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Titel: Leserbriefe zum Artikel „Die neuen Herren der Weltwirtschaft“
Datum: 2. Dezember 2017 um 11:00 Uhr
Rubrik: Ökonomie, Banken, Börse, Spekulation, Leserbriefe
Verantwortlich: Jens Berger
BlackRock und Co. interessieren auch unsere Leser. So war es keine große Überraschung, dass wir zahlreiche Leserzuschriften zum Artikel „Die neuen Herren der Weltwirtschaft“ bekamen, in dem ich das System der „Vermögensverwaltungsunternehmen“ unter die Lupe genommen und analysiert habe. Von Jens Berger.
Zunächst macht uns unser Leser Werner Augustin auf einen sehr wichtigen Punkt aufmerksam:
Sehr geehrter Herr Müller,
Sehr geehrter Herr Berger,danke für Ihren Beitrag zu Blackrock & Co.. Ich möchte Sie allerdings darauf hinweisen, dass der von Ihnen angegebene Anteil BlackRocks an Siemens, von 5,93%, womöglich nicht einmal die halbe Wahrheit ist!
Im Handelsblatt vom 18./19./20. November 2016 fand sich ein informativer und durchaus kritischen Artikel zum Thema. In die „Die wahren Herren der Welt“ war zu lesen: „Allein den neun Fonds von Blackrock gehören knapp 11 Prozent des Deutschen Aktienindex.“
Vom Autor des Artikels, Hans-Jürgen Jakobs, ist auch ein Buch erschienen: „Wem gehört die Welt? Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus“. Die von Ihnen angegebenen 5,93% sind nur die von der BlackRock, Inc. selbst gehaltenen Anteile. Daneben sind wohl noch die Anteile der einzelnen BlackRock-Fonds zu betrachten. Interessante Beispielrechnungen finden Sie hier.
Hier Auszüge aus dieser Veröffentlichung vom 16. Januar 2012:
„[…] Es stimmt nur dann, wenn man ausschließlich die Firma “BlackRock Inc.” betrachtet. Wenn man aber BlackRock Holdco 2 Inc., BlackRock Financial Management Inc., BlackRock Advisors Holdings Inc., BlackRock International Holdings Inc., BlackRock Jersey International Holdings L.P., BlackRock Group Limited mit in die Rechnung einbezieht, sieht die Sache schon ganz anders aus.
Beispielsweise gibt das Handelsblatt den Anteil von BlackRock an der Daimler AG zum 11.08.2011 mit 5,72% an. Korrekt, wenn man nur BlackRock Inc. betrachtet. Bezieht man jedoch die weiteren, in der Stimmrechtsmitteilung vom 18.08.2011 ebenfalls genannten, BlackRock-Firmen mit ein, dann ergibt sich ein völlig anderes Bild:
Neben BlackRock Inc. mit 5,72% ist BlackRock Holdco 2 Inc. mit 5,55%, BlackRock Financial Management Inc. ebenfalls mit 5,55%, BlackRock Advisors Holdings Inc. mit 3,64%, BlackRock International Holdings Inc. mit 3,48% sowie BlackRock Jersey International Holdings L.P. mit ebenfalls 3,48% an der Daimler AG beteiligt.
In Summe ergibt sich eine Beteiligung der BlackRock-Gruppe an der Daimler AG von 27,42 Prozent. Somit erreicht die BlackRock-Gruppe die sog. Sperrminorität, was aktienrechtlich weitreichende Folgen hat. Im Klartext heißt das: Bei wesentlichen Entscheidungen im Konzern geht ohne BlackRock nichts […]Mit freundlichen Grüßen
Werner Augustin
Herr Augustin und seine Quellen haben natürlich vollkommen Recht. Wie genau sich die Anteile der „institutionellen Investoren“ zusammensetzen ist nicht präzise zu sagen, da auch wir natürlich nur die öffentlich zugänglichen Daten kennen und die stammen von der BaFin aus den „Meldeschwellen“. Überschreitet der Stimmanteil eines Investors drei, fünf, zehn, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 Prozent der Stimmrechte, so muss er dies der betreffenden Aktiengesellschaft und der BaFin mitteilen. Wenn sich nun diese Anteile auf verschiedene Einheiten ein- und derselben Firma verteilen, wird es kompliziert. Hier muss nur dann aggregiert werden, wenn es einen gemeinsamen Entscheider gibt. Ob dies bei unterschiedlichen Fonds aus einem Hause der Fall ist, wird sicher strittig sein. Aber das spielt schlussendlich auch keine große Rolle, da diese Fonds und Vermögensverwalter ohnehin von ein und derselben Ideologie angetrieben werden.
