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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 18. Juni 2017 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Großbritannien
  2. Frankreich
  3. F.A.Z. exklusiv Steinmeier: Entfremdung zwischen Europa und Russland wächst
  4. Trump setzt unsere Welt in Brand – werden wir uns endlich wehren?
  5. Eurogruppe: Isch Never Over
  6. Bernie Sanders: How Democrats Can Stop Losing Elections
  7. Afrika
  8. Die Katar-Krise: Saudi-Arabien, Trump und der Krieg gegen den Iran
  9. Sektierer
  10. Warum politische Bewegungen Erfolg haben (und warum nicht)

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Großbritannien
    1. Dumm gelaufen – Jeremy Corbyn und die Medien
      Am 14. August 2016 hatte ich auf dieser Seite einen Beitrag veröffentlicht, der sich kritisch mit der Berichterstattung britischer Medien über den Vorsitzenden der Labour Party, Jeremy Corbyn, beschäftigte. Der Parteilinke Corbyn war zum Entsetzen der Anhänger des früheren Labour-Chefs Tony Blair im September 2015 per Urwahl und mit eindrucksvoller Mehrheit in sein Amt gewählt worden. Seine politischen Gegner haben sich mit dieser basisdemokratischen Entscheidung nie abgefunden und ihr Möglichstes getan, Corbyn das Leben schwer zu machen und ihn zum Scheitern zu bringen. Tatkräftig unterstützt wurden sie dabei von den Mainstream-Medien des Landes, die Corbyn vom ersten Tag an keine Ruhe ließen und alles daran setzen, ihn niederzuschreiben. Jeremy Corbyn als Medienopfer – das war kein bloß subjektiver Eindruck meinerseits, sondern wurde im Sommer 2016 durch zwei wissenschaftliche Untersuchungen überzeugend belegt. Die beiden Studien (die eine von der London School of Economics, die andere von der „Media Reform Coalition“ in Zusammenarbeit mit Birkbeck/University of London) ließen keinen Zweifel: Die betont-einseitige, Corbyn-feindliche Berichterstattung und Kommentierung ist inakzeptabel und eine Gefährdung demokratischer Prozesse.
      Quelle: Ulrich Teusch

      Anmerkung Paul Schreyer: Die massive Corbyn-Hatz gerade des „progressiven“ Guardian erinnert an die Attacken mancher „linker“ Zeitungen hierzulande auf Sahra Wagenknecht.

    2. Corbyns gutes Abschneiden ist auch eine Niederlage der Medien
      Vor der Wahl gab es Hohn und Spott für den „altlinken“ Kandidaten. Aber kaum Selbstkritik, nachdem das Desaster für Labour ausgeblieben ist und Theresa May moralische Verliererin ist / Erschütterte Deutungshoheit
      Nach den Unterhaus-Wahlen im Vereinigten Königreich und dem Pyrrhus-Sieg für die Tories und die machtbewusste Premierministerin Theresa „Mayday“ May ergehen sich die deutschen Medien in Spekulationen über den Brexit. Kommt er, kommt er in einer softeren Version oder fällt er am Ende ganz aus? Da wird viel europäische Zukunftsmusik gespielt, innenpolitische Analyse ist wenig gefragt und – vor allem – von Selbstkritik ist so gut wie nichts zu hören.
      Dabei hätten die deutschen wie auch die britischen Journalisten nach dem Abschneiden der Labour Party allen Grund, sich ihre Kommentare und Prognosen der letzten Monate in Erinnerung zu rufen. Nach erneuter Lektüre müssten sie vor Scham in den Boden versinken. Eimer von Spott und Hohn haben Autoren jeglicher Couleur über den „altlinken Herausforderer“ Jeremy Corbyn ausgegossen. Im Wahlkampf bezeichnete ihn Rupert Murdochs Boulevardblatt Sun abwechselnd als „Freund von Terroristen“, „Marionette der Gewerkschaften“, „marxistischen Extremisten“ und natürlich fehlte auch nicht der Generalverdacht auf Antisemitismus, der sich in der Labour-Partei eingenistet haben soll.
      Quelle: Michael André auf getidan
    3. „Ich leide wie ein Hund“
      Thomas Oppermann im Interview mit DIE WELT […]
      Welt: Großbritannien hat sich bereits von der EU verabschiedet. Labour-Chef Jeremy Corbin kämpft für den Brexit. Ist Labour noch eine europäische Partei?
      Thomas Oppermann: Jeremy Corbyn hat die einst bedeutende Labour Party kampfunfähig gemacht. Vor dem Volksentscheid waren seine Abgeordneten zu 90 Prozent für Europa. Nach dem Brexit ist die Partei zerrissen. Corbyn lehnt ein Plädoyer für Europa ab. Labour ist deshalb völlig orientierungslos und wird bei der Wahl voraussichtlich eine katastrophale Niederlage erleiden. Corbyn ist ein Alt-Linker, der ähnlich wie Wagenknecht Europa als eine Festung des Kapitalismus betrachtet. Er ist deshalb unfähig, die positiven Werte Europas – Frieden, Demokratie, Wohlstand, Reisefreiheit – angemessen zu würdigen. Ich kenne viele wirklich gute Akteure bei Labour. Aber wenn ich mir Labour heute ansehe, leide ich wie ein Hund.
      Quelle: SPD Fraktion

      Anmerkung Jens Berger: Das Interview ist jetzt sechs Wochen alt und zeigt hervorragend, wie die SPD tickt. Die „katastrophale Niederlage“ erlebte jedoch nicht Corbyn, sondern die SPD. Mit Figuren wie Oppermann ist aber wohl ohnehin nicht mehr drin.

