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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. Oktober 2017 um 8:34 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. EU-Gipfel: Rückendeckung für die “Nuklearoption” in Spanien
  2. Ein deutsches „weiter so“ ist das Ende der EU
  3. Ungleichheit bei Einkommen und Arbeitsentgelten nimmt zu
  4. Air Berlin: Chefgehaltssicherung über unwiderrufliche Bankgarantie
  5. Der deutsche Sparer war’s!
  6. Panama Papers EU machte den Offshore-Betrug möglich
  7. Seidenstraße kritisch beäugt
  8. Chinesisch-Russischer Handel
  9. A German Intelligence Agent Was at the Scene of a Neo-Nazi Murder. He Can’t Explain Why.
  10. Anis Amri wurde möglicherweise von V-Mann angestachelt
  11. Ein Hauch von Maidan
  12. Bundeswehr und Partner
  13. Dramatischer Insektenschwund in Deutschland
  14. 30 Organisationen fordern: “Gute Bildung für alle Menschen!“
  15. Wieder jede Menge Nationalsozialismus und Rassismus bei Telepolis – Was ist los beim Politmagazin von Heise Online?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EU-Gipfel: Rückendeckung für die “Nuklearoption” in Spanien
    Merkel stellt sich hinter Premier Rajoy. Auch beim Brexit und in der Türkei-Frage mischte sich Merkel ein – allerdings ganz anders, als erwartet
    Die ganz heißen Eisen stehen traditionell nicht auf dem Programm des EU-Gipfels. Auch der Herbstgipfel, der am Donnerstag in Brüssel begann, machte da keine Ausnahme. Kanzlerin Angela Merkel und die 27 anderen “Leader” sprachen über Gott und die Welt. Brexit, Migration, Verteidigung, Handel, digitale Wirtschaft, Iran und Nordkorea haben es auf die offizielle Agenda geschafft. Doch die größte Krise, die Europa gerade umtreibt, stand nicht auf der Tagesordnung. Den Konflikt zwischen Katalonien und Spanien hatte Gipfelchef Donald Tusk sorgfältig ausgespart. […]
    Rajoy möchte offenbar Artikel 155 der spanischen Verfassung anwenden, was in Brüssel als “Nuklearoption” gehandelt wird, also als größtmögliche Eskalationsstufe.
    Verkünden möchte er seine Entscheidung aber erst am Samstag, also einen Tag nach dem EU-Gipfel. Dieses Timing dürfte kein Zufall sein. Denn so kann Rajoy die EU, die ohnehin schon fast geschlossen hinter ihm steht, noch effektiver vor seinen Karren spannen. Nun kann er den Katalanen nicht nur damit drohen, dass sie nach einer Sezession in Europa isoliert wären – kein EU-Staat wäre bereit, ein unabhängiges Katalonien anzuerkennen.
    Quelle: Eric Bonse auf Telepolis

    dazu: Die EU müsste in Spanien vermitteln
    Die EU muss zwischen Madrid und Barcelona vermitteln – und zwar schnell. Absurd ist, dass die Krise in Spanien zwar brisant, aber gerade durch die EU zu lösen wäre.
    Die EU-Spitze muss den Konflikt und die Interessen der Katalanen ernst nehmen, wenn sie in einer Rückkehr zu einem Flickenteppich kleiner Nationalstaaten nicht die Zukunft Europas sieht. Erkennt Madrid, dass die EU die zwei bis drei Millionen spanienkritischen Katalanen nicht mehr als „Separatisten“ verunglimpft, wird es Gesprächen mit Barcelona zustimmen – auch dann, wenn die Anwendung des umstrittenen Verfassungsartikels 155 die Zwangsverwaltung Kataloniens eingeleitet hat. Denn die ist auf Dauer sowieso nur Symbol, im Zweifel reichen dafür 4000 Bundesbeamten, ja auch die Armee nicht: Oder sollen streikende Polizisten, Staatsdiener und Hafenarbeiter mit Waffengewalt zur Arbeit gezwungen werden? Wer eine Union – also Einheit – will, sollte das gerade dann beweisen können, wenn diese zu zerreißen droht. Weil die nötigen Instrumente da sind, ist selbst nach diesem Donnerstag noch Zeit.
    Quelle: Tagesspiegel

