Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die Zumutungen nehmen überhand (Finanzkrise XXIV)
Datum: 7. August 2009 um 14:38 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Erosion der Demokratie, Finanzkrise
Verantwortlich: Albrecht Müller
Wir könnten jeden Tag von neuen Skandalen berichten. Von Skandalen, in die die Finanzwirtschaft und ihre Manager wie auch die Politik eng verwoben sind. Eigentlich hält man das nicht mehr aus. Aber zum Lachen ist es schon, wenn angesichts der Ohnmacht von uns Bürgerinnen und Bürgern von Medienschaffenden empört die Vermutung zurückgewiesen wird, eine wirkliche Demokratie seien wir nicht mehr. Albrecht Müller
Die Verwicklung von Bundesbank und Finanzaufsicht mit den Skandalen, die freimütigen Milliarden Zahlungen auf unsere Kosten, die Verfilzung der politischen Spitzen von der Bundeskanzlerin bis zum Finanzminister mit der Finanzwirtschaft, die Zahlung von Boni und anderen Vergütungen in Milliardenhöhe von Seiten von Banken, die bankrott wären, wenn wir Steuerzahler sie nicht gerettet hätten – dies alles bleibt ohne Sanktionen. Warum wohl? Weil wir Tag aus Tag ein massiver Propaganda ausgesetzt sind und so eine Mehrheit von uns stillgestellt wird.
Da die Zumutungen überhandnehmen, fehlt manchmal die Kraft, immer wieder alles Berichtenswerte zu berichten und zu erklären. Im folgenden deshalb ohne große Kommentare nur vier weitere von vielen möglichen Texten:
I. Axel Troost: HRE-Zwischenbericht entlarvt Regierung
Berlin (ots) – “Seit ihrer Gründung war die HRE verdächtig, eine Müllhalde der Hypo Vereinsbank für faule Immobilienkredite zu sein. Der jetzt vorgelegte Zwischenbericht bestätigt den Verdacht: Mit der HRE hat sich der Staat eine Bad Bank eingekauft”, sagt der finanzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Axel Troost. Da helfe es nichts, dass die SPD dies im HRE-Untersuchungsausschuss beharrlich zu leugnen versucht. Troost weiter:
Mit einem Minus von über einer Milliarde Euro machen die überwiegend aus Deutschland stammenden faulen Kredite den übergroßen Teil aller Verluste aus. Die Folge: Während die Rettung der HRE im vergangenen Herbst mittlerweile ein risikoloses Zusatzgeschäft für die beteiligten Privatbanken geworden ist, wird die dilettantisch verstaatlichte HRE auf Jahre hinaus ein Milliardengrab für den Staatshaushalt sein.
Quelle: Presseportal
Anmerkung MM: Und das alles ist unter einem sozialdemokratisch geführten Finanzministerium verursacht worden. Die CDU/CSU kann sich getrost zurücklehnen, da sich die Wut des Steuerzahlers hauptsächlich auf die SPD niederschlägt. Asmussen und Steinbrück hätten der CDU keinen besseren Dienst erweisen können. Man könnte sie sogar für Doppelagenten halten.
Anmerkung AM: Ich hätte mir gewünscht, dass man im Untersuchungsausschuss z.B. auf die einschlägigen Aussageversuche des Zeugen Groh (siehe Ziffer 2) eingegangen wäre, statt ihn abzuwiegeln.
II. BESONDERER AUFSCHLAG
Commerzbank zahlt keine Boni – aber Prämien
Belohnung nach Commerzbank-Art: Weil sich die Mitarbeiter der staatlich gestützten Commerzbank bei der Dresdner-Übernahme so verausgabt haben, sollen sie eine Prämie zusätzlich zum Gehalt bekommen.
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung: Es ist einfach nur noch lachhaft. Wenn die Mitarbeiter sich bei bzw. vor der Übernahme der Dresdner Bank wirklich Mühe gegeben hätten, hätte man erkannt, dass die Dresdner Bank die Commerzbank in den Abgrund reißt und diese Übernahme erst gar nicht getätigt. Für eine solche weitsichtige Entscheidung hätten dann meinetwegen alle Mitarbeiter eine Prämie bekommen können. Hier wird erneut einfach nur Missmanagement belohnt.
