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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Sahra Wagenknecht über die NRW-Wahl: „Unser Angebot steht ja“
Hat Ihnen Hannelore Krafts Ansage, Sie seien nicht regierungsfähig, eher genützt oder geschadet?
Das hat vor allem Frau Kraft geschadet, denn sie hat den WählerInnen der SPD deutlich signalisiert, dass sie ihre bemerkenswerte Ignoranz gegenüber Bildungsmisere, Armut und Langzeitarbeitslosigkeit auch in Zukunft nicht verändern will. Denn die Absage an uns war ja gleichbedeutend mit der Ansage, sie möchte mit CDU oder FDP koalieren. Und ich denke schon, dass sich in diesem Moment der eine oder andere endgültig überlegt hat, Frau Kraft definitiv nicht noch einmal seine Stimme zu geben. […]
Das ist die dritte Landtagswahl in Folge, bei der SPD, Grüne und Linke in verschiedenen Konstellationen keine Mehrheit bekamen. Ist Rot-Rot-Grün im Bund gestorben?
Wir wünschen uns eine Bundesregierung, die den Sozialstaat wiederherstellt und auf Frieden und Abrüstung setzt. Die Frage ist, ob SPD und Grüne das ebenfalls wollen. Herr Schulz ist zwar mit der Ansage gestartet, die Politik der Agenda 2010 zu hinterfragen und für soziale Gerechtigkeit einzutreten. Das hat einen unglaublichen Hype entfacht. Dann stellten die Menschen ernüchtert fest, dass Schulz nicht liefert. Also: Nicht die verlorenen Landtagswahlen haben den Schulz-Hype beendet, sondern die Enttäuschung darüber, dass bei der SPD doch alles weitergeht wie zuvor. Wenn die SPD so weitermacht, wird es auch rechnerisch keine Mehrheit für Rot-Rot-Grün geben. Viel wichtiger ist aber: Es gibt keine inhaltliche Übereinstimmung, Agenda-Politik kann die SPD tatsächlich am besten mit der CDU machen.
Quelle: taz
- US-Wahlkampf-Leaks: Neue Spur?
Ein privater Ermittler im Mordfall Seth Rich behauptet Verbindungen zwischen dem DNC-Mitarbeiter und WikiLeaks. (…) Aktuell, so stellen es die konservativen US-Medien Fox News und Drudgereport heraus, bestätige sich eine andere Sicht auf die Urheberschaft der Veröffentlichung der DNC-Mails. Auch hier spielt viel Mysteriöses mit hinein und die Vertrauensfrage müssen die Leser selbst beantworten. Handfestes gibt es allerdings nur in Form von Ankündigungen. Der Privatdetektiv Rod Wheeler, laut Fox früher bei der Mordkommission in Washington tätig, also ein Mann mit professioneller Erfahrung, äußert in der Fox-Story den Verdacht, dass sich auf dem Laptop von Seth Rich “handfeste Beweise” fänden, die bestätigen, dass ein Mann namens Seth Rich vor seinem Tod mit WikiLeaks in Kontakt stand.
Quelle: Telepolis
dazu: Family’s private investigator: There is evidence Seth Rich had contact with WikiLeaks prior to death
It has been almost a year since Democratic National Committee staffer Seth Rich was murdered in the nation’s capital. There have been no solid answers about why he was killed until now. Rich was shot and killed last July in Northwest D.C and police have suggested the killing in the District’s Bloomingdale neighborhood was a botched robbery. However, online conspiracy theories have tied the murder to Rich’s work at the DNC. Just two months shy of the one-year anniversary of Rich’s death, FOX 5 has learned there is new information that could prove these theorists right. Rod Wheeler, a private investigator hired by the Rich family, suggests there is tangible evidence on Rich’s laptop that confirms he was communicating with WikiLeaks prior to his death.
Quelle: Fox
- Einreiseverbot nach Incirlik: “Auch eine Frau Merkel weiß, dass sie das nicht weiter tolerieren kann”
Der Linken-Politiker Alexander Neu hat Konsequenzen aus dem Besuchsverbot deutscher Abgeordneter auf dem türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik gefordert. Staatspräsident Erdogan habe den Bogen überspannt, sagte er im DLF. Im Namen seiner Partei sprach sich Neu unter anderem für den Abzug der Bundeswehr aus der Türkei aus.
