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Titel: Über Grenzen nachdenken. Rezension eines neuen Buches zur Ethik der Migration

Datum: 26. Juli 2017 um 16:44 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Innen- und Gesellschaftspolitik, Rezensionen, Ungleichheit, Armut, Reichtum, Wertedebatte
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Im Moment kommen an Italiens Küste wieder viele neue Flüchtlinge an, was zu verzweifelten Hilfeappellen der italienischen Regierung an die anderen EU-Mitgliedsstaaten geführt hat. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat das Thema gerade für den SPD-Wahlkampf entdeckt. Das neue Buch zur Flüchtlingspolitik von Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie an der Universität München und ehemaliger Kulturstaatsminister in der Rot-grünen Regierung Gerhard Schröders, könnte deshalb nicht aktueller sein. Könnte! Udo Brandes hat das Buch für die Nachdenkseiten gelesen und rezensiert.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wieso das Dogma der offenen Grenzen auch aus linker Perspektive falsch ist

Eine Rezension von Udo Brandes

Bei der Flüchtlingsdebatte hat mich immer wieder eines geärgert: Dass die Befürworter einer Politik der offenen Grenzen die mit der Einwanderung verbundenen Konflikte schlichtweg leugnen. Die Betroffenen an der Basis aber müssen mit diesen Konflikten zurechtkommen und werden dabei meistens allein gelassen.

Lehrer etwa, die zum Beispiel selber entscheiden und verantworten müssen, wie sie damit umgehen, wenn muslimische Eltern ihren Kindern verbieten, tagsüber zu trinken und zu essen, weil Ramadan ist. Bricht ein Kind deshalb im Sportunterricht zusammen, muss sich in erster Linie der Lehrer verantworten.

Oder um noch ein Beispiel zu nennen: Die wirtschaftlich ohnehin schon unter Druck stehende Unterschicht gerät durch Einwanderung noch mehr unter Konkurrenzdruck. Deshalb können Menschen aus der Unterschicht – und dies legitimerweise – kein Interesse an Einwanderung haben. Jemand aus meinem Bekanntenkreis, sehr gut situiert und ohne wirtschaftliche Sorgen, streitet dies schlicht ab. Aus meiner Sicht nicht zuletzt deshalb, weil die Haltung eines weltoffenen, liberalen Kosmopoliten bestens dazu geeignet ist, ein moralisches Überlegenheitsgefühl zu erzeugen, oder soziologisch ausgedrückt: Distinktionsgewinne zu erzielen.

Aus diesem Grund habe ich mich auf die Lektüre von Julian Nida-Rümelins neuen Buch Über Grenzen denken. Eine Ethik der Migration sehr gefreut. Und tatsächlich ist es ein Buch, das in vielen Fragen den Finger in die Wunden legt, den Mainstream in Frage stellt und interessante Argumente und Gedankengänge enthält, aber auch viele gute Quellen- und Literaturhinweise für Menschen, die sich mit dem Thema näher beschäftigen wollen. Trotzdem ist mein Eindruck ambivalent. Denn Nida-Rümelin nimmt einerseits eine kritische Haltung gegenüber der neoliberalen Ideologie ein, verteidigt aber in konkreten Einzelfällen eben diese, was man wohl nur noch psychologisch erklären kann. Mehr dazu weiter unten. Zunächst möchte ich die zentralen Thesen von Rida-Rümelin darstellen.

