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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: „Raus aus dem Gen-Mais“ – „Rein in die Gen-Kartoffeln“
Datum: 29. April 2009 um 9:08 Uhr
Rubrik: Lobbyismus und politische Korruption, Verbraucherschutz, Wahlen
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat zunächst den Anbau der Genmaissorte MON 810 (siehe auch: “Die Abstimmung über die Aufhebung des Genmais-Importverbots Österreichs zeigt die undemokratischen Strukturen der Europäischen Union und der WTO”) untersagt. Horst Seehofer (CSU) hatte in seiner Eigenschaft als Landwirtschaftsminister den Anbau von Genmais MON 810 zugelassen. Der plötzliche Gesinnungswandel der CSU steht wohl in engem Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen für das Europaparlament und für den Bundestag. Nachdem die Christ-sozialen bei der Bayerischen Landtagswahl eine herbe Niederlage einstecken musste, versucht sich die CSU – zumindest bis über die Wahlen hinweg – bürgernah zu geben. Die bayerischen Wähler haben der CSU gezeigt, dass sie genug haben von einer Politik nach dem Motto „Wir-wissen-schon-was-für-euch-gut-ist“. Das Thema „Grüne Gentechnik“ bewegt die Volksseele weit mehr als den Regierungen lieb ist. Nun gab die Landwirtschaftsministerin allerdings grünes Licht für den Anbau der Gen-Kartoffel Amflora. Die Kartoffel darf in Mecklenburg-Vorpommern angebaut werden. Das Land an der Ostsee ist ja weit weg von Bayern und den Wählerinnen und Wähler der CSU. Von Christine Wicht
Seit Jahren protestieren Bauern in Bayern gegen genmanipuliertes Saatgut. Die Volksabstimmung im benachbarten Österreich, bei der über eine Million Bürger gegen den Genmais MON810 stimmten wurde von der bayerischen Staatsregierung einfach übergangen. Das löste bei den Bayern Empörung aus. Viele vormals politisch weniger aktive Bürger organisieren inzwischen Protest- und Aufklärungsaktionen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass nur noch der Druck von unten auf Parteien und Konzerne hier noch ein Einlenken bewirken. Mit Österreich, Ungarn, Griechenland, Frankreich und Luxemburg haben bereits fünf EU-Staaten den Anbau von Mon 810 untersagt, aber dennoch droht die EU-Kommission mit rechtlichen Schritten auch gegen das Anbauverbot der deutschen Landwirtschaftsministerin. Monsanto strengt eine Klage an.
Die Agrar-Konzerne wie Monsanto haben in vielen Teilen der Welt gezeigt, dass sie alle Mittel einsetzen, um ihre Produkte durchzusetzen. Ausführlich beschreibt dies Naomi Klein in ihrem Buch „Schockstrategie“. Die Gentechnik, die mit dem Argument, das Hungerproblem in der Welt lösen zu können, in nahezu allen Teilen der Welt propagiert wird und zugelassen werden soll, erweist sich zunehmend als „Büchse der Pandora“.
So zieht die österreichische Umweltorganisation GLOBAL 2000 in einer Studie aus dem Jahr 2008 eine vernichtende Bilanz. Die viel gepriesenen Vorteile der Genpflanzen hätten sich in der Praxis meist nicht bewahrheitet, der Verbrauch von Pestiziden in der Landwirtschaft sei sogar signifikant gestiegen. Amerikanische und kanadische Bauern, die über eine 10-jährige Erfahrung mit genveränderten Pflanzen verfügen, beklagten, dass die Ernteausbeute gesunken, der Pestizidbedarf hingegen gestiegen und die Nährstoffdichte der Produkte geringer geworden sei. Mehrere problematische Befunde der letzten Jahre zeigten, dass bei gentechnisch verändertem Mais, Reis oder Erbsen gesundheitliche Risiken nach wie vor nicht ausgeschlossen werden können.
