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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Das Jobwunder – ein entzauberter Popanz
- Mindestlohn = zufriedenere Beschäftigte
- Armutskongress: Organisationen und Gewerkschaften stellen Aufruf zur Bundestagswahl vor
- “Die Diskussion über Atomwaffen ist von Legenden und Mythen bestimmt”
- Bundestag winkt Zensurgesetz durch
- Offenes WLAN: Bundestag erkennt Freifunker nicht als gemeinnützig an
- Gerichtsurteil – WhatsApp-Nutzern könnten Abmahnungen drohen
- Die politische Ordnung hinter dem NSU-Rätsel
- Wissenschaft und Arbeitsmarkt: Viel Erfolg bei der Studienwahl!
- Vor dem Vermieter und vor dem Vermittler sind nicht alle gleich. Über “Benachteiligungsrisiken” und den neuen Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- Krisengewinnler Lidl
- Die Folgen von Grenfell Tower
- Wenn Kritik zum Tabu wird
- RussiaGate 1918/19: Die deutsche Angst vor „russischen Zuständen“
- Konzerne setzen auf Schwarz-Gelb
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Das Jobwunder – ein entzauberter Popanz
Immer mehr Erwerbstätige, immer weniger Arbeitslose, so lauten die Eckdaten einer Arbeitsmarktentwicklung, die gerne als Jobwunder bezeichnet wird. Wer sich nicht von den nackten Zahlen blenden lässt und stattdessen die qualitativen Aspekte in den Blick nimmt, kommt schnell zu glanzlosen, ja ernüchternden Ergebnissen.
Erlebt Deutschland gerade ein Jobwunder? Die Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder wartet mit zunächst beeindruckenden Zahlen auf: Seit 2006 ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland durchgängig gestiegen. Nachdem 2007 erstmals die 40 Millionen-Grenze überschritten worden ist, wurde 2016 mit rund 43,6 Mio. Erwerbstätigen der höchste Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Damit waren etwa 4,8 Millionen mehr Personen erwerbstätig als im Jahr 1991.
Parallel dazu geht die Arbeitslosigkeit seit 2005 nahezu stetig zurück. 2016 ist die Zahl der Arbeitslosen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf 2,69 Mio. im Jahresdurchschnitt gesunken. 2005 hatte die BA noch 4,86 Millionen gezählt. Die Arbeitslosenquote (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) sank damit von 11,7 Prozent im Jahr 2005 auf 6,1 Prozent im Jahr 2016. Die Mängel der offiziellen Statistik tun hier nichts zur Sache, denn der Trend sinkender Arbeitslosenzahlen ist hier wie bei den Alternativberechnungen eindeutig.
Immer mehr Jobs und immer weniger Arbeitslose, so lautet die allseits verkündete Botschaft. Das hört sich doch wunderbar an, und es scheint, als eilte der Arbeitsmarkt derzeit von Rekord zu Rekord – auf dem Papier zumindest, denn was davon bei den Beschäftigten ankommt, diese Frage können die beiden immer wieder als Beleg für ein angebliches Jobwunder angeführten Kennziffern alleine nicht beantworten. Dazu muss man schon etwas tiefer in die Materie eindringen.
Quelle: Markus Krüsemann auf miese Jobs
dazu: Was die offizielle Arbeitslosenzahl verschweigt: 3,47 Millionen Menschen ohne Arbeit
Im Juni meldet die Bundesagentur für Arbeit rund 2,47 Millionen Arbeitslose. Das gesamte Ausmaß der Menschen ohne Arbeit bildet die offizielle Zahl jedoch nicht ab. Denn knapp eine Million De-facto-Arbeitslose sind nicht in der Arbeitslosen-, sondern in der separaten Unterbeschäftigungsstatistik enthalten.
Im Juni 2017 gab es offiziell 2,47 Millionen Arbeitslose. Das sind rund 25.000 Personen weniger als im Vormonat. Nicht in der offiziellen Arbeitslosenzahl enthalten sind allerdings über eine Million ebenfalls faktisch Arbeitslose, darunter
- über 762.500 Menschen, die an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnahmen,
- knapp 73.000 am Tag der Erfassung Krankgeschriebene und
- rund 161.000 über 58-Jährige, die innerhalb der letzten 12 Monate kein Jobangebot erhielten.