Nida-Rümelin ist der Auffassung,

„dass man zwischen Ethik, Recht, Politik und Ökonomie keine scharfe Trennung vornehmen kann.“ (S. 16)

Dass diese vielmehr eine Einheit seien. Er versteht seinen Ansatz als „kohärentistisch“ (kohärent = zusammenhängend). Damit meint er, dass man nicht ein umfassendes ethisches Prinzip formulieren könne (wie zum Beispiel das utilitaristische Prinzip, das nach der Nützlichkeit von Handlungen fragt) und mit diesem Prinzip jede Frage der Migrationspolitik beurteilen könne. Sondern dass man vielmehr kohärentistisch vorgehen müsse und jeweils verschiedene normative Gründe, die sich aus der Praxis ergeben, abwägen müsse:

„Egoistische Handlungstheorien, zu denen die in der Ökonomie dominierende Rationalitätstheorie gehört, behaupten, lediglich Gründe der ersten Kategorie seien relevant (gemeint sind interessengeleitete, praktische Gründe; U. B.). Unsere lebensweltliche Praxis steht dem aber entgegen. So leben wir nicht, und so urteilen wir nicht.“ (S. 45)

Dementsprechend plädiert Nida-Rümelin für eine kohärente ethische Beurteilung, die verschiedene Perspektiven berücksichtigt:

„Es gibt keine voneinander isolierten ‚Systemlogiken’ – eine ökonomische, eine politische, eine lebensweltliche etc. – sondern vielmehr verschiedene praktische Gründe, auch verschiedene Typen von Gründen, die gegeneinander abgewogen werden müssen, damit sich am Ende daraus eine stimmige, eben kohärente Praxis ergibt.“ (S. 59)

Er veranschaulicht dies am Beispiel der ökonomischen Logik:

„Die vermeintlich ökonomische Systemlogik der Moralfreiheit ist lediglich die Verabsolutierung eines legitimen Handlungsgrundes, nämlich die Optimierung des Gewinns oder die Optimierung des Konsums. Dieser legitime Handlungsgrund spielt in der ökonomischen Praxis eine große Rolle, aber er muss abgewogen werden gegen andere Handlungsgründe.“ (S. 59-60)

In der konkreten Anwendung seiner kohärentistischen Herangehensweise kommt Nida-Rümelin zu folgender zentrale These:

„Die Aufnahme von Armutsflüchtlingen aus dem globalen Süden in den reichen Ländern des globalen Nordens, also in Nordamerika und Europa, ist kein vernünftiger Beitrag zur Bekämpfung von Weltarmut und Elend. Dies liegt zum einen am selbst für den Einzelnen sehr hohen Aufwand für die transkontinentale Wanderung, einschließlich der Gefahr, dabei ums Leben zu kommen, es liegt aber auch an den Integrationskosten im aufnehmenden Staat, an dem kulturellen Verlust der Migrierenden, und vor allem an den sozioökonomischen Verlusten der in der Elendsregion Zurückgebliebenen. Ich spreche mich also aus kosmopolitischen und humanitären Erwägungen gegen eine Politik der offenen Grenzen zur Bekämpfung des Weltelends aus.“ (S. 24)

Die zentrale ethische Problematik im Falle von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen sieht Nida-Rümelin darin, dass die Integration der Migrierenden in der Regel nicht sinnvoll sei.

„Eine substanzielle Integration auf dem Arbeitsmarkt, in die Bildungseinrichtungen, in Kultur und Sprache des aufnehmenden Landes bedarf einer Langzeitperspektive, also eines dauerhaften Verbleibs der Geflohenen im aufnehmenden Land. Der Sinn der Aufnahme von Bürgerkriegs- und Kriegsflüchtlingen ist es aber, vorübergehend Schutz zu bieten, um dann möglichst rasch nach Beendigung des Krieges eine Rückkehr und die Unterstützung des Wiederaufbaus des Heimatlandes möglich zu machen.“

Offene Grenzen und Willkommenskultur sind keine Lösung

Nida-Rümelin argumentiert meines Erachtens zu Recht, dass die Flüchtlingsproblematik weder durch offene Grenzen noch durch eine Willkommenskultur zu lösen sind:

„Zu den unangenehmen Tatsachen gehört, dass das Elend von über zwei Milliarden Menschen auch unter den Bedingungen großzügigster Willkommenskultur und offener Grenzen in den reichen Ländern dieses Globus nicht nennenswert zu mildern wäre.“ (S.11)

