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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Dokumente und Stellungnahmen zum Londoner Finanzgipfel
Datum: 3. April 2009 um 8:18 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Das kritische Tagebuch, Finanzkrise, Steuerhinterziehung/Steueroasen/Steuerflucht
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Global Plan for Recovery and Reform
Statement Issued by the G20 Leaders, April 2, 2009, London
Auszüge:
The agreements we have reached today, to treble resources available to the IMF to $750 billion, to support a new SDR allocation of $250 billion, to support at least $100 billion of additional lending by the MDBs, to ensure $250 billion of support for trade finance, and to use the additional resources from agreed IMF gold sales for concessional finance for the poorest countries, constitute an additional $1.1 trillion programme of support to restore credit, growth and jobs in the world economy. Together with the measures we have each taken nationally, this constitutes a global plan for recovery on an unprecedented scale.
We are undertaking an unprecedented and concerted fiscal expansion, which will save or create millions of jobs which would otherwise have been destroyed, and that will, by the end of next year, amount to $5 trillion, raise output by 4 per cent, and accelerate the transition to a green economy. We are committed to deliver the scale of sustained fiscal effort necessary to restore growth.
Taken together, these actions will constitute the largest fiscal and monetary stimulus and the most comprehensive support programme for the financial sector in modern times. Acting together strengthens the impact and the exceptional policy actions announced so far must be implemented without delay. Today, we have further agreed over $1 trillion of additional resources for the world economy through our international financial institutions and trade finance.
Quelle: Number 10 Downing Street
Global Plan Annex:
Declaration on Strengthening the Financial System
Statement Issued by the G20 Leaders, April 2, 2009, London
Quelle: Number 10 Downing Street
Annex: Declaration on Delivering Resources
Annex to the Global Plan on Recovery and Reform, April 2, 2009, London
Quelle: Number 10 Downing Street
Näherungsweise Übertragungen auf deutsch
In der Süddeutschen Zeitung:
London (dpa) – Die G20-Gruppe hat sich zu sechs Schritten verpflichtet, um die Weltwirtschaft wieder in Gang zu bringen. Hier die Auszüge aus dem Kommuniqué:
Quelle: SZ
Siehe auch in der Frankfurter Rundschau:
Der Weltfinanzgipfel in Washington hat sich am Wochenende auf eine Reform der Finanzmärkte verständigt. Nachfolgend im Überblick einige wichtige Ergebnisse.
Internationaler Währungsfond (IWF): Die Europäer konnten sich mit ihrer Forderung nach einer stärkeren Rolle des IWF nicht durchsetzen. Allerdings gibt die Abschlusserklärung ein Signal für eine bessere Ressourcenausstattung der IWF. Seine “wichtige Rolle” bei der Antwort auf die Krise wird gesondert erwähnt.
Forum für Finanzstabilität (FSF): Die Mitgliedschaft im FSF soll erweitert werden, insbesondere auf die Schwellenländer. Das FSF ist ein internationales Gremium, das zur Stabilität der Finanzmärkte beitragen soll. Gegründet wurde es von den G7-Staaten. Es soll künftig eine stärkere Rolle bei der Vermeidung von Krisen spielen.
Steueroasen: Es wurde eine engere Zusammenarbeit vereinbart, um Steueroasen wie Liechtenstein, Schweiz oder die Kaiman-Inseln zur Kooperation zu nötigen. Der Austausch von Informationen soll verbessert werden.
Überwachung: Künftig sollen Rating-Agenturen unter Aufsicht gestellt werden. Spekulative Hedge-Fonds sollen stärker reglementiert, die Eigenkapitalausstattung bei Risikoprodukten erhöht werden.
Ursachen: Die Erklärung enthält eine Beschreibung der Krisenursachen mit Selbstkritik der Industrieländer. “Die Politiker, die Regulatoren und die Aufsichtsbehörden in einigen fortgeschrittenen Ländern haben auf den damit verbundenen Aufbau von Risiken für das Finanzsystem nicht angemessen hingewiesen”, heißt es in dem Gipfel-Dokument. In der zurückliegenden Wachstumsphase habe es ein Streben nach immer höheren Renditen ohne den Blick auf die Risiken gegeben. Das Risikomanagement sei nicht angemessen gewesen.
Weltbank: Bei der Weltbank sollen Programme angesiedelt werden, um in den Entwicklungs- und Schwellenländern beispielsweise Infrastrukturprojekte zu fördern.