    4. Mays Niederlage – Hoffnung für die britische Linke
      Zum zweiten Mal binnen eines Jahres muss die rechtskonservative Regierungspartei der Tories eine schwere Niederlage einstecken. Als David Cameron das historische Brexit-Votum verlor, musste er abtreten. Er hinterließ nicht nur seiner eigenen Partei einen Scherbenhaufen, das ganze Land steht vor einer Zerreißprobe. Sogar die dreihundertjährige Integrität des Vereinigten Königreiches (UK) steht auf dem Spiel. Aus politischem Kalkül berief die aktuelle Premierministerin Theresa May vorgezogene Parlamentswahlen ein, mit desaströsem Ergebnis für ihre Regierung. Für Labour mit dem populärer werdenden Parteichef Jeremy Corbyn mutet die Aufholjagd wie eine Wiedergeburt für Großbritanniens Linke an. Selbst wenn er nicht regieren wird, könnten linke Inhalte Auftrieb erhalten.
      Quelle: Die Freiheitsliebe
  2. Frankreich
    1. Macron: Kein Heilsbringer, sondern nur der Präsident
      Der Triumph von Frankreichs Präsident Macron ist Anlass zu großer Hoffnung. Doch dessen französische Revolution birgt auch große Gefahren. (…) Ja, der französische Präsident hat das Zeug zum populistischen Verführer. Sein Aufstieg ist außergewöhnlich, in kürzester Zeit schuf er eine Volksbewegung. Die Präsidentschaft und nun der atemberaubende Sieg bei den Parlamentswahlen sind allein mit seiner Person verbunden. Diese in Windeseile angehäufte Machtfülle muss aus prinzipiellen Erwägungen heraus stutzig machen. Wie kann ein junger Politiker quasi über Nacht einen Staat hinter sich versammeln? Ein funktionierendes politisches System kollabiert nicht in diesem Tempo. (…) Die Radikalität, mit der Frankreichs Wähler das alte System zerstören, macht Macrons neuer Bewegung auf lange Sicht das Dasein nicht leichter. Die große Zahl politischer Novizen im Parlament mag ein faszinierendes Experiment abgeben, sie birgt aber auch ein hohes Risiko. Das größte Risiko besteht darin, dass sich die Wähler in derselben Radikalität von der neuen Gruppierung abwenden, wie sie sich ihr nun hingegeben haben.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung unseres Lesers H.K.: Da hat wohl einer kalte Füße bekommen. Stefan Kornelius traut dem ganzen Braten der hysterischen Politikgestaltung nicht, die er selbst mit herbei geschrieben hat. Und jetzt? Was kommt nach dem Hype um die sogenannte Mitte? Die ruhige Hand der Orientierungslosen?

      Anmerkung Paul Schreyer: Stefan Kornelius, Außenpolitikchef der Süddeutschen Zeitung, ist offenbar zum Opfer der eigenen Propaganda bzw. der Erzählung der Leitmedien von Macrons „Frische“ und „Unabhängigkeit“ geworden. Anscheinend ist ihm entgangen, dass der neue französische Präsident kein Rebell ist, sondern, wie seine Biographie eindeutig zeigt, ein stromlinienförmiger Elitenzögling. Macrons Radikalität ist die Marktradikalität, also die herrschende Ideologie. Kornelius sorgt sich um Instabilität, doch diese ist ja erst eine Folge des Marktradikalismus.

      Dazu: Autoritäre Versuchung
      »La République en Marche« marschiert von Sieg zu Sieg. Aber im Grunde marschiert nur einer: Emmanuel Macron. Seine Bewegung – von einer Partei kann keine Rede sein – ist eine von seinen Gnaden. Die Kandidaten für das Parlament wurden von einem Parteigremium gecastet und aufgestellt, nicht etwa von Parteigliederungen gewählt. Und ins Parlament gewählt werden die zukünftigen Abgeordneten, weil ihr Konterfei neben dem des Präsidenten prangte. Schon wird Macron mit einem demokratisch gewählten Monarchen, gar mit Napoleon verglichen. Die Glückwünsche, gerade aus Deutschland, muten seltsam an. Was wird hier eigentlich begrüßt? Die überwältigende Mehrheit für einen europäischen Hoffnungsträger und für Reformbereitschaft, lautet die Mainstream-Erzählung. Mehrheit. Gerade einmal rund 15 Prozent der französischen Wahlberechtigten sprachen sich für Macron aus. Seine wichtigste Reform, die des Arbeitsrechts, kommt der Kapitalseite entgegen und schwächt die Lohnabhängigen. Sein Vorhaben, Elemente des Ausnahmezustandes in gewöhnliches Recht zu überführen, bedeutet den Ausbau des Sicherheitsstaates. Schon 2016 wurden zahlreiche Demonstrationen verboten, die sich gegen die Liberalisierung des Arbeitsmarktes richteten. Demokratie lebt von Opposition. Die wird in der französischen Nationalversammlung kaum noch zu finden sein. Aber auf der Straße. Wenn Gewerkschaften und Arbeiter erneut gegen die Reform des Arbeitsrechts protestieren.
      Quelle: neues deutschland

      Anmerkung Christian Reimann: Hoffentlich werden insbesondere die Gewerkschaften tatsächlich protestieren. Und: Zu hoffen ist ebenfalls, dass der Protest in Frankreich erfolgreicher sein wird als in Deutschland.

