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Titel: Hinweise des Tages
Datum: 23. November 2017 um 8:09 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Redaktion
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dazu: Genossen fordern Umdenken von Schulz
In der SPD wächst der Druck auf Parteichef Martin Schulz, seinen Neuwahl-Kurs zu überdenken.
“Ich finde im Grundgesetz keinen Artikel, der Neuwahlen vorschreibt, wenn der FDP-Vorsitzende Sondierungsgespräche abbricht”, sagte Achim Post, Chef der Landesgruppe NRW, dem SPIEGEL: “Im Gegenteil: Parteien und Fraktionen sind in der Pflicht, gerade in einer schwierigen Lage wohlüberlegt Schritt für Schritt vorzugehen.”
Schulz hatte am Montag gemeinsam mit dem Rest der Parteispitze noch einmal betont, nicht für eine Große Koalition zur Verfügung zu stehen. “Jetzt irgendwelche hektischen Entscheidungen zu treffen, bringt gar nichts”, kritisierte der Chef des Seeheimer Kreises Johannes Kahrs den Kurs: “Bevor wir vor den Wähler treten, müssen wir alle Möglichkeiten ausloten.” Kritik kam auch von den pragmatischen “Netzwerkern”. “Neuwahlen sind nicht der richtige Weg”, betonte deren Sprecher Martin Rabanus.
In einer Sitzung der Bundestagsfraktion der SPD gab es ebenfalls Ärger über Schulz’ kategorisches Ausschließen einer Großen Koalition. Rund 20 Abgeordnete hielten Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles vor, die SPD in eine strategische Bredouille zu bringen. So beschwerte sich Teilnehmern zufolge unter anderem der bayerische Abgeordnete Florian Post darüber, dass die SPD seit der Wahl nur mit Postengeschacher auffalle: “Wenn wir nochmal so einen genialen Wahlkampf führen wie im Sommer, dann landen wir bei einer Neuwahl bei 20,5 minus x, nicht 20,5 plus x”, sagte er in Richtung des Parteivorsitzenden.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung Christian Reimann: Die jetzige Spitze in Fraktion und Partei – sowie die Netzwerker und Seeheimer – fürchten sich offenbar vor einer inhaltlich-programmatischen Aufarbeitung und ernsthaften Erneuerung der SPD. Die Aussicht auf eventuelle Ministerposten, scheint außerdem ihre Wirkung nicht zu verfehlen. So ist der Niedergang der ältesten Partei Deutschland jedoch nicht aufgehoben, sondern lediglich verschoben. Ohne eine Änderung der bisherigen Programmatik mit einer Abkehr z.B. von der Agenda 2010 und der Kriegspolitik sowie ohne glaubwürdiges Personal dürfte die SPD bei der nächsten Wahl weiter abgestraft werden.
Anmerkung JK: Die Verlockung schöner Regierungspöstchen ist halt doch zu hoch. Zudem erspart sich die SPD so eine inhaltliche Neuausrichtung, die nach dem letzten Wahldesaster vollmundig angekündigt wurde, von der außer Lippenbekenntnissen aber nichts zu bemerken ist. Der Druck kommt vor allem aus der Ecke des sogenannten Seeheimer Kreises, also rechten und der neoliberalen Ideologie verpflichteten SPD-Politikern. Diesen wäre die SPD als ewiger Juniorpartner in einer großen Koalition sowieso am liebsten, dann müsste man, wie schon gesagt, nicht über neue politische Inhalte bzw. über die Rückkehr zu wirklich sozialdemokratischen Werten diskutieren, sondern könnte die Durchsetzung der neoliberalen Agenda einfach weiter betreiben.
dazu auch: Alternative zu Neuwahlen: SPD-Politiker werben für Minderheitsregierung
Gibt es doch noch eine Alternative zu Neuwahlen? Mehrere SPD-Politiker sprechen sich dafür aus, eine Minderheitsregierung auszuloten. Dafür müsste allerdings die Union ihre Meinung ändern.
In der SPD mehren sich die Stimmen für eine Minderheitsregierung. Nach Fraktionschefin Andrea Nahles brachte auch Partei-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel diese Option ins Gespräch. “Wir sehen im Moment keine Basis für eine Große Koalition”, sagte er im ZDF-“Morgenmagazin”. “Wir wollen keine österreichischen Verhältnisse.”