Insgesamt ergibt sich so eine tatsächliche Arbeitslosenzahl von knapp 3,47 Millionen Menschen.
Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt
dazu auch: Weiterhin fehlen Millionen gute Arbeitsplätze
„2,5 Millionen Erwerbslosen stehen 730.00 offene Stellen gegenüber. Addiert man die großen Personengruppen, die zwar einen Arbeitsplatz suchen, aber aus der offiziellen Statistik herausgerechnet werden, ist das Verhältnis rund 3,5 Millionen zu 0,7 Millionen oder fünf zu eins. Die sinkende Zahl der Erwerbslosen verstellt den Blick darauf, dass weiterhin Millionen gute, also anständig entlohnte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze fehlen“, erklärt Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum aktuellen Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit. Zimmermann weiter:
„Von einem Job-Boom kann man bestenfalls mit Blick auf die stetig zunehmende prekäre Beschäftigung sprechen. Die Leiharbeitsbranche ist im vergangenen Jahr noch einmal um 30 Prozent gewachsen. Das ist ein Armutszeugnis für die wirtschaftliche Entwicklung in einem der reichsten Länder der EU. Mittlerweile müssen schon 2,7 Millionen Erwerbstätige nebenher noch einem Minijob nachgehen, um finanziell über die Runden zu kommen. Die Langzeiterwerbslosigkeit verharrt ebenfalls auf hohem Niveau.
Quelle: Die Linke
- Mindestlohn = zufriedenere Beschäftigte
Ob höhere Mindestlöhne positiv beurteilt werden können oder nicht, ist nicht nur eine Frage der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte. Bei der Beurteilung sollten auch die Jobqualität sowie die Zufriedenheit der Beschäftigten miteinbezogen werden. Insgesamt hat die Anhebung der Niedrigstlöhne in Deutschland dazu geführt, dass sich die Jobqualität verbesserte und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer erhöhte, wie dieser Beitrag zeigt.
Der deutsche Mindestlohn hat die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten im Niedriglohnsektor positiv beeinflusst. Nach seiner Einführung stiegen die Stunden- und Bruttolöhne bei gleichzeitig etwas verringerter Arbeitszeit. Beschäftigte, die vom Mindestlohn erfasst sind, sind zwar oft mit gestiegenen Ansprüchen an ihre Arbeit konfrontiert, berichten aber auch von einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, höherer Wertschätzung durch Vorgesetzte und einem besseren Betriebsklima. Insgesamt hat die Anhebung der Niedrigstlöhne wohl dazu geführt, dass Unternehmen verstärkt auf Arbeitsverdichtung einerseits und auf eine motivierende Personalführung andererseits setzen.
Quelle: Ökonomenstimme
- Armutskongress: Organisationen und Gewerkschaften stellen Aufruf zur Bundestagswahl vor
Eine gerechte Steuerpolitik, gute Arbeit statt prekäre Beschäftigung und Sozialleistungen, die zum Leben reichen – das fordern die Veranstalter des zweiten Armutskongresses in ihrem gemeinsamen Aufruf. Der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Nationale Armutskonferenz wollen damit anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl zeigen, auf welche Politik es ankommt, um Armut wirkungsvoll einzudämmen. Unterstützt wird der Aufruf von 13 weiteren Sozial-, Wohlfahrts- und Fachverbänden sowie gewerkschaftlichen Organisationen.
Armut und Armutsgefährdung seien in Deutschland längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein massenhaftes Phänomen mitten in unserer Gesellschaft, das auf mehreren Ebenen bekämpft werden müsse.
