Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Die Personalberater McKinsey&Company bestimmen die künftigen Elite-Studenten
Datum: 23. November 2004 um 17:01 Uhr
Rubrik: Hochschulen und Wissenschaft, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Eine ganz neue Variante eines Hochschulrankings stellt der SPIEGEL in seiner neuesten Titelstory vor: Nicht mehr die Leistungen von Hochschulen in Forschung und Lehre werden miteinander verglichen, sondern welche Studenten von welcher Uni am ehesten den Kriterien der Personalauswahl der Personalberater McKinsey & Company entsprechen. Zur Elite gehört: Wer den Standard einer schriftlichen Bewerbung bei einem internationalen Großunternehmen am besten erfüllt. Dieser Standard lautet: Die Aneignung von Wissen und Fähigkeiten zu fremdnützigen Zwecken.
Wer je einmal gehofft haben sollte, mit der Elite-Diskussion um die Ausbildung an unseren Hochschulen verknüpften sich Kriterien wie herausragende wissenschaftliche Leistung, selbständiges und kreatives Denken für produktives Gestalten und Verantwortung für die Gesellschaft, der kann, wenn dem Elite-Begriff gefolgt wird, den der SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 22.11.04 vorzeichnet, seine Hoffnungen begraben.
Die Auswahl der Merkmale für einen Elite-Studenten korrespondiert aus der Sicht der Initiatoren dieser neuen Variante eines Hochschulrankings „mit dem vorherrschenden Standard für eine schriftliche Bewerbung am deutschen Arbeitsmarkt.“ Das bekennen die Initiatoren des sog. „Studentenspiegels“, nämlich McKinsey & Company unterstützt von AOL und SPIEGEL in der Darstellung der Methodik [PDF – 1.1 MB] ihrer Befragung ganz unverblümt – oder sollte man sagen, unverfroren.
Elite-Student ist danach,
Hinzu kommen muss aber noch als besondere Charaktereigenschaft für den Elite-Nachweis:
An einem solchen Fragebogen misst sich nach Meinung des SPIEGEL „die Qualifikation und das Können“ der „kommenden Elite“ und an diesen Merkmalen unterscheiden sich „Spitzenkräfte und akademisches(!) Mittelmaß“.
Statt eines eigenen Kommentars erlaube ich mir, eine Passage aus einer Rede des Altbundespräsidenten Johannes Rau, abgedruckt in seinem Buch „Den ganzen Menschen bilden – wider den Nützlichkeitszwang“ (2004), zu zitieren. Rau hat offenbar schon vorausgeahnt, was auf dem Feld der Hochschul-Bildung von Seiten der Unternehmensberater noch alles auf uns zu kommt:
Hört man auf manche Management- und andere Berater, dann muss der künftige Hochschulabsolvent leistungsstark und belastbar sein, flexibel und vielseitig einsetzbar, anschluss- und anpassungsfähig, team- und kooperationsbegabt, selbstverantwortlich und unternehmerisch, mobil und mehrsprachig, optimistisch und hoch motiviert, kommunikativ und sozial kompetent und darüber hinaus ein Leben lang lernbereit.
Die immer schneller und alles umwälzende Globalisierung verlange von der Ausbildung, dass der Mensch auf einem sich ständig wechselnden Arbeitsmarkt flexibel verwendbar sei. Er soll die Befähigung haben, sich „als Unternehmer seiner Arbeitskraft“ immer wieder neu vermarkten zu können.
Da wird vom „multiplen Selbst“ geredet, einer Art Patch-Work-Biografie, die angesichts der immer kürzeren Verfallszeiten des vorhandenen Wissens ein ständig „geupdatetes“ Wissen braucht.
