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Titel: Runter mit der Rüstungsforschung an Hochschulen! Weg mit dem AStA-Maulkorb!
Datum: 22. Juli 2017 um 12:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Friedenspolitik, Hochschulen und Wissenschaft
Verantwortlich: Albrecht Müller
Dr. Dietrich Schulze machte die NachDenkSeiten auf einen bundesweit interessanten Vorgang in Karlsruhe aufmerksam. Im dortigen KIT wird die Militärforschung ausgebaut. Der Karlsruher AStA wehrt sich gegen einen Maulkorb der Hochschulleitung. Hier der Bericht von Dietrich Schulze und ein Dankeschön an ihn. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Das Folgende spielt sich aktuell in Karlsruhe ab. Hier existiert eine der größten Forschungs- und Lehreinrichtungen für über 20.000 Studierende. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstand aus den Zusammenschluss der Universität mit dem Forschungszentrum Karlsruhe.
Am 19. Juli wurde der KIT-Präsident von der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten in einem Offenen Brief aufgefordert, dem AStA des KIT den verordneten Maulkorb zu einer Rüstungsforschungskooperation unverzüglich abzunehmen.
Diese Kooperation besteht zwischen dem Lehrstuhl für Interaktive Echtzeitsysteme (IES) des KIT und dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). Das IOSB ist voll militarisiert. Die Bildauswertung ist eine militärische Schlüsseltechnologie. Der Lehrstuhlleiter ist in Personalunion Chef des IOSB. Diese kooperative Rüstungsforschung und -entwicklung wurde im November 2016 in einer Veranstaltung des AStA im Redtenbacher-Hörsaal der Universität Karlsruhe von Christoph Marischka vom friedenspolitisch bekannten Tübinger IMI e.V. analysiert. Namentlich bekannte IES-Mitarbeiter forschen danach direkt an militärischen IOSB-Projekten.
Am 12. Juni richtete der AStA an den KIT-Präsidenten eine gut begründete Anfrage nach Offenlegung der finanziellen, inhaltlichen und personellen Verflechtungen des KIT-IES mit dem IOSB, nachlesbar im Detail in der AStA-Webseite. Am 30. Juni ging die Antwort ein mit dem KIT-Hinweis, dass die »aufgeführten Informationen und Daten selbstverständlich weder für die Öffentlichkeit, noch für außenstehende Personen bestimmt sind.«
Dazu ein Zitat aus dem oben benannten Offenen Brief:
»Von Beginn an war und ist diese Kooperation eine öffentliche Angelegenheit. Inzwischen wurden vertiefende Analysen veröffentlicht. In Sonntagsreden wird gerne die Transparenz des KIT gelobt. Die Geheimhaltungs-Klausel gegenüber einem gleichberechtigten Partner ist das ganze Gegenteil davon. Das KIT ist eine öffentlich-finanzierte Forschungs- und Bildungseinrichtung. Alle von Innen und Außen vorgetragene Kritik am KIT ist vom Präsidium bzw. von KIT-Zuständigen angemessen öffentlich zu beantworten. Die Herabwürdigung des AStA zu einem Geheimnisträger ist völlig inakzeptabel.«
Um den Vorgang einschätzen zu können, ist ein kurzer Blick in die große Politik erforderlich. Die Brüsseler EU-Kommission hat eine enorme Erhöhung der Ausgaben für Rüstungsforschung beschlossen mit der Konsequenz, dass das gleiche in der Bundesrepublik nachvollzogen wird. Die neue großdeutsche Politik organisiert eine EU-Armee mit dem klaren Vorsatz, den direkten deutschen Zugang zu Atomwaffen zu erreichen. Das ist der Grund für die Abstinenz bei der UNO-Abstimmung zur Ächtung aller Atomwaffen, beschlossen von einer großen Mehrheit von 122 Staaten.
Für diese neudeutsche Kriegspolitik werden gehorsame Hochschulen benötigt. Unabhängig denkende Wissenschaftler und Studierende sind ein Hindernis. Dass darunter die Wissenschaft elementar leidet, interessiert die Herrschenden nicht. Dass für diese Kriegsforschung die studentische Mitbestimmung unerwünscht ist, kann man jetzt besser einordnen.
Die Studierendenvertretungen haben jede Menge anderer Probleme zu lösen. Nur eins davon ist die Einführung von Studiengebühren in Baden-Württemberg. Am 3. Mai gab es eine AStA-Spontandemo dagegen, mit der die Rede von Ministerin Theresia Bauer unterbrochen wurde (Bild aus dem AStA-Video).
Eben jene Ministerin der GRÜNEN hatte in der Opposition einen Zivilklausel-Antrag gestellt. Kaum im Amt vergaß sie das und sattelte auch anderweitig auf CDU-Positionen um. In einer KIT-Versammlung darauf angesprochen, bezeichnete sie ihre frühere Zivilklausel-Unterstützung als „Jugendsünde“.
Der AStA hingegen ist dem Beschluss der studentischen Urabstimmung pro Zivilklausel vom Januar 2009 treu geblieben. Er beruft sich auch heute noch darauf. Dieses war übrigens die erste Studi-Urabstimmung zu einem friedenspolitischen Thema überhaupt.
Es bleibt dabei, dass dieser Maulkorb beseitigt, die Mitbestimmung der Studierenden qualifiziert, der autoritäre Charakter der Hochschuladministration mit direkter Großindustrie-Beteiligung zurückgefahren und die Rüstungsforschung beendet werden muss. Vielmehr sind friedenspolitische Lehrstühle einzurichten, z.B. für die Rüstungskonversion (Waffenhersteller-Betriebe in zivile Produktion konvertieren). Das ist der Kern der Zivilklausel für die Hochschulen..
Zur Person des Autors und Anmerkungen des Autors:
Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940). Nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe. 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku). Beiratsmitglied von NatWiss und publizistisch tätig. (Email)
An der benannten Urabstimmung konnte der Autor im Vorfeld bei der Mobilisierung mithelfen. In diesem Kontext entstand die Initiative. Deren besondere Qualität liegt in der umfangreichsten und fast täglich gepflegten Zivilklausel-Dokumentation überhaupt. Alles Benannte findet sich dort.
Es bleibt, den Dank an die NachDenkSeiten auszusprechen, dieses Thema rasch aufgegriffen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben.
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