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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. November 2017 um 8:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Mehr Pfosten als Säule
  2. Ungleichheit in Deutschland: Paradies für Wenige
  3. Sahra Wagenknecht für Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik
  4. Heynckes als Vorbild: Warum Unternehmen auf die Alten setzen sollten
  5. Siemens will weltweit 6900 Jobs streichen
  6. Wieder Volkswagen
  7. EU-Spardiktat tötet in Griechenland
  8. Der Fall Oury Jalloh: Gutachten legen Mordverdacht nahe
  9. Deutschland hilft sich selbst
  10. Bürokratiemonster ohne humanitäre Flexibilität: Zur Reform der Dublin-Verordnung
  11. Im schlimmsten Fall müssen neue Atomraketen in die Eifel
  12. Töten mit deutscher Hilfe
  13. Man schießt deutsch
  14. „Das ist der dritte Akt des Putsches“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Mehr Pfosten als Säule
    Ein Kodex sozialer Rechte durch die EU wird das Problem der mangelnden Sozialstaatlichkeit innerhalb der Mitgliedstaaten nicht lösen. Und das Wettbewerbsproblem schon gar nicht.
    Es ist so weit. Auf dem Sozialgipfel der EU in Göteborg wird am heutigen Freitag über die Mitteilung und Empfehlung der EU Kommission zur europäischen Säule sozialer Rechte beraten (Eine interessante Vorausschau auf das Ereignis findet sich hier).
    Was in fast all den bislang vorliegenden Bewertungen dieses Ereignisses und der vorliegenden Thematik völlig untergeht, ist der Hinweis, dass es ohne intelligente Wirtschaftspolitik auch keine wirksame Sozialpolitik geben kann. Immer noch wird ignoriert, dass die Grundlage für sozialstaatliches Handeln die eigene volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die damit verbundene Primärverteilungsposition ist. Sie erst ermöglicht eine progressive Gestaltung des Sozialraums Europa. Der völlig irreführende Umgang mit der Mindestlohnsicherung hakt genau an dieser Tatsache.
    Wenn aber der auch gesamtwirtschaftlich justierte Tariflohn nicht mehr der Mindestlohn ist, so wie das in der Vergangenheit richtig gehandhabt wurde, wie soll dann eine leistungsgerechte und wohlfahrtsstaatliche soziale Säule in der EU überhaupt entstehen?
    Quelle: Makroskop

    dazu: EU-Wirtschaftspolitik: Wind in den Segeln, aber keine Kurskorrektur
    In seiner Rede zur „Zukunft der Union“ verteidigte EK-Präsident Jean-Claude Juncker den wirtschaftspolitischen Kurs der letzten Jahre und stellte ein „Weiter wie bisher“ in Aussicht. Dabei blieb ausgeblendet, welchen Beitrag die EK mit ihrer anhaltenden Wettbewerbsfixierung zum Aufbau ökonomischer Spannungen innerhalb und außerhalb der EU leistet. doch für die Prävention künftiger Krisen braucht es eine Neuausrichtung hin zu einer wohlstandsorientierten Wirtschaftspolitik.
    Quelle: Blickpunkt WiSo

  2. Ungleichheit in Deutschland: Paradies für Wenige
    Die so genannten Paradise-Papers sind der Beweis: Unternehmen und Superreiche verschieben vollkommen legal Riesensummen in Offshore-Zentren und sparen so Milliarden an Steuern. Die Zeche zahlen der normale Steuerzahler und die Gesellschaft. Nun muss der Staat die Steuerschlupflöcher für die Reichen endlich schließen und Finanztransfers in Schattenfinanzplätze unterbinden. (…)
    Durch diese Geschäfte entgehen allein dem deutschen Fiskus schätzungsweise ein Drittel der Einnahmen bei den Unternehmenssteuern (siehe Abbildung), 17 Milliarden Euro pro Jahr. Die Zeche zahlen der normale Steuerzahler und die Gesellschaft, die unter einem staatlichen Sparkurs leidet. Der größte Skandal: Diese Offshore-Geschäfte sind noch nicht einmal per se illegal. Obwohl immer wieder Fälle auftauchen, hat die Politik sie noch nicht unterbunden. Es darf aber nicht sein, dass Großkonzerne und Superreiche sich zum großen Teil von der Finanzierung des Gemeinwohls verabschieden, obwohl ihre Gewinne und ihr Reichtum auf der hiesigen Wirtschaft, Infrastruktur und Gemeinschaft basieren.


