Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Die Durchwurstel-Kanzlerin
Angela Merkel ist die überschätzteste Politikerin der letzten Jahre:
- Mit Schröder und Fischer hat sie den deutschen Sozialstaat schwer beschädigt.
- Mit ihren Alleingängen und Sozialabbau-Diktaten hat sie die Völker Europas gegen uns aufgebracht.
- Im Gefolge der USA hat sie Truppen an die russische Grenzen geschickt und die Ost- und Entspannungspolitik durch eine Politik der Konfrontation mit Russland abgelöst.
Im ARD-Sommerinterview zeigte sie wieder ihre Unbedarftheit: “Wir können das Geld, das wir haben, zur Zeit nicht ausgeben. Wir müssen unbedingt die Planungsverfahren beschleunigen”, gab sie zum Besten. Das zieht einem die Schuhe aus.
Lange war es für Bürgermeister und Ministerpräsidenten selbstverständlich, fertige Pläne in der Schublade zu haben, falls wieder mal, wie das in früheren Jahren öfter der Fall war, ein öffentliches Konjunkturprogramm aufgelegt würde. Wenn es Brei regnet, musst du den Löffel hinhalten (sprich fertige Pläne haben), hieß es damals. Aber die „schwäbische Hausfrau“ Merkel mit ihrem „Hohepriester der schwarzen Null“ Schäuble sind verantwortlich dafür, dass die öffentliche Hand in Deutschland seit Jahren weniger investiert als andere Industriestaaten und die Infrastruktur verfallen lässt.
So wurstelt die Merkel. Zuerst werden 17.000 Polizeistellen abgebaut. Wenn in der Folge von Anschlägen dann deutlich wird, welcher Fehler damit gemacht wurde, wirbt man in Wahlkämpfen damit, man wolle wieder mehr Polizisten einstellen.
Vielleicht kapiert sie mit vielen Gleichgesinnten, dass es ein ebenso großer Fehler war, die Zahl der Planungsingenieure vor allem bei Ländern und Gemeinden deutlich zu verringern. Aber das kann, wie ihr einfältiges Lächeln, als sie ihre Weisheiten im Sommerinterview von sich gab zeigte, noch dauern.
Aber wir sind ja Export-Weltmeister! Diese jetzt Merkel zugeschriebene „Glanztat“ bezahlen fast die Hälfte der Deutschen mit weniger Kaufkraft im Vergleich zu den 90er Jahren und viele Europäer – vor allem Jugendliche – mit Arbeitslosigkeit. Aber dass, wer mehr exportiert, als er bei anderen einkauft, auch Arbeitslosigkeit exportiert, wird die Durchwurstel-Kanzlerin wohl nie begreifen. Das ist, davon ist sie, wie viele ihrer Hofberichterstatter, fest überzeugt, alternativlos.
Quelle: Oskar Lafontaine
- Gruppe von Alteingesessenen zieht die Fäden
Gespräch mit Marco Bülow. Über das Parteiestablishment, das gerne noch mal mit Merkel will, einen Kanzlerkandidaten ohne Mumm und idiotische Wahlkampfstrategen
Ende Juni war in der Wochenzeitung Freitag unter dem Titel »Angies Juniorpartner« eine krachende Abrechnung mit dem »Establishment der SPD« und dessen Einfluss und Wirken auf die Partei drei Monate vor der Bundestagswahl erschienen. Da hieß es etwa: »Es sind genügend da, die vor allem mitregieren wollen, die genervt sind von den Wünschen der Basis, die es sich bequem gemacht haben an der Seite der Union, die sich vor allem gegen ›Ökos‹ und Linke abgrenzen wollen.« Sie haben den Beitrag verfasst. Hat Ihnen Martin Schulz dafür schon gedankt?
(Lacht.)
Ganz bestimmt nicht, und das war auch nicht Sinn der Sache. Ich finde, es ist an der Zeit, die Kräfte zu aktivieren und darüber nachzudenken, ob es nicht innerhalb der Partei Leute in verantwortlichen Positionen gibt, die eine Neuauflage der großen Koalition gutheißen, auch wenn sie das so offen nicht sagen würden. Aber allein der Eindruck, dass manch einer einfach so weitermachen will wie bisher, schadet der Partei, den Wahlkämpfern an der Basis und unserem Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Um noch eine Chance zu haben, müssen wir in die Offensive kommen. Angela Merkel kann gerne in dieser abwartenden, überparteilichen Haltung posieren. Die SPD gewinnt damit keinen Blumentopf, wir müssen attackieren. Das geht aber nur, wenn der Kandidat und dessen ganzes Umfeld an einem Strang ziehen.
Quelle: junge welt
- SPD-Wahlprogramm
- Schulz auf Mindestdrehzahl
SPD-Kanzlerkandidat stellt in Berlin drei Wochen nach Regierungsprogramm »Zukunftsplan« vor. Seine Rede wirkte wie eine Kapitulationserklärung
Im Januar 2005 rühmte der damalige von der SPD gestellte Bundeskanzler Gerhard Schröder sich und seine »Agenda 2010« auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: »Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.« Mit den Folgen dieser »Errungenschaft« und dem von ihr ausgehenden Druck auf die Einkommen aller Beschäftigten haben die Betroffenen in der Bundesrepublik und die durch deutsche Dumpinglöhne niedergerungenen Volkswirtschaften anderer Länder immer mehr zu kämpfen. Die Vokabel »Niedriglohnsektor« wurde in einigen Staaten gar nicht erst übersetzt.
Die heutige SPD ficht das wenig an. Das demonstrierte der Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz am Sonntag bei einer Veranstaltung vor mehreren hundert geladenen Gästen in der Berliner SPD-Zentrale bei der Vorstellung seines sogenannten Zukunftsplans. Der trägt den Titel »Das moderne Deutschland. Zukunft – Gerechtigkeit – Europa« und enthält in zehn Punkten auf 19 Seiten eine Zusammenfassung dessen, was ein SPD-Parteitag erst vor drei Wochen in Dortmund als Regierungsprogramm auf 116 Seiten verabschiedet hatte. Außer der Textreduktion gab es nichts Neues. Anlass für die merkwürdige Tagung dürfte das Umfragetief sein, in dem die Partei verharrt. Am Samstag abend veröffentlichte bild.de eine Emnid-Umfrage, wonach die CDU zur Zeit auf 38 Prozent käme, die SPD auf 25 Prozent – ungefähr dasselbe Ergebnis wie vor vier Wochen.
