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Titel: Air-Berlin-Insolvenz – was wird da hinter den Kulissen gemauschelt?
Datum: 17. August 2017 um 13:50 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Verkehrspolitik, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Jens Berger
Die Frage war eigentlich nicht, ob die zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin in die Insolvenz geht, sondern wann dies geschieht. Schon seit Jahren war die Fluglinie hoch defizitär und hing nur noch am finanziellen Tropf des Großaktionärs Etihad aus Abu Dhabi. Es ist auch kein großes Geheimnis, dass Etihad sich mittelfristig von der teuren deutschen Tochter trennen und die Lufthansa AG sich die Filetstücke ergattern wollte. Erst im Mai dieses Jahres traf sich Lufthansa CEO Carsten Spohr in Abu Dhabi mit den Vertretern des Emirats, um die Übernahme zu verhandeln. Besonders pikant – Spohr gehörte zur Delegation von Angela Merkel, die dem Emirat im Mai einen Staatsbesuch abstattete. Sollte die Air-Berlin-Übernahme durch die Lufthansa von langer Hand geplant worden sein, käme der Lufthansa eine Insolvenz mitten während der Ferienzeit und zu Beginn des Wahlkampfs natürlich sehr gelegen. Ohne großes Federlesen zu machen, sprang die Bundesregierung auch sofort mit 150 Millionen Euro Überbrückungsgarantien ein, um die Übernahme abzusichern. Zufall? Wohl kaum. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Niemand kann behaupten, dass die Pleite wirklich unerwartet kam. In den letzten vier Geschäftsjahren verzeichnete Air Berlin einen kumulierten Verlust von 1,92 Milliarden Euro. Das Jahr 2016 war mit einem Verlust von 782 Millionen Euro das schlechteste in der Firmengeschichte von Air Berlin. Die Finanzschulden des Konzerns summieren sich laut Branchendienst aeroTELEGRAPH auf stolze 1.161 Millionen Euro, davon soll der Konzern alleine dem Großaktionär Etihad 454 Millionen Euro schulden. Geld, das die Scheichs aus Abu Dhabi wohl komplett abschreiben können, denn Air Berlin hat schon lange keine nennenswerten Aktiva mehr. Die Flugzeuge sind alle an eine Finanzgesellschaft ausgelagert und werden nur noch an die Airline verleast. Selbst die Firmenzentrale in Berlin gehört schon lange nicht mehr der Fluglinie. Von Wert sind streng genommen nur noch die Start- und Landerechte, die Slots an den Drehkreuzen Düsseldorf und Berlin, die von Brancheninsidern mit 80 Millionen Euro beziffert werden. 80 Millionen Euro Sicherheiten gegen 1.161 Millionen Euro Schulden? Es ist schon bemerkenswert, dass die Bundesregierung bei einer derartigen Schieflage als Sicherheitsgeber einspringt.
Aber nicht nur das: Air Berlin ist zwar eine in Deutschland zugelassene Fluglinie, jedoch bereits die Betreibergesellschaft Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG ist laut Tagesspiegel in London zugelassen und die Holding Air Berlin PLC ist ohnehin eine rein britische Firma. Die Finanzen von Air Berlin werden derweil über eine Tochter aus Amsterdam verwaltet. Wo eigentlich die Besitzrechte an den Jets liegen, die die PLC & Co. KG leasen musste, ist unbekannt. Bei diesem Konstrukt ging es dem langjährigen Firmenpatriarchen Joachim Hunold jedoch nicht nur um die Steuerersparnis, die bei der chronisch defizitären Airline ohnehin zu vernachlässigen war, sondern vor allem um seinen pathologischen Kampf gegen die Gewerkschaften, die er auch schon mal als „Verbrechen an der Wirtschaft“ bezeichnet hat. Und nun haftet der Steuerzahler für ein solches Firmenkonstrukt? Sicher, für die 8.000 Mitarbeiter ist die Insolvenz ein harter Schlag, aber das war die Schlecker-Pleite für die 25.000 Schlecker-Frauen auch, für die die Merkel-Regierung damals kein Mitleid hatte.