Aufgrund besorgniserregender Ergebnisse verschiedener anderer Studien drängt GLOBAL 2000 gemeinsam mit dem Netzwerk „Friends of the Earth“ europaweit auf eine Reform des Zulassungsverfahrens von Gentech-Pflanzen. Es wird immer augenfälliger, dass mit der Gentechnik ein unkalkulierbarer, risikobehafteter und irreversibler Eingriff in die Genstrukturen der Pflanzen stattfindet. Es wird ebenfalls mehr und mehr deutlich, dass gerade die ärmeren Länder überhaupt keinen Nutzen von der Gentechnik haben. Offenkundig ist jedenfalls, dass mit der Zulassung der Gentechnik vor allem die Interessen der Saatgutindustrie bedient werden.
Die Gewinnung und der Austausch von Saatgut liegen seit Menschengedenken vor allem in den Händen der Bauern. Transnationale Konzerne, immer auf der Suche nach neuen Märkten, haben inzwischen diese Tradition unterwandert und z.B. mit dem TRIPS-Abkommen (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) einen Meilenstein auf dem Weg zur globalen Kommerzialisierung des Saatgutes platziert (mehr darüber: wto-runde.de). Die Entstehung und der Inhalt des TRIPS-Abkommens lassen deutlich erkennen, dass es dabei hauptsächlich um den Schutz derjenigen geht, die bereits “geistiges Eigentum” in Form von Patenten etwa an bestimmtem Saatgut besitzen. Die einzelnen Regeln des Abkommens weisen eine deutliche Schlagseite zugunsten der Verwertungsinteressen der Konzerne in den Industrieländern auf. Transnational agierende Konzernvertreter geben offen zu, dass das TRIPS wesentlich auf ihre Initiative zurückgeht. Tatsächlich waren 13 US-Konzerne an der Ausarbeitung des Abkommens beteiligt, darunter Bristol Myers Squibb, DuPont und Monsanto. Die Patentierung von Saatgut ist untrennbar mit der Gentechnik verbunden. Die Verwendung dieser Saaten treibt die Bauern in die Abhängigkeit von den Agrarkonzernen. In einigen Entwicklungsländern wurde so bereits die traditionelle agrarische Basis zerstört, Hunger und Armut breiteten sich noch weiter aus (mehr zu diesem Thema: “Nach dem TRIPS-Abkommen fällt auch die Patentierung von Saatgut und Pflanzensorten unter schützenswertes geistiges Eigentum, damit wird traditionelles Wissen zu einer weltweit handelbaren Ware gemacht” ). Auch in der EU versuchen die Agrar-Konzerne jetzt ihre Saatgutoligopole zu etablieren. Ihre Lobbyisten arbeiten schon seit Jahren erfolgreich daran. Die Verflechtungen zwischen Europäischer Union, EU-Kommission und WTO sind für den Bürger meist nur schwer durchschaubar. Trotz der überwiegend ablehnenden Haltung der Bürger in der Europäischen Union, wird dennoch von der EU-Kommission – natürlich mit vorheriger Zustimmung der Regierungen – mit aller Macht versucht, genmanipulierte Lebens- und Futtermittel und Saatgut auf dem gesamten europäischen Markt zuzulassen und das – wenn es sein muss – im Klagewege durchzusetzen.