    dazu auch: Es lebe Katalonien! Die „Tagesschau“ – Immer so rechts wie es geht
    Da wird den „katalanischen Separatisten fragwürdige Argumente für ihre Unabhängigkeit“ unterstellt. Und vom katalanischen Regionalregierungschef Puigdemont wird behauptet, er sei „abgetaucht“ als wäre er ein flüchtiger Verbrecher. Das Gesprächsangebot der Katalanen gilt dem Tagesschau-Vorturner als „inhaltsleer“. Und vorgeturnt wurde erfolgreich: Die Mehrheit der deutschen Medien begreift den katalanischen Konflikt höchstens als Folklore und stellt sich, wie die „Tagesschau“, auf die Seite der Regierung Rajoy.
    Die Europäische Union, wie auch die NATO konnten die nationalen Konflikte in ihren Mitgliedsländern nie gut leiden. Das ist seit dem Brexit eher vertieft worden. Denn der Separatismus lauert in Schottland, in Belgien oder auch in Irland oder Korsika: Als Reaktion auf Zentralregierungen, die mit regionalen Besonderheiten lieber kurzen Prozess machen als ihnen ordentliche Verfahren zuzugestehen.
    Quelle: Rationalgalerie

  2. Ein deutsches „weiter so“ ist das Ende der EU
    In dieser Episode diskutieren wir mit dem Ökonom Prof. Heiner Flassbeck welche wirtschaftspolitischen Konzepte Deutschland und Europa brauchen, um wachsender Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen entgegen zu wirken. Wir rekapitulieren außerdem das Ergebnis der Bundestagswahl und sprechen darüber, welche Handlungsspielräume Parteien links der Mitte in Deutschland haben.
    Quelle: Grautöne
  3. Ungleichheit bei Einkommen und Arbeitsentgelten nimmt zu
    Auch wenn manche jüngere Studie eher eine Stagnation feststellen will, ist der langfristige Trend doch eindeutig: Die Ungleichheit bei den Einkommen insgesamt wie auch bei den Entgelten abhängig Beschäftigter nimmt zu. Ein kurzer Überblick. […]
    Dass sich die Schere bei den verfügbaren Einkommen weiter geöffnet hat, liegt auch an einer abnehmenden Wirksamkeit der staatlichen Umverteilung (Anselmann/Krämer 2012; Schratzenstaller 2013; Schmid/Stein 2013). Unter anderem haben verschiedene steuerpolitische Beschlüsse die umverteilende Wirkung des Steuer- und Abgabensystems reduziert. Während man hohe Einkommen tendenziell entlastete, wurden kleine und mittlere Einkommen im Zeitverlauf immer stärker belastet. So hat insbesondere die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) die Progressivität der persönlichen Einkommensbesteuerung reduziert, wovon hohe Einkommen insbesondere nach der Jahrtausendwende überdurchschnittlich profitierten. Mit der im Jahr 2009 eingeführten Abgeltungssteuer deckelte man die relative Höhe der Besteuerung von Kapitaleinkommen. Eine Vermögensteuer wurde in Deutschland schon seit Ende der 1990er Jahre gar nicht mehr erhoben. Zugleich hat man die Umsatzsteuersätze mehrfach erhöht, was relativ zum Einkommen insbesondere niedrige und mittlere Einkommen sowie Lohn- und Transfereinkommen traf (Schratzenstaller 2013). Insgesamt stieg die durchschnittliche Besteuerung (durch direkte und indirekte Steuern) der zehn Prozent mit dem geringsten bedarfsgewichteten Haushaltsbruttoeinkommen zwischen 1998 und 2015 von 17,7 Prozent auf 23,1 Prozent. Die durchschnittliche Besteuerung der reichsten zehn Prozent hingegen ging im genannten Zeitraum von 33,5 Prozent auf 31,2 Prozent zurück, die des reichsten Hundertstels sogar von 44,4 Prozent auf 39,6 Prozent (Bach/Beznoska/Steiner 2016). Von dieser Politik konnten die oberen drei Dezile profitieren, während die unteren sieben Dezile durchschnittlich stärker besteuert wurden.
    Quelle: Patrick Schreiner auf Blickpunkt WiSo