Quelle: Deutschlandfunk
- Deutsche Erwerbstätige arbeiten immer mehr
Im ersten Quartal 2017 leisteten Arbeitnehmer so viele Arbeitsstunden, wie seit 1992 nicht mehr. Zeitgleich stieg die Zahl der Erwerbstätigen saisonbereinigt leicht.
Quelle: Zeit Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Konsequenterweise befindet sich nicht nur die Zahl der Arbeitsstunden, sondern befinden sich auch die Löhne auf dem Niveau von 1992. Jetzt mal im Ernst: was für eine Jubelmeldung. Wenn die Zahl der Erwerbstätigen von ca. 38 Millionen auf inzwischen ca. 44 Millionen gestiegen ist bei gleichbleibender Arbeitsstundenzahl, dann arbeitet jeder Beschäftigte im Durchschnitt etwa 15 Prozent weniger, kompatibel mit der Durchschnittsarbeitszeit von 30 Stunden pro Woche und der unglaublichen Zunahme von allen möglichen Formen der Teilzeitarbeit. Die Zahl der Arbeitslosen wäre viel interessanter: und die hat bestenfalls minimal von offiziös vielleicht 5 auf 4 Millionen abgenommen, und zwar zulasten existenzsichernder Vollzeitbeschäftigung. Dann ist Arbeit vor allem in Deutschland anscheinend Selbstzweck; eine schönere Meldung hätte z. B. geheißen, “Arbeitszeit um 20 Prozent gesunken, Produktivität, BSP und Löhne um 30 Prozent gestiegen”, und allen wäre es besser gegangen. Stattdessen liegt der durchschnittliche Stundenlohn gerade ein paar Prozent höher als vor 25 Jahren, was aber nicht einmal erwähnt, geschweige denn problematisiert wird. Soll das hier Optimismus verbreiten?
- Facebook-Gesetz auf der Kippe
Noch vor der Bundestagswahl will Heiko Maas sein “Facebook-Gesetz” durchsetzen. Der Justizminister geht auch davon aus, dass alles klappt. Doch der Gesetzesentwurf droht gleich aus mehreren Gründen zu scheitern. (…) Noch in dieser Woche wird das Gesetz in den Bundestag eingebracht, bestätigte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, dem Handelsblatt. Eigentlich zu spät für eine “ordentliche Beratung eines so wichtigen Gesetzes”, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne). Es bleibe fast keine Zeit mehr, um eine öffentliche Anhörungen im Rechtsauschuss zu organisieren. “Die Sachverständigen werden wohl keine Zeit haben, das Gesetz in einer Endfassung zu lesen. Wir Abgeordnete auch nicht.”
Quelle: Golem
dazu: Nicht einmal mehr die Simulation von Partizipation
Ein Gesetz für neue Regeln gegen Hetze im Netz ist geplant. Die Gesellschaft für Informatik wurde um Expertise gebeten. Sie lieferte fristgerecht, doch da gab es schon eine neue Fassung. (…) Das eigentlich Erschreckende ist jedoch, dass nicht einmal mehr versucht wird, die Simulation einer Beteiligung der Zivilgesellschaft aufrechtzuerhalten. Neben Berufsverbänden machen sich zeitgleich ja auch Hochschulprofessoren und ihre Mitarbeiter sowie weitere professionelle und ehrenamtliche Institutionen ans Werk, den Referentenentwurf zu bewerten. Was sie alle lernen: Ihre Expertise muss hinter Politerwägungen zurückstehen, die oft weniger mit Sachverstand gemein haben als mit Taktik. Man braucht die Gutachter nur, um zu betonen, man führe doch einen Dialog mit der Zivilgesellschaft. Die Meinungen und Ratschläge der hinzugezogenen Experten sollen geäußert und der Vorgabe nach berücksichtigt werden. In Wahrheit ist das Interesse an begründeten Erwägungen und dem Expertenblick auf geplante Gesetze gering. (…) Das Neue ist wohl: So richtig verborgen ist die heimliche Demokratieverachtung nicht mehr.