Angesichts dieser Ohnmacht erwuchs zunehmender Widerstand auf Bürgerebene. Gerade die traditionell CSU-treuen bayerischen Bauern fürchten um ihre wirtschaftliche Zukunft und sind alarmiert. Über die Grenzen Bayerns hinaus ist bisher wenig über die „Initiative Zivilcourage, Freie Bauern und Bürger AG gegen Agro-Gentechnik“ bekannt geworden. Diese Bürgerbewegung setzt sich ein für den Erhalt der ländlichen Struktur, für Artenvielfalt und Vielfalt der natürlichen Lebensmittel, für Aufklärung der gesamten Bevölkerung über die Gefahren der Grünen Gentechnik und für ein gentechnikfreies Bayern und Europa und damit auch für die Stärkung des regionalen Marktes durch Aufklärung über die positive Ökobilanz von regionalen Produkten. Die Initiative hat z.B. im Februar eine Veranstaltung gegen Agro-Gentechnik organisiert, die von 3500 Bürgerinnen und Bürgern aus dem Chiemgauer Land besucht wurde. Der Höhepunkt der Großveranstaltung war der Besuch der Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, die in ihrem Vortrag ausführte, dass die Agro-Gentechnik nicht nur ein Thema der armen Länder ist, sondern auch in den entwickelten Ländern zum großen Problem werden kann, weil in unser aller Lebensgrundlagen eingegriffen werde. Die indische Physikerin rief zu zivilem Widerstand auf, denn dies sei die einzige Chance gegen die Macht des Kapitals, da viele Politiker von den Agrarkonzernen abhängig seien. Christoph Fischer von der bayerischen Initiative konnte im Vorfeld keine Unterstützung von der etablierten Politik für seine Veranstaltung finden. Das ist zwar bezeichnend für die Gentechnikpolitik hierzulande, aber es war letztlich nicht weiter bedauerlich, denn so war die Veranstaltung mit Demonstration, Blasmusik, politischem Kabarett und Infotischen authentischer als die meisten politischen Veranstaltungen, auf denen Sonntagsreden gehalten werden und nur um die Gunst der Wähler gebuhlt wird. Fischer stammt aus dem Umland, spricht die Sprache der Menschen auf dem Land, ist einer von ihnen, kennt ihre Ängste und Sorgen. Auch die Kleiderordnung auf der Einladung kam gut an: „Wer die Möglichkeit hat kann seine Unterstützung und Solidarität zeigen, indem er /sie in Tracht zu diesem Abend kommt. Dies soll Zeichen unserer regionalen Verwurzelung sein.“ Sätze wie „Unsere Heimat und unsere Lebensmittel sind in Gefahr“ fielen auf fruchtbaren Nährboden. Mit Hintergrundinformationen über den Konzern Monsanto, der Gefahr, dass z.B. Honig als Sondermüll entsorgt werden müsse und der Geschichte von dem kanadischen Bauern Percy Schmeiser, der von Monsanto verklagt wurde (siehe auch: “Was ändert das neue Gentechnik-Gesetz?”), obwohl er nie Produkte von Monsanto kaufte, konnte Fischer das Publikum für sich gewinnen. Die etablierten Parteien, allen voran die CSU, hat der Erfolg und das Echo dieser Veranstaltung völlig überrascht. Eine derart große Resonanz auf ein Ökothema auf breiter Ebene und das gerade auf dem Land unter konservativen Stammwählern hat die CSU alarmiert. Das Thema war der Kontrolle der offiziellen Politik entglitten, der Widerstand entwickelte sich von unten. Dies war keine dieser Veranstaltungen, auf denen alle Beteiligten aus einer politischen Ecke kommen und sich mit den immer gleichen Argumenten im Kreis drehen. Nein, hier wurden politisch bisher passive Bürger von Menschen ohne Partei- bzw. Verbandsabhängigkeit über die Gefahren der „Grünen Gentechnik“ informiert. Dies ist ein bayerisches Beispiel für erfolgreiche Graswurzelpolitik, das bisher keiner für möglich hielt und dem hoffentlich noch viele weitere folgen werden. Denn Bürger, die über das notwendige Hintergrundwissen verfügen, lassen sich nicht so leicht von der „Notwendigkeit“ der „Grünen Gentechnik“ überzeugen.
Die Genkartoffel
Der Anbau der Gentech-Kartoffel Amflora ist umstritten, da die Kartoffel ein antibiotikaresistentes Marker-Gen enthält. Da Mediziner in der humanmedizinischen Therapie auf Antibiotika angewiesen sind, befürchten Kritiker, dass die massive Verbreitung von Resistenzgenen in der freien Natur über den extensiven landwirtschaftlichen Anbau die Wirksamkeit solcher Medikamente sehr bald erheblich beeinträchtigt. Laut Informationen der Umweltschutzorganisation Greenpeace enthält Amflora eine veränderte Stärke. Normalerweise bestehe dieser Speicherstoff in der Knolle aus Amylopektin und Amylose. Der Hersteller BASF habe das Gen für die Amylose einfach ausgeknipst, so dass die Stärke nur Amylopektin enthalte. Für den BASF-Konzern sei die Kartoffel für den „industriellen Einsatz optimal abgestimmt“ und biete viele Anwendungsmöglichkeiten. So werde zum Beispiel Garn reißfester und Papier glänzender, Sprühbeton hafte besser an der Wand und Klebstoff bleibe länger flüssig.