Quelle: junge welt
- Zukunftsplan auf tönernen Füßen
„Martin Schulz‘ Zukunftsplan steht auf tönernen Füßen. So richtig es ist, mehr öffentliche Investitionen in Deutschland und Europa, mehr Geld für Bildung und Weiterbildung oder einen Digitalisierungsfonds zu fordern, so sehr verweigern Martin Schulz und die SPD den einzigen Weg, um den Zukunftsplan zu finanzieren“, erklärt die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Sahra Wagenknecht, zum heute vom SPD-Kanzlerkandidaten vorgestellten Zukunftsplan. „Ohne eine Vermögensteuer, die endlich die Reichen und Superreichen zur Finanzierung von modernen Schulen, sanierten Straßen, mehr Pflegepersonal, mehr Lehrerinnen und Lehrern, mehr Polizisten heranzieht, bleibt der Zukunftsplan von Martin Schulz nur Schall und Rauch.“ Wagenknecht weiter:
“Hinzu kommt, dass die SPD-Führung sich ehrlich machen muss, um glaubwürdig für ein modernes Deutschland streiten zu können. Sie war in 15 der vergangenen 19 Jahre Teil der Bundesregierung. Wenn Martin Schulz also beklagt, dass das Land unter seinen Möglichkeiten regiert wird, sollte er sich zuerst an die eigene Nase fassen. Kooperationsverbot in der Bildung, Entkernung der gesetzlichen Rente, ausufernde prekäre Arbeit, der größte Niedriglohnsektor in Europa, Waffenexporte in immer größeren Ausmaß hat die SPD zu verantworten. Es wäre gut, wenn Martin Schulz davon abrücken würde, allein die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass bei den Sozialdemokraten von den hehren Plänen vor der Wahl nach dem Wahltag nur noch wenig übrig bleibt. Sofern diese Pläne überhaupt ausreichen. Ein Generationenvertrag, der das Rentenniveau bei 48 Prozent festtackert, ist eben eines auf keinen Fall: fair.
Quelle: Die Linke
Anmerkung Christian Reimann: Es stellt sich die Frage, wann endlich auch die SPD-Basis aufwacht, dieses leicht zu durchschauende Vorhaben erkennt und dagegen rebelliert – oder zumindest einen inhaltlichen Politikwechsel einleitet. Oder ist die SPD keine Mitgliederpartei mehr? Oder ist die Mehrheit der Mitglieder wirklich so leicht zu beeinflussen? So jedenfalls wird das mit der Kanzlerschaft eines SPD-Mitgieds nichts.
- Der Sparfetisch gefährdet unsere Zukunft
Die SPD ist weiter im Umfragetief. Die Wende soll ein Wirtschaftsprogramm bringen, das Martin Schulz am Sonntag vorstellt. Einer der Autoren verspricht einen neuen Aufschwung – für die Partei und für das Land. […]
Enderlein: Ich stehe da eher auf der Seite des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der mit einer offensiven Strategie auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren will. Nachhaltiges Wachstum entsteht nur in einer offenen Gesellschaft, nicht hinter geschlossenen Grenzen. Gerade Deutschland braucht dieses Wachstum, weil wir demografisch schrumpfen. Innovation ist der Garant für Gerechtigkeit und materielle Sicherheit.
SPIEGEL ONLINE: Das hätte Angela Merkel nicht schöner sagen können. Was unterscheidet Ihr Konzept von dem der Union?
Enderlein: Gegenfragen: Warum fehlen in Deutschland 350.000 Kitaplätze? Warum verschließen wir Frauen ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, obwohl rund eine halbe Million Frauen gern von Teilzeit in Vollzeit wechseln würden? Warum haben wir kein modernes Einwanderungsgesetz? Ich würde auch die Bundeskanzlerin unterstützen, wenn sie diese Punkte in den Kern ihrer Politik rücken würde. Ich sehe aber, dass sich eher die SPD diesen Themen annimmt. Martin Schulz fordert eine Investitionsoffensive – in Verkehrswege, digitale Infrastruktur, Bildung. Wir brauchen einen Neuanfang und dürfen uns nicht an veralteten Konzepten des Föderalismus festhalten.
SPIEGEL ONLINE: Wie meinen Sie das?
Enderlein: Bildung darf nicht mehr nur Ländersache sein. Der Bund muss eine größere Rolle spielen und auch Geld in die Hand nehmen. Unsere Berufsschulen sind oft in katastrophalem Zustand und schlecht ausgestattet. Eine Zahntechnikerin sollte auf dem modernsten 3D-Drucker ausgebildet werden. Nur so sichern wir die Nachhaltigkeit unserer Ausbildung. Dafür sind zusätzliche Finanzmittel erforderlich.
SPIEGEL ONLINE: Viele Wirtschaftsexperten halten das für die altbekannte SPD-Platte: Sie wollen Geld ausgeben, das der Staat nicht hat.
Enderlein: Falsch. Derzeit häufen wir im Bundeshaushalt Überschüsse an, weil Sparen zum Fetisch geworden ist. Mit dieser Strategie verspielt Deutschland seine Zukunft. Die berühmte schwäbische Hausfrau würde nie das eigene Haus verkommen lassen, sondern es picobello in Stand halten, ehe sie es an die nächste Generation übergibt. Sehen Sie sich die Häuser in Schwaben mal an, das ist wirklich so. Ich plädiere schon lange dafür, in Ergänzung zur Schuldenbremse eine staatliche Investitionspflicht einzuführen. Martin Schulz hat diesen Vorschlag aufgegriffen. Das freut mich.
Quelle: SPON
Anmerkung JK: Dahinter, hinter Schulz‘ Zukunftsplan, steckt immer ein kluger Kopf und hier ahnt man es bereits: „Henrik Enderlein lehrt als Wirtschaftsprofessor an der Hertie School of Governance“. „2012 sprach sich Enderlein in einem kontrovers diskutierten Gutachten für die Landesregierung Baden-Württemberg mit Koautoren für einen harten Konsolidierungskurs und die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung aus.“
Es sollte klar sein, die Schuldenbremse ist ein zentrales Instrument zur Durchsetzung der neoliberalen Agenda. Dem Staat soll durch die Schuldenbremse jeder finanzielle Handlungsspielraum genommen werden, um dann die öffentliche Infrastruktur an private Investoren auszuliefern, da ja nun zu wenig öffentliche Mittel zur Verfügung stehen.
Hier manifestiert sich wieder einmal die Unausgegorenheit und Widersprüchlichkeit des SPD-Programms. Die SPD kann und will sich nicht von der neoliberalen Ideologie verabschieden. Arbeitslosengeld Q anstatt Abschaffung des Hartz-IV Systems, eine staatliche Investitionspflicht, die nichts wert ist (SPD-Wahlkampfknaller Investitionspflicht – nur oberflächlich betrachtet eine tolle Sache) anstatt Aufhebung der Schuldenbremse. In der SPD scheint man eines immer noch nicht zu begreifen, wenn es überhaupt noch eine Chance gibt verlorene Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen, dann muss sich die SPD klar von der neoliberalen Ideologie verabschieden. Allerdings wird dieses Mal die Rechnung der Oppermanns, Zypries, Kahrs nicht mehr aufgehen, die daraufsetzen, dass die SPD auf ewig als Juniorpartner in einer großen Koalition fungiert. Nach den jüngsten Umfragen zur Bundestagswahl rückt sogar eine schwarz-gelbe Mehrheit in den Bereich des Möglichen. Welche politische Rolle bleibt dann noch für die SPD?
Im Übrigen zeichnet sich das Interview durch die übliche neoliberale Phraseologie aus, welche die Durchsetzung der neoliberalen Agenda hinter wohlfeilen Floskeln, “mit einer offensiven Strategie auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren”, verschleiert. Aber wie sieht die „offensiven Strategie“ eines Emmanuel Macrons denn aus? Wie üblich, Steuersenkungen für Unternehmen, staatliche Ausgabenkürzungen, Abbau von Arbeitnehmerrechten, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, usw. (siehe auch „Macron will stärker in Kommunen sparen“). Das soll das Vorbild für das Wirtschaftsprogramm der SPD sein?