    2. Heiner Flassbeck über Macrons Politik: „Es fehlt eine gemeinsame Vision“
      Macron wird mit seiner Wirtschaftspolitik scheitern, prognostiziert Ökonom Heiner Flassbeck. Auch weil er Deutschland in Sachen Löhne kopieren wolle.
      taz: Herr Flassbeck, der neue französische Präsident Macron will die Eurozone reformieren. Unter anderem fordert er einen gemeinsamen Finanzminister. Was halten Sie davon?
      Heiner Flassbeck: Das ist eine lächerliche Scheinlösung. Wichtig ist nicht eine Person, sondern ein vernünftiges Wirtschaftskonzept für die Eurozone. Doch eine gemeinsame Vision fehlt. Stattdessen diktiert Deutschland die Regeln, indem es von allen Ländern Sparprogramme verlangt.
      Macron meldet aber Widerspruch an: Er will ein europäisches Investitionsprogramm.
      Um ein anderes Konzept durchzusetzen, muss sich Macron explizit gegen Deutschland stellen. Für eine derartige Konfrontation bräuchte er aber einen Finanzminister, der wirtschaftspolitisches Fachwissen mitbringt. Stattdessen hat er Bruno Le Maire ausgewählt. Dieser Berufspolitiker hat zwar schon alle möglichen Themen betreut, unter anderem war er Minister für Landwirtschaft und Fischerei – aber mit Wirtschaftspolitik hat er sich nie befasst. Le Maire hat keine Chance gegen Finanzminister Schäuble und die anderen schwäbischen Hausfrauen aus Deutschland.
      Die Deutschen argumentieren, dass Frankreich erst einmal „seine Hausaufgaben“ machen solle, bevor man europäische Lösungen anstrebe.
      In Frankreich gibt es keinen „Reformstau“. Das ist eine deutsche Erfindung. Die Stundenproduktivität ist in Frankreich höher als in Deutschland. Nicht die Franzosen müssen liefern – sondern die Deutschen.
      Quelle: taz
    3. Neoliberalismus weiter auf dem Vormarsch
      „Macronmania“, „Macron triumphiert“ und „Klarer Sieg für Macron“, so lauten die Titelschlagzeilen heute, einen Tag nach der 1. Runde der Parlamentswahl in Frankreich. Dabei gaben gerade einmal knapp 49 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Ein historischer Tiefstwert und damit eigentlich kein Grund, sich als Sieger zu fühlen oder zu verkünden, La République en marche! Eine Republik in Verzweiflung wäre wohl treffender.
      Man kann das Wahlergebnis eben auch so interpretieren, dass eine Mehrheit der Franzosen nicht mehr daran glaubt, dass Wahlen an den herrschenden politischen Verhältnissen etwas zu ändern vermögen. Das Programm der Grausamkeiten ist ja bereits festgelegt. Der seit 2015 geltende Ausnahmezustand soll per Gesetz zum Normalzustand erklärt und eine neoliberale Agenda, die bereits unter Hollande begonnen worden ist, noch schärfer und zügiger vorangetrieben werden. (…)
      Frankreich stehen harte Zeiten bevor. Nicht die Republik ist auf dem Vormarsch, sondern der Neoliberalismus und das mit viel Tempo. Applaus gibt es dafür von deutscher Seite. Vor allem Sozialdemokraten senden Glückwünsche und sehen in Macrons Sieg eine Art positiven Impuls. Dabei hat die Verbeugung vor dem Neoliberalismus die französische Sozialdemokratie ins politische Abseits geführt. Den Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, scheint das aber nicht weiter zu stören. Er sieht in Macrons Politik einen Wechsel, den auch er gern verkörpern will.
      Nur ist ein Weiter so eben kein Wechsel und somit wird die SPD auch nach der nächsten Wahl allenfalls ein Anhängsel der Union bleiben, sofern die keinen besseren Partner findet. Albern ist daher das Geschwätz von Unterschieden und Alternativen, die Sozialdemokraten angeblich anzubieten hätten. Wer in schöner Eintracht mit der Union den angekündigten neoliberalen Kahlschlag in Frankreich beklatscht, sollte sich noch einmal fragen, woraus der Kern sozialdemokratischer Politik eigentlich besteht. Statt Neoliberale wie Macron zu bejubeln, sollte sich die SPD, wenn sie nicht irgendwann selbst im Abseits stehen will, lieber an Sozialdemokraten wie Jeremy Corbyn ein Beispiel nehmen.
      Quelle: TauBlog
    4. Gratulation für Macron: „Starkes Votum für Reformen“
      SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erklärte, er freue sich „über das gute Ergebnis für Emmanuel Macron“. „Um Europa zu reformieren, brauchen wir im September auch in Deutschland den Wechsel!“
      In Deutschland ist das Ergebnis der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich erfreut aufgenommen worden. Kanzlerin Merkel und Herausforderer Schulz gratulierten Macrons Partei zum Wahlsieg und werteten es als Wunsch nach Reformen.
      Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und weitere deutsche Politiker haben den Erfolg des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Parlamentswahl begrüßt. Merkel gratulierte Macron zum „großen Erfolg seiner Partei“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert über Twitter mitteilte. Dies sei ein „starkes Votum für Reformen“.
      Quelle: Tagesschau
      https://www.tagesschau.de/ausland/reaktionen-macron-101.html
      dazu: Lieber Martin Schulz,
      Glückwünsche an Macron, Jubel über Corbyn. Klar, die SPD freut sich gerade an Erfolgen anderer. Schließlich läuft es zurzeit nicht so toll im eigenen Land. Nur eine Frage hätte ich dann doch: Wer soll’s denn jetzt sein – als Vorbild für die deutsche Sozialdemokratie? Immerhin liegen politisch Welten zwischen dem Franzosen und dem Briten. Eine Antwort wäre hilfreich – schließlich wollen die Wähler und Wählerinnen wissen, wer da zur Wahl steht im September bei der Bundestagswahl.
      Georg Restle
      Quelle: Monitor
  3. F.A.Z. exklusiv Steinmeier: Entfremdung zwischen Europa und Russland wächst
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt Moskau im Gespräch mit dieser Zeitung davor, sich in die Bundestagswahl einzumischen. Mit Blick auf Trumps Amerika hat er einen Ratschlag.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Russland vor dem Versuch einer Einmischung in die Bundestagswahl in diesem Herbst gewarnt. „Käme es zu einer Einflussnahme Moskaus auf die Bundestagswahl, dann wird sich der Vorrat an Gemeinsamkeiten notwendigerweise weiter verringern. Das wäre für beide Seiten schädlich“, sagte Steinmeier in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Er zeichnete ein kritisches Bild von dem Verhältnis zwischen Europa und Russland. „Wir haben nun anderthalb Jahrzehnte wachsender Entfremdung zwischen Europa und Russland hinter uns.“ Heute suche Russland seine Identität eher in Abgrenzung zu Europa und zum Westen als in Gemeinsamkeiten, sagte Steinmeier. Zugespitzt habe sich die Situation 2014 mit der Annexion der Krim und den militärischen Aktivitäten Russlands in der Ost-Ukraine. „Deshalb sind im Moment überraschende Annäherungen zwischen Europa und Russland nicht zu erwarten“, zeigte sich der Bundespräsident überzeugt.…
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Albrecht Müller: Wer bisher – anders als die Redaktion der NachDenkSeiten – der Meinung anhing, der heutige Bundespräsident und frühere Außenminister Steinmeier werbe und arbeite verlässlich für die Entspannung des neuen West-Ost-Konfliktes, wird hier im FAZ Interview vom Bundespräsidenten selbst eines Besseren belehrt. Steinmeier operiert ohne jegliche Differenzierung auf der Linie der westlichen Strategie: die Russen nehmen Einfluss auf die Wahlkämpfe im Westen; er erweckt den Eindruck, die in „anderthalb Jahrzehnten wachsende Entfremdung zwischen Europa und Russland“ gehe vor allem auf Russland zurück; Russland „suche seine Identität eher in Abgrenzung zu Europa und zum Westen als in Gemeinsamkeiten“. – Das ist die gängige westliche Sprachregelung. In Steinmeier haben wir uns nicht getäuscht und wir haben auch die Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten schon früh mit Belegen ermuntert, äußerst skeptisch und kritisch zu sein. Man muss leider vermuten, dass er gar nicht Bundespräsident geworden wäre, wenn die eigentlichen Steuerleute nicht dessen sicher gewesen wären, dass hier ein waschechter Atlantiker zur Wahl steht.