    Durch Steueroasen entgehen allein Deutschland schätzungsweise ein Drittel der Unternehmenssteuern. Quelle: G. Zucman/ Uni Berkeley; Süddeutsche Zeitung Grafik: DGB

    Wenn Billionen in Steuerparadiese verschoben werden, verschleiert dies auch das wahre Ausmaß der sozialen Ungleichheit. Reichtum und Armut sind zwei Seiten der gleichen Medaille. So belegen aktuelle Zahlen der europäischen Statistikbehörde, dass in Deutschland etwa jeder Zehnte Erwerbstätige von Armut betroffen oder gefährdet ist. Vor 10 Jahren lag der Anteil der Armutsbetroffenen bei knapp der Hälfte. Arm trotz Arbeit – leider ein weit verbreitetes Problem in Deutschland. Die Armutsgefährdungsquote unter Teilzeitbeschäftigten beträgt 15,2 Prozent, die von befristet Beschäftigten gar 20,5 Prozent.
    Quelle: DGB

  3. Sahra Wagenknecht für Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik
    Einen Rekordanstieg bei der Zahl der Erwerbstätigen meldet das Statistische Bundesamt heute. Leider bedeutet das längst nicht für alle eine Arbeit, von der man leben kann. Ganz im Gegenteil: jeder zehnte Erwerbstätige ist armutsgefährdet. Insbesondere betroffen sind befristet und in Teilzeit Beschäftigte. Unser Sofortprogramm für einen längst überfälligen Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik hin zu sicherer und gut bezahlter Arbeit für alle: sachgrundlose Befristungen verbieten. Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen, Lohndumping durch Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen stoppen.

    Quelle: Sahra Wagenknecht via Facebook

    dazu: Jamaika-Sondierer behalten sachgrundlose Befristung bei
    Union, FDP und Grüne sind sich einig, dass Arbeitsverträge auch künftig ohne sachlichen Grund auf bis zu zwei Jahre befristet werden können sollen.
    Quelle: Reuters

  4. Heynckes als Vorbild: Warum Unternehmen auf die Alten setzen sollten
    Jupp Heynckes kam aus der Rente zurück – und führt jetzt Bayern München zu neuen Erfolgen. Karriereberater Martin Wehrle fordert: Hört auf, ältere Mitarbeiter wie Alteisen zu behandeln.
    Seine Qualifikation: ausgezeichnet. Seine Zeugnisse: einwandfrei. Seine Motivation: hoch. Warum der Industriekaufmann trotzdem keinen neuen Job findet, liegt auf der Hand: Er ist 52 Jahre alt. Und spätestens ab Mitte 40 gilt man auf dem deutschen Arbeitsmarkt als alter Sack. Was die Firmen an den Älteren stört, ist vor allem die Zahl auf dem Gehaltszettel. Wenn ein Hochschulabgänger als 25-Jähriger mit 40.000 Euro einsteigt und jedes Jahr zwei Prozent mehr bekommt, verdient er mit 50 rund 66.000 Euro. Und nun fragt sich der Milchmädchen-Manager: “Warum soll ich für einen Alten 65 Prozent mehr bezahlen?”
    Ältere Mitarbeiter werden seltener eingestellt – und bevorzugt abserviert. Aber das ist gar nicht so einfach. Je mehr Dienstjahre einer geleistet hat, desto ausgeprägter ist sein Kündigungsschutz. Gefragt sind deshalb Wege der sanften Entsorgung. Zum Beispiel heißt es im Rundschreiben eines großen Verpackungsherstellers: “Wir wollen uns bei langjährigen, verdienten Mitarbeitern mit dem Angebot bedanken, dass sie schon einige Jahre vor dem offiziellen Renteneintritt ausscheiden können.”
    Die Älteren lesen die Botschaft zwischen den Zeilen: “Ihr alten Saftsäcke, das ist eure letzte Chance! Entweder ihr nehmt unser schäbiges Angebot für einen Auflösungsvertrag an – oder wir ekeln euch raus!”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Der Autor schildert die Situation in Deutschland pointiert und treffend. Man fragt sich vor diesem Hintergrund nur, was in den Köpfen der politischen Entscheidungsträger vorgeht, die inzwischen ein Rentenalter von 70 propagieren.