- Macron
- Macron will stärker in Kommunen sparen
Französische Regionen, Städte und Gemeinden sollen ihre Ausgaben nach dem Willen der Regierung um 13 Milliarden Euro reduzieren. Der IWF lobt Macrons Sparpläne.
Frankreichs Regionen, Départements und Städte sollen nach dem Willen der Regierung in Paris in den kommenden Jahren deutlich sparen. Laut Haushaltsminister Gérald Darmanin sollen die Gebietskörperschaften ihre Ausgaben bis 2022 um 13 Milliarden Euro senken. Im Wahlkampf hatte der neu gewählte Präsident Emmanuel Macron noch von zehn Milliarden Euro gesprochen.
Der konservative Oppositionspolitiker und Vorsitzende des Bundes französischer Bürgermeister, François Baroin, kritisierte die Ankündigung. “Man kann nicht wieder die Schuhe an den Gebietskörperschaften abtreten”, sagte er dem Sender LCI. Die Kommunen würden bei so weitgehenden Kürzungen “untergehen”.
Die Pariser Regierung und Vertreter von Städten, Départements und Regionen berieten am Montag bei einer Konferenz in Paris über die Finanzbeziehungen zwischen Zentralstaat und Gebietskörperschaften. Premierminister Edouard Philippe sagte, er erwarte “harte und langwierige” Verhandlungen.
Macrons Regierung hatte versprochen, das französische Defizit in diesem Jahr unter die EU-Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Die Regierung kündigte kürzlich zusätzliche Einsparungen von 4,5 Milliarden Euro an, um dieses Ziel auch einzuhalten. Frankreich überschreitet seit zehn Jahren die EU-Haushaltsvorgaben.
Bei den Beratungen herrscht nicht nur wegen der geplanten Einsparungen eine aufgebrachtw Stimmung. Die französischen Städte und Gemeinden sind besorgt über Macrons Pläne, 80 Prozent der Haushalte von einer Wohnungssteuer auszunehmen, die bislang den Kommunen zugute kommt. Die Regierung hat zwar Ausgleichszahlungen versprochen. Die Städte und Gemeinden bezweifeln aber, dass diese auch langfristig zur Verfügung gestellt werden.
Insgesamt will Macrons Regierung in seiner fünfjährigen Amtszeit 60 Milliarden Euro einsparen.
Quelle: ZEIT
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Man muß nur hart genug sparen, dann blühen irgendwann die Landschaften… Im Ernst: was soll gut werden, wenn die Kommunen (voraussichtlich) an der Daseinsvorsorge sparen müssen und an Sozialleistungen für die Ärmsten? Und dann noch eine Steuer streichen? “Die Kommunen würden bei so weitgehenden Kürzungen “untergehen”.” – Schön formuliert – von einem *konservativen* Bürgermeister. Und der IWF lobt die Macron-Pläne (die gleichzeitig massive Steuergeschenke nach oben beinhalten), die das Land weiter ruinieren werden, als “ehrgeizig und mutig” – wirklich verrückt.
- Macron ein Aussteiger?
Schneller als erwartet fängt der Lack der Glitzerfassade des neuen französischen Präsidenten an abzublättern. Die Finanztransaktionssteuer, das letzte halbwegs progressive Projekt der EU-Kommission, steht auf Macrons Abschussliste. (…)
Im Klartext bedeutet dieses Junktim, man will die Attraktivität des Finanzstandorts Paris nicht durch die FTS gefährden. Und da bereits seit Monaten zwischen Frankfurt und Paris der Kampf um die fettesten Brocken aus der Beute des BREXIT tobt, glaubt Macron, die französische Wettbewerbsposition auf diese Weise stärken zu müssen.
Das Manöver steht im Zusammenhang mit einem ganzen Maßnahmepaket, das u.a. Steuererleichterungen für Boni und Gehälter von Bankern vor allem der oberen Etagen vorsieht. Eine weiteres Zuckerl für die Banken ist die Herausnahme des Intra-Day-Handels aus der unilateralen und ohnehin schon ziemlich mickrig ausgefallenen FTS, die noch von Sarkozy eingeführt worden war.
Das BREXIT-Argument ist ein fadenscheiniger Vorwand. Auch wenn kein Mensch weiß, wie der BREXIT im Einzelnen ausfallen wird, ist doch schon jetzt klar, dass der Finanzsektor der Euro-Zone, darunter auch der Standort Paris, davon profitieren werden. Nicht nur die EU-Aufsichtsbehörde EBA, auch zahlreiche Geschäftsmodelle, die an den Euro gebunden sind, werden in die Euro-Zone ziehen.
Daher gibt es für eine am gesellschaftlichen Interesse orientierten Politik nicht den geringsten Anlass für Extra-Geschenke an die Banken. Auch die Konkurrenz mit Frankfurt ist kein Argument, denn auch dort würde die FTS gelten. Also kein Vorteil oder Nachteil für die eine oder andere Seite.
Macron hat im Wahlkampf immer die beleidigte Leberwurst gegeben, wenn ihm seine frühere Tätigkeit im Investmentbanking vorgehalten wurde. Jetzt, nach der Wahl, lässt er prompt die Maske fallen und bedient gleich zu Beginn seiner Amtszeit skrupellos die Interessen des Finanzkapitals.
Zudem wirft der Vorgang ein bezeichnendes Licht auf den angeblich so „guten Europäer“ Macron. Nach mehr als vier Jahren höchst komplizierter Verhandlungen zwischen zehn Partnern einen ausverhandelten Kompromiss einfach mal so wieder in Frage zu stellen, das hat schon Trump’sches Format.
Die Fans der Lichtgestalt aus Paris, die es hierzulande bis weit in die Linke gibt, werden lernen müssen – und das nicht nur beim Thema FTS – dass der harte Kern von Macrons Politik auch nichts anderes ist als Make France great again. Auch wenn der Franzose natürlich nicht so tölpelhaft daher kommt wie sein US-Kollege.
Quelle: Makroskop
- Staatstrojaner brennen nicht so gut wie Autos
Inzwischen sind die letzten Trümmer in Hamburg weggeräumt, das war ein Fest. Gefühlte 24 Stunden Dauerkrawall-Übertragung. Alle Politiker fordern was, alle weisen irgendwelche Schuld irgendwem zu, hier setzt ein atonaler Chor ein: Sie haben Schlecker gestürmt, sie haben Schlecker gestürmt. Testosterontriefende Angriffe auf (Chor wieder) EIGENTUM reizte ein paar ganz Verwegene zu Nazi- und Terroristenvergleichen. Also im Vordergrund war gut was los, und in einem imaginären Keller wurde ein Gesetz verabschiedet (müsste ich jetzt erklären, stattdessen drücken Sie doch einfach hier).
Eine Entscheidung, die von Pessimisten als gravierender Eingriff in die Grundrechte, in die Privatsphäre und als ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur lückenlosen Überwachung der Bevölkerung bezeichnet wird. Und jetzt der Chor der Mehrheit: Wir haben nichts zu verbergen. Natürlich nicht. Also machen wir weiter.
