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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Agrardiesel: Bauernverband sorgt für 500-Millionen-Geschenk für Großbauern
Datum: 3. Juni 2009 um 16:21 Uhr
Rubrik: Steuern und Abgaben, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Lutz Ribbe, Direktor der Naturschutzpolitischen Abteilung von EURONATUR schickt mir einen Vermerk zur am 25.5. beschlossenen Aufstockung der Agrardiesel-Subvention. Hier wird gezeigt, wie der Bauernverband – mit Hilfe von Union und SPD – im Dunste der Debatte um die Milch Steuergeld an die großen Ackerbauern im Osten umlenkt. Eine Sauerei. Albrecht Müller.
Thema: Agrardiesel
Kurzinformationen von Lutz Ribbe, EuroNatur
Stand: 3.6.2009
Der Beschluss vom 25.5.09 zum „Agrardiesel“ hat bei vielen Umweltschützern, aber auch Bauern, einige Fragen aufgeworfen. Im Folgenden soll versucht werden, zumindest einige Antworten zu geben.
2. Regel: eine Erstattung von über 10.000 Litern gibt es auch nicht (Obergrenze).
Die folgende Tabelle zeigt, wie die heutige Situation in den unterschiedlichen Betriebsgrößenstrukturen aussieht. Dabei wird ein durchschnittlicher Dieselaufwand von 110 l/ ha unterstellt; diese Zahl wird vom Bauernverband verwendet, es ist klar, dass von diesem Durchschnitt teilweise stark abgewichen wird: so haben Grünlandbetriebe einen geringeren, reine Ackerbaubetriebe einen höheren Aufwand; Ökobetriebe insgesamt haben einen geringeren Dieseleinsatz als konventionelle Betriebe:
Tabelle 1: derzeitige Situation
Tabelle 2: Auswirkungen der Aufhebung des Selbstbehalts und der Obergrenze von 10.000 l auf unterschiedliche Betriebsstrukturen
Agradiesel Infos – Tabellen 1 – 3 [PDF – 60 KB]
Laut BMELV werden mit dem Beschluss rund 280 Mio € pro Jahr der Landwirtschaft zusätzlich zur Verfügung gestellt. Damit soll „Liquidität“ auf die Betriebe kommen. Da laut Agrarbericht 2007 des BMELV in Deutschland nur rund 6% der Landwirtschaftlichen Betriebe eine Betriebsfläche von über 100 ha verfügen, somit mehr als 10.000 l Diesel verbraucht, ist davon auszugehen, dass eben nur ein sehr kleiner Teil der der Betriebe (rund 6%) mit mehr als 350.- € (= Selbstbehalt) profitiert.
Die Gewinner des Beschlusses:
Betriebe ….
… bis zu 100 ha profitieren vom Beschluss mit: 350.- €
… von 150 ha profitieren mit: 1.746.- €
… von 200 ha mit: 2.927.- €
… von 500 ha mit: 10.016.- €
… von 1.000 ha mit: 21.830.- €
… von 2.000 ha mit: 45.458.- €
Nichts! Dies alles ist zwar schön in der Auseinandersetzung um sinkende Milchpreise und die Probleme der Milchbauern verpackt worden, hat aber mit der eigentlichen Milchkrise nicht im Geringsten zu tun; es ist vielmehr so, dass– mal wieder – die Ackerbauern mehr gefördert werden als Milch- bzw. Grünlandbauern.
Bauern, die viel Energie verbrauchen (z.B. die großen Ackerbauern) bekommen “viel” zurück, die kleinen Bauern, die wenig verbrauchen (u.a. weil sie auf Grünland wirtschaften) weniger.
Das ist Gerechtigkeit à la BMELV/ CDU und SPD in Zeiten, in denen man eigentlich den Faktor Arbeit und nicht den Faktor Energie verbilligen sollte!1
AbL und BDM haben in meinen Augen sehr zu recht argumentiert, dass damit sich nichts am Milchpreis ändert. Die „Politik“ geht damit allerdings auf eine alte Forderung des DBV ein, stellt diesen damit etwas ruhiger und versucht zu dokumentieren, das man den Bauern helfen will.
