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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. August 2017 um 8:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Autobahn-Privatisierung
  2. Bohren ohne Plan
  3. Die Liebe der Ökonomen
  4. Jackson Hole: Neue Wege in der Geldpolitik
  5. Geerbtes und geschenktes Vermögen 2016 auf 108,8 Milliarden Euro gestiegen
  6. »Es gibt kein Recht auf Wohnen in der Innenstadt«
  7. Behördenwillkür gebremst
  8. Auffallend erfolgreich
  9. Software-Updates für Dieselautos helfen kaum
  10. Wartepause für den Kauf
  11. Hessen: Bundeswehr finanziert KiTa
  12. Trump am Hindukusch
  13. Narzissmus und Macht in der Politik: Das Beispiel Donald Trump (1/3)
  14. US-Atombomben raus aus Deutschland?
  15. Waffen für den Reset
  16. Rechtsextremismus: Tote, die nicht zählen
  17. Unser vorbildlicher Umgang mit rechter Gewalt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Autobahn-Privatisierung
    1. Teurer Mist
      Der Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament, Fabio De Masi, kommentiert die Klage des Betreiberkonsortiums A1 Mobil im Streitwert von 640 Millionen Euro gegen die Bundesrepublik Deutschland:
      „A1 Mobil klagt weil ihnen die Rendite aus der LKW-Maut zu gering ausfällt. Dies zeigt, dass Autobahnprivatisierungen und Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) ein Verlustgeschäft für die Steuerzahler sind. Die langfristigen haushaltspolitischen Risiken werden im Unterschied zur öffentlichen Kreditaufnahme verschleiert.“
      „Die Privatisierung von Autobahnen ist auch ein Element des Juncker-Plans (EFSI). Banken und Versicherungen sollen offensichtlich im Umfeld niedriger Zinsen eine Renditegarantie erhalten. Sinnvoller wäre es aber, bei Niedrigzinsen mehr öffentlich zu investieren.“
      „Die Autobahn-Privatisierung wurde in Deutschland vom einstigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und der Fratzscher-Kommission initiiert. Die Gesetzesänderung der Großen Koalition – Einführung der PKW-Maut und Gründung einer Infrastrukturgesellschaft – begünstigen trotz aller Beteuerungen Privatisierungen. Die gesamte Bundesregierung muss daher nun die politische Verantwortung für Klagen wie von A1 Mobil übernehmen. Die Infrastruktur – die von Generationen von Steuerzahlern finanziert wurde – gehört in öffentliche Hand, nicht zu Deutscher Bank & Allianz.“
      Quelle: Die Linke. im Europaparlament

      Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Autobahn-Privatisierung erleidet herben Rückschlag.

      Anmerkung unseres Lesers M.F.: Da ist es also schon im “Normalbetrieb” einer Autobahn möglich, die Bundesrepublik auf Schadenersatz zu verklagen, falls sich die selbstgesteckten Vorstellungen der privaten Finanziers in Sachen Rendite nicht erfüllen. In diesem Falle wird die Ursache im Rückgang des Güterverkehrs durch den Einbruch der Wirtschaft nach 2008 gesehen – was nichts weiter ist, als ein völlig normales unternehmerisches Risiko.
      Um wie viel teurer würde es wohl werden, falls sich die Politik zu der in Sachen Umweltschutz und mit Blick auf die CO2-Ziele einzig vernünftigen Entscheidung durchringen sollte, Güter vorrangig mit der Bahn transportieren zu lassen und sich somit per demokratisch legitimiertem Beschluss sowohl das Verkehrsaufkommen als auch die Mauteinnahmen reduzieren? Das heißt doch schlichtweg: Derartige Verträge verhindern für die nächsten 30 Jahre jegliche gestalterische Verkehrspolitik! Und zu allem Überfluss soll diese “Erfolgsmodell” auch noch ausgeweitet werden.

    2. Konsortium mit Bunte aus Papenburg klagt gegen Bund
      Der renommierte Ökonom Holger Mühlenkamp von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat Kritik an den öffentlich-privaten Partnerschaften des Bundes (ÖPP) beim Bau von Autobahnen geübt. Das Insolvenzrisiko werde bei ÖPP-Projekten „von Politik und Lobbyisten regelmäßig verniedlicht“, sagte Mühlenkamp gegenüber unserer Redaktion. Dabei könne es „nicht überraschen“, dass sich dieses Risiko nun beim ausgebauten A-1-Autobahnabschnitt zwischen Hamburg und Bremen zu realisieren scheine. Denn zum einen bestehe „bei Privaten grundsätzlich ein Insolvenzrisiko“. Zum anderen würden die Risiken langfristiger Kostensteigerungen bei ÖPP-Projekten „in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen regelmäßig nicht abgebildet und politisch unterschätzt“.
      Mühlenkamp warnte, dass das ÖPP-Projekt auf der sogenannten „Hansalinie“ zu einem schlechten Geschäft für die Steuerzahler zu werden drohe. „Vermutlich wird man nachträglich die Konditionen für das Konsortium so verbessern, dass die Rendite-Erwartungen der Privaten erfüllt werden“, sagte er. Das sei beim ebenfalls als ÖPP verwirklichten Warnowtunnel in Rostock auch passiert. A1 mobil sei „in einer guten Nachverhandlungsposition, weil der Bund die Autobahn auf jeden Fall weiterführen muss und die politischen Kosten eines ÖPP-Scheiterns sehr hoch sind“, erklärte Mühlenkamp. Dies wüssten auch die Betreiber.
      Zudem gehe Mühlenkamp davon aus, dass die Mitglieder des Betreiberkonsortiums in jedem Fall einen vertraglichen Anspruch auf Lkw-Maut-Zahlungen über die gesamte Laufzeit von 30 Jahren haben. „Der Bund wird nicht in der komfortablen Lage sein, kein Geld mehr an das Konsortium zu zahlen“, sagte der Ökonom.
      Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