Quelle: FAZ
- Abgasskandal mit tödlichen Folgen
Weil Stickoxide gesundheitsschädigend sind, gibt es Grenzwerte für den Ausstoss. Diese werden aber von vielen Dieselfahrzeugen nicht eingehalten. Was das für die globale Gesundheit bedeutet, haben Forscher nun berechnet. Rund 38 000 Personen sind gemäss einer Hochrechnung weltweit wegen nicht eingehaltener Abgasgrenzwerte bei Dieselfahrzeugen 2015 vorzeitig gestorben. 11 400 dieser Todesfälle entfallen auf die EU, wie ein Forscherteam um Susan Anenberg von der Organisation Environmental Health Analytics (LLC) in Washington berichtet. Die Gesamtzahl vorzeitiger Todesfälle durch Stickoxide aus Dieselabgasen lag demnach für die weltgrössten Automärkte bei 107 600.
Quelle: NZZ
- EuGH erhöht die Hürden für EU bei Freihandelsabkommen
Wer darf über den Abschluss von Freihandelsabkommen entscheiden? Auf diese Frage gibt es nun die mit Spannung erwartete Antwort. Auf die Handelspolitik der EU könnten unruhige Zeiten zukommen. Die Pläne der Europäischen Union für ambitionierte Freihandelsabkommen haben vor dem höchsten Gericht der Staatengemeinschaft einen Dämpfer erhalten. Der Gerichtshof der EU (EuGH) erklärte, dass Teile des Abkommens mit Singapur die Zustimmung der Mitgliedsländer benötigten. Deshalb könne es in seiner aktuellen Form nicht von der EU allein abgeschlossen werden.
Quelle: Welt Online
dazu: Asterix jubelt
Der EuGH urteilt, dass die Parlamente der Einzelstaaten mitsprechen können. Die Wallonie begrüßt das Urteil, das Europaparlament ist gespalten. […]
Ungewöhnlich wortkarg gab sich dagegen die EU-Kommission. Sie begrüßte das Urteil zwar, weil es endlich Klarheit bringe. Gleichzeitig kündigte die Brüsseler Behörde aber an, die Entscheidung aus Luxemburg nun sorgfältig zu prüfen. Offenbar hoffen Kommissionschef Jean-Claude Juncker und sein Team, noch ein Schlupfloch zu finden.
Die EU-Kommission hatte das Gericht selbst angerufen, nachdem sie sich 2013 mit Singapur grundsätzlich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt hatte. Die EU-Behörde wollte damit erreichen, dass ihre Kompetenzen in der Handelspolitik gestärkt werden – zulasten der nationalen und regionalen Parlamente. Das ist nun schiefgegangen.
Quelle: Eric Bonse in der taz
dazu auch: Volksinitiative “Schleswig-Holstein stoppt CETA” reicht 25.612 Unterschriften beim Landtag ein
Das Bündnis der “Volksinitiative Schleswig-Holstein stoppt CETA” hat heute 25.612 Unterschriften beim Landtag eingereicht. Das ist deutlich mehr als die gesetzlich erforderlichen 20.000 Unterschriften. Die Vertreter des Bündnisses appellieren an den Landtag, sich für eine Ablehnung des Handelsabkommens CETA im Bundesrat einzusetzen. Landtagsvizepräsidentin Marlies Fritzen nahm die Unterschriften entgegen. “Schleswig-Holstein braucht keine Sonderrechte für ausländische Investoren, wie sie in CETA vorgesehen sind”, sagt Andreas Meyer von Attac und Vertrauensperson für das Bündnis. “Die Mehrheit der Menschen wünscht sich eine Handelspolitik, bei der Arbeitnehmerschutz nicht länger eine Randnotiz ist. Abkommen wie CETA, die öffentliche Daseinsvorsorge als Störung des freien Wettbewerbs verstehen, leisten Privatisierungen weiter Vorschub und führen zum Ausverkauf öffentlichen Eigentums.” (…) Nach Abschluss der Prüfung der Unterschriften hat der Landtag vier Monate Zeit, um den Antrag der Volksinitiative anzunehmen oder abzulehnen. Lehnt der Landtag die Volksinitiative ab, steht es dem Bündnis frei, ein Volksbegehren und im Anschluss daran einen Volksentscheid über CETA zu beantragen.