Unser Leser M.R. schreibt uns …
Guten Morgen Herr Berger
Ihr Bericht zu den “Neuen Herren der Weltwirtschaft ” ist wie immer fundiert und überzeugend geschrieben. Was mir persönlich aber fehlt und das ich für mindestens genauso wichtig und gefährlich hallte wie den Supercomputer Aladin, ist: Mit dem, ja Zwang von politischer Seite aus Privat vor zu sorgen, geben wir Beschäftigten von kleinen und mittleren Einkommen diesen “Herren” genau das Geld in die Hand, mit denen Sie uns, dann zum Wohle einiger Weniger, den Arbeitsplatz weg rationalisieren.
Es ist schon fast paradox, das ich für meine Vorsorge damit rechnen muss , meinen Arbeitsplatz, der mir es erst ermöglicht diese Vorsorge zu betreiben zu Verlieren, weil ja die Rendite für die Herren mit einem Einlagevolumen von 50 Millionen Euro erwirtschaftet werden muss.
Konkret gesagt zahle ich in eine Vorsorge Versicherung welcher Art auch immer einen mir jetzt Weh tuenden Betrag ein, verliere in 5 Jahren Dank Aladin meinen Arbeitsplatz und bekomme eine Mini Mini Rückzahlung im Alter. Im Prinzip rationalisiere ich mich selbst weg. Und um so mehr das tun, um so schlimmer wird der Druck, da ja alle eine Rendite erwarten. Aber wo soll Sie herkommen ? Von diesen Herren gewiss nicht, den diese Produzieren nichts, nein ganz im Gegenteil sie entziehen genau den Firmen die Produzieren und an denen Sie große Anteile haben die Umsätze. Ich kann meinen Euro nur einmal ausgeben, entweder für die Vorsorge oder für den jetzigen Konsum. Hinzu kommt, das nicht nur das Geld der 50 Millionen-Kunden nicht in Umlauf ist , sondern auch noch zig Milliarden von uns kleinen und mittleren Einkommen . All dieser Gelder fehlen doch im Wirtschaftskreislauf, was Aladin dazu bewegt die Firma xy zu einem besseren Ertrag durch Werksschließung und Einsparungen zu zwingen.
Danach beginnt alles von vorn.
Vielen Dank
M.R.
Martin Scheuringer schreibt uns …
Vielen Dank für diesen Beitrag!
Es freut mich, dass durch diesen Beitrag vielleicht Verständnis dafür generiert wird, dass die anonymen Marktkräfte sich schon seit ihrem flächendeckenden Bestehen als eigenständige Wesen gegen die Menschen verselbstständigt haben. Früher in Form von Denkschablonen und exekutiert von den Eliten aber auch von uns als Arbeiter und Konsumenten. Diese Schablone nennt man in der VWL „rationaler Agent“, der ja eine Fiktion ist, wie kulturelle Anthropologie und Soziologie gut darlegen können. Heute nehmen diese sich verselbstständigten Marktkräfte tatsächlich materielle Form an und treten uns als Subjekt gegenüber – obwohl in Form eines Netzes von Algorithmen. Freilich spiegelt diese Subjekt uns selbst, die wir zu „rationalen Agenten“ sozialisiert wurden. Wir betätigen durch Arbeit, Kaufen, Sparen, Kosten-Nutzen-Kalkül dieses System, das eigene Zwecke verfolgt (Verwertung von Kapital), die hinter dem Horizont unserer Handlungen liegen. Das schlimme ist, dass uns diese Handlungen als „natürlich“ erscheinen, obwohl sie im Prozess der Geschichte entstanden sind und bei vielen Kulturen nicht gefunden werden können.
Das Fetischismuskapitel im Kapital von Karl Marx – wird vielleicht durch diese Entwicklung besser verstanden. Und der Ansatzpunkt für den Aufbau einer anderen Gesellschaft wird sich wenn das verstanden wird, nicht an Institutionen klammern, die mit diesem System verbunden sind, sondern jenseits davon.
Danke fürs Recherchieren!
Mfg Martin Scheuringer
Und unser Leser Udo Wellhöfer schreibt uns
Lieber Genosse(*) Berger,
ganz, ganz großer Journalismus!!!Vor rund zwanzig Jahren sagte ich mal einem (damaligen) Arbeitskollegen der als “Ossi” demnach auch ca. 6 bis7 Jahre Westluft atmen durfte und immernoch glaubte “clever ” zu sein und auch (popeliger) “Aktionär” war das man sich seiner eigenen, na nennen wir es auch “Freiheit”, beraubt wenn man dem “System” die Spargroschen (mit der erweckten Gier) anvertraut, also auch kein Interesse mehr haben kann wieder ein solidarisches Gemeinwesen zu schaffen und sich dadurch zu einer willfährigen Marionette herabstuft und sich selber in der Hoffnung, den eigenen A… an die Wand zu kriegen, versklavt.
Mit besten Grüßen. Bekanntermaßen.
PS: * ist keine Verunglimpfung oder Sarkasmus!
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