Welthandel: Angemahnt wird ein baldiger Abschluss der stockenden Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels (Doha-Runde). Bei den nach Katars Hauptstadt Doha benannten Gesprächen geht es vor allem um eine Senkung der Zölle und Agrarsubventionen. Notfalls wollen sich die Staats- und Regierungschefs persönlich in die Verhandlungen einbringen, die bis zum Jahresende abgeschlossen sein sollen. (ddp)
Quelle: FR
Siehe auch die Zusammenfassung der Bundesregierung
Die Beschlüsse sehen vor allem eine wirksamere Überwachung der Finanzwelt vor. Künftig gibt es Auflagen für Hedgefonds und Regelungen für die Ratingagenturen.
Steueroasen wollen die G20 entschieden bekämpfen. Mittelfristig wird eine schwarze Liste jene Länder benennen, die sich den erforderlichen Kontrollen entziehen. Problematische Finanzplätze lassen sich damit klar und konkret benennen. “Die Zeit der Bankgeheimnisse ist vorbei”, sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.
Für die Managervergütung planen die G20 gemeinsame Richtlinien. So müssen Bonusmodelle künftig stärker am längerfristigen Erfolg der Unternehmen ausgerichtet sein. Die Banken sind aufgefordert, künftig in guten Zeiten größere Eigenkapitalpuffer aufzubauen – als Vorsorge für Krisenzeiten.
Das Ziel ist klar: Nirgends auf der Welt soll es künftig noch unkontrollierte Märkte, Marktteilnehmer oder Produkte geben. Für die Überwachung der Märkte ist ein Frühwarnsystem beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem G7-Forum für Finanzstabilität vorgesehen.
Die Staats- und Regierunschefs waren sich auch darüber einig, jede Form von Marktabschottung unterbinden zu wollen. Der Schutz der eigenen Wirtschaft dürfe dem freien Handel nicht entgegen stehen.
Bei einem Folgegipfel im Herbst sollen die Ergebnisse auf den Prüfstand. Dort wollen die Partner dann auch über eine Charta für Nachhaltiges Wirtschaften sprechen. Diese hat die Kanzlerin bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen.
Die bereits aufgelegten Konjunkturprogramme der Industriestaaten in Höhe von fünf Billionen Dollar sind beachtlich. Jetzt wollen die G20 jenen von der Krise betroffenen Staaten unter die Arme, die sich nicht selbst helfen können.
Insgesamt mehr als eine Billion Dollar steht in den kommenden Jahren für Investitionen in den Entwicklungs- und Schwellenländern bereit. Die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken erhalten 100 Milliarden. 250 Milliarden fließen für sofortige Hilfen an den IWF (davon mehr als 100 Milliarden von der EU), weitere 250 Milliarden später. Hinzu kommen Bürgschaften und andere Liquiditätshilfen, um den Handel der ärmeren Länder stützen.
Der deutsche Beitrag wird über die Reserve der Bundesbank geleistet, nicht über Haushaltsmittel”, erläuterte Steinbrück. Und die Kanzlerin ergänzte: “Jedes Land, das wieder auf die Beine kommt, ist für Deutschland als Exportnation ein Gewinn.
Quelle: Regierung Online
Einige vorläufige Anmerkungen WL:
Angesichts der Dominanz der Wall Street und der Londoner City auf den Finanzmärkten und angesichts der Tatsache, dass die wettbewerblichen Strukturen der Finanzmärkte unangetastet bleiben, werden sich die USA und Großbritannien, die in viel stärkerem Maßen vom Finanzsektor abhängig sind, als etwa (noch) Deutschland, wie in der Vergangenheit im „internationalen“ Wettbewerb durchsetzen und andere Länder zwingen, sich anzupassen.
Jedenfalls ist eine Rückführung des Bankensektors auf seine Kernfunktionen nicht zu erwarten, das Spekulationsgeschäft wird auch künftig seine Wege finden. Von einer wirklichen Reform des Finanzsystems kann nicht die Rede sein.
Harald Schumann: Üben für die Weltregierung
Immerhin haben die Teilnehmer mangels Einigkeit oder Einsicht über die Beseitigung von zentralen Ursachen für die große Krise gar nicht erst verhandelt. Es war der Wettbewerb um Standortvorteile, der weltweit den Wettlauf der Staaten um die schwächste Regulierung der Finanzindustrie antrieb und so den Exzessen der Banker Tür und Tor öffnete. Wie derlei künftig verhindert werden soll, darauf haben die Weltenlenker keine überzeugende Antwort gefunden (…)
Und die extreme Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, die fortwährend die Übermacht der Dirigenten der Kapitalströme über die Politik nährt, war ein regelrechtes Tabu. Keiner der beteiligten Minister und Staatschefs verlor darüber auch nur ein Wort.
