hat ein skandinavisch-amerikanisches Forscherteam nun ermittelt, indem es die sogenannten Swiss-Leak-Daten Falcianis mit den Steuerdaten der betroffenen Bankkunden aus Schweden, Dänemark und Norwegen sowie mit bisherigen Schätzungen der Steuerhinterziehung verglichen hat. Kaum einer der Kunden der Schweizer HSBC hatte sein Konto pflichtgemäß angegeben. (…)
    Die Ergebnisse sind beeindruckend. Angehörige der oberen Vermögensverteilung, also Haushalte mit mehr als 45 Millionen Dollar Vermögen, hinterziehen durchschnittlich 30 Prozent ihrer Steuerschuld, schätzen die drei Forscher auf Basis ihrer Datenabgleiche. Das ist etwa das Zehnfache des Bevölkerungsdurchschnitts. Auf diesen hohen Wert kommen sie, indem sie verfügbare Schätzungen des in Steueroasen insgesamt versteckten Vermögens mit dem Anteil von 50 Prozent kombinieren, der nach ihren eigenen Untersuchungen der geleakten Bankdaten den reichsten 0,01 Prozent gehört. Das Ergebnis: Ein Viertel des Vermögens werde im Ausland versteckt. Dazu kämen dann noch etwa fünf Prozent inländischer Steuerhinterziehung, geschätzt anhand der Ergebnisse von Betriebsprüfungen. (…)
    Für Norwegen, wo die Datenlage hinsichtlich der offiziellen individuellen Vermögen der Reichen besonders gut ist, kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass der Vermögensanteil des reichsten Promilles der Haushalte sich um ein Viertel erhöht, wenn man Vermögen in Steueroasen mit einrechnet, von acht Prozent auf zehn Prozent. Weil reiche Haushalte im übrigen Europa sowie in Lateinamerika und vielen asiatischen Ländern einen größeren Anteil ihres Vermögens im Ausland halten als Skandinavier, gehen die Ökonomen davon aus, dass diese Zahlen sogar eher noch die untere Grenze der Unterschätzung der Ungleichheit darstellen. Da internationale Finanzverflechtungen vor einigen Jahrzehnten noch nicht so ausgebaut waren wie heute, vermuten sie darüber hinaus, dass der langfristige Anstieg der Ungleichheit steiler ausfallen würde, bezöge man das versteckte Vermögen mit ein. (…)
    Die Analyse der drei Forscher zeigt: Dort, wo Steuerhinterziehung mit geringem Entdeckungsrisiko möglich scheint, vor allem bei den Selbstständigen und den Beziehern sehr großer Kapitaleinkommen, findet sie auch in großem Umfang statt, selbst in skandinavischen Ländern, die für großen sozialen Zusammenhalt, geringe Korruption und große Gesetzestreue bekannt sind.
    Quelle: Norbert Häring

    dazu auch: Deutschland ist so ungleich wie vor 100 Jahren
    Kurz vor dem Ersten Weltkrieg klafften in Deutschland große Unterschiede. Die Jahrzehnte der Industrialisierung hatten Arbeitern zwar höhere Löhne beschert, Gutverdiener aber reich gemacht. 1913 entfielen auf die obersten zehn Prozent Haushalte gleich 40 Prozent aller Einkommen, so eine neue Studie. Die Pointe: Weil sich das Land nach Dekaden der Annäherung zuletzt deutlich gespalten hat, vereinnahmen die Bestverdiener inzwischen wieder einen genauso hohen Anteil vom Kuchen wie 1913. Anders gesagt: Deutschland ist heute so ungleich wie vor 100 Jahren.
    Dieses Ergebnis steht im ersten „Weltreport über Ungleichheit“. Verfasst hat ihn eine Forschergruppe um den Mann, der das Thema weltweit in die Schlagzeilen brachte: Thomas Piketty, Autor des Bestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Zuletzt stand der französische Ökonom in der Kritik, weil die Kapitalrenditen anders als von ihm nahegelegt zumindest im 20. Jahrhundert nicht flächendeckend stärker wuchsen als das Wirtschaftswachstum. Jetzt meldet sich Piketty schwungvoll zurück, und nicht nur er: Mehr als 100 Wissenschaftler trugen zum öffentlichen Portal wid.world bei, dass eine „demokratische Lücke füllen“ soll: „Wachsende Ungleichheit, sofern sie nicht adäquat angegangen wird, kann zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen führen“.
    Quelle: Süddeutsche