      dazu auch: “Der Bund hat das Risiko der Insolvenz übersehen”
      Der Ausbau der A1 wurde in Teilen im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) umgesetzt, also von einem Privatunternehmen. Das steht nun vor der Insolvenz und fordert vom Bund Millionenbeträge. Ein vorhersehbares Risiko, sagte der Verwaltungswissenschaftler Holger Mühlenkamp im Dlf. ÖPP haben laut ihm nur wenige Vorteile.
      Quelle: Deutschlandfunk

    3. Am Ende haften nur die Bürger für den Crash
      Wie in einem zweitklassigen Drehbuch tritt ein, wovor Kritiker seit jeher bei Privatisierungen warnen: Die Autobahn-Betreibergesellschaft „A1 Mobil“ gerät ins Schlingern und ruft nach dem rettenden Staat. Genau genommen: Sie erpresst den Staat. Denn diesem bleibt nichts anderes übrig, als notfalls einzuspringen.
      Zwar hat er sich bei dieser 70 Kilometer langen Autobahnstrecke aus seiner Verantwortung verabschiedet und Bau, Erhalt und Betrieb der Gesellschaft „A1 Mobil“ übereignet. Eine Autobahn aber lässt sich nicht schließen, nur weil die Gewinnerwartungen eines Konsortiums nicht erfüllt werden. Diese Sicherheit macht öffentliche Infrastruktur gerade zu so einem begehrten Anlageprodukt.
      Und um dieses Erpressungspotenzial wissen alle Beteiligten sehr genau. Sie handeln solche Verträge nicht ohne Grund hinter verschlossenen Türen aus; es sollen in diesem Fall Dutzende Ordner sein. Nur in der Geheimschutzstelle können Parlamentarier diese Verträge einsehen, bei denen das Eigentum der Allgemeinheit als ökonomische Kennziffer in einer Rechnung auftaucht, die nur wenige Gewinner kennt: Manager, Aktionäre und Politiker, die nach ihrer aktiven parlamentarischen Tätigkeit gerne bei solchen Konzernen andocken.
      Quelle: Berliner Zeitung
    4. Autobahn A1 – Hansalinie – in Finanznöten
      Die Hansalinie, Autobahn zwischen Hamburg und Bremen, ist für die Betreibergesellschaft ein Verlustgeschäft – sagt diese. Sie suchte daher Verhandlungen mit dem Bund über eine andere Erlösverteilung für die Einnahmen aus der LKW-Maut. Denn sonst drohe in kurzer Zeit die Insolvenz, sagt die Gesellschaft. Der Bund scheint das aussitzen zu wollen. Schließlich ist bald Bundestagswahl. Den hohen Einsatz für dieses Poker“spiel“ wird wieder einmal der Steuerzahler aufzubringen haben.
      Quelle: Cives
    5. Mit mir als Kanzler wird es eine Autobahnprivatisierung nicht geben!
      Eine private Betreibergesellschaft der A1 zwischen Bremen und Hamburg droht gerade pleitezugehen. Es war richtig, dass sich die SPD in dieser Wahlperiode gegen den Privatisierungswahn von CDU und CSU durchgesetzt hat. Und nur eine starke SPD kann weitere Privatisierungspläne verhindern.
      Quelle: Martin Schulz via Facebook

      Anmerkung André Tautenhahn: Martin Schulz werden offenbar wichtige Informationen vorenthalten. Erstens wird er nicht Kanzler. Zweitens hat seine SPD dem „Privatisierungswahn“ bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen im Juni bereits zugestimmt. Angeschoben hat das sogar sein Vorgänger im Amt des SPD-Parteichefs und ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Jahr 2014 mit der Einsetzung einer Expertenkommission (Fratzscher Kommission). Damals gab Gabriel der Märkischen Allgemeinen sogar ein Interview, in dem Sätze fielen wie: “Wir müssen dringend über neue Modelle reden, wie wir privates Kapital mobilisieren können, um die öffentliche Infrastruktur zu verbessern.” oder “Ich kann mir unter anderem gut vorstellen, dass wir Lebensversicherungskonzernen attraktive Angebote machen, sich an der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur zu beteiligen.“ Gabriels Ziel war also, die öffentliche Infrastruktur weiter als bislang schon zu einem Anlageobjekt zu machen, was schließlich auch gelungen ist, durch zahlreiche Grundgesetzänderungen, die die Große Koalition vor Ablauf der Legislaturperiode vorgenommen hat. Dass hätte Schulz, der im Juni schon Parteichef und Spitzenkandidat war, verhindern müssen. Dann hätte es vielleicht auch was mit der Kanzlerschaft werden können.