    dazu: Trotz Aufschwung: Europas Löhne wachsen nur noch um 0,4 Prozent
    Europas Arbeitnehmer bekommen vom Aufschwung zu wenig ab: 2017 dürften die Reallöhne laut einer aktuellen Studie kaum wachsen. Dabei gäbe es Spielräume für höhere Löhne – vor allem in Deutschland.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Warum wohl? Weil “Lohnmoderation” zugunsten der Unternehmergewinne offizielle EU-Politik ist?

  4. Air Berlin: Chefgehaltssicherung über unwiderrufliche Bankgarantie
    Während etwa 200.000 Kunden auf wertlosen Tickets sitzenbleiben, kassiert der Manager bis 2021 viereinhalb Millionen Euro
    Etwa 200.000 Kunden, die bei Air Berlin einen Flug buchten, sitzen nun auf wertlosen Tickets, für die sie teilweise viel Geld bezahlt haben. Den Schaden müssen sie selbst tragen. Noch schlechter ergeht es etwa 5.000 einfachen Air-Berlin-Angestellten, die nicht zu den 3.000 gehören, welche von der Lufthansa übernommen werden. Sie müssen auf Easy Jet hoffen oder sich nach einem neuen Arbeitgeber umsehen.
    Nach bisherigem Kenntnisstand bekommt nur ein einziger Air-Berlin-Mitarbeiter sein Gehalt bis 2021 ausbezahlt: Der Chef Thomas Winkelmann, der seinen Job erst im Februar antrat. Er ließ sich dieses Gehalt über eine unwiderrufliche Bankgarantie in Höhe von viereinhalb Millionen Euro garantieren. Diese Summe setzt sich aus einem jährlichen Grundgehalt in Höhe von 950.000 Euro, einem Bonus in Höhe von 400.000 Euro und einer Pensionsanspruchsabgeltung in Höhe von 300.000 Euro zusammen. Damit kann sich der dann 61-Jährige sorgenlos auf den Ruhestand freuen.
    Quelle: Telepolis
  5. Der deutsche Sparer war’s!
    Drei hochrangige ifo-Ökonomen haben nun wissenschaftlich belegt, dass die Ursache der deutschen Exportüberschüsse die Investitionen deutscher Sparer im Ausland sind. Ein wirklich starkes Stück für ein Fach, das sich für eine Wissenschaft hält!
    „Alle Junggesellen in Deutschland waren noch nie und sind auch jetzt noch nicht verheiratet“ ist eine Aussage, an deren Wahrheit kein Zweifel bestehen kann. Es lohnt sich sicher nicht, eine Studie in Auftrag zu geben, die den Wahrheitsgehalt dieser Aussage empirisch untersuchen soll. Der Grund ist einfach genug: Dieser Satz ist wahr allein aufgrund der Bedeutung der in dieser Aussage benutzten Termini. Freilich ist es deswegen nicht sinnlos zu fragen, warum denn Sebastian noch immer Junggeselle ist. Wenig befriedigend allerdings wäre es, wenn wir auf diese Frage die Antwort erhielten, er sei Junggeselle, weil er noch nie verheiratet gewesen ist.
    Eine Erklärung dieser Art bieten uns die ifo-Volkswirte Gabriel Felbermayr, Clemens Fuest und Timo Wollmershäuser mit der folgenden These zu den deutschen Exportüberschüssen an (hier):

    „The German current account surplus […] is mainly a result of higher savings, driven by an ageing population.”