  12. Immer mehr Arbeitnehmer arbeiten befristet
    Die Zahl der befristet Beschäftigten ist in den letzten 20 Jahren um eine Million gestiegen. Die Linke kritisiert das und fordert ein Ende des „Befristungsirrsinns“.
    Die Zahl der befristeten Beschäftigten in Deutschland ist gestiegen. Das geht aus einer Antwort des Statistischen Bundesamtes auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann hervor. Insgesamt waren im vergangenen Jahr demnach 2,8 Millionen Arbeitnehmer befristet beschäftigt und damit eine Million mehr als vor 20 Jahren. […]
    Den Daten zufolge sind besonders oft 25- bis 34-Jährige befristet beschäftigt. „Gerade bei jüngeren Menschen sorgen Befristungen dafür, dass sie elementare Dinge des Lebens nicht planen können, wie etwa eine Familiengründung“, sagte Zimmermann. Eine Studie (PDF) des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigte bereits im vergangenen Jahr, dass mit Befristungen häufige Stellen- und Ortswechsel einhergehen, die etwa stabile Partnerschaften und eine Familiengründung erschweren.
    Quelle 1: Zeit Online
    Quelle 2: die Linke im Bundestag

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die üblichen Unglaublichkeiten, hier noch ein paar mehr als sonst. „Die Arbeitgeber sehen befristete Beschäftigung, Teilzeit oder Zeitarbeit als Möglichkeit, das Arbeitsvolumen an „betriebliche Notwendigkeiten“ anzupassen. Reguläre Jobs würden nicht verdrängt und die Schaffung neuer Stellen eher erleichtert.“ – Was soll das? Wenn es keine Befristungen und keine Zeitarbeit gäbe, dann müssten reguläre, unbefristete Stellen geschaffen werden; die Arbeit muss schließlich gemacht werden. Angesichts von Jahr zu Jahr steigenden Rekordgewinnen ist die permanente „Lohnmoderation“ eine einzige Unverschämtheit. „Die Studie zeigte auch, dass befristet Beschäftigte deutlich weniger verdienen als Arbeitnehmer mit unbefristetem Vertrag.“ – Ist das nicht der viel wichtigere Grund: befristet Beschäftigte trauen sich nicht, höhere Löhne zu fordern, weil sie auf eine unbefristete Stelle hoffen? „So seien 2015 insgesamt 15,5 Prozent der befristeten jungen Arbeitnehmer von Armut bedroht gewesen.“ – Also jeder sechste Befristete war arm, und zwar nach den Kriterien mit den extrem niedrigen Armutsgrenzen. „Bei den [Beschäftigten] mit Dauervertrag waren […] dagegen nur 7,5 Prozent [von Armut bedroht].“ – „Nur“? Sind denn 7,5 Prozent „working poor“ nicht schon viel zu viel? Die Maßstäbe haben sich anscheinend völlig verschoben.