  4. Trump setzt unsere Welt in Brand – werden wir uns endlich wehren?
    Naomi Klein über Klima, Trump, Korruption, Heuchelei und Dich und mich
    All die ohnehin im Pariser Klimaschutzabkommen vorhandenen Schwächen sind das Ergebnis jahrelanger US-Lobbyarbeit. Doch schwach ist nicht dasselbe wie nutzlos. Trumps Ausstieg ist ein Brandanschlag auf unseren Planeten. Regierungen und soziale Bewegungen sollten gegen die USA, ihre Ölkonzerne und das Trump-Imperium Sanktionen und Divestment-Kampagnen fahren – meint Naomi Klein.
    Jetzt, da Donald Trump nun wirklich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austritt und Klimaaktivisten zu Recht gegen diesen dystopischen Schritt mobilisieren, ist es an der Zeit, sich über etwas im Klaren zu werden: So ziemlich jede Schwäche, jede Enttäuschung und jede Unzulänglichkeit des Pariser Abkommens ist das Ergebnis von US-amerikanischer Lobbyarbeit, angefangen im Jahre 2009.
    Die Tatsache, dass das Abkommen Regierungen lediglich darauf verpflichtet, die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen – anstatt dem wesentlich sichereren Ziel von 1,5 Grad –, wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.
    Die Tatsache, dass das Abkommen es den einzelnen Nationen überlässt, wieviel sie konkret bereit sind, für dieses Temperaturziel zu tun – und es ihnen erlaubte, mit halbherzigen Versprechen nach Paris zu kommen, die uns kollektiv auf den katastrophalen Kurs von mehr als 3 Grad globaler Erwärmung schicken – wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.
    Die Tatsache, dass das Abkommen selbst diese unzulänglichen Verpflichtungen als unverbindlich behandelt – was bedeutet, dass Regierungen nicht das Geringste zu befürchten haben, wenn sie ihre eigenen Verpflichtungen ignorieren –, wurde ebenfalls durch US-Lobbyarbeit erkämpft.
    Die Tatsache, dass das Abkommen es den armen Länder ausdrücklich verbietet, Schadensersatz für die Kosten von Klimakatastrophen zu verlangen, wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.
    Die Tatsache, dass es sich um ein „Abkommen“ oder eine „Vereinbarung“ aber nicht um einen Vertrag handelt – exakt dieser Umstand, der es Trump heute ermöglicht, seinen Action-Film-reifen zeitlupenartigen Auftritt abzuziehen, hinter ihm die Welt in Flammen – wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.
    Quelle: JusticeNow!
  5. Eurogruppe: Isch Never Over
    Der Europaabgeordnete der Linken im Europaparlament, Fabio De Masi, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) sowie der Financial Assistance Working Group des Europäischen Parlaments kommentiert das Treffen der Eurogruppe zu Griechenland:
    „Die Eurogruppe verkommt zu einer Truppe überbezahlter Laienschauspieler und Schäuble führt Regie. Die Finanzminister haben heute endlich der Auszahlung der nächsten Tranche an Griechenland zugestimmt. Aber eine Umschuldung soll es nicht vor der Bundestagswahl geben, damit Schäuble nicht den Konkursverwalter seiner vermeintlichen Rettungspakete spielen muss. Gleichwohl werden die Auswirkungen der jüngsten Kürzungsmaßnahmen möglichst eng am griechischen Wahltermin liegen.
    Die Rettungsmilliarden für Griechenland flossen zu über 90 Prozent in den Schuldendienst. Es ist absurd, einer überschuldeten Volkswirtschaft neue Kredite zur Ablösung alter Schulden aufzupressen und zugleich über die Kürzungsdiktate dafür zu sorgen, dass kein hinreichendes Einkommen erwirtschaftet wird.
    Griechenland rutschte gerade erneut in die Rezession und mit jedem neuen ‚Rettungspaket‘ wird sie verlängert. Es gibt keinen ökonomischen Indikator, der eine wirtschaftliche Erholung anzeigt, wie sie ohne Kürzungspolitik in jeder entwickelten Volkswirtschaft üblich wäre. Die Ziele für den stetigen Primärüberschuss sind unmöglich und alle wissen es. Wenn ein möglicher Schuldenschnitt nach 2018 vom Erreichen dieser Ziele abhängig gemacht wird, ist das mehr als zynisch.“
    Quelle: Fabio de Masi