Vielen Dank. Brennende Autos sind der absolute super Aufmerksamkeitsgau gegen etwas so Trocknes wie Überwachung. Mit Zeug, das irgendwo unsichtbar passiert, holt man keinen hinter dem Ofen vor. Zumal ja noch nichts passiert ist. Das Sammeln all Ihrer Mails, der besuchten Websites, Ihrer Fitnessdaten und Kaufgewohnheiten, die Gesichtserkennung, die tollen Smart-Geräte, die viele sich selbst kaufen, das ist ein bisschen wie Benzin zur Selbstentzündung zu erwerben. Das süße Netz. Das den Welthandel befeuert hat und Einsame zueinander bringt, müsste im Moment gelöscht und neu gestartet werden.
Neben den Bots, dem Hass und der Spaltung der Bevölkerung durch gezielte Manipulation von Wahlen, ist da der komplett überwachte Mensch, der sein Auto nicht mehr starten kann, wenn er mit einer Rate im Rückstand ist, der seinen smarten Kühlschrank nicht öffnen kann, wenn er 79 Gramm Übergewicht hat, der keine neue Wohnung bekommt, weil er in der alten eine Beschwerde an den Besitzer geschrieben hat, der im smarten Supermarkt nicht mehr zahlen kann, weil sein Konto von der Regierung gesperrt wurde, weil er zu einer nicht genehmigten Versammlung eingeladen hat (es war nur ein Skatabend, ich schwöre) und darum von einem grauen Wägelchen abgeholt wird (klicken Sie hier).
Quelle: SPON
Anmerkung JK: Ein durchaus bedenkenswerter Aspekt, lässt sich doch durch die künstliche Aufregung über die G20-Krawalle von so machen anderen Dingen ablenken.
- G20 – Verletzte Grundrechte
Erst wurden über 10.000 gewaltbereite Demonstranten für den Gipfel in Hamburg prophezeit, dann etablierte die Polizei die Zahl 8.000. Am Ende schritten hochgerüstete Polizeieinheiten gegen 1.000 Demonstranten (Angaben der Polizei) bei der »Welcome to Hell«-Demo am Donnerstag am Hamburger Hafen ein, weil die sich angeblich nicht demaskieren wollten. Augenzeugen berichteten allerdings, dass es lediglich einige hundert waren. Wer aber steckt hinter so einer Vermummung? Linksautonome Aktivisten? Staatsbeamte mit Spezialauftrag? Faschos und Hools? Oder Kriminelle? Klar dürfte jedenfalls sein: Wenn Tausende von militärisch auftretenden und hochgerüsteten Staatsbeamten mit ihren Granatwerfern, Schnellfeuerwaffen und Maschinenpistolen demonstrativ tagelang gegen alle, die ihnen auf der Straße begegnen, äußerst aggressiv vorgehen, geht es nicht um ein paar hundert Vermummte. Wenn unter solchen Umständen Häuser gestürmt, Menschen die Knochen gebrochen, Brände gelegt und Straßenzüge verwüstet werden, ist da keinesfalls etwas »aus dem Ruder gelaufen«, wie manche mutmaßen: Hier sollen nicht nur »Gewaltbereite«, hier sollen alle Demonstranten, Passanten, aber auch gar nicht anwesende Kritiker des Staates eingeschüchtert werden. Mit erstaunlicher Klarheit haben das in diesen Tagen mehrere Polizeisprecher und Politiker kundgetan. »Grundrechte einzuschränken ist nun mal Teil der Aufgabe und schützt die Demokratie vor zu großem Individualismus«, postete etwa die Hamburger Gewerkschaft der Polizei über Twitter am Mittwoch. Dagegen nennt die Gewerkschaft Verdi die Ereignisse ein einziges »Festival der verletzten Grundrechte«.
Medien können in einer bürgerlichen Demokratie eine wichtige, den Herrschenden durchaus unangenehme Rolle spielen. Offensichtlich deshalb hat man wohl auch sie ins Visier genommen. Journalisten unterschiedlicher Medien wurden von Beamten geschlagen, drangsaliert, in der Ausübung ihres Berufes massiv behindert. Eigentlich war auch das nicht nötig, die meisten Medien funktionierten als verlängerter Arm der Staatsmacht: Erklärungen der Polizei wurden ohne Gegenrecherche übernommen und gebetsmühlenartig wiederholt, schon im Vorfeld der Ereignisse. Als die Polizei meldete, dass sie gegen 1.000 vermummte Personen vorgegangen sei, wurde diese Zahl beispielsweise vom TV-Sender N24 brav gemeldet und auch dann noch ständig wiederholt, als ihr Reporter vor Ort aussagte, dass es deutlich weniger Personen gewesen seien.
Mit dem martialischen Auftritt sollte wohl ein Zeichen gesetzt werden: Egal ob Linksautonomer, Journalist oder friedlicher Demonstrant: Wer nicht spurt, wird repressiert. Dabei treten komische Helfershelfer auf, wie die junge Welt erleben musste. Schon im Vorfeld der Protestaktivitäten gegen den G-20-Gipfel wurde die junge Welt inhaltlich angegriffen, weil G20 nicht G7 sei und man wegen der Teilnahme der Regierungen etwa aus Russland oder China gegen den Gipfel nicht protestieren dürfe.
Quelle: junge welt
Dazu nochmals: So will Hamburg gegen G20-Gegner vorgehen
Und: Die Mär vom stets korrekten Polizisten
Es ist nicht Missgunst, wenn man feststellt, dass die Benefizaktionen, in deren Genuss die beim Hamburger Gipfel verletzten Polizisten gerade kommen, übertrieben, ja, befremdlich wirken: Die Elbphilharmonie hatte sie schon zu einem Gratis-Konzert eingeladen, der Bericht davon in der „Bild“-Zeitung las sich, als kämen die Beamten gerade von der Front; dazu soll es nun noch einen Gratis-Urlaub mit Hotel nach Wahl geben, für den die „Bild“ schon gesammelt hat und die Bahn Hin- und Rückfahrttickets spendiert, Erster Klasse natürlich.
Das betrifft „rund fünfhundert“ Beamte – so die seit einer Woche kursierende Zahl, offiziell hieß es 476. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Bilanz übertrieben war: Wie nun auch Polizeisprecher und das bayerische Innenministerium bestätigen, wurden während der Gipfeltage 231 Beamte verletzt, der Rest im „erweiterten Einsatzzeitraum vom 22.Juni bis 10.Juli“; zu mehreren Dutzend waren das Kreislaufprobleme infolge von Dehydrierung, also ohne Fremdeinwirkung; 95 Prozent der behandelten Polizisten konnten ihre Arbeit offenbar sogleich wieder aufnehmen.
Und das soll ein „Inferno“, eine „Horrornacht“ gewesen sein? Wie man aber linke Gewalt auf keinen Fall relativieren und einordnen darf, etwa, indem man auf die Todesopfer rechter Gewalt verweist, so darf man wahrscheinlich auch nicht relativierend darauf hinweisen, dass Hamburg schon Schlimmeres erlebt hat, und zwar beim Bombardement der „Operation Gomorrha“ im Hochsommer 1943, nachzulesen bei Hans Erich Nossack („Der Untergang“, 1948).