Dies ergibt sich ja auch schon aus der reinen Zahlenbetrachtung. Wenn auch nur ein Bruchteil der zwei Milliarden Menschen, die in Armut und Elend leben, mit dem Ziel Deutschland auswandern würden, wäre unser Land in kürzester Zeit komplett überfordert. Aber vor allen Dingen wäre dies auch eine Katastrophe für die Herkunftsregionen. Denn zu Recht weist Nida-Rümelin darauf hin, dass nicht die Schwächsten und Ärmsten flüchten:

„Wer mehrere Tausend Dollar aufbringen kann, um von Ghana nach Sizilien zu kommen, gehört mit Sicherheit nicht zur Bottom Billion (gemeint ist, die ärmste Milliarde Menschen; U.B.) der Weltpopulation.“ (S. 103)

Daraus ergebe sich ein großes Problem für die Herkunftsregionen:

„In den Herkunftsregionen aller massiven Migrationsbewegungen in der Vergangenheit waren die Wirkungen überwiegend negativ. So haben sich ganze Landstriche des europäischen Südens von der massiven Auswanderung in beide Amerikas über Jahrzehnte nicht erholt, oder um ein Beispiel aus der jüngeren deutschen Geschichte zu nennen: Die Entvölkerung weiter Teile Ostdeutschlands infolge jener ökonomisch unklugen Schockvereinigung der vormalig getrennten deutschen Staaten ohne Übergangsfristen und Sonderwirtschaftszonen (anders als bei der Integration des Saarlandes in den 1950er Jahren) samt der Einführung einer gemeinsamen Währung und vollständiger Freizügigkeit hat dort zu Perspektivlosigkeit und Resignation beigetragen und soziale Dysbalancen geschaffen, die bis heute nachwirken und für eine lange Zeit nicht mehr korrigierbar sein werden.“ (S. 12)

Ursachen der Flüchtlingsproblematik

Gleich zu Anfang seines Buches weist Nida-Rümelin darauf hin, dass

„Zu den unangenehmen Tatsachen gehört, dass die Flüchtlingsbewegungen Richtung Europa, speziell nach Deutschland, auch Folge eines vom Westen mit zu verantwortenden politischen Chaos in Nordafrika und im Nahen Osten sind.“ (S. 10)

Er nennt in diesem Zusammenhang den Irakkrieg, die Unterstützung der syrischen Opposition und die Destabilisierung der nordafrikanischen Diktaturen. Und kritisiert die mangelnde internationale Solidarität:

„Der letzte Auslöser der Flüchtlingskrise war jedoch die mangelnde internationale Solidarität gegenüber den Anrainerstaaten, die die Bürgerkriegsflüchtlinge teilweise in sehr großen Zahlen aufgenommen hatten (Libanon, Jordanien, Türkei, nicht dagegen die Golfstaaten). Auch Deutschland hatte es an der gebotenen Solidarität fehlen lassen, sogar gegenüber den südeuropäischen Zielländern der Flüchtlinge aus dem arabischen Raum und Afrika, wie Italien, Spanien und Griechenland, also EU-Mitgliedsstaaten.“ (S.11)

Auch in anderer Hinsicht seien die reichen Länder Verursacher von großen Fluchtbewegungen, nämlich weil ihre Transferzahlungen in arme Länder weniger die Funktion der Entwicklung zur wirtschaftlichen Prosperität hätten, sondern an die Erschließung von Absatzmärkten gekoppelt seien, also mehr dem eigenen Vorteil dienten. So würden zum Beispiel durch die Bereitstellung billiger Nahrungsmittel die Grundlagen örtlicher Agrarwirtschaften zerstört.

Nida-Rümelin kritisiert auch, dass das Primat des Politischen nicht mehr gegeben sei, sondern dass stattdessen mächtige Konzerne und demokratisch nicht kontrollierte internationale Organisationen zu zentralen Akteuren des Weltgeschehens geworden seien.

