Titel: Der BND-Chef heizt den West-Ost-Konflikt an und mischt sich damit in die Politik ein. Schäuble ist vermutlich der Pate.
Der Außenpolitiker der Süddeutschen Zeitung und Atlantiker Stefan Kornelius berichtete am 14. November ausführlich über eine Rede des seit gut einem Jahr amtierenden Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl. Er hebt die Bedeutung dieses öffentlichen Auftritts hervor, indem er die Seltenheit solcher Auftritte des BND-Präsidenten betont. Wer noch ein paar Erkenntnisse über den Zustand unseres Spitzenpersonals braucht, der sollte diesen Bericht lesen: ein Schwadroneur und kalter Krieger in dieser wichtigen Position! Albrecht Müller.
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Zunächst zum Hintergrund und zur Nähe zu Wolfgang Schäuble
Spiegel Online schrieb am 27.4.2016, als Kahl zum BND-Präsidenten nominiert wurde:
„Bislang war er vor allem als Schäuble-Intimus bekannt. Seit mehr als 20 Jahren arbeiten die beiden eng zusammen. Kahl gehörte zu einer Gruppe von Mitarbeitern, die den Finanzminister stets intellektuell munitioniert haben. Schäuble selbst gilt in der Union als sicherheitspolitischer Hardliner. Erst kürzlich hatte er Kanzlerin Angela Merkel gewarnt, den BND mit einer geplanten Reform zu stark in seiner Arbeitsfähigkeit einzuschränken.“
Da war absehbar, was auf uns zukommt: ein CDU-Parteisoldat und noch dazu ein Atlantiker wie Wolfgang Schäuble selbst; einer, der die Vorherrschaft des CIA beim BND keinesfalls brechen wird und sich stattdessen voll einfügt. Für diese Einschätzung spricht auch seine Rede, über die von der Süddeutschen Zeitung ausführlich berichtet wird.
Die Ordinate in unserem Land wurde damals durch diese wichtige Personalentscheidung wieder einmal kräftig nach rechts verschoben – in Richtung Feindbild-Aufbau und Abschreckung und gegen die verabredete gemeinsame Sicherheit in Europa. An dieser geballten Macht wird die Wiederbelebung der Entspannungspolitik vermutlich scheitern.
Und hier ein paar Stichworte zu den Aussagen von Bruno Kahl laut SZ vom 14.11.2017:
- Kahl bezweifelt die Wehr- und Rüstungsfähigkeiten Westeuropas.
- Er warnt vor Russland und seinen militärischen Ambitionen. Dabei unterschlägt er tatsächlich und gedanklich den für jeden Laien erkennbaren Unterschied zum Beispiel bei den Rüstungsausgaben. USA 2016: 611 Milliarden $, Russland: 69,2 Milliarden $. (Quelle: FAZ) Kahl unterschlägt auch die große Differenz zwischen den beiden Ländern bei der Zahl der Militärbasen im Ausland. USA über 700, Russland nicht einmal ein Zehntel dessen, eher im einstelligen Bereich.
- „Die machtpolitischen Ambitionen Russlands werden zunehmen“, behauptet Kahl. A.M.: Das hört sich an wie die weltpolitischen Lageschilderungen von Kleinhänschen.
- Der BND-Präsident meint, es gäbe keine Anhaltspunkte für eine Verbesserung des Verhältnisses zu Russland unter Putin. Anmerkung A.M.: Interessant ist, dass sich der BND-Präsident offenbar keinerlei Gedanken darüber macht, dass Äußerungen wie die seinen Misstrauen säen und dazu führen könnten, dass in Russland ganz andere und zwar sehr viel nationalistischere und dogmatischere Kräfte als Putin an die Macht kommen. Dann könnte wirklich stimmen, was der BND-Präsident jetzt behauptet.
- Der Streitkräfteumfang Russlands habe neue Höchststände erreicht. Russland habe seine Truppen modernisiert; dies und die Truppenverteilung sei beunruhigend. A. M.: Kein Wort zu einer der Ursachen für die Präsenz russischer Truppen im Westen Russlands: der verabredungswidrigen Ausdehnung der NATO bis an die Grenzen Russlands.
- „Statt eines Partners für die europäische Sicherheit haben wir in Russland eher eine potentielle Gefahr. Der weltpolitische Akteur Russland ist zurück, er wird ein unbequemer Nachbar bleiben.“ A. M.: Hier greift der BND-Präsident deutlich in die Außenpolitik und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland ein. Die zarten Pflänzchen einer Wiederbelebung der Entspannungspolitik versucht dieser Beamte zu „zertreten“. Da spürt man deutlich die Abhängigkeit des BND vom CIA. Dort hat man offensichtlich kein Interesse daran, dass bei uns noch einmal so etwas „Gefährliches“ wie die Entspannungs- und Friedenspolitik zum Leben erweckt wird.
- Der BND-Präsident baut dann in seine Rede noch eine Art Alibi ein: die Mahnung, „enge Bande“ zu Russland zu knüpfen.
- Der BND-Präsident äußert sich dann noch zur absehbaren Migrationspolitik. „Weit mehr als eine Milliarde Menschen“ hätten einen rationalen Grund, sich auf den Weg zu machen: gewaltsam Vertriebene, Umweltflüchtlinge, Opfer der Unterernährung. Die Zahl der Umweltmigranten werde dramatisch auf eine dreistellige Millionengröße zunehmen. – A. M.: In mehrerer Hinsicht interessant: Erstens: die Kriege des Westens werden nicht erwähnt, obwohl sie eine der wesentlichen Ursachen für Flucht und Vertreibung sind. Zweitens: Wie kann man als erwachsener Mensch in dieser verantwortungsvollen Position so übertreiben? Wenn ein Politiker der AfD sagen würde, es gebe ein Milliardenpotenzial an Flüchtlingen, dann würden alle schreien: „Seht her, ein Rechtspopulist, der die Angst vor Flüchtlingen für seine Agitation nutzt“.
- Dann kommt Kahl auch noch mit der revolutionären Beobachtung, China beanspruche den „Rang einer außenpolitischen Großmacht“. A. M.: Soweit war Kiesinger, der Kanzler der großen Koalition schon in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Für was bezahlen wir eigentlich einen solchen Spitzenbeamten?
Es ist schrecklich, dass solche Personen bei uns das Sagen haben. Sie kommen offensichtlich alle aus dem Milieu, das ich letzthin in einem Beitrag über die AfD im Schwäbischen beschrieben habe. Siehe hier Die AfD ist im schwäbischen (bürgerlichen) Milieu bestens verankert. Verständlich, dass sie sich über die Feindseligkeit der Stammesgenossen ärgert. Zu den Stammesgenossen habe ich bei diesem Beitrag vom 10. November Wolfgang Schäuble gezählt – ohne zu ahnen, dass sein Intimus Kahl das so schnell bestätigen würde.