Woher kommt wohl das staatstragende Getue, das jetzt wieder um die Polizei gemacht wird? Kann man sie, wie jede andere Berufsgruppe auch, nicht einfach als eine Ansammlung von Personen betrachten, in der es, wie unter Ärzten, Bäckern, Sportlern, Juristen oder Journalisten, solche und solche gibt, die ihrer ja freiwillig gewählten Arbeit nachgehen, die einen gut bis sehr gut, die anderen weniger? Offenbar nicht. Was die Polizei tut und lässt, scheint über jeden Zweifel erhaben, auch wenn auf Videos zu sehen ist, wie eine unbewaffnete, auf einem Einsatzwagen stehende Frau mit Wasserwerfern traktiert wird oder am Boden liegende Personen noch geprügelt und getreten werden. Weiß Bürgermeister Scholz nichts von den 35 Ermittlungsverfahren, die meisten davon wegen „Körperverletzung im Amt“?
Quelle: FAZ
Anmerkung JK: Es ist die alte Propagandaleier jede Blessur die Polizisten im Rahmen solcher Einsätze erleiden, egal ob in direkter Konfrontation mit Demonstranten oder durch “friendly fire”, wenn diese also das eigene Tränengas abbekommen haben, undifferenziert in der Statistik auszuweisen, um die Angelegenheit für die Öffentlichkeit dramatischer aussehen zu lassen und politisch besser ausschlachten zu können.
- Versammlungsfreiheit gilt für alle!
Es ist eine gespenstische Debatte. Nach den Krawallen von Hamburg und dem nationalistischen Dumpfbacken-Konzert von Themar diskutiert die Republik ernsthaft über eine Einschränkung des Versammlungsrechts. Und ausgerechnet ein linker Ministerpräsident gibt dazu den Takt vor.
Vielleicht hilft erstmal ein bisschen Juristerei: Erstens gilt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für alle – also auch für solche Menschen, deren Anliegen kein vernunftbegabter Mensch teilen möchte. Zweitens gibt es Grenzen dieses Grundrechts. Strafbares Verhalten gehört laut Verfassung ganz sicher dazu. Wer also meint, er könne eine Versammlung für Gewalttaten, Volksverhetzung oder NS-Symbole nutzen, hat sich geschnitten. Die Rechtslage ist klar: Eine Versammlung, die gegen Strafnormen verstößt kann aufgelöst, Straftäter können verfolgt werden.
Was also einschränken? Keine Versammlungsfreiheit mehr für Doofe? Ausschluss von Gefährdern und Vertretern radikalen Gedankenguts? Gesichtskontrollen? Musikverbote? Meint Herr Ramelow das, wenn er von „Präzisierung“ eines Grundrechts spricht?
Klar, es wirft Fragen auf, wenn die Polizei in Hamburg gegen eine Versammlung vorgeht, weil ein Teil der Demonstranten das Vermummungsverbot nicht befolgt, in Themar aber weiter demonstriert werden darf, obwohl Hunderte gleich gegen zig Strafgesetze verstoßen. Hierüber sollte diskutiert werden.
Aber eine Einschränkung des Versammlungsrechts ist das Letzte, was die Republik gerade braucht. Ob Schwarzer Block oder fremdenfeindliches Gegröle: Das müssen wir aushalten. Sonst diskutieren wir morgen über eine Gesinnungspolizei, die nur noch zulässt, was Staat und Regierung gerade so in den Kram passt.
Quelle: Georg Restle für Monitor
- Kritik an Trump und seiner “Bande dreister Plutokraten”
Schockstarre – in diesen Zustand verfielen liberale Demokraten nach dem Wahlsieg von Donald Trump. Glaubt man Naomi Klein, war das kein Zufall, sondern Programm. In ihrem neuen Buch beschreibt die kanadische Aktivistin den neuen US-Präsidenten als “Prototypus des Katastrophenkapitalisten”.
Auf den ersten Blick wirkt es unangenehm narzisstisch, wenn Klein das Phänomen Trump an ihre erfolgreichen Bestseller “No Logo” (2000) und “Die Schockstrategie” (2007) erinnert. Aber es stimmt ja: Der Sieg des ungehobelten Unternehmers ist der Triumph einer knallharten Markenstrategie. Und seine schockierenden Auftritte sollen einen Zustand der Desorientierung erzeugen, in dem sich Trumps populistische Gegenrevolution besser durchsetzen lässt.
Für Klein ist Trump der ultimative Sieg des Neoliberalismus. Der müsse sich nun nicht mehr der “Maske” des willigen Politikers bedienen. Ihr Argument, dass Trumps “Blitzkrieg der konzernfreundlichen Politik” das Eingeständnis verhindern soll, “dass das neoliberale Projekt am Ende ist”, ließe sich aber auch als sein letztes Aufbäumen deuten.
Trumps Vorbilder ortet sie in der Diktatur Augusto Pinochets in Chile, dem Wirken des US-Statthalters Paul Bremer im Irak nach der Invasion 2003 und die Politik in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina. An all diesen Orten wurde der öffentliche Sektor abgebaut, die Wirtschaft dereguliert und die Bildung privatisiert.
Quelle: deutschlandfunk
- UN-Übersetzungs-Text des Atomwaffen-Verbotsvertrags vom 7.7.2017
Hier ist PDF der offizielle Übersetzungstext der UNO zum Atomwaffen-Verbotsvertrag, wie er auf der Staatenkonferenz am 7. Juli 2017 in New York mit einer Mehrheit von 122 bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme beschlossen wurde. Die “NachDenkSeiten” dokumentieren den Text aus sachlichen Gründen und wegen des Umstands, dass daran auch das dämliche Verhalten der deutschen Bundesregierung und der Koalition sichtbar wird:
Obwohl das EU-Parlament im September 2016 u.a. mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD diese Verhandlungen begrüßt hatte und obwohl diese dann am 23.12.2016 von der UN-Generalversammlung beschlossen wurden, hat die deutsche Bundesregierung auf Verlangen der US-Regierung diese Verhandlungen – ebenso wie alle anderen NATO-Staaten außer den Niederlanden – boykottiert.
Albrecht Müller
- Einmal unten, immer unten
Großbritannien ist nicht nur in der Frage des Brexit gespalten. Das Land ist immer noch eine Klassengesellschaft, sozialer Aufstieg ist fast unmöglich.
Scotland Yard hat die Suche nach den Toten erst vor wenigen Tagen beendet, 81 Menschen sind durch den Brand im Londoner Grenfell Tower ums Leben gekommen. Während die Feuerwehr das Hochhaus noch löschte, begann in Großbritannien die Diskussion über die sozialen Ursachen der Katastrophe. Ein Wohnblock, vernachlässigt, möglichst billig saniert, und das mitten im reichen Stadtteil Kensington. Hier sind vor allem die prachtvollen Häuser wohlhabender Londoner zu bewundern – mit ihren Luxuskarossen davor und Privatschwimmbädern darunter. Doch Sozialwohnungen gibt es eben auch.