Mit der jetzt erfolgten Genehmigung eines Freilandversuchs mit der Gen-Kartoffel Amflora, reiht sich erstmals eine Kartoffel in die Liste der gentechnisch veränderten Pflanzen, die kommerziell angebaut werden. Diese Liste wird vom International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications (ISAAA) veröffentlicht. An erster Stelle stehen Sojabohnen, gefolgt von Mais und Baumwolle. Im Jahr 2008 war erstmals eine gentechnisch veränderte Zuckerrübe kommerziell gepflanzt worden, die gegen ein Unkrautvernichtungsmittel resistent ist. Die weltweite Anbaufläche von gentechnisch veränderten Pflanzen betrug laut ISAAA 125 Millionen Hektar, das ist eine Fläche, die rund 3,5 Mal so groß ist wie Deutschland. Demnach bauten im vergangenen Jahr 13,3 Millionen Landwirte in 25 Ländern gentechnisch veränderte Pflanzen an. Außer den vier Hauptpflanzen stünden in einzelnen kleineren Flächen unter anderem noch gentechnisch veränderte Papayas, Alfalfa (Luzerne) und Nelken auf den Feldern. China nutze zudem Pappeln.
Quelle: Greenpeace
Die Genkuh – ein Goldesel
Der Patentexperte von Greenpeace, Christoph Thenn, bezeichnet es als alarmierend, dass bestimmte Gene von normalen Kühen und jede weitere Zucht mit Kühen, die dieses Gen besitzen, patentiert worden seien. Er sagte dazu: “Das Patentamt weitet Schritt für Schritt die Patentierbarkeit in Richtung normaler Pflanzen und Tiere aus. Für Thenn gehört der Kuhstall bald nicht mehr den Bauern sondern den Konzernen. Dutzende von Patenten auf normale Zucht, geklonte und genmanipulierte Tiere seien beantragt und viele schon vergeben. Das Patent (EP1330552) sichere seinen sieben Inhabern sowohl die Rechte an einem Zuchtverfahren für Kühe, als auch auf Kühe, die genmanipuliert wurden. Beide Teil-Patente zielen darauf ab, dass die Kühe mehr Milch geben sollen. Laut den Regeln des europäischen Patentrechtes habe der Patentinhaber auch das Recht an allen Folgegenerationen der Tiere und Pflanzen, selbst wenn nur das Verfahren patentiert worden ist.Der Agrarwissenschaftler, Landwirt und Initiator der Zivilcourage Vogelsberg. Dr. Peter Hamel, weist darauf hin, dass wenn mit Hilfe molekularbiologischer Analysemethoden und/oder Gentechnik bei einem Züchtungsschritt genau diejenigen Nachkommen selektiert werden, die diese Genvariante tragen, dann müssten Bauern Patentgebühren entrichten. Das gelte auch für die Folgegenerationen, da die Nachkommen von dem Züchtungsschritt profitierten. Nach den Regeln des europäischen Patentrechtes hat der Patentinhaber auch das Recht an allen Folgegenerationen der Tiere und Pflanzen, selbst wenn nur das Verfahren patentiert worden sei. Im Oktober 2007 hat Greenpeace gemeinsam mit einem Bündnis aus Milchviehhaltern, Bauern und weiteren Verbänden Einspruch gegen ein Patent auf Milchkühe eingelegt. Nach Ansicht der Verbände verstößt das Patent unter anderem gegen das Verbot der Patentierung von konventionellen Zuchtverfahren.
