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Titel: Hinweise des Tages
Datum: 9. Mai 2017 um 8:24 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Redaktion
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dazu auch Sahra Wagenknecht:
Es ist gut, dass die Kandidatin des rechten Front National heute nicht französische Präsidentin geworden ist. Eine Entwarnung ist das Ergebnis der Stichwahl allerdings nicht, im Gegenteil. Wer jetzt den Sieg eines “pro-europäischen” Kandidaten bejubelt, hat nichts begriffen. Der ehemalige Investmentbanker Macron, dessen erklärtes Ziel drastischer Sozialabbau nach dem Vorbild der deutschen Agenda 2010 ist, steht für genau die Politik, die den Front National stark gemacht hat. Kommt er mit seinen Plänen durch, ist eine Präsidentin Le Pen bei der nächsten Wahl das wahrscheinlichste Ergebnis. Der linke französische Schriftsteller Didier Eribon hat es mit dem Satz “Wer Macron wählt, wählt Le Pen” auf den Punkt gebracht. All jene deutschen Politiker, die sich in der letzen Woche berufen fühlten, der französischen Bevölkerung Ratschläge für ihr Wahlverhalten zu erteilen, hätten besser daran getan, sich an ihre eigene Nase zu fassen. Auch CDU, SPD, FDP und Grüne gehören – wenn auch unfreiwillig – zu den Wahlhelfern Le Pens. Es war ihre gemeinsame Politik, die in Deutschland die Löhne nach unten gedrückt und einen riesigen Niedriglohnsektor geschaffen hat. Wer sich einen Armutslohn von 8.84 Euro als Mindestlohn leistet und noch nicht mal dessen Einhaltung kontrolliert, der ist mitverantwortlich dafür, dass in Frankreich, wo der Mindestlohn bei 9.76 Euro liegt, die Arbeitslosigkeit steigt. Wenn Macron jetzt als Antwort auf deutsche Lohndrückerei und deutschen Sozialabbau die Standards auch in Frankreich absenken will, ist das genau der Teufelskreislauf, der immer mehr Menschen dazu bringt, sich – und zwar mit Recht! – von einem solchen Europa abzuwenden. Um so wichtiger ist es, dass die französische Linke, die dank Mélenchon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen mit knapp 20 Prozent ein grandioses Ergebnis erzielt hat, jetzt geeint zur Parlamentswahl im Juni antritt. Nur eine starke Linke kann verhindern, dass die Opposition gegen Macron den Nationalisten um Le Pen überlassen bleibt. Wir drücken Mélenchon und der französischen Linken dafür ganz fest die Daumen.
Quelle: Sahra Wagenknecht
Gut die Hälfte der linken Wähler von Melenchon haben Macron gewählt, um LePen zu verhindern, knapp die Hälfte haben sich enthalten. Le Pen hat kaum jemand gewählt.
Es war richtig, dass Melenchon es dabei belassen hatte, vor Le Pen zu warnen, aber keinen offensiven Aufruf für Macron gemacht hat, zumal dieser jedes Zugehen auf das Melenchon-Spektrum verweigert hat. So bleibt die Legitimität für Macrons Programm von Sozialabbau und Aufrüstung begrenzt und Melenchons Bewegung des widerständigen Frankreichs intakt.
Die hysterischen Belehrungen deutscher Regierungspolitiker und Leitmedien, wie französische Linke sich zu verhalten haben, waren angesichts der Zahlen völlig überflüssig. Ich hoffe es gelingt jetzt, das tolle Ergebnis von knapp 20% für die anstehenden Parlamentswahlen und in eine nachhaltige Bewegung zu transformieren.
Quelle: Andrej Hunko, MdB/Die Linke via Facebook
Anmerkung Jens Berger: Natürlich kann Andrej Hunko das als Bundestagsabgeordneter der Linkspartei nicht so sagen – aber seine Parteivorsitzende und zahlreiche Linken-Politiker haben sich auch ins Bockshorn jagen lassen und mit „hysterischen Belehrungen“ geglänzt. Interessant ist auf jeden Fall, dass die Zahl der konservativen Fillon-Wähler, die im zweiten Wahlgang Le Pen gewählt haben, um Längen größer ist als die Zahl der linken Mélenchon-Wähler, die rechtsaußen ihr Kreuz gemacht haben. Auch das wurde übrigens exakt so von den Wahlforschern vorhergesagt. Wenn man sich die Zeitungen der letzten Woche vor Augen hält, hätte man indes glatt denken müssen, dass es vor allem die Linken sind, die nun massenweise zu Le Pen überlaufen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Anmerkung JK: Reformen, Wettbewerbsfähigkeit, zu hohe Staatsausgaben, Deregulierung … Die immer gleiche neoliberale Propaganda, die auch die Einführung der Agenda 2010 in Deutschland vorbereitet und begleitet hat. Die französischen Bürger dürfen sich jedenfalls auf einiges gefasst machen.
passend dazu: Deutsche Wirtschaft hofft auf Reformen
“Ohne Arbeitsmarktreformen wird Macron enden wie Hollande”: Die deutschen Unternehmen freuen sich über den neuen französischen Präsidenten, ermahnen ihn aber zugleich.