Quelle: attac
- Deutschland exportiert so viele Lebensmittel wie noch nie
Deutsche Lebensmittel sind im Ausland gefragt wie noch nie. Die Branche exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 56,7 Milliarden Euro. Die Topseller sind dabei Fleisch und Süßigkeiten. Die deutsche Lebensmittelindustrie macht rund ein Drittel ihres Umsatzes im Ausland. Im vergangenen Jahr erzielte die Branche bei den Exporten einen Rekordwert von 56,7 Milliarden Euro, zwei Milliarden mehr als im Jahr zuvor, teilte der Branchenverband BVE am Dienstag mit. Der Gesamtumsatz der Branche lag bei 171,3 Milliarden Euro.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Lebensmittel sind nun sicher eher Low Tech als High Tech. So viel zu der Schutzbehauptung, Deutschlands wahnsinnige Exportüberschüsse beruhten nicht auf Lohn- und Sozialdumping, sondern auf der unnachahmlichen Qualität der Produkte.
- Weltgesundheitsorganisation: Der verhängnisvolle Einfluss der Pharmakonzerne
Die Mittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stammen zu 80 Prozent von Spendern. Das klingt zunächst einmal gut und engagiert. Tatsächlich aber seien Stiftungen wie die Bill und Melinda Gates Stiftung Türöffner für Pharmakonzerne, die die Gesundheitspolitik der WHO beeinflussten. Allein 629 Millionen Dollar – also mehr als 14 Prozent des gesamten Budgets – stammen zum Beispiel von der Bill und Melinda Gates Stiftung, viel Geld kommt auch direkt von der Pharmaindustrie. Kritiker sagen deshalb schon länger, dass die WHO nicht unabhängig agieren könne. Der Journalist und UNO-Experte Andreas Zumach bringt es auf den Punkt: Für die Betroffenen – die Kranken weltweit – sei dies die schlimmstmögliche Entwicklung: “Weil damit diese privaten Spender ganz wesentlichen Einfluss haben auf das, was die WHO dann tut oder was sie nicht tut. Und wenn sie wesentlich jetzt Programme finanziert, bei denen die großen Pharmaindustrien ihre Gewinne machen – das sind, erstens, Impfprogramme –, statt die Basisgesundheitssysteme in vielen Ländern zu stärken (…), dann ist das im Ergebnis schlecht, weil immer mehr Menschen sterben beziehungsweise keinen Zugang haben zu den Basisgesundheitsdienstleistungen, damit sie gar nicht erst mehr krank werden.”
Quelle: Deutschlandfunk
- Ehemaliger Deutschland-Chef der verbotenen Neonazi-Organisation Blood and Honour offenbar Quelle des Verfassungsschutzes
Recherchen der ARD-Politikmagazine FAKT, REPORT MAINZ und report München legen eine V-Mann-Tätigkeit des früheren Bundesvorsitzenden von Blood and Honour nahe. In einem amtlich geheim gehaltenen Vermerk aus dem Jahr 2000, den die beteiligten Journalisten einsehen konnten, heißt es, er sei vom LKA Berlin an das Bundesamt für Verfassungsschutz vermittelt worden. Die verbotene Neonazi-Organisation Blood and Honour war eines der wichtigsten Unterstützernetzwerke des NSU. Aktivisten von Blood and Honour haben dem NSU-Trio Wohnungen zur Verfügung gestellt; einem ehemaligen Spitzenfunktionär wird vorgeworfen, mit der Beschaffung einer Waffe für den NSU beauftragt worden zu sein. Der Deutschland-Chef von Blood and Honour hat laut Sicherheitsbehörden die Strukturen in Deutschland wesentlich mit aufgebaut. Er zeichnete nach Behörden-Erkenntnissen mutmaßlich auch für die Blood-and-Honour-Publikationen verantwortlich. In einem Blood-and-Honour-Heft wurde auch der sogenannte führerlose Widerstand als Prinzip propagiert – so wie es später der NSU umsetzte.