    Im folgenden Artikel möchten wir unser harsches Urteil begründen und damit zugleich die Frage aufwerfen, warum für eine solche Pseudoerklärung öffentliche Mittel vergeudet werden.
    Quelle: Makroskop

  6. Panama Papers EU machte den Offshore-Betrug möglich
    Ein Sonderausschuss zu den Panama Papers wirft EU-Ländern Versäumnisse vor und fordert Maßnahmen gegen Steuerflucht und Geldwäsche.
    Die weltweite Empörung ist Panama sicher, seit geheime Dokumente das kleine Land als gigantische Steueroase entlarvten. Doch ohne massive Beteiligung von EU-Staaten wäre das Treiben der Reichen zulasten der Allgemeinheit nicht möglich gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt der Panama-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments in seinem Abschlussbericht, den das Gremium jetzt mit Mehrheit verabschiedete.
    „Europa muss sein eigenes Haus in Ordnung bringen, bevor es die Plage der systematischen Geldwäsche, der Steuervermeidung und Hinterziehung beenden kann“, sagte der dänische Sozialdemokrat Jeppe Kofod als einer der Autoren des Berichts. Sein tschechischer Kollege Petr Ježek von der liberalen Fraktion im Europaparlament betonte: „Wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit eine aktivere Rolle gespielt hätten, wären die Probleme zu vermeiden gewesen, die durch die Panama Papers aufgedeckt wurden.“
    Quelle: FR Online

    dazu: Panama Papers: Linker Erfolg nach Kampfabstimmung
    “Die permanenten Steuer- und Geldwäsche Skandale der Konzerne, Reichen und Mächtigen gebieten harte Maßnahmen. Dies schulden wir auch der ermordeten maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia. Wir haben bei der gestrigen Kampfabstimmung im PANA-Ausschuss eine Verwässerung früherer Positionen des Europäischen Parlaments verhindert. Das ist ein Erfolg, aber auch kein Grund zur Euphorie“, kommentiert der Europaabgeordnete sowie stellvertretende Vorsitzende des ‚Panama Papers‘ Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments (PANA), Fabio De Masi (DIE LINKE.), die gestrige Abstimmung des Abschlussberichts im Ausschuss. Die Handlungsempfehlungen des Parlaments an Rat und Kommission müssen im Dezember noch im Plenum abgestimmt werden. Dabei sind weitere Änderungsanträge zugelassen, wodurch das Endergebnis noch einmal beträchtlich geändert werden kann.
    Quelle: Fabio De Masi