Durch das Feuer ist augenscheinlich geworden, wie eklatant die sozialen Unterschiede in Großbritannien sind. Jahrzehntelang haben die Briten hingenommen, dass ihre Gesellschaft tief gespalten ist. Über die Ungleichheit sprach kaum einer, obwohl sie sich immer deutlicher abgezeichnet hat. Grenfell war ein Fanal.
Dass diese Unterschiede existieren, bezweifelt in Großbritannien kaum jemand. Auch der Begriff der Klassen wird, anders als etwa in Deutschland, oft zur Analyse gebraucht. Allein daran zeigt sich, wie manifestiert das Klassenkonzept ist.
Selbst wenn man die Monarchie mit der Queen an der Spitze außen vor lässt, zerfällt die britische Gesellschaft heute in sieben Klassen. Das ergab die Great British Class Survey, eine von der BBC im Jahr 2013 veröffentlichte Studie der Wissenschaftler Mike Savage von der London School of Economics und Fiona Devine von der University of Manchester. Aufgeschlüsselt nach ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital identifizierten die Wissenschaftler folgende Klassen: Elite, etablierte und technische Mittelklasse, neu-wohlhabende Arbeiter, traditionelle Arbeiterklasse, junge Dienstleistungsarbeiter und Prekariat.
Quelle: ZEIT
- Warum sich die Gewerkschaften erbitterte Kämpfe liefern werden
Das Bundesverfassungsgericht hat in der vergangenen Woche ein Urteil gefällt, das eigentlich ganz große Aufmerksamkeit verdient hätte – aber die Aufmerksamkeit blieb weit unter der Bosbach/Maischberger-Schwelle.
Die Auswirkungen dieses Karlsruher Urteils werden aber die Menschen noch empören, wenn ihre Empörung über den G-20-Gipfel schon lang wieder verraucht ist. Dieses Karlsruher Urteil wird nämlich dazu führen, dass sich die großen und die kleinen Gewerkschaften in Deutschland in Zukunft erbitterte Kämpfe liefern werden – wenn auch noch nicht in der nächsten Woche.
Aber dieser Newsletter will auch Ereignisse ankündigen, die noch nicht auf der Agenda der nächsten sieben Tage stehen; er will auch Ereignisse von übermorgen ankündigen, die sich aus den Nachrichten von heute ergeben.
Also: Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil zum sogenannten Tarifeinheitsgesetz gefällt. Dieses Gesetz sieht vor, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag zur Anwendung kommen soll – und zwar der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die die meisten Mitglieder in diesem Betrieb hat. Die anderen Tarifverträge sind dann, so das Tarifeinheitsgesetz, für die Katz.
Das Verfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes zwar massiv bezweifelt; es hat aus diesen Zweifeln aber nicht die gebotene Konsequenz gezogen, das Gesetz für nichtig zu erklären.
Stattdessen hat das Gericht allerlei verschwiemelte Sätze formuliert, wie man das Gesetz hinbiegen muss; und es hat diese Aufgabe des Hinbiegens den Arbeitsgerichten übertragen – mit der Aufforderung, die Sache halt dann in ein paar Jahren wieder dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, wenn die Hinbiegerei nicht funktioniert.
Das ist nicht nur bekloppt, sondern auch einigermaßen feige: Das Verfassungsgericht wollte es sich offenbar mit der Phalanx aus großer Koalition, den DGB-Gewerkschaften und den Arbeitgebern nicht verderben, die allesamt das Tarifeinheitsgesetz verteidigt haben.
Man muss sich das Ganze etwa so vorstellen. Unter den Gewerkschaften gibt es Zwerge und Riesen. Die Riesen sind die DGB-Gewerkschaften; die Zwerge sind die Berufsgewerkschaften, also etwa die der Ärzte, der Lokführer oder der Piloten.
Quelle: Heribert Prantl in der SZ
- Mit Blick in die Zukunft
Die SPD will es zum Wahlkampfthema machen, die Union sieht derzeit keinen Handlungsbedarf. Doch diese innere Ruhe und Gelassenheit beim Thema Rente teilen auch andere Parteien wie die Linke und die Grünen nicht. Vor allem über das Rentenniveau und Lebensarbeitszeiten wird diskutiert.
“Also die Rentenkonzepte von CDU und SPD sind entweder nicht vorhanden oder mutlos.”
Sagt Matthias Birkwald. Die Linke bringt deshalb auch das radikalste Rentenkonzept ins Spiel. Statt das Versorgungsniveau der gesetzlichen Rente weiter zurückzufahren und die Regelaltersgrenze weiter anzuheben, wie dies die Union und SPD mit den Reformen ab 2001 umgesetzt haben und den Versuchen, die dadurch entstehenden Lücken durch private und betriebliche Vorsorgemodelle wenigstens einigermaßen auszugleichen, soll allein die gesetzliche Rente hinreichend sein. Aber nur, wenn das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent angehoben wird.
“Das sogenannte Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung ist komplett gescheitert. Riester wird so gut wie nicht gemacht. Wir müssen nach Österreich gucken. In Österreich sind die Renten wesentlich höher aus unterschiedlichen Gründen, aber der Hauptgrund ist, dass Österreich die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente nicht mitgemacht hat und weiter auf das umlagefinanzierte solidarische Rentensystem setzt. Und das ist ein guter Weg.”
Tatsächlich gilt Österreich derzeit vielen als ein Musterbeispiel dafür, wie man es auch machen könnte. Seit 2005 wurde dort das Rentensystem umgebaut und alle Selbstständigen in die Rentenversicherung einbezogen. Die effektiven Durchschnittsrenten in Österreich liegen derzeit 500 Euro über jenen in Deutschland.
Dafür aber fällt die Besteuerung deutlich höher aus und auch der Beitragssatz liegt mit 22,8 Prozent erheblich über dem deutschen Niveau, wobei in Österreich die Arbeitgeber sogar noch einen höheren Anteil zahlen.
Quelle: Deutschlandfunk
- Google wird allmächtig – die Politik schaut hilflos zu
IT-Unternehmen können schnell neue Regularien umgehen, indem sie ganz einfach neue Techniken entwickeln, auf die sich die passgenaue Rechtslage nicht mehr anwenden lässt. Das Risiko gezielter Regulierung, die meist rein ökonomisch ausgerichtet ist, scheint langfristig sogar im Interesse der Unternehmen zu sein, die von ständiger Innovation profitieren: Anstatt sich den Regeln anzupassen, wirft man das alte Geschäftsmodell über Bord.
Auch unter diesem Aspekt sollte die Rekordstrafe der Europäischen Kommission von 2,4 Milliarden Euro für das Google-Mutterunternehmen Alphabet gesehen werden. Die Strafe kam jetzt nach einer siebenjährigen Untersuchung, ob das Unternehmen seine Marktdominanz ausnutzte, indem es seinen eigenen Shoppingdienst oberhalb der eigentlichen Suchergebnisse anzeigen ließ. Die Position der Kommission erscheint vernünftig. Das traurige Schicksal kleinerer Onlinehändler, die über Jahre nicht im Wettbewerb mithalten konnten, spricht dafür.