Quelle: SWR
Anmerkung unseres Lesers G.B.: Wie von ihnen und auch Prof Mausfeld bereits ergiebig dargelegt, üben sich einige Massenmedien auch hier wieder in Nichtbeachtung (FAZ) und Dekontextualisierung: Spiegel versteckt den Artikel unter der Kategorie “Panorama”, und das obwohl Spiegel sonst regelmäßig sehr viel seichtere Themen unter “Politik” rubriziert.
- Gefährliche Flucht durch die Wüste: “Gott kann mich auch nach Lampedusa bringen!”
Die Wüstenstadt Agadez im bitterarmen Niger ist für Tausende Afrikaner zum Knotenpunkt für den Transport nach Libyen geworden. Doch die Route durch die Ténéré-Wüste ist mindestens ebenso gefährlich wie die Überquerung des Mittelmeeres. Schätzungen zufolge starben im vergangenen Jahr in der Wüste rund dreimal so viele Menschen wie im Meer. (…) Wer die Fahrt durch die Wüste überlebt hat, hat es bis Libyen geschafft. Aber viele Migranten erleben dort, was diese junge Frau berichtet: “Sie kamen in unsere Unterkünfte, an unsere Arbeitsplätze, um uns festzunehmen”, sagte sie. “Sie haben uns alles weggenommen.” – Aus verschiedenen Quellen kommen glaubwürdige Berichte darüber, dass Migranten in Libyen beraubt, ausgebeutet und erpresst werden. Teilweise werden sie gefoltert, um zu erreichen, dass sie Verwandte zuhause dazu bringen, Lösegeld zu schicken. Die Migranten, die auch das überleben und noch Geld haben, werden dann auf kaum seetüchtige Boote gepfercht und aufs Meer geschickt. Viele dieser Boote geraten in Seenot.
Quelle: Deutschlandfunk
dazu: Europas Wüstengrenze
Bundesinnenminister Thomas de Maizière verlangt die Entsendung einer EU-Grenzschutzmission an die Grenze zwischen Libyen und Niger. Weil die bisherigen Maßnahmen zur Abschottung dieser Grenze nicht die gewünschte Wirkung entfalteten, müsse man weitere Schritte ergreifen und “fact-finding missions” in die libysch-nigrische Wüste entsenden, heißt es in einem Schreiben, das de Maizière gemeinsam mit seinem Amtskollegen aus Italien in der vergangenen Woche an die EU-Kommission geschickt hat. Berlin und Brüssel sind schon seit geraumer Zeit bestrebt, die nigrischen Repressionsbehörden mit politischem Druck und mit Trainingsprogrammen zum Einschreiten gegen unerwünschte Migranten zu veranlassen. Zwar gelingt dies inzwischen; doch weichen die Migranten wie üblich auf gefährlichere Routen aus. Lokale Menschenrechtsorganisationen klagen, das sei eine direkte Folge europäischen Drucks und führe zu einem deutlichen Anstieg an Todesopfern beim Transit durch die Sahara. Wie Beobachter berichten, bietet die EU der verarmten Stadt Agadez als Ersatz für Einkommenseinbußen in der lukrativen Migrationsbranche unsinnigen Ersatz an: Landwirtschaftsprojekte mitten in der Wüste.