„Um die Schere in der ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung zu schließen und um eine weitere Spreizung der Gesellschaft zu verhindern, muss in der Steuerpolitik konsequent umgesteuert werden“, sagt Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. „Die dazu aktuell in der Diskussion stehenden Vorschläge der großen Parteien sind vom Umfang und der Zielrichtung her viel zu ambitionslos. Wir brauchen eine wirklich mutig eingreifende Steuer- und Finanzpolitik, um den anstehenden gesellschaftlichen und sozialpolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.“ (…)
Zu den Auswirkungen von Armut auf unser demokratisches Gemeinwesen sagte Barbara Eschen, Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg und Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz: „Die Regelsätze von Hartz IV sind zu niedrig. Maßstab bei der Berechnung scheint zu sein: Es muss Mangel da sein, damit sich die Menschen nicht einrichten.“ Trotzdem blieben fast die Hälfte der Menschen über vier Jahre im Leistungsbezug und hätten trotz aller Bemühungen keine Chance. „Prekär Beschäftigten soll anscheinend bewiesen werden: es geht noch schlechter. Das ist ein Druckmittel. Dabei geht es uns um viel mehr: Um echte Teilhabe. Arme Menschen haben Ideen, Wünsche, Vorstellungen, sie tun alles Mögliche, um ihre Situation zu verändern. Das wird nicht anerkannt. Wir als Nationale Armutskonferenz stärken die Stimme der in Armut Lebenden, damit sie sich einbringen können“.
Quelle: Armutskongress
Anmerkung Christian Reimann: Hier können Sie den Gemeinsamen Aufruf für mehr soziale Gerechtigkeit – getragen von 16 Organisationen – nachlesen.
- “Die Diskussion über Atomwaffen ist von Legenden und Mythen bestimmt”
Interview mit Dieter Deiseroth zur nuklearen Bedrohung und einer U.N.-Konferenz, die derzeit einen Atomwaffenverbotsvertrag ausarbeitet
Bei den Vereinten Nationen in New York findet derzeit eine Konferenz statt, die sich zum Ziel gesetzt hat einen Atomwaffenverbotsvertrag zu erarbeiten. 134 Staaten nehmen an der Konferenz teil, aber nur ein Mitgliedsland der NATO befindet sich darunter: die Niederlande. Im Interview mit Telepolis erklärt Dieter Deiseroth, Richter a.D. am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und Mitglied von IALANA Deutschland, was es mit dieser Initiative auf sich hat und verweist auf die gefährlichen Irrtümer und Gefahren, die die Diskussion zum Thema Abschaffung von Atomwaffen im öffentlichen Diskurs bestimmen. Deiseroth sagt: Das Prinzip der Abschreckungslogik greife nicht. In den vergangenen 70 Jahren sei die Welt mindestens 20 Mal nur durch Zufall und glückliche Fügungen einer nuklearen Katastrophe entkommen.
Quelle: Telepolis
- Bundestag winkt Zensurgesetz durch
Während der Generalsekretär des Europarates vor einem “falschen Signal für andere Staaten” warnt, lobt die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker das NetzDG als “Blaupause für andere Länder”
Heute Vormittag hat der Bundestag mit den Stimmen der SPD und der Mehrheit der CDU- und CSU-Abgeordneten das von Bundesjustizminister Heiko Maas entworfene “Netzwerkdurchsetzungsgesetz” gegen “Hate Speech” und “Fake News” verabschiedet. Außer einem einzigen Unionspolitiker stimmten lediglich die Abgeordneten der Linkspartei dagegen – die der Grünen enthielten sich (vgl. Bundestag beschließt Netzwerkdurchsetzungsgesetz).
Tritt das Gesetz nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft, drohen Betreibern sozialer Netzwerke Bußgelder in Höhe von fünf (und bei “systematischen” Verstößen sogar bis zu fünfzig) Millionen Euro, wenn sie “offensichtlich” rechtswidrige Inhalte nicht innerhalb von 24 Stunden löschen. Bei nicht offensichtlichen gilt eine Frist von sieben Tagen, die nur in Ausnahmefällen verlängert werden soll. In der Kombination aus extrem hohen Bußgeldern, extrem kurzen Fristen und relativ unbestimmten Begriffen sehen Kritiker des Gesetzes einen sehr großen Anreiz, im Zweifel auch rechtmäßige Inhalte zu löschen, wenn sie Regierungspolitikern und ihnen nahestehenden Kreisen nicht gefallen könnten.
Quelle: Telepolis
dazu: NetzDG: Fake-Law gegen Hate-Speech
Der Bundestag hat heute das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen. Etwas gegen die Macht der privatisierten Öffentlichkeiten zu tun, ist generell richtig. Doch der eingeschlagene Weg und die Umsetzung samt einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung überzeugen überhaupt nicht.