Doch so unbefriedigend das Ergebnis auch sein mag, der Londoner Gipfel markiert gleichwohl eine epochale Wende in der Weltpolitik. Denn unübersehbar demonstrierten die versammelten Staatschefs, dass sie die wichtigste Lehre aus der laufenden Weltkrise verstanden haben: Es gibt keine nationalen oder auch nur regionalen Auswege mehr.
Gewiss, die großen Lücken auf der G-20-Agenda zeigen an, welch enorme Interessengegensätze der nötigen „global governance“, also dem globalen Regieren entgegenstehen, weil alle Beteiligten sich schließlich auch weiterhin auf nationaler Ebene vor ihren Bürgern rechtfertigen müssen. Insofern war dieser Gipfel allenfalls eine Übungseinheit auf einem langen Weg. Aber ein Anfang ist gemacht.
Quelle: Tagesspiegel
Robert von Heusinger: Willkommen im 21. Jahrhundert
Die Nachkriegsordnung der globalen Ökonomie findet in Washington ihr Ende: Die G 7 sind tot, es leben die G 20! Ein Lernprozess der Politik im Sauseschritt beginnt…
Zweitens wurde die Ideologie der vergangenen drei Dekaden, die dem freien Markt alles und dem Staat nichts zutraut, zu Grabe getragen. Die rund fünfzig Punkte zur Re-Regulierung, die nun vorangetrieben werden sollen, strotzen nur so von Eingriffen in den freien Markt. Sie sind geprägt von der Überzeugung, dass der Markt nur dann zu positiven Ergebnissen führt, wenn er durch Regeln eingezäunt ist.
Richtiges Lob hätte der Gipfel verdient, wenn sich die Staatschefs durchgerungen hätten, die zwei drängendsten und wichtigsten Forderungen zu koordinieren: Die Versprechen, ein Jahr lang keine protektionistischen Maßnahmen zu ergreifen und die Weltkonjunktur durch fiskalische Impulse vor dem totalen Absturz zu bewahren. Auf beides haben sich die 20 Nationen geeinigt, es aber im Hoheitsbereich der einzelnen Ländern gelassen.
Quelle: FR
Heiner Flassbeck: “Nur Lippenbekenntnisse”
Heiner Flassbeck hält den Finanzgipfel in Washington für gescheitert. Im FR-Interview sagt der UN-Experte, dass die zentralen Probleme der Spekulation mit Wechselkursen und Rohstoffen gar nicht angesprochen wurden.
Die Staats- und Regierungschefs haben zwar gesagt: Da gibt es ein Problem. Aber man hörte nur Lippenbekenntnisse, dass die Finanzmärkte besser reguliert werden sollen. Die Vorschläge dazu reichen bei weitem nicht aus. Zudem sind die zentralen Probleme der Spekulation mit Wechselkursen und Rohstoffen wie Erdöl überhaupt nicht angesprochen worden.
Die Industrieländer versuchen wiederum, vom eigentlichen Thema abzulenken. Eigentlich muss es darum gehen, die unglaublich großen weltweiten Spekulationspositionen und die sich daraus ergebenden gewaltigen Ungleichgewichte im Handel abzubauen.
Die Welt braucht eine globale und vollständig legitimierte Institution, die das Finanzsystem beobachtet, überprüft und frühzeitig bemerkt, wo sich große Spekulationsblasen aufbauen.
Die Lösung wäre ein internationales Währungssystem, das dafür sorgt, dass die Wechselkurse entsprechend den ökonomischen Fundamentaldaten der Länder festgelegt und angepasst werden – mit der Möglichkeit, bei Fehlentwicklungen einzuschreiten. Das ist das Modell Bretton Woods. Es muss neu aufgelegt werden.
Quelle: FR
Jens Berger: Wir sind uns darin einig, dass wir uneinig sind
Beim Weltfinanzgipfel in London siegten einmal mehr nationale Egoismen
Die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Nationen, die zusammen mehr als 80% der Weltwirtschaftskraft und rund zwei Drittel der Weltbevölkerung repräsentieren, trafen sich in London, um das Finanzmonster zu bändigen und gemeinsam gegen die Weltwirtschaftskrise vorzugehen. Große Ziele, große Worte, da ist es kaum verwunderlich, dass die Ergebnisse –gemessen an den Ansprüchen – enttäuschen. Es ist so, als habe sich die Eigentümerversammlung eines Hauses, dessen Fundament bereits bröckelt, darauf geeinigt, die Fenster im zweiten Stock erneuern zu lassen.
Quelle: Telepolis
Londoner G20-Erklärung der Gewerkschaften
Quelle: DGB
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