    dazu: Das Schuldendrama wird zur Farce
    Diesmal soll es nicht nur ein Durchbruch sein, sondern eine Wende: Bald könne Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen, behauptet die Eurogruppe. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Das Schuldendrama wird zur Farce. Nun haben also auch die Gläubiger geliefert. Nachdem sie Griechenland das härteste Reform- und Kürzungsprogramm aller Zeiten aufoktroyiert haben, gewähren sie nun endlich frische Hilfskredite. Doch die 8,5 Mrd. Euro reichen gerade mal, um die nächsten fälligen Altkredite abzustottern und Schulden bei griechischen Unternehmen zu begleichen. Bei den Menschen kommt davon nichts an. […]
    Eine Farce ist schließlich die IWF-Beteiligung, die ja bekanntlich an Schuldenerleichterungen gebunden war. De facto wird es weder das eine noch das andere geben. Der IWF tut nur so, als komme er an Bord.
    Quelle: Lost in Europe

    Anmerkung André Tautenhahn: Der IWF tut nur so, als komme er an Bord. Das passt zu Schäuble, der vor einem Jahr auch nur so tat, als gebe es Schuldenerleichterungen, um einen vorzeitigen Ausstieg des IWF zu verhindern. Heute soll bereits der Haushaltsausschuss des Bundestages prüfen, ob die Vereinbarung aus Brüssel, die nur so tut als ob, mit der Beschlusslage des Parlaments in Einklang zu bringen ist. Die sieht bekanntlich vor, dass es nur dann Geld aus Deutschland gibt, wenn sich der IWF auch wirklich beteiligt. Es steht zu befürchten, dass die Abgeordneten der Großen Koalition nun auch so tun (müssen), als sei diese Bedingung erfüllt. Aber wäre das nun so verwunderlich bei einer Politik, die seit Jahren wider besseres Wissen so tut, als führten die Kürzungsdiktate zu irgendeinem Erfolg? Das absurde Getue kann man übrigens auch im Schäuble-Original beim heute-journal von gestern nachschauen.

  6. Bernie Sanders: How Democrats Can Stop Losing Elections
    In 2016, the Democratic Party lost the presidency to possibly the least popular candidate in American history. In recent years, Democrats have also lost the Senate and House to right-wing Republicans whose extremist agenda is far removed from where most Americans are politically. Republicans now control almost two-thirds of governor’s offices and have gained about 1,000 seats in state legislatures in the past nine years. In 24 states, Democrats have almost no political influence at all.
    If these results are not a clear manifestation of a failed political strategy, I don’t know what is. For the sake of our country and the world, the Democratic Party, in a very fundamental way, must change direction. It has got to open its doors wide to working people and young people. It must become less dependent on wealthy contributors, and it must make clear to the working families of this country that, in these difficult times, it is prepared to stand up and fight for their rights. Without hesitation, it must take on the powerful corporate interests that dominate the economic and political life of the country.
    There are lessons to be learned from the recent campaign in Britain. The Conservatives there called the snap election with the full expectation that they would win a landslide. They didn’t. Against all predictions they lost 13 seats in Parliament while Jeremy Corbyn and the Labour Party won 32. There is never one reason elections are won or lost, but there is widespread agreement that momentum shifted to Labour after it released a very progressive manifesto that generated much enthusiasm among young people and workers. One of the most interesting aspects of the election was the soaring turnout among voters 34 or younger. […]
    The Democrats must develop an agenda that speaks to the pain of tens of millions of families who are working longer hours for lower wages and to the young people who, unless we turn the economy around, will have a lower standard of living than their parents.
    Quelle: New York Times
  7. Afrika
    1. Afrika retten mit neoliberalen Parolen?
      Afrika zu retten, ist derzeit ein großes Thema der deutschen Politik. Dass es nur um die Abwehr weiterer Migranten geht, will man nicht offen sagen. Doch die Bundesregierung würde besser schweigen: Niemand ist schlechter geeignet, komplexe wirtschaftliche Probleme zu lösen.
      Es ist unglaublich, aber im 17. Jahr des 21. Jahrhunderts sterben in Afrika immer noch und jetzt gerade wieder massenhaft Kinder an Unterernährung. Doch Deutschland steht bereit. Der deutsche Bundespräsident stellt sich betreten vor die Presse und bittet die deutsche Bevölkerung um Spenden, und die Bundeskanzlerin hat zu Beginn dieser Woche zu einem G 20-Afrika-Gipfel geladen, bei dem es nach offizieller Lesart darum geht, Afrika aus seiner Misere zu helfen.
      Doch warum ruft der höchste Repräsentant des deutschen Staates in einer akuten Hungerkrise in einer nur peinlich zu nennenden Weise die Bevölkerung zu Klein-Spenden auf, statt die Bundeskanzlerin und den Finanzminister aufzufordern, sofort eine Milliarde Euro an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zu überweisen, das die nötige Infrastruktur für schnelle Hilfe vor Ort besitzt, aber chronisch unterfinanziert ist. Muss Deutschland darauf warten, dass auch andere Länder etwas bezahlen, weil die Symmetrie der Beiträge zu wahren ist? Müssen noch viel mehr Kinder sterben, weil man sich politisch nicht darauf einigen kann, dass ein Land vorangeht und einmal etwas Besonderes gegen den akuten Hunger tut?
      Quelle: Makroskop