  5. Siemens will weltweit 6900 Jobs streichen
    6900 Stellen weltweit, 3300 davon in Deutschland: Siemens hat angekündigt, Tausende Jobs zu streichen. Zwei Werke in Leipzig und Görlitz sollen ganz geschlossen werden.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Die Wirtschaft boomt, die Konjunktur überhitzt… Dazu kommt, dass Siemens nach eigenen Angaben ein weiteres hervorragendes Geschäftsjahr mit einer Gewinnsteigerung um 11% auf 6,2 Mrd. € abgeschlossen hat. Was geht wohl in den Köpfen der Menschen vor, die das Ergebnis mit erarbeitet haben und nun ihren Arbeitsplätze verlieren sollen?

  6. Wieder Volkswagen
    Gute Zahlen, tolle Pläne und immer wieder die Fahnder im Hause: Autoriese wegen hoher Vergütung des Betriebsratschefs im Behördenvisier […]
    Offizieller Anlass der Razzia – gefilzt wurden nach Konzernangaben die Büros von Finanzvorstand Frank Witter, Personalvorstand Karlheinz Blessing und Betriebsratschef Bernd Osterloh – seien angeblich überhöhte Zahlungen an letzteren. Das hatte etwas von einem Déjà-vu. Bereits der VW-Skandal vor mehr als zwölf Jahren (bitte in die Suchmaschine eingeben: »Gebauer, wo bleiben die Weiber«) hatte sich an überhöhten Zahlungen und undurchsichtigen Finanzgebaren zu Gunsten festbestallter »Arbeitnehmervertreter« entzündet. Personalvorstand Peter Hartz (Hartz-Gesetze-»Erfinder«) und Gesamtbetriebsratschef Klaus Volkert wurden vom Hof gejagt, blieben aber letztlich weitgehend unbehelligt.
    Osterloh, dem jetzt die Aufmerksamkeit der Fahnder gilt, hatte damals den Neuanfang verkündet und seinen Ruf als Saubermann (und veritabler Ko-Manager) lange wahren können. Und jetzt soll das anders sein? Klar scheint bisher nur: Die Durchsuchungen markieren einen weiteren Rückschlag für den Konzern, der nicht zuletzt wegen »Dieselgate« wieder einmal in einer Glaubwürdigkeitskrise steckt.
    Quelle: junge Welt
  7. EU-Spardiktat tötet in Griechenland
    »Austerity kills! – Austerität tötet!«, lautet eine Parole gegen die drastische Kürzungs- und Privatisierungspolitik, die südeuropäischen Staaten von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgezwungen wird. Hört man den Berichten des griechischen Kardiologen Giorgos Vichas zu, ist klar, dass es sich bei dem Slogan um eine realistische Beschreibung der Lage handelt. Der Gründer und Leiter der Sozialklinik Elliniko in Athen war am Donnerstag Gast einer Veranstaltung im Hamburger Uniklinikum Eppendorf (UKE). Eingeladen hatte die AG Kritische Mediziner*innen in Kooperation mit dem Förder- und Freundeskreis »Elliniko« und dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Uni Hamburg.
    Wie Austeritätspolitik (Austerität heißt übersetzt »Sparsamkeit« bzw. »Disziplin«, ein Euphemismus also) tötet, machte Vichas mit erschreckenden Fakten und Zahlen deutlich. Seit Ausbruch der Krise in seinem Land 2008 seien die Ausgaben für das öffentliche Gesundheitswesen um rund 60 Prozent gekürzt worden, von 24 auf rund 9,5 Milliarden Euro im Jahr. Viele Gesundheitszentren und Krankenhäuser hätten in den letzten Jahren schließen müssen, die Hälfte aller Ärzte an staatlichen Kliniken seien entlassen worden. Rund 20.000 Ärzte hätten Griechenland verlassen, die Abwanderung halte an.
    All das, so Vichas, habe verheerende Folgen. So breiten sich längst marginalisierte Erkrankungen wie Tuberkulose wieder aus. Der Anteil der an Diabetes mellitus erkrankten Menschen in der Bevölkerung sei von 2009 bis 2015 von 7,9 auf 9,2 Prozent gestiegen, bei Depressionen habe es in diesem Zeitraum einen Anstieg von 2,6 auf 4,7 Prozent gegeben. Die Selbstmordrate sei angestiegen, ebenso die Säuglingssterblichkeit, nämlich von 2,7 Fällen auf 1.000 Geburten im Jahr 2010 auf 4,2 in 2016. Seit 2011 gebe es im Land – zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs – mehr Sterbefälle als Geburten.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Daran war auch Herr Schäuble als Bundesfinanzminister nicht unschuldig, oder? Zu befürchten ist, dass die verschärften Bedingungen und das Schicksal der Menschen in Griechenland lediglich ein Vorspiel für die EU insgesamt sind. Erinnert sei an Chile als neoliberales Modell insbesondere für die Staaten Westeuropas.