  2. Bohren ohne Plan
    Die Gesteinsformationen sind bei dem Gleisdesaster in Rastatt weitgehend andere als bei Stuttgart 21, die Geisteshaltung ist dieselbe: Die Verantwortlichen der Deutschen Bahn haben im Rheintal wie in der Landeshauptstadt riskant umgeplant. Und sie wollten auf Skeptiker nicht hören – mit unabsehbaren Konsequenzen.
    Im Abwiegeln hat die Deutsche Bahn Routine. “Mit den Baumaßnahmen in Stuttgart sind die in Rastatt nicht vergleichbar”, behauptet in einer dürren schriftlichen Antwort die inzwischen in Berlin eingerichtete Taskforce der DB. In Stuttgart sei “eine viel größere Überdeckung gegeben”. Zudem entstünden die Tunnel in der Landeshauptstadt beispielsweise ohne Tunnelvortriebsmaschine und ohne Vereisung.
    Probleme gibt es dennoch auch bei den Bauarbeiten für den Tiefbahnhof jede Menge. Zum Beispiel im Feuerbacher Tunnel, wo Acrylatgel und Polyurethan in den Berg gespritzt werden, damit der reichlich vorhandene Gipskeuper nicht mit Wasser in Verbindung kommt und zu quellen beginnt. Nicht einmal Trinkflaschen sind den Mineuren erlaubt. Die beiden Chemikalien dichten kleinste Risse und feinste Poren ab. “Damit kann man fließendes Wasser abstellen”, sagte der von der Bahn beauftragte Tunnelbau-Experte Walter Wittke vor gut einem Jahr, als er wieder einmal vor Ort versuchen musste, Zweifel zu zerstreuen.
    Aus gutem Grund war gerade dieser S-21-Abschnitt in der Machbarkeitsstudie von 1995 ganz anders angelegt: zwei Röhren mit je zwei Gleisen auf einer geringere Geschwindigkeiten zulassenden Trasse. Im Raumordnungsverfahren gingen die jeweils zweiten Gleise verschütt, und noch vor der Planfeststellung wurde auch der Verlauf verändert. Jetzt führt die Strecke ausgerechnet unter den Projektfans im Hauptquartier der IHK Stuttgart in der Jägerstraße durch. Nur gut zwei Meter trennen dort den Straßenasphalt vom Tunneldach. Das zum Thema “viel größere Überdeckung”. Das IHK-Nachbargebäude, die 15 000 Tonnen schwere alte Bundesbahndirektion, wird gerade für 50 Millionen Euro aufgepfählt – die Seitenflügel der betagten Immobilie wurden zwar wegen Stuttgart 21 abgerissen, der Rest steht aber unter Denkmalschutz und darf stehen bleiben.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  3. Die Liebe der Ökonomen
    Die öffentlich ausgetragene Kontroverse im Sachverständigenrat (SVR) (hier und hier) über staatliche Industriepolitik hat viel Staub aufgewirbelt. Insbesondere die implizite Aussage der Mehrheit, Peter Bofinger sei kein Profi, wird landauf landab zitiert. Komischerweise hat offenbar niemand den Satz richtig gelesen, in dem Bofinger eine Laiensicht unterstellt wird. Der lautet nämlich:

    «Laien verwechseln häufig die Liebe von Ökonomen zum Markt mit einer Liebe zu einzelnen Marktakteuren. Einem Profi sollte das nicht passieren.»

    Die Liebe der Ökonomen! Bisher kannten wir die Liebe der Matrosen, aber wen oder was sollte ein Ökonom lieben? Dieser eine Satz sagt in der Tat mehr über die Vorstellungen und die Einstellungen der Mehrheit des SVR aus, als alle ihre dicken Gutachten. Die vier Professoren, um die es hier geht, sind nämlich allesamt vom deutschen Staat bezahlte (und als Mitglieder des Sachverständigenrates noch einmal zusätzlich vom Steuerzahler bezahlte) Wissenschaftler, deren Aufgabe nichts anderes ist, als unvoreingenommen die wirtschaftliche Lage zu analysieren und daraus im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages Schlussfolgerungen abzuleiten, die von der Politik mittelbar oder unmittelbar verwendet werden können.
    Wer verliebt ist, kann aber nicht unvoreingenommen sein. Wie können diese Ökonomen, wenn sie verliebt in das Marktsystem sind, der Aufgabe nachkommen, die selbst von einem der ihren, Professor Hans-Werner Sinn, als die ständige Suche nach Fehlern im Marktsystem charakterisiert wird? (hier). Wir haben es hier offensichtlich nicht mit Sozialwissenschaftlern zu tun, die mit wissenschaftlichen Methoden versuchen, die Welt angemessen zu deuten, sondern mit Verliebten, die ihre Gefühle nicht bändigen können und deswegen immer zum gleichen Ergebnis kommen, nämlich dem, dass der Markt immer recht hat.
    Quelle: Makroskop