Quelle: Greenpeace
Wenn beispielsweise eine Kuh kalbt, bei deren Zucht, ohne Wissen des Bauern, die patentierte Selektion dieser Genausprägung in der Zucht verwendet wurde, entsteht eine Lizenzpflicht. Der Bauer macht sich strafbar, ein Albtraum für jeden Bauern. In der Schweinezucht lauern ganz ähnliche Gefahren.
Das Genschwein
Gemeinsam mit der Organisation „Kein Patent auf Leben“ und Schweinezüchtern aus Dänemark enthüllte Greenpeace, dass der Konzern Monsanto ein Dutzend umfassend formulierter Patente bei der Weltpatentbehörde eingereicht hat. So Monsanto fordert beispielsweise mit dem Patent WO 2005/078133, ganze Schweinebestände und deren Nachkommen zu patentieren. Inzwischen hat Monsanto das Patent an einen anderen Konzern verkauft. Am 15. April 2009, einen Tag vor Ablauf der Einspruchsfrist, protestierten rund 1.000 Menschen in München gegen ein Patent zur Züchtung von Schweinen. Greenpeace hat ausgehend von den im Patent beschriebenen Ansprüchen geprüft, wie häufig die genannten Gene im Erbgut europäischer Schweine vorkommen. Das Ergebnis: Von neun Schweinerassen fielen Tiere von acht Rassen unter die Patentansprüche. Darunter seien Rassen, die in Deutschland häufig zur Zucht genutzt würden, beispielsweise: Deutsche Landrasse (Large-White), Yorkshire und Hampshire (Duroc). Davon seien auch seltene Nutztierrassen wie Angler Sattelschwein, Rotbuntes Husumer Schwein oder Schwäbisch-Hällische Schweine betroffen, die jetzt nicht mehr frei gekreuzt werden könnten, ohne dem Patentinhaber Tribut zu zollen.
Quelle: Greenpeace
“Wer das Öl kontrolliert, ist in der Lage, ganze Nationen zu kontrollieren; wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen”. (Henry Kissinger)
Mit der Entwicklung der Patente auf Tiere und Pflanzen sind Bauern den Patentinhabern künftig hilflos ausgeliefert, sie werden von multinationalen Konzernen geradezu teilweise enteignet. Denn ohne Lizenz haben sie keine Zuchterlaubnis bei diesen Sorten und sind von Strafen bedroht.
Wenn die Entwicklung schon Züchtungs-Verfahren patentieren zu können, weiter fortschreitet, dann kontrollieren Agrar-, Chemie- und Biotechnologiekonzerne zunehmend die Tierzucht. Auch der Bundesverband der Deutscher Milchviehhalter e.V. befürchtet, dass bei Patentierung der Zucht normaler Kühe, die Patentinhaber versuchen könnten, für jede Kuh, die das entsprechende Gen besitzt, eine Lizenzgebühr zu erheben, was eine dauerhafte lukrative Geldquelle wäre, ohne eine zusätzliche Eigenleistung beisteuern zu müssen. Damit würde auch der Patentierung der Nahrungsmittel Tür und Tor geöffnet und niemand könnte der Vorherrschaft der Lizenzinhaber mehr entgehen.
Letztendlich entsteht eine vertikale Kette, vom Erzeuger bis zum Verbraucher, die von einigen wenigen multinationalen Konzernen gelenkt und über die Vergabe von Lizenzen kontrolliert wird.
Eine weitere Gefahr der fortschreitenden Patentierung auf Pflanzen und Nutztiere liegt in der Reduzierung der Artenvielfalt. Tiere und Saatgut sind das Ergebnis jahrhundertelanger Züchtung der Landwirte, die ihre Pflanzen und Tiere im Laufe der Zeit den lokalen klimatischen Bedingungen und den Bedingungen des Bodens mühsam angepasst haben. Hochgezüchtete Monokulturen von Tieren und Pflanzen sind hingegen anfällig, was den vermehrten Einsatz von Medikamenten, Spritz- und Düngemitteln erfordert. Durch die weltweite Monopolisierung der Nahrungsmittel wird Konzernen eine Macht zuteil, deren Tragweite heute noch nicht in vollem Umfang wahrgenommen wird. Die Unbedenklichkeit der Einführung der „Grünen Gentechnik“ kann von niemandem garantiert werden, umso wichtiger ist es, dass sich politische Entscheidungsträger nicht auf einseitige Gutachten von Gentechnik-Konzernen verlassen. Wie wenig verlässlich solche Studien sind und wie lange es dauert bis die Wahrheit ans Licht kommt lässt sich an vielen Beispielen belegen.