    dazu: Desaströses Zeugnis für Troika-Politik
    “Mit seinem heute vorgestellten Bericht teilt der Europäische Rechnungshof (EuRH) die Kritik der europäischen Linken an der sozial verheerenden Troika-Politik in Griechenland”, kommentiert der Europaabgeordnete Martin Schirdewan die heutige Veröffentlichung des Sondergutachtens.
    „Aus diesem Grund erneuern wir unsere Forderung nach der sofortigen Beendigung der fatalen Kürzungspolitik (Austerität), die sowohl der griechischen Wirtschaft als auch und vor allem der griechischen Gesellschaft größten Schaden zufügte und noch immer zufügt.“
    Martin Schirdewan, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europaparlament (ECON) abschließend: „Anstelle der erzwungenen Kürzung von Löhnen und Renten sowie der Privatisierung des öffentlichen Eigentums, braucht Europa endlich eine Investitionsoffensive für den sozialökologischen Umbau der Wirtschaft. Ein sozialverträgliches System kann nur dann gelingen, wenn den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Anspruch auf Löhne und Renten gewährt wird, mit denen ein Leben in Würde möglich ist.
    Quelle: Die Linke. im Europaparlament

  8. War es Mord? Dramatische Wende im Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh
    Der 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte Asylbewerber Oury Jalloh wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet. Das geht aus Ermittlungsakten zu dem Fall hervor, die dem ARD-Magazin MONITOR vorliegen. Die Staatsanwaltschaft Halle will die Ermittlungen dennoch einstellen.
    Quelle: Monitor

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Theorie mit der Selbstanzündung war noch nie plausibel. Dass die Staatsanwaltschaft trotz der neuen Erkenntnisse die Ermittlungen einstellen will, ist gleich der nächste Skandal.