      dazu: Kinder verhungern – Politiker scherzen
      Das „Handelsblatt“ berichtet heute, dass Angela Merkel an dem Nato-Ziel festhalten will, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Aber auch die Entwicklungshilfe solle steigen. Auf die Frage nach Differenzen zwischen SPD und Union bei Ausgabe-Steigerungen für die Bundeswehr und die Entwicklungshilfe sagte Außenminister Gabriel auf derselben Pressekonferenz, in der mittelfristigen Finanzplanung steige der Verteidigungshaushalt um 14 Prozent und der Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit um 1,7 Prozent. „Wäre ich jetzt im Wahlkampf, würde ich sagen, dass müsste sich verändern.“ Das wolle er aber nicht tun, scherzte der SPD-Politiker. Merkel konterte, wer immer die Regierung stellen werde, werde dies mit Sicherheit verändern.
      Die Uno sieht 23 Millionen Menschen in Afrika vom Hungertod bedroht. Mit den Ausgabe-Steigerungen im Verteidigungsetat der Bundesrepublik könnte man diese Menschen retten. Aber die christliche Kanzlerin will dem Idioten im Weißen Haus und der Rüstungsindustrie gefällig sein und Gabriel macht wieder die Wahlkampf-Nummer: Wenn die SPD nicht in der Regierung wäre, wäre sie sozial.
      Eine Politik, die in einer überrüsteten Welt (die Nato gibt rund 900 Milliarden Dollar für Rüstung aus, die „bösen Russen“ 69 Milliarden) Menschen verhungern lässt, ist Mord
      Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    2. Afrika soll attraktiver werden: allerdings nur für Investoren
      Die Pläne der Bundesregierung, im Rahmen des „Compact with Africa“ Infrastrukturprojekte für privates Kapital zu öffnen und Investoren Risiken abzunehmen, werden von Referentinnen des Gipfels für globale Solidarität kritisiert.
      Referentinnen des G20-Alternativgipfels kritisieren anlässlich des „G20-Afrika-Gipfels“ den „Compact with Africa“ der Bundesregierung
      Planlos in Infrastruktur zu investieren, fördert keine Entwicklung, erklärt Jane Nalunga vom Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute (SEATINI) aus Uganda
      Elizabeth Ngari von „Women in Exile“ Deutschland/Kenia spricht von modernem Neokolonialismus
      „Bei dem ‚Compact‘ geht es nicht darum, den Menschen in Afrika aus der Armut zu helfen. Sein Zweck ist es, für Unternehmen aus den G20-Ländern Investitionsmöglichkeiten zu schaffen“, sagt Jane Nalunga, Expertin für Handel, Steuern und Investitionen beim Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute (SEATINI) aus Uganda. „Alles dreht sich um die Rechte von Investoren. Afrika soll sich für sie attraktiv machen. Aber wo bleiben die Rechte der Bürger und Bürgerinnen? Infrastrukturen an sich führen nicht zu Entwicklung.“
      Mit Antritt der G20-Präsidentschaft verkündete die Bundesregierung, die Afrikapolitik voranbringen zu wollen. Fluchtursachen in Afrika sollten angegangen und Menschen in ihren Herkunftsländern eine Lebensperspektive gegeben werden. Ergebnisse sind bislang ein so genannter Marshallplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der „Compact with Africa“ des Bundesfinanzministeriums und die Initiative „Pro!Afrika“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Am 12. und 13. Juni findet zudem eine Afrika-Konferenz in Berlin statt, die in offiziellen Dokumenten der Bundesregierung auch als „Investor-Roadshow“ firmiert.
      Infrastruktur muss auf nationaler und regionaler Ebene geplant und mit dem besonderen wirtschaftlichen Bedarf vor Ort abgestimmt werden, damit sie lokalen Produzentinnen und Produzenten zugute kommt, erläutert Jane Nalunga. Im ‚Compact‘ kann sie dafür keine Ansätze erkennen. Es geht pauschal um Infrastrukturinvestitionen.
      „Eigentliches Ziel des ‚Compacts‘ ist es, angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase sichere Anlagemöglichkeiten für institutionelle Anleger in Afrika zu schaffen und die dort erzielbaren höheren Renditen beispielsweise über Public Private Partnerships – kurz PPP – zu erschließen“, ergänzt Jana Mattert vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand. Bei PPP handelt es sich um eine Privatisierungsform mit teils verheerenden Folgen: Gewinne werden privatisiert, Risiken und Verluste aber kollektiviert.
      Quelle: attac