Trotzdem sollte man hinter der Korrektheit der Brüsseler Entscheidung keine schlüssige Strategie vermuten. Sollte die EU-Kommission einen ausgeklügelten, effektiven Plan haben, wie sie die Macht der Datengiganten einschränken will, ist davon leider nichts zu sehen. Die Realität hat die Kommission unlängst überholt: Auch wenn Alphabet noch immer sehr viel Geld mit dem Verkauf von Anzeigen bei Google-Suchergebnissen verdient, konzentriert man sich inzwischen eher auf lukrative Geschäfte mit den bereits gesammelten Daten, die verarbeitet und in künstliche Intelligenz (KI) verwandelt werden sollen. In Zukunft geht es bei Alphabet eher um informationsintensive Dienstleistungen, weniger ums
Die Langzeitstrategie von Alphabet ist eine doppelte. Zum einen wollte man immer so viel wie möglich über den Nutzer erfahren. Dafür hat das Unternehmen uns Anwendungen geboten, die eher wenig rentabel waren, mit denen es uns aber möglichst viele Informationen entlocken konnte.
Dieser Datenschatz erlaubt es Alphabet, unser Informationsbedürfnis schon zu berechnen, bevor wir überhaupt etwas in die Suchmaschine eingetippt haben. Unser Standort verrät uns – oder noch weitergehend werden die Informationen über eine Reise aus unserem E-Mailpostfach oder unserem Kalender ausgewertet. Eingetippte Suchanfragen braucht es kaum mehr.
Quelle: SZ
- Deutschland als Prothese
Zeiten der Krise lassen den privaten Wahn und die Idiosynkrasien üppig ins Kraut schießen. Der forcierte gesellschaftliche Wandel lockert traditionelle Anpassungsgefüge und lässt lebensgeschichtlich erworbene Orientierungsmuster und Modi der Selbstwertregulation hinfällig werden.
Das wachsende Auseinanderklaffen der lebensgeschichtlichen Prägungen und aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen macht krank und verrückt: Menschen, die an tradierten Denk- und Verhaltensmustern festhalten, die von außen nicht mehr gestützt und bestätigt werden, geraten schnell in eine Position abseitiger Starrheit, die wahnhafte Züge annehmen kann. Der Wahnsinnspegel innerhalb der Bevölkerung steigt, bis eines Tages einer kommt und den Privatwahn zum Prinzip erhebt und politisch in Gang setzt.
Der Privatwahn verschwindet in der Verrücktheit des Ganzen. Dem einzelnen Halbirren wird, nach den Worten von Ernst Simmel, auf diese Weise erspart, ein ganzer zu werden. Die Menschen, jene kleinen überspannten Säugetiere, über die die Katastrophe des Denkens hereingebrochen ist, haben das unabweisbare Bedürfnis, sich in Raum und Zeit, Geschichte und Gesellschaft zu lokalisieren, eine Ortsbestimmung ihres Lebenszusammenhangs vorzunehmen.
Quelle: Götz Eisenberg in Auswege
- Afghanistan: Opiumprodukte weiterhin Exportgut Nummer 1
Die illegale Wirtschaft übersteigt den Anteil der gesamten legalen Exporte am BIP
Afghanistan bleibt weltführend in der Opiumproduktion. Seit 10 Jahren steigt der Anbau, während die Vernichtung von Mohnfeldern zurückgefahren worden ist, was mit dem Abrutschen des Landes in größere Armut einhergeht, so Jelena Bjelica, eine Autorin des Afghan Analysts Network. Ihrem Artikel liegt der 65 Seiten starke Bericht der UN-Behörde für Drogen – und Verbrechensbekämpfung (UNODC) von 2016 zugrunde.
Ein paar Beobachtungen sind bemerkenswert. Dass Afghanistan für 90 Prozent der weltweiten Opiumproduktion verantwortlich ist, ist seit Jahren bekannt. Laut der UN-Behörde wurde 2016 nach einem kurzen Rückgang im vorhergehenden Jahr auf einer Fläche von 201.000 Hektar Schlafmohn angebaut. Damit gehöre das Jahr 2016 zusammen mit 2014 (224.000 Hektar ) und 2009 (209.000 Hektar) zu den drei Jahren mit den größten registrierten Nutzflächen für diese Art der Landwirtschaft. […] Der wirtschaftliche Wert der Landwirtschaft, die mit dem Drogenanbau verbunden ist, beträgt zwei Drittel des gesamten landwirtschaftlichen Sektors in Afghanistan. Den deutlichen Anstieg des Wertes des “Opiat-Sektors” erklärt das UN-Büro zum einen mit dem Anstieg der Produktion um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Telepolis
- Russland kopiert deutsches Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Reporter ohne Grenzen verweist darauf, man habe gewarnt, dass es repressiven Staaten als Vorbild dienen könne
In Russland wird am 1. Juli 2018 ein Anti-Terror-Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft treten. Dann sind alle Telekom- und Internetprovider verpflichtet, alle Kommunikationsinhalte für 6 Monate und die Verbindungsdaten für 3 Jahre zu speichern. Internetprovider müssen dann den Strafverfolgungsbehörden die Schlüssel übergeben, um den gesamten Verkehr und einzelne Kommunikation einsehen zu können.
Wie Reporter ohne Grenzen berichten, wird im russischen Parlament ein neuer Gesetzentwurf behandelt, mit dem gegen das Gesetz verstoßende Inhalte im Internet schärfer kontrolliert werden sollen. Vorbild ist ausgerechnet das von Justizminister Maas stammende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Wissenschaftlicher Dienst: NetzDG auch grundgesetzwidrig), mit dem die Aufgabe der Kontrolle den Betreibern großer sozialer Netzwerke zugeschanzt wird, die selbst unter dem Druck hoher Geldstrafen binnen 24 Stunden entscheiden müssen, welche Informationen gelöscht bzw. zensiert werden (Bundestag winkt Zensurgesetz durch).
Quelle: Telepolis
- Das Lkw-Problem: Laut, schmutzig, gefährlich
Endlose Staus und schwere Unfälle mit Lkw-Beteiligung gehören inzwischen zum Verkehrsalltag. Einer der Gründe liegt in der Verkehrspolitik von Peter Ramsauer (CSU). Der damalige Bundesverkehrsminister präsentierte 2010 seinen Aktionsplan Güterverkehr und Logistik. Inhaltlich verwarf er damit die Grundidee seines Vorgängers Wolfgang Tiefensee (SPD), die Schiene zu stärken – was Tiefensee gerade einmal zwei Jahre zuvor in seinem Masterplan Güterverkehr und Logistik versprochen hatte.
Ramsauer hingegen sprach von einer ideologischen Verteufelung und Stigmatisierung der Straße durch die rot-grüne Vorgänger-Regierung. In der Folge stiegen die Preise für die Benutzung des Schienennetzes von 2010 bis 2015 um 13 Prozent. Im gleichen Zeitraum wurde die Lkw-Maut um 16 Prozent gesenkt. Das sogenannte Maut-Moratorium war sogar Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und FDP.
Da der Lkw nun noch günstiger war als die Bahn, wanderten die Güter auf die Straße. Die Schienengüter-Sparte der Deutschen Bahn hatte das Nachsehen. In der Folge wurden zahlreiche Güterbahnhöfe geschlossen. Allein im Jahr 2016 waren es 173 Stück. Gleichzeitig wuchs die Menge der transportierten Güter auf der Straße weiter an: 2015 waren es 3,5 Milliarden Tonnen – doppelt so viele wie 1965.