  7. Seidenstraße kritisch beäugt
    Für Griechenland bilden die chinesischen Investitionen einen seltenen Hoffnungsschimmer; damit erklärt es sich wohl, dass die griechische Regierung die Lust zu verlieren scheint, sich im Rahmen der EU in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik einzumischen. Im Juni hat sich Athen geweigert, einem bis dahin jährlich wiederholten EU-Ritus zuzustimmen, der darin bestanden hatte, beim UN-Menschenrechtsrat eine negative Stellungnahme zur Menschenrechtslage in China einzureichen. Die EU-Attacke gegen Beijing war damit geplatzt. Ganz ähnlich lief es mit dem Wunsch Berlins, Brüssel möge eine empörte Stellungnahme zu den Ansprüchen der Volksrepublik im Südchinesischen Meer verabschieden: Schon im vergangenen Jahr kam sie nach Griechenlands Nein nicht zustande.
    Ähnlich entwickeln sich die Dinge zum Beispiel in Tschechien. Dort wie auch in anderen Ländern Ost- und Südosteuropas investieren chinesische Unternehmen immer mehr. Sie eröffnen diesen damit zugleich die Chance, dem bislang erdrückenden Einfluss der deutschen Industrie zumindest ein Stück weit zu entkommen (siehe Text unten). In der Absicht, den Handelspartner und Investor nicht weiterhin vor den Kopf zu stoßen, hat die tschechische Regierung im vergangenen Jahr beschlossen, in Zukunft sollten weder Kabinettsmitglieder noch gar der Präsident den Dalai Lama empfangen. Wenig später unterzeichnete die tschechische Regierung sogar eine Erklärung, in der sie sich zur Unteilbarkeit des chinesischen Territoriums bekannte.
    Ist es auf chinesische Einmischung zurückzuführen, wenn einige EU-Länder sich inzwischen weigern, deutschen Direktiven zu folgen und der Volksrepublik auf die eine oder andere Weise in die Suppe zu spucken? Die Bundesregierung und ein wachsender Teil des medialen Mainstreams behaupten das jedenfalls.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Die Äußerungen des noch amtierenden Außenministers erwecken den Eindruck, er halte implizit an der Treue zu den USA fest, die China – bereits seit der Obama-Administration – als größten Konkurrenten betrachten. Was versteht eigentlich Herr Gabriel unter eine “Ein-Europa-Politik”? Verwechselt er EU mit Europa? Ist sich die EU so einig? Offenbar nicht.
    Bitte lesen Sie dazu auch Werner Rügemer: Varianten des Kapitalismus – Ein Vergleich des westlichen mit dem chinesischen Kapitalismus.

  8. Chinesisch-Russischer Handel
    Seit der Eskalation der Beziehungen mit dem Westen und den gegen Russland verhängten Sanktionen kam es zu einer spürbaren Annäherung des Landes an China, was sich laut Moscow Times (via Bpb-Newsletter) auch einem stark gestiegenem Handelsvolumen niederschlägt: „Russia’s drive to make China its most important trade partner in terms of dollar turnover is on track, as trade between the two new-found friends increases steadily. The partners are hoping that trade will hit $80 billion this year and $200 billion by the end of the decade. (…) From January to September trade between Russia and China increased by 22.4 percent year-on-year to $61.4 billion, the General Administration of Customs of the People’s Republic of China announced on Oct. 13.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  9. A German Intelligence Agent Was at the Scene of a Neo-Nazi Murder. He Can’t Explain Why.
    The unwitting star of this year’s edition of Documenta, Germany’s leading art festival, was not an artist, but a former intelligence agent, Andreas Temme.
    Temme, who now works in the personnel department of the local government in Kassel, where the art festival takes place, was arrested 11 years ago in connection with the murder of Halit Yozgat. A son of Turkish immigrants, Yozgat was shot and killed while sitting at the front counter of his family’s internet cafe on the evening of April 6, 2006.
    Although the police cleared Temme as a suspect after a nine-month investigation — and a neo-Nazi terror cell calling itself the National Socialist Underground, or NSU, later claimed responsibility for the murder — Temme’s presence at the scene of the crime, at a time when he was employed by a regional intelligence service to monitor right-wing extremists, has never been fully explained.
    Quelle: The Intercept_

    Anmerkung unseres Lesers R.B.: Im Artikel werden noch einmal der Verlauf der NSU-Morde und die ganzen, mit den Ermittlungen, dem Untersuchungsausschuss und dem Münchener Prozess verbundenen Ungereimtheiten und Vertuschungen aufgelistet. Der größte Teil des Beitrags konzentriert sich auf die Ermordung von Halit Yozgat, die Anwesenheit des Verfassungsschützers Andreas Temme im Internetkaffee zur Tatzeit und die Tatsache, dass es faktisch unmöglich ist, dass er die Tat nicht mitbekommen bzw. beobachtet oder zumindest den Täter gesehen hat.
    Die begründeten Zweifel am Aufklärungswillen der Behörden und den offiziellen Aussagen, den vorsätzliche Aktenvernichtungsaktionen, Kooperationsverweigerung mit dem Untersuchungsausschuss und für unglaubliche 120 Jahre weggeschlossene Untersuchungsberichte hinterlassen, wurden auf der Documenta durch Installationen der forensischen Architekten Eyal Weizman und Christina Varvia noch einmal erhärtet. Wie bizarr die Auswüchse inzwischen sind, wird deutlich, wenn Temme, mit den Videosequenzen konfrontiert, eben nichts zur Sache sagt, sondern:

    „When excerpts from the Forensic Architecture video were screened for him recently during a parliamentary inquiry into intelligence failures revealed by the NSU case, Temme’s first response was to express surprise that, as “the lead actor” in the re-enactment video used in “the art work,” no one had asked permission to use his image. Surely, he said over stunned laughter from the public gallery at the hearing, he must have some share in its copyright.”

    Wie ist es in einem demokratischen Rechtsstaat möglich, dass rechte Terroristen jahrelang unter den Augen des Verfassungsschutzes eine Blutspur durch Deutschland ziehen, wie, dass bei der Aufklärung der Verbrechen geschlampt und gemauert wird, dass Akten verschwinden und ein Untersuchungsausschuss öffentlich von Geheimdiensten (offene Kooperationsverweigerung und Lüge) und Regierung (kein disziplinarischer Druck auf die Verantwortlichen in den Diensten) vorgeführt und lächerlich gemacht wird? Wenn man Artikel, wie diesen im Intercept liest, möchte man am liebsten im Boden versinken.

  10. Anis Amri wurde möglicherweise von V-Mann angestachelt
    RBB und “Morgenpost” berichten, ein V-Mann des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes mit Bezug zu Amri habe zu Anschlägen mit LKW aufgefordert.
    Ein V-Mann soll Anis Amri, den Attentäter vom Breitscheidplatz im vergangenen Dezember, zu Anschlägen angestachelt haben. Der als Spitzel des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) tätige Mann war im Umfeld des islamistischen Predigers Abu Walaa aus Hildesheim aktiv und näher an Amri dran, als bislang bekannt. Das berichten die „Berliner Morgenpost“ und der RBB. Sie berufen sich auf mit der Szene befasste Anwälte und frühere Anhänger der sogenannten Abu-Walaa-Gruppe.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung André Tautenhahn: Sollte sich dieser Vorgang bestätigen, wäre er kein Einzelfall, wie die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner, mit einer Artikelzusammenstellung auf Twitter zeigt.