Es ist jedoch zu vermuten, dass die Staatshilfen einen ganz besonderen Zweck haben. Deutschland gehört zu den am härtesten umkämpften Märkten für die Luftfahrt. Der Branchenprimus Lufthansa mit seinem gigantischen Knotenpunkt Frankfurt wehrt sich bislang erfolgreich gegen die Attacken, die vor allem von zwei „Billigairlines“ gefahren werden – der britischen EasyJet, die mehrheitlich dem griechisch-zypriotisch-stämmigen Milliardär Stelios Haji-Ioannou gehört, und der irischen Ryanair, deren größte Aktionäre Wall-Street-Investmentbanken sind. Die Lufthansa hält dieser Konkurrenz vor allem mit der firmeneigenen Tochter Eurowings entgegen und in der Branche wird offenbar schon lange gemunkelt, dass die Lufthansa liebend gerne Air Berlin loswerden und einige Start- und Landerechte der Konkurrenz für die Tochter Eurowings erwerben würde. Etihad hätte wohl auch liebend gerne verkauft – es gab jedoch laut einer Reuters-Meldung noch drei Hindernisse, die Lufthansa und Etihad aus dem Weg räumen mussten: Das deutsche Kartellrecht, die Kosten und die Schulden von Air Berlin.
Die Schulden von Air Berlin sind nun Geschichte. Ob die Gläubiger überhaupt etwas bekommen, steht in den Sternen. Vor allem für den Großgläubiger Abu Dhabi ist dies sicher ein schwerer Schlag, obgleich man die Schulden sicher ohnehin bereits intern abgeschrieben hat. Das Hindernis ist jedoch aus dem Weg und die laufenden Kosten ist das Emirat damit los. Für die Lufthansa hat die Bundesregierung das zweite Hindernis aus dem Weg geräumt. Die 150 Millionen Euro „Überbrückungskredit“ reichen angeblich für drei Monate. Und da die Verhandlungen ohnehin auch schon vor dem Insolvenzantrag sehr weit fortgeschritten waren, kann man diese Summe durchaus auch als Geschenk an die Lufthansa interpretieren; auch wenn sich das nicht bis zur EU-Kommission in Brüssel herumsprechen sollte. Um das dritte Hindernis, das Kartellrecht, zu umgehen, holt die Lufthansa offenbar den Konkurrenten EasyJet ins Boot. Der ist wohl schon länger auf die Air-Berlin-Slots in Düsseldorf scharf und wenn Lufthansa und EasyJet das Fell des Berliner Bären unter sich aufteilen, dürfte dies die Wettbewerbshüter besänftigen.
Auf jeden Fall muss man allen Beteiligten zum perfekten Timing gratulieren. Zu Beginn des Wahlkampfs will natürlich weder die CDU noch die SPD Bilder von erbosten, gestrandeten Urlaubern in den Medien sehen, die sich bitter darüber beschweren, mit Kind und Kegel von „denen da oben“ vergessen worden zu sein und auch 8.000 gefährdete Arbeitsplätze sind ein Pfund. Dass viele dieser Arbeitsplätze nach Ablauf der dreimonatigen Frist ohnehin verloren gehen werden, steht auf einem anderen Blatt, denn in drei Monaten sind die Wahlen durch. Dann werden vielleicht nur noch vereinzelte Kritiker fragen, was denn nun aus den 150 Millionen Euro geworden ist. Aber auch so etwas gerät ja schnell in Vergessenheit. Die größten Aktionäre der Lufthansa sind übrigens amerikanische, britische, französische und deutsche Fonds, Investmentgesellschaften und Banken. Man wird sich für das „Wahlgeschenk“ bedanken. Und Abu Dhabi? Leider ist nicht bekannt, was Angela Merkel im Mai dem Emirat konkret angeboten hat. Und auch die Lufthansa könnte sich ganz ohne finanzielle Mittel erkenntlich zeigen – es wäre sicher keine allzu große Überraschung, wenn man künftig für seine Asien-Verbindungen verstärkt auf den Knotenpunkt Abu Dhabi setzen würde.
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