Quelle: German Foreign Policy
- Thessaloniki wird deutsch
Den Auflagen der Geldgeber folgend, werden Flughafen und Hafen in Thessaloniki nun von deutschen Firmen geführt – die Gewerkschaften sind sauer. […]
Dass der Investor ausgerechnet aus Deutschland kommt, hat für Nanouris einen besonders bitteren Beigeschmack. Deutschland gilt als mächtiger Befürworter der harten Sparpolitik in Griechenland. „Der deutsche Staat kauft den griechischen Staat“ sagt Nanouris und verweist auf die knapp 31-prozentige Beteiligung des deutschen Bundeslandes Hessen an Fraport. Deutsche Unternehmen kauften nun auch Hotels in der Umgebung. „Die Touristen kommen dann vom deutschen Flughafen ins deutsche Hotel und Griechenland hat nichts davon.“
Der Weg zum nächsten deutschen Anlageobjekt führt über die Küstenstraße rund um die Bucht von Thessaloniki. An der weitläufigen Strandpromenade spazieren Pärchen, im Hintergrund die riesigen Kräne des Hafens. Bis vor Kurzem stand dieser Hafen auch auf der Privatisierungsliste des HRADF. Ende April bekam ein internationales Konsortium für 232 Millionen Euro den Zuschlag für eine 67-prozentige Pachtbeteiligung bis 2051. Angeführt wird das Konsortium von der Deutschen Invest Equity Partners. […]
Die Begeisterung, dass nun ausgerechnet ein deutsches Unternehmen in den Hafen einsteigt, ist auch hier gering. Afentoulidis sagt: „Die Deutschen müssen beweisen, dass sie uns wie Partner behandeln können. Bisher betrachten sie uns eher als Kolonie.“ Afentoulidis und auch Flughafen-Gewerkschafter Nanouris haben den Kampf gegen die Privatisierung noch nicht aufgegeben. Im Europaparlament soll dazu eine Anhörung stattfinden, an griechischen Gerichten sind noch Verfassungsklagen anhängig.
Unterdessen verpflichtet sich Athen mit der Freigabe neuer Gelder, die Privatisierung weiter voranzutreiben. Unter anderem sollen die Wasserwerke von Thessaloniki unter den Hammer. Ein Yachthafen und ein großes Strandgrundstück in der Nähe der Stadt steht ebenfalls auf der Liste des Privatisierungsfonds. Ob es auch hier Interessenten aus Deutschland gibt, ist nicht bekannt.
Quelle: taz
- Die neue FDP ist die alte
FDP-Chef Christian Lindner wird nicht müde, zu betonen: „Wir haben uns erneuert.“ Niemand soll heute seine Partei mit der alten FDP in Verbindung bringen, die eine Lobbyorganisation für Unternehmer und Besserverdienende war. Ausgerechnet BILD hat uns jetzt daran erinnert, dass die „neue“ FDP die alte ist. Weil sie „seit Januar die meisten Großspenden (über 50.000 Euro) eingefahren“ hat. „Insgesamt 616.300 Euro klingelten in der Kasse und damit mehr als bei CDU und SPD.“ Donnerwetter! Was lernen wir daraus? Die liebste Partei und treueste Dienerin der Banken und Konzerne ist die neue alte FDP.
Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
- Großbritannien: Labour will wieder Labour sein
Die britische Labour-Partei hat ihr Wahlprogramm vorgestellt. Die Unterschiede zu den Vorschlägen der Konservativen sind so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die britische Labour-Partei will die Steuern für Besserverdienende erhöhen und die Bahn verstaatlichen. Das sind zwei ihrer Wahlkampfthemen. Das Wahlprogramm werde “unser Land verändern”, sagte Parteichef Jeremy Corbyn bei der Vorstellung. In Großbritannien wird am 8. Juni ein neues Parlament gewählt. Dem Programm zufolge will Labour die Einkommensteuer für Jahresgehälter zwischen 80.000 und 150.000 Pfund (94.000 bis 177.000 Euro) von derzeit 40 auf 45 Prozent erhöhen. Aktuell gilt der Steuersatz von 40 Prozent für Gehälter von 45.000 bis 150.000 Pfund. Zudem soll ein neuer Spitzensteuersatz von 50 Prozent eingeführt werden. Die Einnahmen will Labour in den nationalen britischen Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) investieren. Die Partei verspricht in ihrem Wahlprogramm eine Verstaatlichung der Bahn sowie von Wasser- und Energieversorgern. Auch eine Erhöhung der Unternehmenssteuer auf 26 Prozent bis 2022 und die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen werden darin angekündigt. Der Mindestlohn soll angehoben und die Ausgaben der öffentlichen Hand erhöht werden. “Es ist ein Programm, das unsere nationalen Prioritäten umkehrt und die Interessen der vielen über die von wenigen stellt”, sagte Corbyn.