So hat in einem besonders spektakulären Beispiel Monsanto etwa Studien über die Gefahren von PCBs (Hydraulikflüssigkeiten) über Jahrzehnte unter Verschluss gehalten. Die verheerende toxische Wirkung von PCBs konnte zwar bereits 1968 an einem Chemieunfall in Japan belegt werden. Die 1300 Menschen, die infolge eines Lecks in einer Kühlanlage PCB-verseuchtes Reisöl zu sich nahmen, wurden von Krankheiten befallen. Die Betroffenen wurden in eine Langzeitstudie aufgenommen, die zu dem Ergebnis kam, dass Kinder, die während der Schwangerschaftszeit kontaminiert wurden, eine höhere Sterblichkeitsrate bzw. schwere Geistes- und Verhaltensstörungen aufwiesen. Des Weiteren war die Lebenserwartung der Kontaminierten beträchtlich kürzer. Eine Studie an 2000 Menschen, die 1979 unter vergleichbaren Bedingungen wie in Japan, in Taiwan erstellt wurde, kam zum selben Ergebnis. Bereits 1937 wusste Monsanto, dass PCB ein schweres Gesundheitsrisiko darstellt und hat nichts dagegen unternommen. Erst als die Auswirkungen der PCBs in der US-amerikanischen Stadt Annington nicht mehr zu verheimlichen waren und die Bewohner vor Gericht zogen, kamen schockierende Details ans Tageslicht. Tausende von Studien erwiesen sich als gefälscht (Quelle: Marie-Monique Robin, Mit Gift und Genen, Wie der Biokonzern Monsanto unsere Welt verändert, Deutsche Verlagsanstalt München, 2009). Erst 1989 wurde der Einsatz von PCB in der EU verboten.
„Raus aus Gen-Mais“ und „Rein in die Gen-Kartoffeln“
Die von Seehofer nach Berlin geschickte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat vor wenigen Tagen den Anbau von genverändertem Mais der Sorte Mon 810 von Monsanto untersagt. Zur Begründung verwies die Aigner auf neue Studien aus Luxemburg. Demnach gebe es berechtigten Grund zu der Annahme, dass Mon 810 eine Gefahr für die Umwelt darstelle – etwa für Schmetterlinge, Wassertiere und Marienkäfer. Das Anbauverbot sei “entgegen anders lautender Behauptungen keine politische Entscheidung”.
Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) sieht dagegen nach wie vor in der grünen Gentechnik “eine wichtige Zukunftstechnologie, von der sich weder Deutschland noch Europa verabschieden dürfen”. Schavan kündigte einen runden Tisch mit Wissenschaftlern und Politikern an, um “klare Signale” für die künftige Forschung an Genpflanzen zu geben.
Es bleibt also abzuwarten, wie die von der Forschungsministerin auserwählten „Experten“ votieren werden und wie dann nach der Bundestagswahl über die „Grüne Gentechnik“ entschieden wird. Es ist zu befürchten: Bis vor der Wahl gilt „Raus aus dem Gen-Mais!“ und zwischenzeitlich gehen wir schon mal „Rein in die Gen-Kartoffeln!“ – Mecklenburg-Vopommern ist ja weit genug weg von Bayern. Mal sehen ob die bayerischen Wählerinnen und Wähler dieses Täuschungsmanöver durchschauen. Dass Bayerns Umweltminister Markus Söder seine Parteifreundin in Berlin kritisierte, gehört mit zu diesem Verwirrspiel.
Siehe dazu auch:
Aigner genehmigt Genkartoffel Amflora
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