III. Staat überprüft Boni bei Goldman Sachs
Obwohl die US-Bank vom amerikanischen Steuerzahler finanziell gestützt werden musste, will das Institut über elf Mrd. $ an ihre Manager ausschütten. Die Bevölkerung ist entrüstet. Nun nimmt sich die Regierung der Sache an.
Quelle: FTD
IV. Rückschau: EZB als Bad Bank
Das Milliarden-Risiko für die EU-Bürger
Mail von Ludger Klus an AM von NDS:
Am 4.8. brachte ARD-Fernsehen ‘plusminus-München’ den folgenden Beitrag zur Verschiebung von ABS-Schrott als Pfand für EZB-Gelder. Dazu gibt es einen Vorbericht.
Deswegen habe ich mir den Beitrag von plusminus-München angesehen. Er ist interessant und enthält durchaus Wissenswertes für die NDS-LeserInnen. Dennoch zwei wichtige Anmerkungen dazu:
Die ARD-Sendung ‚plusminus’ vom 4. August 2009 thematisierte die Rolle der EZB und der Nationalbanken bei der Verschiebung von ABS-Kreditschrott. Dazu zwei Anmerkungen:1. Nach ‚plusminus-München’ nahm die EZB 2008 Asset-Backed Securities (ABS- Kreditschrott) als umetikettierte Wertpapiere in Höhe von 442 Milliarden Euro als Sicherheiten für Refinanzierungsmittel (Offenmarktpolitik) der Banken an. Gegenüber 2007 hat sich das Volumen der mit Kreditschrott besicherten Finanzierungsmittel der Banken bei der EZB mehr als verdoppelt. Zur Erklärung (für Leser): Die EZB behält im Wege ihrer ‚Offenmarktpolitik’ den ABS-Schrott solange als Pfand, bis die Banken ihre Verbindlichkeiten gegenüber der EZB zurück gezahlt haben. Zum Kernbestand der EZB-Sicherheiten gehören mithin nicht verkäufliche ‚Wertpapiere’. Das allein ist schon ein mittlerer Skandal. Dennoch: Die Banken erhalten nach Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der EZB ihren dort als Pfand zwischengelagerten ABS-Müll allerdings zurück. Doch ganz so harmlos ist das Zwischenlagern der Risken des bei der EZB deponierten Kreditmülls nicht, wie ‚plusminus-München’ das in einem ergänzenden Bericht zur Sendung darstellt. Dort wird das ‚Ausfallrisiko’ mit dem Risiko eines Autohändlers verglichen, der einem Kaufinteressenten einen teures Auto für eine Ausfahrt am Wochenende ausleiht und als Pfand dessen ‚Schrottlaube’ auf dem Hofe stehen hat. Entscheidend sei doch nur , so Prof. Dr. Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim, dass der Autohändler seinen teueren Leihwagen wohlbehalten zurück bekomme. Das Risiko auf der unverkäuflichen Schrottlaube sitzen zu bleiben, sei also ‚im Grunde zweitrangig’.