  9. Deutschland hilft sich selbst
    Die EU-Staaten, an führender Stelle Deutschland, nutzen Mittel der sogenannten Entwicklungshilfe zweckentfremdend zur Versorgung der in Europa angekommenen Flüchtlinge. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor. Demnach werden die Ausgaben etwa für die Unterbringung der Flüchtlinge dem Entwicklungsetat zugerechnet, um UN-Vorgaben zu dessen Höhe zu realisieren. Der so erreichte formelle Anstieg der Mittel geht der Studie zufolge mit einem realen Schrumpfen der Zahlungen an die am wenigsten entwickelten Länder einher. Im Fall der machtpolitisch aufstrebenden Bundesrepublik fungiert die Entwicklungshilfe zudem verstärkt als Hilfsmittel zur Durchsetzung geostrategischer Interessen sowie als Hebel zur Steigerung der Exporte in die Schwellenländer. Daneben zielt die deutsche Entwicklungspolitik nach Auskunft von Experten unmittelbar darauf ab, “den Flüchtlingszustrom zu reduzieren”; die Bundesregierung handle nach der Maxime, “Flüchtlinge von Deutschland fern zu halten”. (…)
    Bei alledem richtet sich die deutsche Entwicklungshilfe in hohem Maß an den Interessen der deutschen Exportindustrie aus. Entwicklungshilfe dient der Exportförderung: Im Schnitt fließen mehr Gelder in Länder und Regionen, die deutsche Waren importieren.[7] In den Jahren 2012/13 floss beispielsweise mehr deutsche Entwicklungshilfe nach China (Platz 1) und Indien (Platz 2) als nach Afghanistan (Platz 3) oder in die Demokratische Republik Kongo (Platz 4).[8] Boomende Schwellenländer werden von Berlin bevorzugt mit Entwicklungshilfe bedacht, die überdies immer öfter an Kredite der staatlichen KfW gekoppelt ist. Bei etlichen Projekten der Entwicklungshilfe profitiert die Wirtschaft auch direkt. Dies ist etwa bei der Initiative “Cotton made in Africa” der Fall, die auch von Handels- und Textilunternehmen unterstützt wird (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Dabei werden mit Geldern der Entwicklungshilfe Lieferketten für die deutsche Wirtschaft aufgebaut. Auch bei Projekten, an denen die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beteiligt sei, verdiene die deutsche Wirtschaft direkt mit, heißt es in Berichten: Es gebe “eben auch eine Reihe von Ländern” – etwa Indien -, “die aus rein wirtschaftlichen Interessen gefördert werden”.[10]
    Quelle: German Foreign Policy
  10. Bürokratiemonster ohne humanitäre Flexibilität: Zur Reform der Dublin-Verordnung
    Bereits im Mai 2016 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Neuregelung des Dublin-Systems gemacht. Damit eine neue Dublin-IV-Verordnung in Kraft treten kann, müssen sich sowohl das EU-Parlament als auch der Rat, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten der EU vertreten sind, auf die Ausgestaltung einer solchen Regelung verständigen. Ob es überhaupt zu einer Einigung kommen wird, ist noch unklar, da sich die europäischen Regierungen bislang auf keine gemeinsame Linie verständigen konnten. Manche Mitgliedstaaten, wie etwa Ungarn, lehnen eine Aufnahme von Asylsuchenden in ihrem Land generell ab.
    Das Europäische Parlament hat dementgegen seit dieser Woche eine eigenständige Verhandlungsposition für eine künftige Dublin-IV-Verordnung. Der entsprechende Bericht des LIBE-Ausschusses passierte ohne Widerspruch das Plenum des Parlaments. PRO ASYL sieht die Vorstöße des EU-Parlaments – trotz der erkennbaren Bemühungen um Rechtstaatlichkeit – in zentralen Punkten als realitätsfremd an. Die Einführung eines Verteilungsschlüssels würde aus dem Dublin-System ein allumfassendes Bürokratiemonster machen. Kritisch zu bewerten ist zudem, dass das Parlament nur in Teilen der rechtstaats- und menschenrechtswidrigen Vorstöße der Kommission entgegen tritt. Positiv ist dagegen, dass der effektive Rechtsschutz erhalten bleiben soll. Auf der anderen Seite stellt sich das Parlament nicht dem Ansinnen entgegen, dass die einmal festgestellte Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für alle Ewigkeit erhalten bleiben soll, auch wenn sich der Asylbewerber dort nie aufgehalten hat. Damit werden Tür und Tor für das Phänomen der »refugees in orbit« geöffnet, d.h. Schutzsuchende würden in dem Staat, in dem sie sich aufhalten, keinen Zugang zum Asylverfahren mehr erhalten.
    Nachfolgend wird die Parlaments-Position in ihren Grundzügen dargestellt, um anschließend die praktischen Konsequenzen zu analysieren.
    Quelle: Pro Asyl
  11. Im schlimmsten Fall müssen neue Atomraketen in die Eifel
    Alles wie 1977: Die Russen modernisieren ihre Atomraketen, und die Nato braucht eine Antwort. Es muss die gleiche Lösung her wie damals: ein Doppelbeschluss. Fraglich, ob eine Jamaika-Koalition dazu bereit wäre. (…)
    Nur wache Geister nehmen bereits den kalten Ostwind wahr, der den Wetterumschwung bringen wird. Politisch gewendet wird er zu einem folgenschweren Ergebnis führen: Der Westen braucht einen neuen Nato-Doppelbeschluss. Im schlimmsten Fall wird es sogar nötig sein, dass die USA ihre Atomraketen auf den neuesten Stand bringen müssen und diese Waffen wie seit den Tagen des Kalten Krieges in der Eifel stationieren. Denn Moskau verhält sich derzeit wie vor 40 Jahren. (…)
    Im Kalten Krieg bestand ein Bewusstsein für diese Philosophie der Abschreckung. Ihr hing übrigens nicht nur Helmut Schmidt an, sondern auch Egon Bahr. Noch Mitte der Siebzigerjahre schrieb der außenpolitische Kopf der SPD: „Man muss einmal die Atombombe loben. Ich weiß nicht, ob ohne die so äußerst wirksame Gewalt ihrer Abschreckung die Welt weise genug gewesen wäre, die Klippen der tiefgehenden Gegensätze und Interessenunterschiede zwischen West und Ost ohne einen allgemeinen Konflikt in Europa zu umschiffen.“
    Daran hat sich leider nichts geändert. Auf heute bezogen heißt dies, im Notfall das Arsenal taktischer Atomraketen zu modernisieren – selbst das in der Eifel. Wird es in einer schwarz-gelb-grünen Koalition möglich sein? Jedenfalls sollten sich die Partner in den Sondierungsgesprächen mit diesem Thema vertraut machen.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung Christian Reimann: Was für ein Wahnsinn: Die USA sollen ihre Atomraketen nicht lediglich modernisieren, sondern diese dann auch noch in Deutschland stationieren. Die Verantwortung dafür wird einseitig den Russen zugeschoben. Glauben die “Springer”-Leute denn allen Ernstes, der Russe steht vor der Tür? Ist es nicht vielmehr so, dass die USA – und mit ihr die NATO-Mitgliedsstaaten – seit den 1970er Jahren die Strategie der Umzingelung von Russland (damals Sowjetunion) verfolgen?