      dazu: Angela Merkel eröffnet Afrikakonferenz in Berlin – Welthungerhilfe: „Chancen werden nicht genutzt“
      Heute beginnt in Berlin die internationale Konferenz zur „G20-Partnerschaft mit Afrika“ mit Teilnehmern aus den G20-Ländern, afrikanischen Ländern, internationalen Organisationen und Investoren. Durch einen „Compact with Africa“ sollen in afrikanischen Staaten die Rahmenbedingungen zur Förderung von privaten Investitionen und Investitionen in Infrastruktur gestärkt werden. Die Welthungerhilfe kritisiert, dass sich die angestrebten Partnerschaften nicht an den bereits verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, der Agenda 2030, orientieren.
      Die Welthungerhilfe begrüßt das große Engagement der deutschen G20-Präsidentschaft, Afrika auf die Tagesordnung der G20 zu heben. Sie ist auch überzeugt, dass Wirtschaftsreformen und eine Verbesserung des Investitionsklimas nötig sind, um eine dauerhaft nachhaltige Entwicklung und damit eine effiziente Hungerbekämpfung in afrikanischen Ländern zu ermöglichen. „Wer den Hunger erfolgreich bekämpfen will, darf aber nicht nur Investitionspartnerschaften im Blick haben. Das wäre eine vertane Chance. Die Entwicklung der ländlichen Räume muss Priorität haben, denn noch immer leben drei von vier Hungernden auf dem Land. Die Zukunft Afrikas wird auf dem Land entschieden“, betont Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe.
      Der „Compact with Africa“ sollte jedoch nicht als eine Möglichkeit gesehen werden, die Ursachen von Flucht und Migration schnell zu beseitigen. Die Staaten mit den meisten Geflüchteten in Afrika zählen zu den fragilen Ländern und stehen nicht im Fokus der Partnerschaft. Um tatsächliche Entwicklungsprozesse zu bewirken sind Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie eine Strategie zur Sicherung der Ernährung der wachsenden Bevölkerung dringend nötig. Außerdem müssen die privaten und öffentlichen Investitionen an menschenrechtliche, soziale und ökologische Standards sowie zuverlässigere Rahmenbedingungen der G20-Länder für den Handel und Investitionen in Afrika gebunden werden.
      Quelle: Welthungerhilfe Pressemeldung