Es begann mit einem gut inszenierten Streit in der Öffentlichkeit: Heiko Maas, einst Hoffnungsträger der SPD, kämpft gegen den Hass im Netz und gegen die scheinbar unregulierte Dominanz sozialer Netzwerke im Internet. Dazu wurde eine Task-Force eingerichtet, die hinter verschlossenen Türen tagte. Nach zwei Jahren präsentierte unser Justizminister Zahlen, dass zu wenig gelöscht werde. Als ich Maas auf der Pressekonferenz fragte, wie viele der gemeldeten strafbaren Inhalte denn auch zur Anzeige und vor ein deutsches Gericht gebracht wurden, konnte er das nicht beantworten und fühlte sich nicht zuständig. Mit dem aufkommenden Bundestagswahlkampf stieg auch der Druck auf Maas, etwas tun zu müssen. Und was macht mehr Eindruck als runde Tisch? Ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz im letztmöglichen Moment dieser Legislaturperiode. […]
Das Gesetz verbessert also nicht die Rechtsdurchsetzung durch Gerichte, sondern es privatisiert die Rechtsauslegung. Nimmt man die eigentliche Rechtsdurchsetzung, fokussiert das Gesetz auf das Löschen statt Strafen, durch private Akteure. Es überträgt also denjenigen, die in ihrer Macht begrenzt werden sollen, zentrale rechtsstaatliche Verantwortung. Nicht einmal ein Widerspruchsrecht für gelöschte Inhalte ist geplant.
Die große Gefahr wird im sogenannten Overblocking gesehen: Dass Plattformen lieber zuviel löschen als zu wenig, um Geldbußen zu umgehen. Denn was ist „offensichtlich“ bei Fragen der Meinungsfreiheit, wo der Kontext oft entscheidend ist und die Rechtsprechung komplex? Für den allergrößten Teil strafbarer Inhalte sollte davon ausgegangen werden, dass sie strafrechtlich nicht verfolgt werden. Denn einerseits bleibt die Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz mangelhaft. Andererseits bleibt der inländische Zustellungsbevollmächtigte ein zahnloser Tiger.
Quelle: netzpolitik.org
- Offenes WLAN: Bundestag erkennt Freifunker nicht als gemeinnützig an
Anträge vom Bundesrat und der Grünen, mit denen Freifunk-Initiativen als gemeinnützig anerkannt werden sollten, sind im Bundestag gescheitert. Die CDU/CSU-Fraktion stellte sich quer, die SPD verspricht einen neuen Anlauf.
Freifunkern wird es vorerst nicht leichter fallen, Geld- oder Sachspenden einzuwerben: Einen Antrag des Bundesrats, wonach solche Initiativen für Community-WLAN als gemeinnützig anerkannt werden sollten, ging am Mittwoch in den Ausschüssen des Bundestags unter. Auch eine Initiative der Grünen, mit der das Gemeinnützigkeitsrecht generell neu ausgerichtet, die Gleichbehandlung verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure sichergestellt und der Bundesratsantrag aufgegriffen werden sollte, fand im Finanzausschuss keine Mehrheit: Schwarz-Rot stimmte dagegen, die Linksfraktion enthielt sich.
Die bereits in zahlreichen Städten und Gemeinden tätigen Freifunk-Initiativen streben an, öffentliche Internetzugänge per WLAN meist gratis für alle an möglichst vielen Plätzen zu errichten. Bislang können Ortsgruppen der Vernetzer aber nur dann als eingetragener Verein steuermindernde Spendenquittungen ausstellen, wenn der Gründungszweck laut Satzung entweder gemeinnützig oder mildtätig ist. Letzteres trifft beispielsweise zu, wenn der Verein etwa Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN ausstattet. Die Gemeinnützigkeit wird regelmäßig anhand sogenannter Katalogzwecke festgestellt. Dem Bundesrat und den Grünen ging es darum, Freifunker darin mit zu verankern.