Quelle: ZDF Zoom
Anmerkung unseres Lesers J.-H.S.: Es fahren mehr und insbesondere größere LKW nicht nur auf den Autobahnen, sondern auch innerhalb von Städten. LKW-Unfälle sind insbesondere für Radfahrer und Fußgänger sehr oft tödlich. Die Anzahl der (großen) LKW innerhalb von Städten sollte reduziert werden. Außerdem sollten nur die LKWs innerhalb von Ortschaften zugelassen werden, die besondere Sicherheitsvorkehrungen aufweisen (Sichtfenster, automatische Bremssysteme, etc.). London plant dies bereits für 2020. Was macht Deutschland?
Dazu: Die falschen Verheißungen der E-Mobilität
Die dominante Strategie zur Erneuerung der Automobilität greift folglich in zweifacher Hinsicht zu kurz: Erstens ist ihr ökologischer Nutzen auch hierzulande fraglich. So ist sie nicht dazu geeignet, bestehende Verkehrsprobleme, versiegelte Flächen und verstopfte Straßen zu vermeiden. Zwar können mit ihr die verkehrsbedingte Luftverschmutzung oder Kohlendioxidemissionen verringert werden. Das gelingt aber nur, wenn die benötigte Elektrizität komplett durch erneuerbare Energien und nicht etwa durch Kohlekraftwerke gewonnen wird.
Aber auch dann werden, zweitens, die sozial-ökologischen Folgeschäden der Produktion von Elektroautos nicht gelöst. Indem der nicht-nachhaltige Ressourcenverbrauch, vor allem aber seine negativen ökologischen Folgen vor allem die Länder des globalen Südens belasten, droht das vermeintlich nachhaltige Verkehrssystem auf Elektrobasis zu einem zentralen Stützpfeiler einer „Externalisierungsgesellschaft“ zu werden, in der die einen weiterhin auf Kosten der anderen Leben.[3]
Aus alledem wird klar: Es bedarf nicht primär einer technologischen Erneuerung des bestehenden autodominierten Individualverkehrs, sondern einer umfassenden Mobilitätswende. Deren Ziel muss sein, den öffentlichen und schienengebundenen Verkehr zu stärken, die Fahrradinfrastruktur auszubauen und das Verkehrsaufkommen radikal zu verringern – und zwar auf den Straßen und in der Luft. Die fossilen Antriebsaggregate müssen zum Auslaufmodell werden und nur der unbedingt nötige Bedarf an individuellen Automobilen sollte auf eine elektrische Basis gestellt werden. Nur auf diese Weise könnten die gegenwärtigen Ansätze einer Verkehrswende zu einer umfassenden Mobilitätswende weiterentwickelt werden.[4]
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
- Verschwörungstheorien und „gutes Bildungsfernsehen“: das kontroverse YouTube-Phänomen KenFM
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder: Ken Jebsen ist der Unberührbare der deutschen Medienszene, die scheinbare Quersumme aus Pegida, AfD und Alu-Hut-Trägern. Zu seiner Verfemung hat der ehemalige RBB-Moderator einiges beigetragen – unberechtigt ist sie trotzdem. Denn Jebsen ist vieles nicht, was man ihm vorwirft. Und er macht mitunter wirklich gutes Fernsehen. […]
Vor 20 Jahren wäre die öffentliche Person Ken Jebsen damit am Ende gewesen. Heute gibt es YouTube, und dort hat Jebsen die Radioshow KenFM in den Gesprächs- und Bekenntniskanal KenFM umgewandelt. Befreit von den Zügeln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, lässt er nun ungefiltert alles raus. Auf KenFM gibt es verschiedene Formate, in denen Jebsen zu aktuellen politischen Themen monologisiert. Dies ist oft nur schwer zu ertragen. Hat Jebsen keinen Gesprächspartner, bringt er in seinem kommunikativen Werkzeugkoffer meist nur ein Werkzeug mit: den Hammer. Auch wenn es ihm gelingt, in Ton und Formulierung moderat zu beginnen, verfällt er zu oft in ein grelles Agitations-Stakkato. […]
Doch selbst öffentliche Personen wie Ken Jebsen, die zuweilen unprofessionell sind und Blödsinn erzählen, haben es nicht verdient, diffamiert zu werden. Zumal dann nicht, wenn die Diffamierung so gravierend ist wie im Fall von Jebsen, der als Antisemit verschrien ist. Ein Vorwurf, der einer genaueren Betrachtung nicht standhält. […]
Weniger rufschädigend, aber noch absurder ist es, Ken Jebsen in die Ecke der Neuen Rechten zu stellen. Getan hat das unter anderem Camillia Kohrs für das Recherche-Portal Correctiv. In ihrer Serie „Die Medien der Neuen Rechten“ schreibt Kohrs allerdings bereits im Lead des Textes über KenFM, dass sich Ken Jebsen von vielen fremdenfeindlichen Positionen der Neuen Rechten distanziert. Warum sein Format dann überhaupt in dieser Serie auftaucht? Zum Beispiel wegen Jebsens vermeintlicher Holocaust-Leugnung. Auch Kohrs macht den gerade für ein Recherche-Portal üblen Schnitzer, Jebsens vielfach inkriminierten Satz über den „Holocaust als PR“ aus dem Zusammenhang zu reißen und damit völlig zu entstellen. […] Denn der Kern der neuen wie der alten Rechten besteht aus einer Ablehnung von Aufklärung, Demokratie, Pluralität, von Feminismus, historischer Aufarbeitung, und immer beruft sie sich auf eine Nation und/oder einen Kulturraum, dem eine eigene Identität und historische Größe zugesprochen wird. Nichts davon klopft der Correctiv-Artikel ab. Die Autorin Kohrs ordnet Ken Jebsen nach Prüfung von höchstens fünf Prozent der relevanten Kriterien der Neuen Rechten zu – und zwar mutmaßlich weniger aus bösem Willen als vielmehr aus völliger Unkenntnis. Was aber hat das mit investigativem Journalismus zu tun? […]
Jebsens Unterbrechungen und Suggestionen stören, trotzdem sind zum Beispiel die bereits erwähnten Interviews mit Michael Buback, mit Petra Wild oder Mosche Zuckermann besser als fast alles, was man im Deutschen Fernsehen zu sehen bekommt.
Jebsen ist immer vorbereitet, immer interessiert, nie oberflächlich, und seine Gäste haben oft sehr viel Interessantes zu erzählen – was sie bei KenFM auch können. Zweieinhalbstündige Interviews sind im Fernsehen unvorstellbar. Ken Jebsen zeigt, dass derartig lange Gespräche nicht nur möglich, sondern oft notwendig sind, um einem Thema gerecht zu werden.
Quelle: Meedia
Anmerkung Jens Berger: Hendrik Steinkuhl macht für Meedia das, was eigentlich auch die Aufgabe eines Journalisten ist – er hat sich mit dem Thema „Ken Jebsen“ beschäftigt und komprimiert Hintergründe und seine persönlichen Eindrücke zu einem kritischen, aber stets fairen Artikel. Würden doch nur mehr „Medienjournalisten“ so arbeiten und ihre hysterische Aufgeregtheit ein wenig zügeln.