  4. Jackson Hole: Neue Wege in der Geldpolitik
    Der Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament kommentiert das diesjährige Notenbankertreffen in Jackson Hole. […]
    „Die unzureichenden öffentlichen Investitionen trotz Niedrigzinsen bremsen das Wachstum der Produktivität. Die Arbeitsmarktreformen in der EU hemmen die Lohnentwicklung, auch in Ländern mit niedrigerer Arbeitslosigkeit wie Deutschland, und kastrieren die Geldpolitik. Die EZB verfehlt dadurch permanent ihr Inflationsziel.“
    Quelle: Fabio De Masi
  5. Geerbtes und geschenktes Vermögen 2016 auf 108,8 Milliarden Euro gestiegen
    Die von den Finanzverwaltungen veranlagten Vermögensübertragungen aufgrund von Erbschaften und Schenkungen sind im Jahr 2016 auf 108,8 Milliarden Euro gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, erreichten sie nach einem Rückgang von 6,2 % im Jahr 2015 wieder den Höchststand des Jahres 2014. […]
    Nach Anwendung der Steuersätze, die je nach Verwandtschaftsverhältnis und Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs unterschiedlich ausfallen, wurde von den Finanzverwaltungen im Jahr 2016 Erbschaftsteuer in Höhe von 5,7 Milliarden Euro (+ 29,5 %) festgesetzt. Dies entspricht einem Anteil von 13,1 % des geerbten Vermögens. Die festgesetzte Schenkungsteuer stagniert seit dem Jahr 2013 bei 1,1 Milliarden Euro. Ihr Anteil am geschenkten Vermögen betrug im Jahr 2016 lediglich 1,7 %.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    dazu: Ungleichheit wächst: Erbschaften in Deutschland erreichen Rekordniveau
    2016 wurden laut Statistischem Bundesamt 43,6 Milliarden Euro vererbt, fast 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei handelte es sich vor allem um Wertpapiere und Bankguthaben. Steuerpflichtig waren davon auf Grund von Freibeträgen und Steuervergünstigungen und anderen Abrechnungen nur rund 60 Prozent. Die Erbschaftsteuereinnahmen beliefen sich mit 5,7 Milliarden Euro auf 13 Prozent des geerbten Volumens.
    Noch krasser waren die Verhältnisse bei den Schenkungen, die sich auf 65,2 Milliarden Euro summierten, über die Hälfte davon Betriebsvermögen. Steuerpflichtig waren davon nach Berechnungen der Statistiker lediglich knapp 18 Prozent. Die festgesetzte Schenkungsteuer betrug nur 1,7 Prozent des verschenkten Vermögens. Beides, Erbschaften und Schenkungen, addiert, belief sich die Steuerbelastung auf schmale 6,3 Prozent.
    Die von den Statistikern genannten Zahlen dürften aber nur einen kleineren Teil des gesamten übertragenen Vermögens ausmachen. Denn das Bundesamt weist nur die steuerlich veranlagten Fälle aus. Über den größten Teil der Erbfälle ist wegen der hohen Freibeträge nichts bekannt.
    Quelle: Berliner Zeitung