  13. Jobcenter sind zu Kreditinstituten geworden – Bundesagentur beauftragt private Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug und treibt die Schuldner in die Insolvenz
    Die Hauptursache für die Überschuldung ist der Verlust des Arbeitsplatzes, für jeden fünften deutschen Schuldner war die Erwerbslosigkeit im vergangenen Jahr der Grund für die finanzielle Notlage. Damit beginnt für viele Schuldner die Spirale abwärts in die Schuldenfalle, weil Schulden ein wichtiges „Vermittlungshemmnis“ bei der Arbeitssuche ist. Deshalb finanzieren viele Jobcenter für die betroffenen Menschen eine Schuldnerberatung in externen Beratungsstellen.
    Ist das Jobcenter oder die Bundesagentur (BA) aber selbst Gläubiger verhält man sich dort, ganz anders. Nur in besonderen Härtefällen dürfen sie sich bei der Schuldenregulierung auf eine außergerichtliche Einigung einlassen. Damit ist bei allen verschuldeten, erwerbslosen Menschen, die auch bei der BA Schulden haben, ein Insolvenzverfahren vorprogrammiert, weil bei diesen außergerichtlichen Einigungen der Grundsatz gilt, dass alle Gläubiger mitmachen und auf einen Teil der Forderung verzichten.
    Quelle: gewerkschaftsforum-do.de
  14. Bürgerversicherung: Warum nicht einfach das österreichische Modell übernehmen?
    CSU-Chef Horst Seehofer lehnte die SPD-Forderung nach einer Bürgerversicherung im Spiegel mit der Begründung ab, er sehe nicht, „wie man sie so umsetzen kann, dass sie nicht für große Ungerechtigkeiten sorgt“. In Sozialen Medien empfiehlt man ihm deshalb einen Blick über die Grenze: In Österreich funktioniert ein Bürgerversicherungsmodell nämlich seit langem so zufriedenstellend, dass auch die neue türkis-blaue Koalition bislang keine wesentlichen Änderungswünsche dazu vorgebracht hat.
    In der Alpenrepublik richten sich alle Krankenversicherungsbeiträge nach dem Einkommen, und nicht nach Vorerkrankungen oder dem Alter. Wer unterhalb von 415,72 Euro monatlich verdient, der zahlt den Studenten- und Mindesttarif von etwa 50 Euro. Darüber fallen bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 4.860 Euro 7,65 Prozent des Einkommens an. Dieser Beitrag beinhaltet sowohl den 3,87-prozentigen Arbeitnehmer- als auch den 3,78-prozentigen Arbeitgeberanteil. Österreichische Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen also nur etwa die Hälfte dessen, was in Deutschland für die Krankenversicherung anfällt.
    Dass die Beiträge so viel niedriger sein können als in der Bundesrepublik, deutet darauf hin, dass das österreichische System (in dem eine Gebiets- oder Berufskrankenkasse zugewiesen wird) effizienter ist als das deutsche mit Hunderten von gesetzlichen und privaten Kassen. Ob sich diese größere Effizienz über ein „System mit mehr als 100 gesetzlichen und privaten Bürgerversicherungen“ erreichen lassen wird, das der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gestern ins Spiel brachte, ist fraglich.
    Durch die nur halb so hohen Beitragsforderungen kommen in Österreich auch Selbständige, die den Arbeitgeberanteil (ebenso wie in Deutschland) selbst übernehmen müssen, seltener in Zahlungsschwierigkeiten. Rentner zahlen keinen Arbeitgeberanteil, sondern 5,1 Prozent ihrer Bezüge. Lassen sich Ehepartner und Lebensgefährten mitversichern, steigt der Beitrag um 3,4 Prozentpunkte; mitversicherte Kinder kosten dagegen nichts extra.
    Quelle: Telepolis
  15. Katja Kipping über die Zukunft der Linken: „Ja, vereint im Dagegen“
    Linken-Chefin Katja Kipping erläutert, was hinter dem Streit ihrer Partei über Einwanderung steckt und warum sie keine Angst vor einem Sturz hat.
    Quelle: taz

    Anmerkung von Albrecht Müller: Das Interview der Parteivorsitzenden der Linken, Kaja Kipping, wirft Fragen auf. Nicht nur, dass sie seit Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt, das zu einer Abschaffung des Sozialstaates führt (Christoph Butterwegge). Jetzt will sie, dass DIE LINKE gleichermaßen sowohl „erste Adresse“ für jene ist, „die im Kapitalismus strukturell benachteiligt werden, aber eben auch für all jene, auf die das nicht zutrifft, für die aber trotzdem Weltoffenheit und Solidarität wie selbstverständlich zu ihrem Lebensentwurf gehören“.

    Wie man erste Adresse für diejenigen sein will, die im Kapitalismus strukturell benachteiligt werden (Arbeitnehmer, Arbeitslose, Rentner, kleine Selbständige und all diejenigen, die vor den Folgen kapitalistischer Kriege und Umweltzerstörung fliehen) und gleichzeitig für die „Besitzer der Produktionsmittel“ und Profiteure der kapitalistischen Kriege und Umweltzerstörung, wird Kipping ihrer Partei erklären müssen. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass sie die aus PDS und WASG entstandene LINKE in eine Partei umwandeln will, die ähnliche Inhalte wie die Grünen oder die Piraten vertritt.

  16. «Es leben Eisner und die Weltrevolution!»
    Die offizielle Geschichtsschreibung wird von den Siegern definiert und mit den herrschenden Verhältnissen zementiert und fortgeschrieben. So verwundert es kaum, dass viele Menschen den Freistaat Bayern noch heute für eine Erfindung der CSU halten. Am 80. Jahrestag der Räterevolution forderten rund 1000 DemonstrantInnen vor der Bavaria auf einem Transparent „Kurt Eisner in die Ruhmeshalle!“ Das war 1998. Dort „angekommen“ ist er bis heute nicht. Nun erinnert erstmals die umfangreiche Ausstellung „Revolutionär und Ministerpräsident – Kurt Eisner (1867-1919)“ im Münchner Stadtmuseum an den Mitbegründer des Freistaats Bayern. Aufgrund des großen Publikumsinteresses wurde die Schau bis zum 14. Januar 2018 verlängert. Als Einstimmung auf die sehenswerte Ausstellung erinnert der Münchner Autor Michael Backmund an den brillanten Journalisten, bedeutenden Publizisten, Vordenker eines demokratischen Sozialismus, couragierten Kriegsgegner und Revolutionär Kurt Eisner.
    Quelle: Hinter den Schlagzeilen


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