Nida-Rümelins Lösung der Flüchtlingsproblematik

„Wir sollten keinen Demokratieexport betreiben, keine Politik des Regimewechsels fortsetzen, wie sie der Westen in der MENA-Region (= Mittlerer Osten und Nordafrika; U.B.) seit Anfang der 1990er Jahre mit desaströsen Konsequenzen praktiziert hat, aber wir sollten in den wohlhabenden Ländern darauf hinwirken, Strukturen der Weltwirtschaft zu etablieren, für die die Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse im Vordergrund steht und nicht die Interessen von Oligarchen.“ (S. 183)

Dies bedeute u. a., das marktradikale Paradigma, der Markt sei entscheidend und setze sich ohnehin durch, in Frage zu stellen und wieder dem Primat des Politischen Geltung zu verschaffen sei:

„Den reinen ökonomischen Markt kann es nicht geben. Der ökonomische Markt ist unverzichtbar, aber nur effizient, wenn er ethisch und kulturell eingebettet bleibt. Der ideale Markt ist der beschränkte Markt. Ein Markt ohne Regeln, ohne Grenzen, ohne wertorientierte Praxis, wird zwangsläufig dysfunktional. Er ist nicht imstande, eine effiziente Güterverteilung zu organisieren.“ (S. 130).

Um eine gerechtere Welt zu erreichen, müsse deshalb so etwas wie eine Weltinnenpolitik institutionell geschaffen werden.

„Eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung lässt sich nicht bilateral, durch Handelsverträge, aufbauen, sondern nur multilateral, Schritt für Schritt, im Rahmen eines Aushandlungsprozesses der Vereinten Nationen, organisieren. Dieses Muster ist aus den Menschenrechtsverträgen vertraut, und es ist nicht einzusehen, warum es nicht ebenso erfolgreich auch auf die Etablierung einer Weltwirtschaftsordnung, die einem gemeinsamen globalen Gerechtigkeitssinn entspricht, angewendet werden kann. Es gibt bei allen Interessenkonflikten das überragende gemeinsame Interesse an einer Befriedigung und Zivilisierung der Weltgesellschaft. Es ist eine Erfahrung, die sich an vielen Beispielen belegen lässt, dass die Hoffnung auf Prosperität durch Kooperation zur Befriedung beiträgt, ja selbst tief verwurzelte Stereotype und Konfliktmuster überwinden kann.“ (S. 180)

Inhaltlich bedeute dies:

„Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit, Institutionalisierung einer globalen Weltwirtschafts- und Weltsozialpolitik, Primat der Elendsbekämpfung im globalen Süden, politische Kontrolle internationaler Konzerne, Zurückdrängung oligarchischer Strukturen.“ (S. 184)

Nida-Rümelin kritisiert meines Erachtens zu Recht Linke, die in Bezug auf Migration und Flucht neoliberal argumentieren:

„Erstaunlicherweise wird die Forderung nach offenen Grenzen nicht nur aus der liberalen und neoliberalen (besser: libertären) Richtung vorgebracht, sondern auch von links, selbst vonseiten vehementer Globalisierungskritiker. So wie man migrationsskeptischen Libertären und Liberalen vorhalten kann, inkohärent zu argumentieren und willkürlich einen Markt, nämlich den der Arbeit, aus dem Programm einer möglichst weitgehenden Deregulierung herauszunehmen, so kann man den linken Vertretern offener Grenzen vorhalten, dass sie sich im Migrationsdiskurs, wohl ohne sich dessen bewusst zu sein, neoliberaler Argumentationsmuster bedienen.“ (S. 12-13)

Ich kann diese Sichtweise von Nida-Rümelin nur unterstreichen! Es ist verlogen und scheinheilig, wenn Sahra Wagenknecht von Leuten aus der eigenen Partei in die rechte Ecke gerückt wird, wenn sie darauf hinweist, dass Einwanderung zu einem verstärkten Konkurrenzdruck für die unteren Einkommensgruppen führt. Hier bin ich ganz einverstanden mit Nida-Rümelin, wenn er den Widerstand gegen Einwanderung in den unteren Einkommensgruppen damit erklärt, dass diese dadurch nachweislich wirtschaftlich erheblich unter Druck gerieten, während die Mittelschicht oft sogar noch davon profitiere, zum Beispiel in Form billiger Arbeitskräfte im haushaltsnahen Dienstleistungsbereich (siehe dazu S. 134).