  6. »Es gibt kein Recht auf Wohnen in der Innenstadt«
    Wie bitte? Aufklärung über die Mythen der Wohnungsdebatte. Teil 7 der nd-Serie »Muss die Miete immer teurer werden?«
    Der drastische Mietanstieg in vielen Städten sowie Konflikte um Verdrängung haben die Wohnungsfrage zurück in die politischen Debatten und auf die Straße gebracht. Wie in kaum einem anderen Bereich unseres Alltags prallen hier existenzielle soziale Bedürfnisse und ökonomische Interessen einer marktförmig organisierten Wirtschaft aufeinander. Eine soziale Wohnungsversorgung – das zeigen die letzten 150 Jahre der kapitalistischen Urbanisierung – muss fast immer gegen private Gewinninteressen durchgesetzt werden. Wir stellen in dieser Serie in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung gängige Behauptungen in den gegenwärtigen wohnungspolitischen Auseinandersetzungen auf den Prüfstand. […]
    Tatsächlich gibt es keinen juristischen Anspruch, in bestimmten Teilen der Stadt zu wohnen. In Deutschland gibt es nicht einmal ein gesetzlich garantiertes Recht auf Wohnen. Insofern sind die gegen ein Recht auf innerstädtisches Wohnen gerichteten Aussagen als Polemik zu verstehen. Mit ihnen sollen Positionen und Initiativen, die die Verdrängungsprozesse in vielen Städten kritisieren und sich diesen entgegenstellen, diskreditiert werden. Ansprüche auf eine sichere, angemessene und dauerhaft finanzierbare Wohnung lassen sich allerdings aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und aus dem von Deutschland ratifizierten UN-Sozialpakt von 1966 ableiten. Es käme nun darauf an, in den gegenwärtigen Debatten stark zu machen, dass Wohnen mehr ist als ein Dach über dem Kopf.
    Wie existenziell wichtig Nachbarschaftsbeziehungen und das unmittelbare soziale Umfeld insbesondere für ärmere Haushalte sowie kranke, ältere und andere in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen sind, ist schon länger bekannt und wird von wissenschaftlichen Studien immer wieder bestätigt. Ein erzwungener Umzug ist oft mit dem Verlust von vertrauten Strukturen, sozialen Netzwerken und anderen Ressourcen verbunden, die für die Bewältigung des Alltags unerlässlich sind.
    Quelle: Andrej Holm, Neues Deutschland
  7. Behördenwillkür gebremst
    Bundesverfassungsgericht: Erwerbslose dürfen nicht wegen eines puren Verdachts der Gefahr der Obdachlosigkeit ausgesetzt werden […]
    Der Beschluss dürfte dem Mann im konkreten Fall allerdings nicht mehr helfen. Er hatte die Beschwerde bereits 2012 eingereicht. Die Verfassungsrichter ließen sich also für ihren Beschluss fünf Jahre Zeit. Er stellt dennoch eine klare Ansage an Behörden und Gerichte dar, die Wohnen in ihrer Praxis offenbar nicht als Bestandteil des Existenzminimums ansehen. Anwälte kritisieren bereits seit Jahren, dass Jobcenter häufig Leistungen aufgrund bloßer Annahmen kürzen. Betroffene müssten dann regelmäßig selbst das Gegenteil beweisen, was aber oft gar nicht möglich sei.
    Gegenüber junge Welt hatten sowohl die Bundesagentur für Arbeit (BA) als auch das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales mehrfach deutlich gemacht, dass Wohnen für sie nicht zum physischen Existenzminimum gehöre. In einer übermittelten Tabelle beziffern sie letzteres mit 205 Euro. Diesen Betrag gestehen sie vollständig sanktionierten Personen in Form von Lebensmittelgutscheinen maximal pro Monat noch zu. Doch auch dies ist keine Pflicht-, sondern eine Kann-Leistung, die außerdem beantragt werden muss. Die Miete ist in diesem Minimum vom Minimum nicht enthalten. Betroffenen stehe es schließlich frei, »nachträglich ihren Pflichten nachzukommen«, erklärte etwa Ende Juni BA-Sprecher Paul Ebsen. In einem solchen Fall könnten die Behörden die Wohnkosten nachträglich übernehmen.
    Quelle: junge Welt
  8. Auffallend erfolgreich
    Sie gehörten zu den Schwerstarbeitern am Kabinettstisch und machten sich beim Koalitionspartner nicht nur Freunde. Sie waren hartnäckig. Erfolgreich. Und sie sind mit der Politik noch lange nicht fertig. Die Ministerinnen Andrea Nahles und Manuela Schwesig – eine Bilanz.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers H.B.: Ich bin auf jeden Fall anderer Meinung als die Tagesschau. Die Bilanz von Frau Nahles kann man doch keinesfalls als erfolgreich beschreiben. Vielleicht ist die Bilanz für Frau Nahles privat erfolgreich. Die Geringverdiener in unserer Gesellschaft werden anderer Meinung sein.

  9. Software-Updates für Dieselautos helfen kaum
    • Das Umweltbundesamt hat berechnet, welche Auswirkungen Software-Updates und Umtauschprämien für Dieselautos auf die Luftqualität hätten.
    • Die Autohersteller hatten diese Maßnahmen beim Diesel-Gipfel Anfang August beschlossen. So soll die Stickoxid-Belastung in deutschen Städten sinken.
    • Das Ergebnis der Berechnungen ist jedoch ernüchternd: In kaum einer Stadt würde sich die Luftqualität verbessern.

    Quälend langsam rollen die Autos nach Feierabend über die Landshuter Allee in München. Immer wieder müssen die Fahrer bremsen und erneut anfahren – und ihre Wagen pusten dabei ordentlich Abgase in die Umgebung. Wer hier zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, merkt: Die Luft ist schlecht. Tatsächlich werden an der Landshuter Allee die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid regelmäßig deutlich überschritten. Das Umweltbundesamt hat diese Straße deshalb als Beispiel genommen, um zu prüfen: Würden die auf dem Diesel-Gipfel beschlossenen Software-Updates die Luft wirklich besser machen, so wie es die Autohersteller versprochen hatten? Die Antwort des Umweltbundesamtes lautet ganz klar: nein.
    Quelle: Süddeutsche