Dieser scheinbar wissenschaftliche Vergleich ist ein typisches Beispiel für eine volkstümelnde Banalisierung der organisierten Verhinderung für die Anwendung des allgemeinen Verursacherprinzips bei der Übernahme der Haftung für die Schäden der sogenannten Finanzkrise.. Denn bei einem Leihwagen ist das Risikos seines ‚Untergangs’ und dessen Folgen (Personenschäden, Umweltschäden usw.) ein grundsätzlich versicherbares Risiko. Im Normalfall ist ein derartiges Risiko auch versichert. Kommt es tatsächlich zum Crash, zahlt die Versicherung dem Autohändler oder einem geschädigten Dritte gewöhnlich den entstandenen Schaden. Auf den ‚Verkaufswert’ des Schrottlauben-Pfands kommt es in der Tat nicht an. Hingegen liegen hinter einem ABS-Pfand im Normalfall stark risikobehaftete Kredite für Spekulationsgeschäfte, für Glücksspiele, Schrottimmobilien und Wetten. Das sind Risiken, die dem Grunde nach nicht versicherbar sind. Kommt es nun zu einem Crash, der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerbank, ist die EZB ausschließlich auf die Verwertung ihres ABS-Pfands angewiesen. Letztlich schaut die EZB im Falles eines Crashs also in die Röhre. Sie muss ihre Forderung gegen ihre Schuldnerbank abschreiben. Ihr Gewinn fällt entsprechend geringer aus. Der Gewinnausfall führt zu einem Einnahmeverlust im Bundeshalt. Kurzum: Der Steuerzahler haftet und zahlt für den Kreditausfall eines mit ABS besicherten Kredits der EZB. Sie ist also eine Bad Bank.
Die Frage, in welcher Höhe es bei der EZB–Bad Bank in 2007, 2008 und zuvor aufgrund nicht verwertbarer ABS-Sicherheiten zu Verlusten kam, wurde von ‚plusminus-München’ nicht beantwortet. Nach der Pleite der deutschen Tochter der Lehman Bank und Pleiten anderer Banken, standen diese 2008, so der plusminus-Bericht, mit über 10 Milliarden Euro bei der EZB in der Kreide. Die Sicherheiten dafür waren praktisch nicht verkäufliche ABS-Papiere. Für mögliche Verluste soll die EZB 5,7 Milliarden Euro zurückgelegt haben. Das entspräche einem kalkulatorischen Ausfallrisiko von immerhin rund 50 Prozent (!). Bei einem angenommenen Ausfallrisiko in dieser Höhe ist die EZB auch noch ihrer Selbsteinschätzung offenkundig eine Bad Bank. Wie viel die EZB zwischenzeitlich für die Entsorgung des Kreditmülls der Banken zahlte, dürfte doch in Wahlkampfzeiten wohl zu klären sein!2. Die EZB kalkulierte die ABS-Sicherheiten 2008 also noch mit einem Ausfallrisiko von rund 50 Prozent. Vor einigen Monaten führte die EZB allerdings einen generellen Risikoabschlag von 12 Prozent für ABS-Papiere ein. Danach offerierte die EZB den Banken einen Jahrestender(!), Zuteilung: 24. Juni 2009, Verfallstag: 1. Juli 2010, mit einem Volumen von mehr als 442 Milliarden Euro und zu einem Festzinssatz von einem Prozent.. Angesichts dieser billigen und großen Geldmenge sieht Prof. Dr. Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim, nun jedoch eine ganz andere Gefahr: Inflation: “Die EZB kann ja in dem Sinne nicht pleite gehen. Sie sitzt ja an der Quelle. Sie kann selber Geld schaffen. Das Problem ist nur, wenn man zuviel Geld schafft, in dem Augenblick sinkt der Wert des Geldes der Menschen”, erklärt Prof. Burghof gegenüber plusminus. Er verkennt jedoch, dass ‚die Menschen’ (der Konsumgütermärkte) gar keine Verfügungsgewalt über dieses zusätzliche und billige Geld erlangen.