Quelle: Zeit Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es ist bezeichnend, dass betont werden muss, wie groß die Unterschiede zwischen Labour (unter Blair: Tories light) und den Tories sind, und tragisch, dass diese absolut vernünftigen, der großen Masse der Menschen dienlichen, nicht im entferntesten radikalen Ideen in den kurzen drei Wochen bis zur Wahl wahrscheinlich von den strikt konservativen britischen Medien hart attackiert werden. Wenn die Wahlprognosen stimmen, hat Labour keine Chance und werden die Konservativen mit einem asozialen Programm haushoch gewinnen. Schwierig ist natürlich im Labour-Manifest die ebenfalls vernünftige und menschenfreundliche Haltung, EU-Bürgern Aufenthalts- und Arbeitsrecht zu lassen: für Brexit-Befürworter, die “Ausländer raus” haben wollen, wird Labour damit unwählbar sein.
- Russland: Feindbild, Trugbild, Abbild?
Bei einer Russland-Debatte mit Fachleuten in Hannover gab es spannende Diskussionen, aber auch unversöhnliche Konfliktlinien. Welches Bild haben wir von Russland? Kein eindeutiges, kann man sicher sagen. Die deutsche Bevölkerung spaltet sich auf, wenn es um Fragen zu Russland geht. Höchstens das Bild von den USA sorgt hierzulande noch für vergleichbares Diskussionspotenzial. Von erbitterten Russlandgegnern über Menschen mit ambivalentem Russlandbild bis hin zu treuen Freunden des Landes sind in Deutschland zahlreiche Haltungen vertreten. Bei einer Veranstaltung an der Universität Hannover trafen nun Experten und Zuhörer ganz verschiedener Russlandperspektiven aufeinander und diskutierten “Bilder von Russland, Bilder von Deutschland”. Eingeladen hatte der “Verein für Geschichte des Weltsystems”. Die gut fünfstündige Debatte brachte viel Erhellendes, zeigte im Lauf der Zeit aber auch immer stärker unversöhnliche Konfliktlinien auf.
Quelle: Stefan Korinth bei Telepolis
- Das Letzte: Spielen Sie Krieg gegen Russland
Die Agentur für Arbeit hat ein auf ihrer Seite beworbenes Jobangebot korrigiert, mit dem russischsprachige Statisten für Manöver der US-Armee in Europa gesucht werden. Das entsprechende Inserat der Firma Optronic HR GmbH mit Sitz im bayerischen Ottobrunn hatte die Statistenjobs mit dem Zusatz beworben, eine Beteiligung an den Kriegsübungen sei “geeignet, die Integration Zugewanderter zu unterstützen”. Auf Nachfrage der Linken-Abgeordneten Heike Hänsel (Seite 41) wurde die Ausschreibung korrigiert. Eine solche, die Integration fördernde Wirkung werde nicht gesehen, schrieb die Bundesregierung: “Inzwischen wurde der Hinweis entfernt.” Dennoch bleiben Fragen offen. Optronic sucht nach wie vor Statisten für Rollenspiele bei Trainingseinsätzen der US-Armee auf dem Truppenübungsgelände in Hohenfels zwischen Nürnberg und Regensburg. (…) Nach Angaben von Spiegel Online ist das Unternehmen schon seit 1999 im US-Auftrag tätig, was sich durchaus als lukrativ erwies: Die “taz” vermutet, dass Firmeninhaber Hans-Werner Truppel bis zu 3.000 Komparsen für die Manöver auf dem Truppenübungsplatz in Hohenfels organisierte. Dafür habe die Firma rund zehn Millionen Euro jährlich von den US-Militärs erhalten. “2002 versuchte er (Truppel) jedoch, 22 Tonnen nahtloser Aluminiumrohre zur Herstellung von waffentauglichem Uran nach Nordkorea zu schmuggeln”, heißt es bei Spiegel Online. Im Mai 2004 wurde der Optronic-Chef für vier Jahre in Haft geschickt, danach schrieb die Armee den Auftrag zur Statisten-Akquise neu aus. Nun hat Optronic den Job offenbar wieder.
Quelle: Telepolis