Allerdings muss man kritisch anmerken: Gleichzeitig übersieht er seine eigenen Widersprüche. Er kritisiert die neoliberale Marktideologie, verteidigt aber die asoziale neoliberale Politik Gerhard Schröders, die vielen Millionen Menschen das Leben zur Hölle gemacht hat.

„Die Reformen der Agenda Gerhard Schröders haben den deutschen Arbeitsmarkt teilweise dereguliert, aber in Verbindung mit sozialstaatlichen Fördermaßnahmen (Fordern und Fördern) einen bis heute anhaltenden drastischen Rückgang der Arbeitslosigkeit bewirkt und die Voraussetzungen für die Erholung der deutschen Volkswirtschaft von den schlecht gemanagten Vereinigungsfolgen ermöglicht.“ (S. 131-132)

Dass diese Einschätzung von Nida-Rümelin kompletter Unsinn ist, können Sie im Nachdenkseiten-Interview mit dem Soziologen Prof. Dr. Klaus Dörre von der Universität Jena im Detail nachlesen (Link zum Interview:).

Diese Schizophrenie Nida-Rümelins lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass er nicht wahrhaben will, dass er selbst Mitglied einer Regierung war, die die von ihm zu Recht kritisierte desaströse neoliberale Politik geradezu mustergültig betrieben hat.

Verlange nichts, was du nicht selbst praktizierst

Der liberalen Mittel- und Oberschicht, die sich so vehement für offene Grenzen einsetzt, rückt Nida-Rümelin in einem seiner sieben „ethischen Postulate für eine Migrationspolitik“ argumentativ wirkungsvoll auf den Leib. Das Postulat lautet:

„Verlange von der Migrationspolitik nichts, was du nicht auch in deinem sozialen Nahbereich akzeptierst, und praktiziere in deinem sozialen Nahbereich, was du von der Migrationspolitik erwartest.“ (S. 154)

In der Erläuterung heißt es, dass die Befürworter offener Grenzen prüfen sollten, ob sie das analoge Prinzip für ihre eigene Lebenswelt akzeptieren würden:

„Wären sie zum Beispiel bereit, Obdachlose in ihrer Wohnung aufzunehmen, bis zu der Schwelle, an der das eigene Wohlergehen so weit absinkt, dass die Wohlfahrtsverbesserung für den aufgenommenen Obdachlosen diese nicht mehr kompensiert? Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wird diese Weigerung als eine ethisch unzulässige Bevorzugung eigener Interessen interpretiert oder für ethisch zulässig erachtet? Wenn sie als ethisch zulässige Weigerung interpretiert wird, dann sollte die betreffende Person zunächst ihre Lebensform ändern, bevor sie allgemeine Forderungen an die Migrationspolitik stellt, die von ihr selbst nicht erfüllt werden. Wenn sie allerdings ihre Weigerung für ethisch zulässig hält, dann sollte diese Person erklären, warum das Analogon zur Migrationspolitik generell nicht gilt.“ (S. 154-155)

Wer sich für das Thema Migrations- und Flüchtlingspolitik interessiert und sich eine argumentativ fundierte Meinung bilden will, dem kann man trotz dieser Widersprüchlichkeit von Nida-Rümelin das Buch empfehlen. Es enthält wie oben schon ausgeführt auch viele Quellenhinweise. Allerdings muss sich der geneigte Leser darauf gefasst machen, dass dieses Buch sich nicht durch einen leicht lesbaren, eingängigen Stil auszeichnet.

Julian Nida-Rümelin: Über Grenzen denken. Eine Ethik der Migration, edition Körber-Stiftung, Hamburg 2017, Gebundene Ausgabe, 241 Seiten, 20 Euro


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