Deshalb müsse man nach anderen Optionen suchen, sagte Schäfer-Gümbel und verwies auf Artikel 63 des Grundgesetzes. Dieser ermöglicht Neuwahlen, aber auch eine Minderheitsregierung. Damit habe man in Hessen gute Erfahrungen gemacht, 2008 regierte der damalige CDU-Ministerpräsident Roland Koch geschäftsführend mit wechselnden Mehrheiten. […]
Die Union hat sich bislang jedoch einhellig gegen eine Minderheitsregierung ausgesprochen. Dies sei angesichts der Probleme, vor denen die Bundesrepublik stehe, keine stabile Lösung.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dass keine Partei (außer CDU und CSU) regieren will und alle anderen Parteien zum Regieren auffordert, ist absurd genug. Noch interessanter ist, was unbewusst zwischen den Zeilen gesagt wird: wenn Schäfer-Gümbel auf die so gut funktionierende geschäftsführende Regierung von Roland Koch im Jahr 2008 hinweist, dann meint er auch die (mögliche) SPD-Regierung unter Andrea Ypsilanti, die die SPD-Rechte erfolgreich verhindert und Roland Koch zwei Jahre “Restlaufzeit” ermöglicht hat. Dito ist folgende Aussage nur noch schräg: “Die Union [ist] einhellig gegen eine Minderheitsregierung; [sie] sei angesichts der Probleme, vor denen die Bundesrepublik stehe, keine stabile Lösung.” Moment – welche Probleme? Geht es Deutschland nicht so gut wie nie, sind wir nicht mehr in einem Deutschland, in dem wir gut und gerne leben? Ist die Lage dank Angela Merkel nicht so stabil, dass jeder Parkwächter das Land regieren könnte?
Anmerkung unseres Lesers U.D.: Im Print eine Seite treffender Analyse über die wirklichen Probleme der SPD und dieses in der FAZ – beachtlich.
Anmerkung Christian Reimann: Interessant dazu u.a. Armut wird oft nur durch die technokratische Brille wahrgenommen und Ulrich Schneider: „Armutspolitische Ignoranz“.
Anmerkung JK: Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die “sozialdemokratisierte” CDU. Die CDU und mit ihr Merkel stehen für neoliberale Politik. Lustig allerdings die Kritik der Grünen. Wären diese in der geplanten Jamaika-Koalition ja bereit gewesen auf Bundesebene die neoliberale Politik mitzutragen. Der Knackpunkt war eben nicht die Sozialpolitik, sondern letztendlich die Flüchtlingspolitik.
Dafür stehen der zukünftigen Bundesregierung bis Ende der Legislaturperiode insgesamt 30 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss zur Verfügung, selbst wenn man an Schäubles Erbe der „schwarzen Null“ festhalten will und eine stärkere Besteuerung von Superreichen und großen Erbschaften, trotz der Erkenntnisse aus den „Paradise Papers“, ablehnt. Aber auch hier erweist sich die FDP als die Partei der organisierten Reichtumspflege. Statt die Überschüsse in Bildung, Verkehr, Wohnungsbau, Breitbandnetze, Pflege und Armutsbekämpfung zu investieren, will die FDP am liebsten alles für die Abschaffung des Soli verwenden, wovon hauptsächlich die Spitzenverdiener profitieren. Als ob die Reichen nicht genug hätten.
Quelle: DGB klartext
Anmerkung unseres Lesers D.W.: Ein hoch interessanter “Hintergrund-Podcast”. Sollte sich das Modell durchsetzen, wäre das der Beginn einer neuen Epoche des Neoliberalismus, der Beginn der endgültigen Marginalisierung aller Staatlichkeit- der Traum der extremen Libertären. Die Machtfülle, die Konzerne durch dieses Projekt erhalten könnten, erinnert an die Allmacht der “Honourable East India Company”, die als Großkonzern seinerzeit über eigenes Militär, eine eigene Gerichtsbarkeit und selbst ernannte Gouverneure verfügte und vor der jede Regierung der Welt erzitterte. Jeden, der die neoliberale Ideologie kritisch sieht, sollte dieses, unter anderem von der “Hayek-Gesellschaft” initiierte Projekt, in höchste Alarmbereitschaft versetzen.
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