Dann werden Hochschulaufenthalte nur noch „Boxen-Stops“ für immer neue Blitzkarrieren und „Start-ups“. Die Studierenden wären sozusagen leere Festplatten, auf denen die Signale des Arbeitsmarktes „just in time“ gespeichert würden.Wenn solche Zukunftsszenarien richtig wären, dann könnten unsere Universitäten es sich leicht machen: Statt eines Studiums würde ein Bauchladen an Wissensangeboten ausreichen, aus denen man wie beim Surfen im (Karriere-)Internet das gerade Passende auswählt.
Der Einzelne würde zu einem, der sich anpasst und der sich möglichst gut einpasst.
Dann ist kein Platz für selbständiges und freies Denken, für aktives Gestalten und dafür, Verantwortung für andere zu übernehmen. Der Dienst an der Gesellschaft und an der Gemeinschaft nimmt in solchen Zukunftsentwürfen keinen Platz mehr ein.
…Eine vom Staat garantierte freie Wissenschaft ist mehr als die Produktion und die Aneignung zu fremdnützigen Zwecken.“
Was der Altbundespräsident noch als Schreckbild einer zukünftigen Hochschulausbildung karikierte, macht der SPIEGEL zum Idealbild. Schrecklich!
Da hilft nur noch Ironie:
Durch die Teilnahme am „Studentenspiegel“ sollen Studierende, die den Elitestab in ihrem Tornister spüren, durch den Vergleich mit den anderen Elitären in die Lage versetzt werden, „ihren Lebenslauf in Form zu bringen“.
Um vor allem unsere jüngeren Leser nach dieser SPIEGEL -Titelgeschichte nicht vor das von Hans Magnus Enzensberger beschriebene Dilemma von „Mittelmaß und Wahn“ zu stellen, sondern damit sie ihre Biografie in McKinsey-Form bringen können, wollen wir eine solche Karriere-Biografie einmal in SPIEGEL-journalistischer Manier ganz praktisch aufzeigen (Ähnlichkeiten mit vom SPIEGEL beschriebenen Personen sind rein zufällig und ohne beleidigende Absicht gegenüber realen Personen): Also man
Wenn man das alles so hingekriegt hat, dann muss man sich nur noch einbilden, man sei eben erheblich cleverer als die anderen und könne sich deshalb einbilden ein „großes Tier“ zu werden (und sei es wenigstens als Landesgeschäftsführer eines CDU-Landesverbandes).
Das Allerwichtigste aber ist: DER SPIEGEL verleiht einem dafür den Ehrentitel Elite-Student. Und von da aus fehlt dann nicht mehr viel, dass man daran glaubt, 3, 5, 6 oder 11 Millionen Euro Jahresgehalt seien ein leistungsgerechtes Einkommen. Und: Schließlich hätte ja jeder eine Chance gehabt, genau so erfolgreich zu sein.
Was hätte wohl ein Krupp, ein Siemens, ein Daimler oder Benz, ein Porsche, ein Grundig und, und, und von solchen Nachwuchseliten gehalten und was hätte ein Augstein über „seinen“ Spiegel getrauert, der solchen Unsinn nicht nur kritiklos nachplappert sondern auch noch propagiert?
Was haben McKinsey & Co von solchen Studentenumfragen?
Abgesehen von der Förderung der Ideologie, dass ein Studium als ein Investment für die berufliche Karriere zu betrachten ist, mit der logischen Konsequenz dass dieses Investment eben Studiengebühren kostet, eröffnet sich ein attraktiver Markt für die Personalberater: Denn wichtiger noch als die Verbreitung einer Ideologie ist, dass mit den Methoden einer (vermeintlichen) Identifikation von „Spitzenstudenten“ die Forderung nach der Auswahl der Studierenden durch die Hochschule selbst propagiert wird. Und bei der Entwicklung der Fragebögen und der Auswahlverfahren für die kommenden Eliten stehen McKinsey & Co den Hochschulen hilfreich und teuer zur Seite. Als Anbieter für solche Auswahlmethoden haben sich McKinsey & Co mit ihrem bundesweit publizierten und breit diskutierten Studenten-Ranking ja schon einen Namen gemacht.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=402