Quelle: Heise Online
- Gerichtsurteil – WhatsApp-Nutzern könnten Abmahnungen drohen
Wer WhatsApp nutzt, stimmt der Weitergabe seines Adressbuches an das Unternehmen zu. Diese Praxis sei illegal, urteilt das Amtsgericht Bad Hersfeld im Fall eines Elfjährigen. Für Nutzer könnte das Folgen haben.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung C.G.: Es ist zwar nur ein Amtsgerichtsurteil in einem familienrechtlichen Prozess, aber endlich befasste sich ein Gericht mit den dreisten Methoden des Zuckerberg-Unternehmens und der ungefragten Weitergabe ALLER Kontaktdaten, eben auch von den Menschen im Adressbuch des Smartphones, die kein WhatsApp nutzen. Das im Spiegel-Artikel genannte Video von Medienanwalt Christian Solmecke ist aufschlussreich, er hatte auf diese illegale Weitergabepraxis von Nutzerdaten bereits vor rund einem Jahr hingewiesen.
dazu: Nutzung von WhatsApp illegal und müssen Eltern die Nutzung des Messengers unterbinden?
Der Ausgangspunkt, dass das Auslesen der Kontaktdaten eines Nutzers durch WhatsApp (Facebook) illegal ist, dürfte kaum zu beanstanden sein. Die entsprechende Regelung in den Nutzungsbedingungen des Dienstes ist sowohl als überraschende Klausel (§ 305 c BGB) als auch wegen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken des Gesetzes (§ 307 Abs. 2 BGB) unwirksam. Unabhängig davon, verschafft sich WhatsApp Daten Dritten ohne ausreichende rechtliche Grundlage.
Schon schwieriger wird es allerdings bei der Frage, ob der Nutzer von WhatsApp eine Rechtsverletzung begeht. Das Gericht lehnt die Anwendung des BDSG ausdrücklich ab, bejaht dann aber eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, worin es zivilrechtlich eine unerlaubte Handlung i.S.v. § 823 BGB sieht. An dieser Stelle thematisiert das Gericht allerdings nicht, ob es den Nutzer hier als Täter oder Teilnehmer ansieht. Dieser Aspekt ist schon deshalb von Bedeutung, weil es eine fahrlässige Beihilfe nicht gibt. Nachdem das Gericht in seiner Entscheidung mehrfach von Fahrlässigkeit spricht, deutet dies daraufhin, dass es von einer Täterschaft des Nutzers ausgeht. Dies ist allerdings wegen der passiven Rolle des Nutzers bedenklich.
Quelle: Internet Law
- Die politische Ordnung hinter dem NSU-Rätsel
Untersuchungsausschuss No. 2 des Bundestages legt seine Ergebnisse vor – Sie ernst zu nehmen hieße, der Bundesanwaltschaft das Verfahren aus der Hand zu nehmen – Nur, wer soll das tun? “Wir wissen nicht, wie es war. Wir wissen aber, dass es nicht so war, wie es die Bundesanwaltschaft darstellt.” Auf diese Formel lässt sich das ungelöste Rätsel NSU bringen. Und in etwa so sieht es auch der Untersuchungsausschuss des Bundestages, der nun seine Arbeit beendete. […]
Drei Mal saßen Vertreter der Bundesanwaltschaft vor diesem Ausschuss. Drei Mal kam es also zum direkten Aufeinandertreffen der Antagonisten in Sachen NSU-Aufklärung. Keinmal konnten die Ankläger aus Karlsruhe ihre Zwei-Täter-Theorie gegen die Zweifel der Parlamentarier behaupten. Obwohl sie alle Akten kennt, alle Ermittlungsschritte bestimmt, kann diese Behörde viele Fragen zum NSU nicht beantworten. Sieht man einmal davon ab, dass es auch Fragen gibt, die sie nicht beantworten will. Die Bundesanwaltschaft ist am Bundestagsausschuss gescheitert, könnte man sagen.
Allerdings ist auch der Ausschuss gescheitert – seinerseits nämlich an der Bundesanwaltschaft wie am Bundesverfassungsschutz. Ausdruck einer Pattsituation zwischen Aufklärung und Vertuschung, die seit fünf Jahren anhält. Grund genug aber, um in der nächsten Legislaturperiode erneut einen NSU-Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Quelle: Telepolis
- Wissenschaft und Arbeitsmarkt: Viel Erfolg bei der Studienwahl!