  8. Die Katar-Krise: Saudi-Arabien, Trump und der Krieg gegen den Iran
    Die massive Blockade Katars hat nichts mit der Unterstützung von Terroristen zu tun. Das selbstbewusst agierende Katar ist ein Bauernopfer im Kampf Saudi-Arabiens gegen den Erzfeind Iran. Die von US-Präsident Trump mitausgelöste Krise könnte sich zum nächsten Krieg im Nahen Osten ausweiten – was in jedem Fall verhindert werden muss.
    Bereits im März 2014 beschuldigte der irakische Ministerpräsident al-Maliki Saudi-Arabien und Katar, den Islamischen Staat zu unterstützen. Mittlerweile ist es wohldokumentiert, dass „unsere“ arabischen Alliierten im „Kampf gegen den Terror“ die Terroristen finanzieren, die wir im Anschluss dann bekämpfen. Es erschien zunächst wie ein makabrer Witz, als vor wenigen Tagen der eine Terrorunterstützer – Saudi-Arabien – mit dem anderen Terrorunterstützer – Katar – einen diplomatischen Faustkampf vom Zaun brach, der Vorwurf: Terrorunterstützung. Ausgerechnet Saudi-Arabien – das Land also, das die renommierte Financial Action Task Force als das Land identifizierte, das die mit Abstand meisten Fälle von Terrorfinanzierung für sich verbuchen konnte (gefolgt übrigens von den NATO-Staaten USA und Türkei).
    Bei der gegenwärtigen Katar-Krise geht es natürlich nicht um Terrorunterstützung, es geht – wie letztendlich jede saudische Außenpolitik – um die Bekämpfung des regionalen Erzfeinds der Saudis: den Iran.
    Quelle: JusticeNow!
  9. Sektierer
    „So bleibt die Linkspartei eine Sekte!“, ätzt „Bild“ im Chor mit vielen anderen „Qualitätsmedien“ über das Wahlprogramm der Partei DIE LINKE. Und liefert natürlich gleich Gründe: „Kuschelkurs mit Putin“ (unter anderem deshalb, weil DIE LINKE Sanktionen gegen Russland kritisiert) und die Forderung nach „Bildung eines kollektiven Sicherheitssystems unter Einbeziehung Russlands“. Interessant, denn eine Forsa-Umfrage kam im letzten Jahr zu dem Ergebnis, dass 63 Prozent der Deutschen sich einen Dialog mit Russland wünschen und mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger die Sanktionen gegen Russland lockern oder ganz aufheben will. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte bereits vor zehn Jahren: „Für den Frieden der Welt geht von Russland heute viel weniger Gefahr aus als etwa von Amerika.“ Und Willy Brandt wusste: Frieden in Europa gibt es nicht gegen, sondern nur mit Russland. Brandt, Schmidt und die Mehrheit der Deutschen sind also für „Bild“ eine einzige große „Sekte“?
    Besonders regen sie sich darüber auf, dass der Parteitag es abgelehnt hat, Menschenrechtsverletzungen in Russland und China zu verurteilen. Ja, peinlich wäre es für „Bild“ geworden, wenn sie dazugeschrieben hätten, warum: Die Delegierten verurteilen Menschenrechtsverletzungen überall in der Welt und wissen – im Gegensatz zu „Bild“ und den anderen Hofschreibern der „westlichen Wertegemeinschaft“ -, dass beispielsweise die USA nach dem Zweiten Weltkrieg viele Kriege mit Millionen Toten geführt haben. Und wie war das noch mit den „besonderen Verhörmethoden“ (Folter) der USA? Die Einäugigkeit unserer „Qualitätsmedien“, die Menschenrechtsverletzungen nur in Russland und China erkennen und die völkerrechtswidrigen Kriege, Drohenmorde und „besonderen Verhörmethoden“ der USA lieber verschweigen, kann eine linke Partei nicht mitmachen.
    Auch weil DIE LINKE den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen und Hartz IV durch eine armutsfeste Mindestsicherung ersetzen will, spricht Springers „Bild“ der LINKEN die „Regierungsfähigkeit“ ab. Dabei muss ein Arbeitnehmer mindestens zwölf Euro die Stunde verdienen, wenn er im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhalten will. Der Sinn eines Mindestlohns ist doch gerade, Armut zu verhindern – sowohl im Berufsleben als auch im Alter. Und derzeit arbeitet ein Viertel der Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich.
    DIE LINKE ist laut „Bild“ aber auch eine „Sekte“, weil sie anders als die Rentenkürzungs-Parteien CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und AfD die Zerstörung der gesetzlichen Rente rückgängig machen und das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent erhöhen will. Dabei befürchten laut einer Forsa-Umfrage vom April 85 Prozent der Deutschen, dass die Altersarmut in Deutschland weiter zunehmen wird. Kein Wunder, denn laut Untersuchungen droht fast jedem zweiten Bundesbürger, der ab 2030 in Rente geht, eine Altersversorgung unterhalb der Armutsgrenze. In Österreich, wo alle in die gesetzlichen Rentenkassen einzahlen, hat ein Durchschnitts-Rentner 800 Euro im Monat mehr. Aber die Österreicher sind für „Bild“ sicher auch eine „Sekte“.
    Wir lernen daraus: „Regierungsfähig“ ist laut „Bild“ nur, wer Politik gegen die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger macht.
    Aber seit dem Wahlsieg Corbyns gilt für die Linke: „For the many not the few“ (Für die Vielen, nicht für ein paar Wenige) – unabhängig davon, was unsere „Qualitätsmedien“ schreiben.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
  10. Warum politische Bewegungen Erfolg haben (und warum nicht)
    Bringt Demonstrieren etwas? Darüber rede ich gerade viel mit meinen Freunden. Dank eines Lesers habe ich zwei gute Beispiele gefunden, um diese Frage zu beantworten: Pulse of Europe und Diem25. Beide sind für ein neues Europa, aber beide gehen verschiedene Wege. (…) Wieso hatte ich schon so viel über das schwärmerische Pulse of Europe gehört, aber so wenig über Diem25, obwohl diese Bewegung deutlich älter, deutlich besser strukturiert und deutlich konkreter in ihren Forderungen ist? (…) Rudolf hatte sich an mich gewandt, weil es ihn wunderte, wie wenig im Vergleich über Diem25 in Deutschland geschrieben wird. Viele junge Menschen, sagte er mir, engagierten sich in dieser Bewegung, die noch nie zuvor Mitglied einer Partei gewesen seien. „Ich habe den Eindruck, dass die bekannten Medien kaum Notiz von Diem25 nehmen, weil diese Organisation als zu systemkritisch wahrgenommen wird und deshalb keine Aufmerksamkeit bekommen soll.” Das war Rudolfs Vermutung. Sie klingt ziemlich verschwörerisch, oder? Aber Rudolf hat recht. Über Diem25 wurde tatsächlich weniger berichtet, viel weniger. Und nicht nur das. Ich kann nicht alle Artikel durchsehen, aber diejenigen über Diem25, die ich in Mainstream-Medien gefunden habe, waren auch kritischer. Immer wieder monierten meine Kollegen, dass Diem25 keinen guten konkreten Plan habe. Zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung: „Alles bleibt so hinreichend unkonkret, dass kaum jemand nicht sagen könnte, dass das alles irgendwie eine nette Idee ist.” Darin liegt eigenartigerweise eine gewisse Logik. Denn, ob bewusst oder nicht, Medien funktionieren bei neuen politischen Bewegungen manchmal wie die Tante, die auf das Kind aufpasst, während die Mutter gerade woanders beschäftigt ist. Sie achten darauf, dass sich jeder an die vorherrschenden Regeln hält und üben so eine „soziale Kontrolle” aus. So nennen das die Wissenschaftler. Je aufsässiger das Kind ist, desto besser passen sie auch auf. Oder anders gesagt: Je systemkritischer eine Bewegung ist, desto kritischer sind auch die Berichte in der Presse.
    Quelle: Krautreporter

    Anmerkung Paul Schreyer: An der Analyse ist was dran. Die Analogie von oppositioneller Bevölkerung und „Kind“ findet man übrigens in letzter Zeit häufiger. Man kann das als Ausdruck eines autoritär geprägten Denkens verstehen, das echten demokratischen Impulsen mit Misstrauen begegnet.


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