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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Keine Aufträge für Kriegsgegner – warum wohl?
Datum: 11. Dezember 2003 um 17:36 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Ökonomie, Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Albrecht Müller
Eine heftige Diskussion ist über die Absicht des amerikanischen Verteidigungsministeriums und des amerikanischen Präsidenten ausgebrochen, Aufträge zum Wiederaufbau des Irak nur an Unternehmen aus solchen Staaten zu vergeben, die sich am Irak-Krieg beteiligt haben. Die Aufregung zeigt, wie schnell man in Deutschland über ein hingehaltenes Stöckchen springt. Albrecht Müller.
Zum einen ist es natürlich so, dass die großen Unternehmen, die den amerikanischen Präsidenten und seine Mannschaft unterstützen und ins Amt gefördert haben, Wert darauf legen, dass sie bei den Aufträgen zum Wiederaufbau des Irak einen guten Schnitt machen, d. h. Generalaufträge bekommen, an denen sie – wie das Cheneys ehemalige Firma Halliburton Industries mit maßlos überteuerten Benzinpreisen für die Besatzungstruppen schon vorexerziert hat – vermutlich auch wegen monopolartig überhöhter Preise – in der Regel gut verdienen. Sie führen die Aufträge häufig nicht selbst aus, sondern lassen sie von Subunternehmern erledigen. Diese großen Unternehmen in den USA haben schon immer darauf geachtet, dass die Politik ihnen gewinnbringende Aufträge verschafft. So war das z. B. auch im Konflikt um Bosnien-Herzegowina. Das Dayton-Abkommen war noch nicht implementiert, als eine große Delegation von amerikanischen Geschäftsleuten in der Nähe von Dubrovnik verunglückte. Was jetzt im Irak passiert, ist nicht neu. Ohne die Verbindung von amerikanischer Politik mit Auftragbeschaffung wäre die Außenhandelsbilanz der USA und ihre Verschuldung beim Rest der Welt noch höher als sie ohnehin ist.
Zum zweiten ist die Drohung der amerikanischen Regierung erkennbar ein taktischer Zug. Die USA wollen auch jene Länder, die sich am Krieg nicht beteiligt haben, in der vagen Hoffnung, wenigstens dann an Aufträgen beteiligt zu werden, zu Geldzahlungen, zum Schuldenerlass oder zu sonstigen Aufbauleistungen im zerstörten Irak veranlassen und damit die Kasse der USA entlasten.
Zum dritten wird der Streit vom Zaun gebrochen und hochgespielt, weil so das amerikanische Wählervolk wieder hinter Bush versammelt werden kann – das ist die bekannte und gefährliche Methode, Konflikte mit anderen Völkern (bis hin zum Krieg) für innenpolitische Zwecke und vor allem für die Verbesserung der Wahlchancen zu nutzen, ja sie deshalb zu erfinden und anzuheizen.
Obwohl man dieses taktische Spiel als Politiker durchschauen und entlarven müsste, gehen europäische Politiker auf die Drohung ein und verhandeln über einen massiven Schuldenerlass. Es ist eben populär, sich um Aufträge für deutsche Unternehmen zu kümmern. Das macht auch Sinn, wenn dadurch die danieder liegende Wirtschaft hier zu Lande belebt würde und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Aber selbst das wäre im konkreten Fall äußerst fraglich. Wenn ein deutsches Bauunternehmen im Irak tätig wird, dann beschäftigt es dort vermutlich hochgradig andere als deutsche Arbeitskräfte. Und wo die Gewinne aus einem solchen Geschäft anfallen, das wissen wir gar nicht. Jedenfalls dürfte bei uns in Deutschland wenig an Einnahmen und Arbeitsplätzen ankommen. Tatsächlich sind “wir” – wie es in manchen Erklärungen so schön heißt – vor allem beim Zahlen beteiligt, wenn die Bundesregierung auf den Trick der US-Regierung hereinfallen sollte und nach dem zur Zeit ablaufenden öffentlichen Schlagabtausch sich zu größeren Zahlungen bereit finden sollte; im Austausch gegen die Öffnung der Auftragsvergabe auch für deutsche Unternehmen.
In jedem Fall machen wir, die Steuerzahler, das schlechtere Geschäft. Das zeigt schon die Relation der Zahlen: Es geht jetzt um Wiederaufbauaufträge in Höhe von 18,6 Mrd. US-Dollar , die Auslandsschulden des Irak werden auf 120 Mrd. US-Dollar geschätzt – für Deutschland auf 4,4 Mrd. Euro. Selbst wenn deutsche Unternehmen von den 18,6 Mrd. Aufträge in der Größenordnung von zehn Prozent, also 1,86 Mrd. US-Dollar, für sich erringen könnten, käme davon beim deutschen Fiskus nahe null an.
Im Übrigen: Die Debatte zeigt in bedrückender Weise, mit welcher Offenheit und Dreistigkeit heute Bombardements und Auftragvergabe, Kriegführung und wirtschaftliches Geschäft verbunden werden. Man macht einen Krieg, man bombt, man zerstört, es sterben Tausende von Menschen – und dann besorgt man sich Aufträge zum Wiederaufbau.
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