Überdies hat die deutsche Plattform für die Verbriefung von Risiko- und Spekulationskrediten, die TSI – GmbH, nach eigenem Bekunden seit Oktober 2008 öffentlich keinen ABS-Schrott plaziert. Andererseits erfinden die Kreativabteilungen der Banken des TSI-Kartells weiterhin munter ‚innovative’ Finanzprodukte für kreditfinanzierte Spekulationen auf den diversen Rohstoff-, Lebensmittel-, Devisen- und sonstigen Spekulationsmärkten. Die Kredite für ihre Spekulanten finanzieren die Banken offenkundig aus dem relativ langfristigen und billigen 442-Milliarden-Tender der EZB. Diese neuen bzw. fortgesetzten Kredite zur Finanzierung der Spekulationsprojekte (Eigengeld der Kreditnehmer ungefähr 10 Prozent) werden über eine Zweck-GmbH des TSI-Bankenkartells verbrieft und von den Banken (ohne öffentliche Platzierung) als völlig intransparente Wertpapiere der EZB als Pfand zur Besicherung ihrer Tender-Billig-Kredite vorgelegt. Mit einem Risikoabschlag von 12 Prozent werden von der EZB als Sicherheit ABS-Papiere akzeptiert, die zuvor noch billige Bankkredite aus EZB-Mitteln waren. Für eine Tranche in Höhe von beispielsweise 100 Millionen Euro aus dem Jahrestender der EZB muss eine Gläubigerbank also lediglich rund 114 Millionen Euro ABS-Papiere als Pfand bei der EZB hinterlegen. Hingegen kalkulierte die EZB bis 2008 noch mit einem Verlustrisiko in Höhe von rund 50 Prozent für derartig dubiose Sicherheiten. Die neue und sehr ‚optimistische’ Bewertung der ABS-Sicherheiten folgt offenbar der Tatsache, dass die EZB und die Nationalbanken als ‚systemrelevante’ Banken nicht bankrott gehen können. Ihre Sicherheitsrisiken trägt vollumfänglich und garantiert die Allgemeinheit der Steuerzahler. Andererseits übertragen die Akteure der Finanzmärkte die Risiken ihrer Machenschaften über den Umweg EZB komplett auf den ‚Staat’. Gleichzeitig haben die Akteure der Finanzmärkte die ‚klassischen’ Instrumente der ‚staatlichen’ Geldpolitik zur Regulierung der Geldmenge für die sogenannte ‚Realwirtschaft’ vollständig ausgehebelt und so außerdem ‚staatliches’ Geld in ihre Spekulationsmärkte gelenkt. Eine geordnete und halbwegs funktionierende Geldpolitik für die ‚Realwirtschaft’ ist mit den herkömmlichen Mitteln praktisch nicht mehr möglich. Diese fatale Aushebelung der EZB-Geldpolitik durch die Banken ist die konkrete und bereits eingetretne Gefahr für die ‚Realwirtschaft’. Die gebetsmühlenartige Beschwörung der Inflationsgefahr hat mit den Realitäten nichts zu tun und lenkt von den Verantwortlichkeiten des ganzen Desasters ab.
Denn angesichts traumhafter Renditeerwartungen für spekulativ eingesetzte und überwiegend fremdfinanzierte Gelder in der ‚unrealen’ Spekulationswirtschaf gibt es im Hinblick auf eine vergleichsweise bescheidene Renditeerwartung für Investitionen in der ‚Realwirtschaft’ für eine pro aktive Kreditvergabe zugunsten der ‚Realwirtschaft’ seitens der Banken kaum eine Motivation. Die ‚ganz andere Gefahr’, ist also nicht die von Prof. Burghof befürchtete Inflation. Denn über die billigen EZB-Gelder können die Konsumenten gar nicht verfügen. Die ‚ganz andere Gefahr’ ist die real-konkrete Aushebelung der klassischen Lenkungsinstrumente einer wesentlich monetär gelenkten Marktwirtschaft durch die unproduktiven und parasitären Akteure der Spekulationsmärkte. Diese werden über die Banken bei geringem Eigenrisiko mit billigem Geld der EZB versorgt. Dort können die Banken außerdem für die Dauer eines Jahres völlig kostenfrei ihren ABS-Müll zwischenlagern. Während dieser Zeit trägt die Allgemeinheit das gesamte Ausfallrisiko. Spätestens nach der Bundestagwahl werden die nächsten Spekulationsblasen platzen. Daher sollte jetzt geklärt werden, welche Banken in welchem Umfang bei der EZB und bei der Bundesbank ABS-Papiere oder vergleichbaren Kreditmüll als ‘Pfand’ zwischengelagert haben.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=4117