    dazu: Bundesregierung darf in Dieselaffäre nicht weiter tricksen
    „Umweltministerin Barbara Hendricks scheint beim Dieselgipfel gar nicht anwesend gewesen zu sein. Anders kann man ihre jetzige Kritik an den Beschlüssen des Gipfels nicht interpretieren. Hendricks sollte aufhören, die Menschen hinters Licht zu führen. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln, die Enteignung der Besitzer von Dieselfahrzeugen verhindern und die Autoindustrie zur Bezahlung einer Umrüstung zwingen, die den Schadstoffausstoß deutlich reduziert. Technisch wäre das möglich, und die höheren Kosten sind von Unternehmen, die in den letzten 5 Jahren über 100 Milliarden Euro Gewinn gemacht haben, auch problemlos zu stemmen”, erklärt Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. Wagenknecht weiter:
    „Die Bundesregierung handelt in der Dieselaffäre unverantwortlich. Erst knickt sie vor den Autokonzernen ein. Jetzt versucht sie, die Öffentlichkeit zu täuschen. Die Konzerne müssen in Haftung für die Umrüstung genommen werden. Unternehmensspenden an die Parteien sind zu verbieten, denn sie gefährden demokratische Grundprinzipien und Verbraucherrechte.“
    Quelle: Die Linke. im Bundestag

  10. Wartepause für den Kauf
    Der Monsterdeal des Chemieriesen Bayer, der sich die US-Firma Monsanto einverleiben will, muss warten. Kommen wird er aber, so oder so.
    Bayer muss sich gedulden. So schnell, wie der Vorstand den Kauf der US-Firma Monsanto über die Bühne bringen will, geht es nicht. Trotz der verschärften Prüfung, die die EU-Kommission am Dienstag eingeleitet hat, wird die Übernahme aber vermutlich irgendwann zustande kommen. Sein Geschäft mit einigen Produkten mehr als bisher geplant muss „Baysanto“ dann wohl abstoßen. Die Marktmacht gegenüber Landwirten und Verbrauchern, sowie der Einfluss auf die Agrarpolitik fällt etwas geringer aus. An der grundsätzlichen Richtung der herrschenden Entwicklung ändert das aber nichts.
    Quelle: taz

    dazu: EU prüft Fusion eingehend
    Die Brüsseler Wettbewerbsbehörde leitet eine „eingehende Prüfung“ der geplanten Fusion zwischen der Bayer AG und Monsanto ein.
    Die geplante Übernahme des US-Saatgut- und Pflanzenschutzmittel-Herstel­lers Monsanto durch die Bayer AG mit Sitz in Leverkusen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Am Dienstag leitete EU-Kommissarin Margrethe Vestager eine zusätzliche, „eingehende Prüfung“ an. „Die Kommission ist besorgt darüber, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb“ unter anderem „in Bereichen wie Pestiziden und Saatgut beeinträchtigen könnte“, erklärte sie. Der fusionierte Konzern wäre der größte Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln weltweit. Mit gut 60 Mil­liarden Euro handelt es sich um den teuersten Übernahmeversuch durch eine Firma mit Sitz in Deutschland.
    Quelle: taz