  12. Töten mit deutscher Hilfe
    Drohnenangriffe der USA töten auch tausende Zivilisten. Der Stuttgarter Journalist Emran Feroz hat in Afghanistan mit Hinterbliebenen geredet. Und er fragt, wo beim außergerichtlichen Todesurteil per Tastendruck die Trennlinie zum Terrorismus verläuft. Der Bundesrepublik wirft Feroz Beihilfe zum Massenmord vor. Wenn der Himmel aufklart, wächst in Khost die Angst. Im Osten Afghanistans, an der Grenze zu Pakistan, ist der Krieg so alltäglich geworden ist, dass schon Kinder wissen, was eine Predator-Drohne und was ein Apache-Hubschrauber ist. “Wenn die am Horizont auftauchen”, berichtet der Journalist Emran Feroz, “fangen die Kleinen panisch an zu schreien, rennen zu ihren Eltern. Viele trauen sich überhaupt nicht mehr, draußen zu spielen.” Und diese Furcht, sagt er und stockt, sei leider durchaus berechtigt. Denn während die Drohnenangriffe im US-amerikanischen Militärjargon als “surgical strikes” (Angriffe mit chirurgischer Präzision) dargestellt werden, töten sie regelmäßig Zivilisten, teilweise sogar ausschließlich.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  13. Man schießt deutsch
    Saudi-Arabien erhält beim Aufbau einer eigenständigen Rüstungsindustrie Unterstützung aus Deutschland. Nachdem der Rheinmetall-Konzern über eine Tochterfirma in Südafrika eine Munitionsfabrik nahe Riad errichtet hat, in der Saudi-Arabien nun Artilleriegeschosse und Bomben für seine Luftwaffe produzieren kann, wird ein Rheinmetall-Manager im kommenden Monat den Vorsitz beim neuen Rüstungskonzern SAMI (Saudi Arabian Military Industries) übernehmen. Saudi-Arabien, das sich mit Russland den dritten Platz unter den Staaten mit den größten Militäretats weltweit streitig macht, will perspektivisch die Hälfte seiner Waffenkäufe bei Firmen im eigenen Land tätigen. SAMI soll in diesem Kontext zu einer der 25 bedeutendsten Waffenschmieden der Welt aufsteigen – mit engen Kontakten zu US-Rüstungsgiganten, aber auch zur Militärbranche der EU. Das Vorhaben wird zu einem Zeitpunkt gestartet, zu dem Riad einen äußerst aggressiven Kurs einschlägt, um Iran im Machtkampf um die Vorherrschaft in Mittelost zu schlagen.
    Quelle: German Foreign Policy
  14. „Das ist der dritte Akt des Putsches“
    Im vergangenen Jahr wurde Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff aus dem Amt entfernt, nun macht sie wieder Wahlkampf. Ein Gespräch über Verrat, Fehler und ihre politische Zukunft.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Der nächste gescheiterte Versuch einer differenzierten Darstellung. Zumindest versucht die faz nicht, wie etwa gestern die SZ, diesen Text als Interview zu tarnen.


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