    1. Eine V-Mann-Affäre im bayerischen LKA zeigt den Wildwuchs, den der Staat im Umgang mit bezahlten Spitzeln zulässt – und bisweilen deckt.
      Quelle: Spiegel Online
    2. NSU-Sprengstofflieferant war V-Mann der Berliner Polizei
      Quelle: Spiegel Online
    3. Vom Bombenleger zur Vertrauensperson
      Quelle: Berliner Morgenpost
  11. Ein Hauch von Maidan
    Ukrainische Rechte gespalten: Proteste gegen Staatschef Poroschenko in Kiew
    Seit Dienstag weht wieder ein Hauch von Maidan durch die ukrainische Hauptstadt. Vor dem Kiewer Parlament steht ein Zeltstädtchen mit Barrikaden und Feldküchen, Demonstranten in Tarnanzügen fordern vorgezogene Neuwahlen und den Rücktritt von Präsident Petro Poroschenko. Die Polizei versuchte am Mittwoch erfolglos, das Camp zu räumen, und zog sich unter Verlust von 20 Schilden zurück. Seitdem verhandelt sie mit den Protestierenden über eine Rückgabe des »Staatseigentums«. Die lachen sich ins Fäustchen und demonstrieren weiter.
    Unübersehbar ist aber, dass der Krawall für das Fernsehen inszeniert ist. Hinter der Aktion stehen die beiden wichtigsten Konkurrenten um die Nachfolge Poroschenkos: Julia Timoschenko von der Vaterlandspartei, die ihre Kandidatur für 2019 schon angekündigt hat, und Micheil Saakaschwili, den Poroschenko durch den Entzug der Staatsbürgerschaft vergeblich von der politischen Szene der Ukraine zu verdrängen versucht hat. Unterstützt werden sie von der Gruppe der »Eurooptimisten«, also Leuten, die immer noch an eine Veränderung der Ukraine in Richtung EU-kompatibler Rechtsstaat glauben, sowie rechten Gruppierungen wie dem aus dem Nazibataillon »Asow« hervorgegangenen »Nationalen Korps«. Andererseits scheint sich der »Rechte Sektor«, der früher immer antioligarchische Sprüche klopfte, mit Poroschenko arrangiert zu haben. Sein langjähriger Anführer Dmitro Jarosch blieb den Protesten wegen »Krankheit« fern und postete vom Krankenbett aus, Poroschenko tauge zwar nichts, aber es gebe keine bessere Alternative zu ihm. Jeder denkbare Nachfolger sei ein »prorussisches Scheusal«.
    Quelle: junge Welt
  12. Bundeswehr und Partner
    Zwecks Personalrekrutierung und Attraktivitätssteigerung weitet die Bundeswehr ihre Zusammenarbeit mit deutschen Großunternehmen aus. Erst vor kurzem schlossen das Bundesverteidigungsministerium und der Handelskonzern REWE eine “Kooperationsvereinbarung”, die die “gegenseitige Vermittlung von Beschäftigten” vorsieht. REWE erklärte sich außerdem bereit, seine Mitarbeiter für militärische “Reservistendienste” freizustellen, während die deutschen Streitkräfte zusagten, die Betreffenden dort einzusetzen, wo sie “nützliche Erfahrungen für den regulären Job” sammeln können. Erst Ende September hatte die Bundeswehr eine nahezu gleichlautende Absprache mit der Dienstleistungsholding WISAG getroffen, die unter anderem mit der Bewachung von Industriegebäuden und der Durchführung von Kontrollen an Flughäfen befasst ist. Die Deutsche Bahn AG und die Deutsche Post/DHL haben sich ebenfalls auf einen intensiven Personalaustausch mit der Truppe verständigt, um dem “Fachkräftemangel” abzuhelfen. Sowohl Bahn als auch Post verfügen über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der “zivil-militärischen Zusammenarbeit”: Beide Unternehmen sind für die Logistik der Bundeswehr unverzichtbar.
    Quelle: German Foreign Policy
  13. Dramatischer Insektenschwund in Deutschland
    • Seit 1989 ist die Masse der Insekten in Deutschland dramatisch geschrumpft, belegt eine langjährige Untersuchung.
    • An 63 Orten im Bundesgebiet – allesamt Naturschutzgebiete – verzeichneten Forscher einen Rückgang um durchschnittlich 76 Prozent.
    • Experten sprechen von einem “Beleg dafür, dass wirklich ein größerflächiges Phänomen vorliegt”.
    • Eine Ursache für das Massensterben könnten Stickstoffverbindungen sein, die als Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

    Mindestens genauso verdächtig sind Pestizide im Allgemeinen und speziell die so genannten Neonicotinoide. “Diese Substanzen sind hochgiftig”, sagt Wägele. “Wenn beispielsweise eine Schnecke ein solches Pestizid frisst und anschließend von einem Käfer gefressen wird, stirbt der Käfer.” Hinzu kommt, dass Neonicotinoide nicht spezifisch bestimmte Schädlinge töten, sondern auch viele andere Insekten-Arten. Sie greifen nämlich das Nervensystem der Tiere an, eine zentrale Stelle also, die für alle Insekten gleichermaßen überlebenswichtig ist. Doch auch wenn der Verdacht naheliegt: Dass diese Substanzen wirklich der Grund für das Sterben der Insekten sind, konnten auch die Autoren der aktuellen Studie nicht beweisen. Und das ist vielleicht die erschreckendste Erkenntnis: Solange man nicht weiß, was die Ursache ist, kann man auch nur wenig tun, um den Schwund der Insekten zu stoppen.
    Quelle: Süddeutsche