  11. Hessen: Bundeswehr finanziert KiTa
    Die Gemeinde Burgwald im nordhessischen Waldeck-Frankenberg baut laut HNA ihre evangelische Kindertagesstätte aus – in Kooperation mit der Bundeswehr, die nicht nur 20.000€ für die Ausbaukosten beisteuert, sondern sich auch an den laufenden Betriebskosten beteiligen will. Uneigennützig ist diese Beteiligung für die Bundeswehrangehörigen der Burgwaldkaserne ganz und gar nicht: „‚Wir haben Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder von Bundeswehrangehörigen. Wir hatten deshalb sogar eine Ausschreibung von Kitaplätzen vorgenommen. Doch keiner hat sich gemeldet‘, schilderte Töpper. So habe sich die Bundeswehr direkt an die Gemeinde Burgwald gewandt und sei dort auf Kooperationsbereitschaft gestoßen.“ Bereits seit einigen Jahren besuchen Kinder von Soldat_innen diese KiTa, auch wenn die Eltern nicht in Burgwald wohnhaft sind und für sie wurde die Öffnungszeit – angepasst an ihre Dienstzeit – auf 6.30 Uhr morgens vorverlegt. Dies ist eines der vielen Beispiele von Militarisierung ziviler Räume durch die Bundeswehr. Mit Steuerngeldern wird ein KiTa ausgebaut, um auf die Bedürfnisse der Soldat_innen einzugehen, wodurch ihnen ein Sonderrecht über andere in Deutschland wohnhaften Menschen, die an der defizitären KiTa-Struktur leiden, einrichtet. Wie Thomas Mickan (siehe IMI-Analyse 2014/026) in Bezug auf die Sicherung von Belegplätzen in KiTas durch die Bundeswehr bereits schrieb: „Definitionsgemäß muss dies als Militarisierung verstanden werden, wenn hier vor allem Militärangehörige per Gesetz, Verordnung oder Regierungshandeln Privilegien gegenüber der Allgemeinheit erhalten.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  12. Trump am Hindukusch
    Jetzt verteidigt auch US-Präsident Trump unsere Freiheit am Hindukusch. Wer an Trumps Wahlversprechen, die US-Truppen aus Afghanistan zurückzuziehen, geglaubt hat, wird jetzt eines besseren belehrt. Der großmäulige Trump lernt: Nicht er regiert das Land, sondern die Wall Street, die er an die Kette legen wollte, und der militärisch-industrielle Komplex, vor dem schon Eisenhower warnte, bestimmen wie bei den vorherigen Präsidenten die Richtung der US-Politik. Ziel: Eroberung von Rohstoffen und Absatzmärkten – notfalls mit militärischen Mitteln.
    Afghanistan und Syrien sind Drehscheiben, wenn es um die Weiterleitung der Rohstoff-Vorräte dieser Region geht. Deshalb entdecken dort die USA ihre „moralische Verpflichtung, für Demokratie und Frauenrechte einzutreten“. Am besten hat der inhaftierte Wikileaks-Gründer Julian Assange die US-Außenpolitik karikiert. Als die USA drohten, in Venezuela militärisch zu intervenieren, weil der Präsident die Demokratie abbaue, riet er Venezuela, doch die saudi-arabische Verfassung zu übernehmen, um die USA zufriedenzustellen.
    Die größte Gefahr für den Weltfrieden geht nach wie vor von der stärksten Militärmacht, den USA, aus, die die Welt mit über 800 Militärstationen überzogen haben und viele Kriege mit Millionen Toten geführt haben, um Rohstoff-Zugang und Absatzmärkte zu sichern.
    Zusatzbemerkung für Einäugige: Der russische Oligarchen-Kapitalismus ist nicht besser. Nur verfügt er über weitaus weniger militärische Macht (Ausgaben für Militär 2016: USA: 611 Milliarden Dollar, Russland: 69,2 Milliarden Dollar) Deshalb gilt das Zitat Helmut Schmidts: „Für den Frieden der Welt geht von Russland heute viel weniger Gefahr aus als etwa von Amerika.”
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
  13. Narzissmus und Macht in der Politik: Das Beispiel Donald Trump (1/3)
    „Die Ausübung von Macht wird dann problematisch, wenn die Leitungsfunktion vom pathologischen Narzissmus der Führungsperson bestimmt wird. Wenn der Führer seine Macht dazu benutzt, seine unbewussten narzisstischen Konflikte auszuagieren oder abzuwehren.“ Es fehlt uns nicht an kurzatmiger Entrüstung über die jeweils aktuellen Fehlleistungen des US-Präsidenten; vielmehr vermissen wir in der Berichterstattung meist tiefer gehende Analysen der Motive und der Wesensart Donald Trumps. Der Psychoanalytiker und Verleger Hans-Jürgen Wirth schließt diese Lücke, indem er sich vor allem der inneren Biografie des Präsidenten zuwendet. In diesem ersten Teil fragt er vor allem nach dem Einfluss von Psychopathologie auf politisches Handeln. Was will jemand kompensieren, wenn er nach der Macht greift?
    Quelle 1: Hinter den Schlagzeilen – Teil 1
    Quelle 2: Hinter den Schlagzeilen – Teil 2
    Quelle 3: Hinter den Schlagzeilen – Teil 3
  14. US-Atombomben raus aus Deutschland?
    US-Atombomben raus aus Deutschland: Das fordert nun SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Kanzlerin Merkel sieht das nicht so, wie die Sprecherin der Bundesregierung heute klarstellte. Solange Deutschland nuklear bedroht werde, müsse die Abschreckung sein. Tilo wollte vom SPD-geführten Auswärtiges Amt wissen, ob die Forderung des SPD-Chefs mit Sigmar Gabriel abgestimmt wurde. Schäfer weiß es nicht, geht aber davon aus. Wie viele US-Atombomben es in Deutschland gibt, will und kann man nicht beantworten…
    Ausschnitt aus der BPK vom 23. August 2017
    Quelle: Jung und naiv via YouTube
  15. Waffen für den Reset
    Geheimtreffen zwischen Ukraine-Beauftragten der USA und Russlands. Riskantes Spiel des Westens