Mit neu designeten Studiengängen wie Fitnessökonomie buhlen die Unis um Studienanfänger. Und kehren dabei ihren Auftrag um, kritisiert Martin Tschechne: Sie lehren nicht mehr das selbstständige Denken, sondern legen die jungen Leute in fertig eingezäunten Feldern fest.
European Studies, Fitnessökonomie oder Christliche Medienkommunikation: Wer so tolle Auswahl hat, dem werden selbst die längsten Sommerferien sehr schnell knapp. Mehr als 19.000 Studiengänge listet die Konferenz der Hochschulrektoren in ihrem Kompass für angehende Studierende auf.
Und wenn sich die Zahl auch reduzieren lässt – Rechtswissenschaft zum Beispiel in Münster und in Marburg gehen als zwei Studiengänge in die Zählung ein – so braucht es doch Mühen und Vergleich, bevor eine Entscheidung fallen kann. Welches sind die Studienschwerpunkte? Wo lehren die Koryphäen? Was ist mit München oder Mannheim?
Und was ist von inhaltlich verwandten Studiengängen zu halten, von Internationalem Recht, Wirtschaftsrecht, Rechtspflege, Europäischer Rechtslinguistik oder Immobilien- und Vollstreckungsrecht?
Schöne Ferien also. Studienbeginn ist im Oktober. Bis dahin geht es ums Ganze. Neben Jura gibt es ja noch zwei oder drei andere Möglichkeiten, die eigene berufliche Zukunft nicht gleich mit der Wahl des Studienfaches vor die Wand zu fahren. Also: Tiermedizin oder Kirchenmusik, Informatik oder Indoiranistik, Molekularbiologie, Alternde Gesellschaften, Interkulturelle Wirtschaftspsychologie oder Evidenzbasierte Pflege.
Quelle: Deutschlandfunk Kultur
- Vor dem Vermieter und vor dem Vermittler sind nicht alle gleich. Über “Benachteiligungsrisiken” und den neuen Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Diskriminierung ist nicht nur ein wirklich großes Wort, sondern auch eine höchst komplexe Sache. Zuallererst handelt es sich um einen massiven Vorwurf und es gibt auch hierfür oder besser hiergegen ein eigenes Gesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Und von der Bundesregierung ist sogar eine Antidiskriminierungsstelle des Bundes installiert worden. Nun ist das, was die einen “Diskriminierung” nennen, aus Sicht der anderen eine freie Entscheidung für oder gegen jemanden, und die Wirklichkeit ist nicht selten eher grau als schwarz oder weiß. So wurde vor kurzem beispielsweise dieser Artikel veröffentlicht: Diskriminierung bei der Wohnungssuche: “Manche Vermieter legen beim Wort Geflüchtete auf”. Darin wird eindrücklich beschrieben, mit welchen Hürden Menschen konfrontiert werden, die als Flüchtlinge versuchen, eine Wohnung zu finden. Aber zugleich ist die Vermietung einer Wohnung, wenn sie denn über Privatvermieter läuft, immer ein notwendigerweise diskriminierender Akt aus Sicht der Betroffenen, die bei der Entscheidung nicht zum Zuge kommen. Denn wenn der Vermieter auswählen kann aus zahlreichen Bewerbern, dann werden Selektionskriterien zum Zuge kommen, die selbstverständlich als Diskriminierung interpretiert werden können. Wenn man gesicherte Einkommensverhältnisse als Maßstab wählt, diskriminiert man Erwerbslose oder prekär Beschäftigte. Wenn man aus welchen Gründen auch immer keine Menschen aus arabischen Ländern in seiner Wohnung haben möchte, diskriminiert man diese. Das kann man beklagen, aber auf der anderen Seite würde jeder von uns, wenn wir denn in der Vermieter-Rolle wären, eine Selektionsentscheidung treffen (müssen).
Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
- Krisengewinnler Lidl
Die Krise in Griechenland dauert nun bald zehn Jahre. Die Aussichten sind trotz aller sogenannten Hilfspakete düster. Großer Gewinner ist ein schwäbischer Discounter. […]
Einer der größten Krisengewinnler kommt nun ausgerechnet aus Deutschland. “Lohnt sich jeden Tag”, wirbt Lidl allüberall – am meisten lohnt es sich offenbar für das Unternehmen selbst. Seit Ausbruch der Krise 2008 hat der Discounter zwischen der Metropole Thessaloniki im Norden und dem Peloponnes im Süden nach gut informierten Kreisen seinen Umsatz Jahr für Jahr im zweistelligen Prozentbereich gesteigert.
In totalrenovierten Filialen wie in der nordgriechischen 30 000-Seelen-Kreisstadt Drama kann der Kunde bereits im Laden der Zukunft einkaufen. Die Verkaufsfläche hat sich genauso wie das Volumen der Einkaufswagen mehr als verdoppelt. Hohe Decken, breite Gänge, viel Licht. Vom einstigen Schmuddelflair mit haufenweise leeren Kartons und durcheinanderpurzelnden Dosen ist hier nichts mehr übrig. Der schwäbische Riese attackiert mit seinem Konzept den sympathischen kleinen Obstladen mit dem schönen Namen Oporopantopoleio ebenso wie die einheimischen Supermarktketten. Die französische Konkurrenz hat schon vor drei Jahren die Segel gestrichen. Der globale Gigant Carrefour hatte damals seine Geschäfte dem einheimischen Partner Marinopoulos überlassen. Der hat inzwischen auch aufgegeben und landesweit alle Geschäfte dichtgemacht. Trostlose Ruinen ehemaliger Marinopoulos-Läden säumen nun die Ausfallstraßen in nahezu jeder Stadt.
Quelle: Kontext: Wochenzeitung
- Die Folgen von Grenfell Tower
Eine Entbürokratisierung, die den Brandschutz aushebelt, weil er kosten- und zeitintensiv ist, geht zu Lasten der Armen
Nach dem tragischen Hochhausbrand im Londoner Stadtteil North Kensington, bei dem knapp 80 Mieter eines Sozialbaus ums Leben kamen, waren die Entscheidungsträger alarmiert. Schnelle Hilfe sei jetzt selbstverständlich Ehrensache. Man wolle nicht bürokratisch sein. Die Leute nicht alleine lassen. Das ist natürlich im ersten Augenblick Labsal für alle sparpolitischen Sozialromantiker. Wenn es hart auf hart kommt, so können sie wieder mal behaupten, dann rücken Gemeinwesen eben doch zusammen. Sozialabbau hin, Entbürokratisierung her. Not macht verbinderisch, sagt schließlich schon der Volksmund so oder so ähnlich.
Quelle: Heppenheimer Hiob
- Wenn Kritik zum Tabu wird
Unterirdisches journalistisches und wissenschaftliches Niveau: Der Film »Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa«
Eine Dokumentation über den Antisemitismus in Europa, die der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn als ja wohl »die mit Abstand beste und klügste und historisch tiefste, zugleich leider hochaktuelle und wahre Doku zu diesem Thema« begrüßt, der palästinensisch-israelische Publizist Ahmed Mansour als »großartig und überfällig« lobt und die Frankfurter Rundschau als ganz »hervorragend« preist, muss, könnte man meinen, von außerordentlicher Qualität sein. Es handelt sich um den Film »Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa« von Joachim Schröder und Sophie Hafner, den WDR und Arte am 21. und 22. Juni nicht ganz freiwillig ausgestrahlt haben.
Um es vorwegzunehmen: Man kann die beiden Sender nur dazu beglückwünschen, dass sie dieses Machwerk von unterirdischem journalistischen und wissenschaftlichen Niveau nicht unter ihrem Namen freigeben wollten. Doch dank des Versuches der Bild, die Redaktionen der TV-Sender bloßzustellen und ihnen Zensur vorzuwerfen, entstand eine Diskussion, die es unter herkömmlichen Umständen der Ausstrahlung nie gegeben hätte. So sah sich die Redaktion des WDR herausgefordert, mit einem Faktencheck die Sendung zu begleiten, der die unverschämte Vorgehensweise des Filmteams und den ganzen Unsinn seiner Propaganda für Israel entlarvt.