  14. 30 Organisationen fordern: “Gute Bildung für alle Menschen!“
    Breites Bündnis macht sich für mehr Geld in der Bildung stark
    Mit Blick auf die jetzt beginnenden Koalitionsverhandlungen appelliert ein großes Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Gewerkschaften an CDU/CSU, FDP und Grüne, mehr Geld für die Bildung bereit zu stellen. „Deutschland braucht mehr und bessere Bildung für alle Menschen. So soll das Menschenrecht auf Bildung mit Leben gefüllt werden. Der Bund muss künftig zusätzliche Mittel in die Bildung investieren. Er soll Bildungsprojekte der Länder und Kommunen dauerhaft unterstützen. Dafür muss das Kooperationsverbot in der Bildung endlich komplett gestrichen werden“, betonen die 30 Bündnispartner am Donnerstag in Berlin. „Geld ist genug da: Die öffentlichen Ausgaben für Bildung verharren bei 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der OECD-Schnitt liegt bei 5,2 Prozent. Würde die Bundesrepublik so viel Geld für Bildung ausgeben wie die Staaten im OECD-Durchschnitt, stünden jährlich gut 26 Milliarden Euro mehr zur Verfügung.“
    Quelle: DGB
  15. Wieder jede Menge Nationalsozialismus und Rassismus bei Telepolis – Was ist los beim Politmagazin von Heise Online?
    Nachdem er sich ein halbes Jahr lang zurückgezogen hatte, oder aus der Schusslinie genommen wurde, hat sich „Deutschlands übelster Schmierfink“, Thomasz Konicz, im Politmagazin Telepolis von Heise Online mit Wucht zurückgemeldet. Als er dort Ende 2016 Sahra Wagenknecht in dutzendfacher Wiederholung als Nazi beschimpfte, hatte er viele Leser und einige wichtige Autoren des linksgerichteten Magazins arg vergrätzt. Nun darf er die Dreckschleuder wieder schwingen. In einem Blogbeitrag hatte ich die Frage gestellt, ob Chefredakteur Florian Rötzer fahrlässig oder absichtsvoll handelt, wenn er derartige Verleumdungen verbreitet, wie sie Konicz in ähnlicher Form auch schon gegen Gegner von TTIP und von Autobahnprivatisierungen auf Telepolis abgesondert hatte. Der Chefredakteur mit der linken Patina musste sich äußerst kritischen Fragen von Telepolis-Autoren stellen. Danach tauchte Konicz bis Mitte-Juni nicht mehr auf Telepolis auf. Seit dem Ende seiner Abkühlungspause schreibt er als freier Mitarbeiter wieder mit zunehmender, inzwischen sehr hoher Frequenz. Beim jüngsten Showdown von Katja Kipping und Bernd Rixinger mit Sahra Wagenknecht war für die Telepolis-Chefredaktion offenbar klar: darüber kann nur Thomasz Konicz fundiert berichten. Und das tat er, und zwar unter der in Anbetracht ihres Siegs im Machtkampf mit Rixinger und Kipping etwas eigenwiligen Überschrift: “Wagenknecht unter Druck”. Das Ergebnis in Schlagworten:

    • 5 x rassistisch, Rassismus etc.
    • 6 x nationalsozial, Nazi, braun
    • 10 x Ressentiments
    • 10 x populistisch etc.
    • 34 x rechts, auch in Verbindungen wie rechte Hetzte, rechtsextrem, neurechts usw.

    Um solche eindrucksvollen Zahlen zu erreichen musste Konicz einige Aussagen und geeignete Zitierungen wiederholen, zum Teil mehrfach. Man hat fast den Eindruck, er hatte eine Quote zu erfüllen.
    Quelle: Norbert Häring


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