    Den ganzen Ukraine-Konflikt gäbe es nicht ohne die globale Gegnerschaft zwischen den USA und Russland. Diese Erkenntnis drängt sich wieder einmal auf, nachdem die beiden Mächte offenbar beschlossen haben, den »Minsk-Prozess« in die eigenen Hände zu nehmen. Am vergangenen Wochenende haben sich nach belarussischen Angaben die Ukraine-Beauftragten Moskaus und Washingtons, Wladislaw Surkow und Kurt Volker, in Minsk zu einem Gespräch hinter verschlossenen Türen getroffen. Ob dabei mehr herauskam als das Lob für ein »sachliches und konstruktives« Treffen, ist bisher nicht bekannt. Aber die USA, die sich seinerzeit ganz bewusst aus der Aushandlung des Waffenstillstands für den Krieg im Donbass herausgehalten haben, um sich auch gegenüber ihren europäischen Verbündeten alle Optionen der Eskalation offenzuhalten, sind jetzt offenbar unzufrieden mit dem Stand des allmählich »einfrierenden« Konflikts.
    Dass das nicht gleichbedeutend ist mit einer Bereitschaft, das Scheitern des Frontalangriffs ihrer Kiewer Protegés auf das Donbass einzugestehen, macht die Trump-Administration durch die Ankündigung von Waffenlieferungen an die Ukraine deutlich. Geplant ist, Kiew mit »defensiven« panzerbrechenden und Flugabwehrwaffen auszustatten. Die Bezeichnung dieser Systeme als »defensiv« ist dabei schiere Augenwischerei.
    Quelle: junge Welt
  16. Rechtsextremismus: Tote, die nicht zählen
    Viele Opfer rechter Gewalt erscheinen nicht in den Statistiken des Bundeskriminalamts.
    Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen werfen den Behörden vor, die rechten Gewalttaten zu verharmlosen.
    Für die Angehörigen der Opfer ist eine offzielle Anerkennung wichtig, um eine Verarbeitung zu ermöglichen.
    Es war nicht das erste Mal, dass aus der Wohnung über ihm laute Nazi-Musik dröhnte. Helmut Sackers wollte keinen faschistischen Gesang um sich haben, nicht das Horst-Wessel-Lied hören, aber die Strophen der Nazi-Parteihymne schallten unüberhörbar durch den Plattenbau in Halberstadt. Am Abend des 29. April 2000 rief Helmut Sackers die Polizei und drohte dem Neonazi Andreas S. mit einer Anzeige, sollte er noch einmal gezwungen werden, diese Musik zu hören. Einige Stunde später lag der Frührentner tot auf einer Treppenstufe in dem Plattenbau. Andreas S. hatte mit einem Messer vier Mal auf den 60-Jährigen eingestochen.
    Obwohl Andreas S. offensichtlich ein Neo-Nazi war, obwohl Helmut Sackers Zivilcourage zeigte, als er gegen die rechte Musik einschritt und obwohl sein Tod in Medien und Politik hohe Wellen schlug: Sackers ist nach offiziellen Angaben des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamtes kein Opfer rechter Gewalt. Der Fall zeigt exemplarisch, wie fragwürdig die Zählmethodik der Behörden ist. Bis heute, auch 25 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen, als Hunderte Verblendete und Rechtsextreme ein Flüchtlingswohnheim in Mecklenburg-Vorpommern belagerten, mit Molotowcocktails bewarfen und den Tod der Bewohner in Kauf nahmen. Der Politik warf man 1992 vor, rechte Gewalt und Rechtsextremismus nicht ernst zu nehmen. Ein Vorwurf, den einige Organisationen beim Blick auf die staatliche Erfassung von rechtsextremer Gewalt auch heute noch formulieren.
    Quelle: Süddeutsche
  17. Unser vorbildlicher Umgang mit rechter Gewalt
    Nach dieser hanebüchenen Stellungnahme von US-Präsident Trump konnte man tatsächlich nur mit dem Kopf schütteln. Der Eindruck bestärkte sich, dass da einer mächtige Wahrnehmungsprobleme, ja unter Umständen was am Sträußchen hat. Ja, natürlich war das mal wieder ein Skandal. Wie kann es bitte sein, dass der erste Mann seines Staates sich hinstellt und rechtsextreme Gewalt leugnet, obgleich es Bilder und Mitschnitte genug gab, die diesen Umstand als Fakt darlegten? Das ist fürwahr skandalös. Und dass die breite Medienlandschaft das dann auch genau so eingestuft hat, ist völlig richtig. Donald Trump ist ein Präsident der Rassisten und Hetzer. Und dass er das ist, damit kokettiert er gerne.
    Bei uns geht es da schon ein bisschen zivilisierter zu. Mit solchen Attributen würde hier kein Politiker glänzen wollen – ja, selbst unsere Rassisten leugnen noch, dass sie welche sind. Wenn rechtsextreme Gewalt dann doch offenbar wird, leugnet man sie nicht, man packt Plattitüden aus, spricht von »rückhaltloser Aufklärung«, »Nie wieder!« und »Verantwortung vor der Geschichte«. Nach Aufdeckung des NSU solidarisierte sich das gesamte öffentliche Leben mit den Hinterbliebenen jener Opfer, die dieselbe Öffentlichkeit vorher noch als schweigsame Mitwisser in einer Serie von »Döner-Morden« betrachtete. Aber immerhin, als dann die Wahrheit ans Licht kam, schob man sie nicht weg – man stellte sich der Realität.
    Quelle: Heppenheimer Hiob

    dazu: UN legen Rassismus-Beschwerde gegen USA ein

    • Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung hat die USA aufgefordert, sich klarer von rassistischen Äußerungen und Verbrechen zu distanzieren.
    • Die Vereinten Nationen reagieren damit auf die Aussage des US-Präsidenten Donald-Trump, sowohl Neonazis als auch Gegendemonstranten seien für die gewaltsamen Ausschreitungen in Charlottesville verantwortlich gewesen, bei denen eine Frau getötet wurde.
    • Es passiert äußerst selten, dass der UN-Ausschuss Beschwerden gegen Regierungen einlegt.

    Quelle: Süddeutsche


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