Quelle: Norman Paech in junge Welt
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch oder erneut: Antisemitismus-Doku oder antipalästinensische Propaganda? Es ist schon seltsam, dass sich fast alle Medien für ein journalistisch mehr als fragwürdiges Werk starkmachen.
- RussiaGate 1918/19: Die deutsche Angst vor „russischen Zuständen“
Es gibt Bücher, nach deren Lektüre man nicht ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen kann. Sie lassen einen nicht los. Dem noch jungen, 1981 geborenen Historiker Mark Jones ist ein Werk dieses Kalibers gelungen. Am Anfang war Gewalt heißt es, erschienen ist es im Propyläen Verlag. Jones beschreibt in bislang nicht gekannter Eindringlichkeit die Geburtsphase der Weimarer Republik, die Monate vom November 1918 bis zur Mitte 1919. Was damals geschah, ist im historischen Bewusstsein der Deutschen allenfalls bruchstückhaft präsent. In dieser hochdramatischen Phase der deutschen Geschichte galt: Politik war Gewalt und Gewalt war Politik. (…) Zu den zahllosen Quellen, die Jones für sein Buch auswertete, gehören auch über 60 deutsche Zeitungen. Wie agierten sie im sich aufheizenden politischen Klima kurz nach dem Weltkrieg? Jones‘ Antwort fällt eindeutig aus. Schon auf Seite 69 verwendet er den heute so modischen Begriff „fake-news“. Die Medien, egal welcher Couleur, taten so gut wie nichts, um Fakten zu klären, zu versachlichen, die Wogen zu glätten. Stattdessen gossen sie Öl ins Feuer und unternahmen so einiges, um die im Land kursierenden wilden, haarsträubenden Gerüchte, die verbreiteten Ängste, Imaginationen und Autosuggestionen als real und wohlbegründet hinzustellen. (…) Selbstverständlich kannte man auch damals schon den bis heute beliebten Propagandakniff, die innenpolitischen Gegner als Hilfstruppe, als fünfte Kolonne des außenpolitischen Widersachers zu diffamieren. In Deutschland hieß der Vorwurf: Die linke Opposition wird von Russland inspiriert und munitioniert.
Quelle: Ulrich Teusch
- Konzerne setzen auf Schwarz-Gelb
2,9 Millionen Euro haben Unternehmen und reiche Privatpersonen 2017 bereits für den Bundestagswahlkampf gespendet – fast alles davon an CDU und FDP.
Die jüngsten Transfers an deutsche Parteien tragen im Absender die Adresse des Familienbüros der Industriellendynastie Quandt – und prominente Namen: Am Donnerstag veröffentlichte der Bundestag, dass die BMW-Großanteilseignerin Susanne Klatten und ihr Bruder Stefan Quandt jeweils exakt 50 001 Euro an CDU und FDP gespendet haben, zusammen also rund 200 000 Euro an schwarz-gelb.
Die Spenden aus dem Umfeld der Autoindustrie sind nur die jüngsten von vielen Groß-Überweisungen aus der Wirtschaft im Wahljahr. Die lobbykritische Organisation Lobbycontrol hat nachgerechnet und nach Informationen der Süddeutschen Zeitung einen massiven Anstieg der Großspenden 2017 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 – dem letzten Wahljahr – festgestellt. 2013 erhielten die Parteien demnach im gesamten Jahr 3,7 Millionen Euro, davon aber nur 820 275 im ersten Halbjahr. 2017 sind bisher aber schon 2,9 Millionen Euro geflossen.
Quelle: Süddeutsche
Anmerkung unseres Lesers M.G.: Ist Frau Klatten überzeugt, dass CDU/FDP das Beste für „uns alle“ im Sinne habe (und natürlich auch die besten Rezepte…), oder will sie gar nur ihre jährlichen Dividenden-Millionen weiterhin fast erbschafts- und vermögenssteuerfrei kassieren? Mit dieser Frage könnte sich u.a. auch die SZ einmal näher beschäftigen. Und überhaupt: Wann wird die Parteienfinanzierung endlich so geregelt, dass diese Art von Verdacht nicht mehr aufkommt?