Ministerin Aigner sagte in ihrer Rede vor den Bauern am 25.5.2009 u.a.: „… Statt Preisdruck fordere ich „faire“ Preise …“ Mit keiner Silbe hat sie dargestellt, was „faire“ Preise sind – und wie die Politik dazu beitragen will, dass es dazu kommt.
Der stv. Fraktionsvorsitzende der SPD Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, wird in der Berliner Zeitung vom 23.5. mit folgenden Worten zitiert: „Niedrigere Steuern auf Agrardiesel entlasteten vor allem Großbetriebe, nicht aber Kleinbauern wie etwa die Milchviehhalter. “Statt das Geld sinnlos zu verschwenden, sollte die Kanzlerin die Agrarförderung zu Gunsten bäuerlicher Kleinbetriebe umschichten”, forderte Kelber…“. Er hat damit sehr recht gehabt. Dennoch hat die SPD bekanntlich dem Konzept zugestimmt.
In einem Gespräch mit Bundestagsabgeordneten der SPD Agrarier haben Vertreter der sog. Agrarplattform am 27.5. Kritik an diesem Vorgehen geübt. Der Kommentar der SPD Abgeordneten: ihr habt völlig recht, das ist nicht gut gelaufen, aber wir wussten von nichts davon, das war eine Entscheidung des Fraktionsvorsitzenden Struck, der ohne Absprache entschieden hat.
Bismarck soll mal gesagt haben: Die Menschen dürfen nicht wissen, was in die Wurst kommt und wie Politik gemacht wird. Wie recht er hat (…)
Dass im Dunste der Debatte um die Milch nun Steuergeld in Millionenhöhe an die großen Ackerbauern, speziell im Osten, umgelenkt werden hat erfreulicherweise auch die Presse aufgegriffen. Anbei die jeweiligen links zu zwei sehr kritischen Kommentaren, die in der FR bzw. im Spiegel erschienen sind..
Anlage 1: Die rechtliche Situation der Rückerstattung derzeit
Jahresvergütung 2008
Quelle: zoll.de
Anlage 2: Diesel-Verbrauch in der Landwirtschaft:
Verbrauch von Dieselkraftstoff (DIN 51601 in der Landwirtschaft (lt. KTBL)
Nach der Statistik des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) wurden 1992 (Achtung, alte Zahl. Der DBV geht heute von 110 l im Durchschnitt aus. Genaue Daten konnten aufgrund des Zeitdrucks nicht weiter recherchiert werden; Anm. LR) in der deutschen Landwirtschaft 2,13 Mio Tonnen (ca. 2,5 Mio m³) Dieselkraftstoff verbraucht. Das sind etwa 9 % des Gesamtverbrauches von 23,738 Mio Tonnen (ca. 28 Mio m³ oder 28 Mrd Liter).
Damit liegt die Landwirtschaft nach dem Straßenverkehr im sektoralen Verbrauch an zweiter Stelle.
Der Gesamtverbrauch erhöhte in den letzten drei Jahren durchschnittlich um 5 % jährlich, während der Verbrauch der Landwirtschaft über die Jahre hinweg relativ konstant blieb.
Wird der Dieselkraftstoffverbrauch jedoch auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche (17 Mio ha LF in der BR) bezogen, so ist eine leichte Steigerung des spezifischen Verbrauches festzu-
stellen. 1992 betrug dieser 147 Liter/ha. (Anm. LR: leider gibt es hier keine Differenzierung zwischen Acker und Grünland)
Dieselkraftstoff-Durchschnittsverbräuche zur Erledigung verschiedener Arbeiten (Beispiele)
Lohnunternehmen 12/2001-22; W. Holz
Agradiesel Infos – Tabellen 1 – 3 [PDF – 60 KB]
Quelle: LLH-Hessen
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3983