Die deutsche Wirtschaft wünscht sich vom neuen französischen Präsidenten den Mut zu einem politischen Umbau im Nachbarland. “Wenn sich der Reformstau in Frankreich in den kommenden Jahren auflösen würde, wäre das ein ermutigendes Signal für die wirtschaftliche Entwicklung Europas, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. “Damit könnte sich Europa weiter aus der Krise arbeiten und die EZB zu einem normalen Zinsniveau zurückkehren.” Ein wettbewerbsfähiges und stabiles Frankreich sei zudem ein wichtiger Partner, um international für Offenheit zu werben.
“Ich wünsche unserem Nachbarland, dass es unter dem neuen Präsidenten zu alter Stärke zurückkehrt”, sagte der Verbandschef der Familienunternehmer, Lutz Goebel. Die Europäische Union brauche ein wirtschaftlich starkes Frankreich, aber keine neuen Ideen zu einer Eurotransferunion, wie sie Macron im Wahlkampf geäußert habe. Impulse benötige vor allem der Arbeitsmarkt. Das Thema Arbeitslosigkeit könne nur durch mutige Reformen gelöst werden. Was der künftige Präsident als Wirtschaftsminister mit dem sogenannten Macron-Gesetz angestoßen habe, müsse nun fortgeführt werden. “Ohne Arbeitsmarktreformen wird Macron enden wie Hollande, und Frau Le Pen würde dadurch noch stärker”, sagte Goebel. […]
“Dies ist ein guter Tag für Frankreich, für Deutschland und für ganz Europa. Mit Emmanuel Macron hat Frankreich nun einen Präsidenten, der die besten Voraussetzungen mitbringt, um die Wirtschaft Frankreichs zu erneuern und Europa zu reformieren”, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Macron stehe vor ähnlichen Herausforderungen wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Es seien harte Wirtschaftsreformen und ein Mentalitätswandel in Frankreichs Wirtschaft nötig.
Quelle: ZEIT
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Auf diese tollen Hinweise aus Deutschland hat Macron sicher gewartet – und alle, alle sind dabei, inklusive dem DIW-Chef Fratzscher, der die deutschen Autobahnen an die Finanzwirtschaft verscherbeln will und den manche ohne Ironie “sozialdemokratisch” oder “sozialliberal” nennen, der aber einfach nur ein plump neoliberal agiert und hier, natürlich, “harte Wirtschaftsreformen” wie bei Gerhard Schröder (also eine “Agenda à la francaise”) fordert. Le Pen hatte vorhergesagt, daß Frankreich von einer Frau regiert werden würde: entweder von ihr oder von Angela Merkel (mit der Marionette Macron). Ein knalliges Bild, aber treffender wäre wohl, daß der DIHK und der BDA in Frankreich wie in Deutschland durchregieren wollen. Zu den bizarren volkswirtschaftlichen Vorstellungen “unserer” Arbeitgeberlobbyisten paßt sehr gut ein Nutzerkommentar: “Was ich mich immer frage ist, ob “die deutsche Wirtschaft” schon mal daran gedacht hat, wer die deutschen Exportprodukte eigentlich noch kaufen soll, wenn alle anderen Länder dem deutschen Beispiel folgen, sich in Billiglohnländer verwandeln und riesige Außenhandelsüberschüsse erzielen.”.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Eine derartige Ansammlung neoliberaler Kampfbegriffe und ideologischer Plattitüden in so wenigen Zeilen schafft selbst die FAZ selten. Aber wenn es in Frankreich so schlecht läuft und die Arbeitslosigkeit so hoch ist, dann muß die FAZ apodiktisch Diagnose und Therapieempfehlung stellen: “Staatsausgaben, Staatsverschuldung, Steuerniveau, Regulierungsdichte, Industrieabbau – alles zu hoch”. Obwohl laut Artikel z. B. der Ladenschluß dereguliert ist “fast […] wie in [den USA]”, was ja die nicht vorhandene Kaufkraft nur auf noch viel mehr umsatzarme Stunden verteilt und weiteren Druck auf die Löhne der VerkäuferInnen ausübt. Und, die unglaublichste Behauptung von allen: “Frankreichs Wirtschaft liegt brach”. Und zwar liegt das Bruttosozialprodukt pro Kopf 8 Prozent unter dem deutschen, aber das deutsche BSP liegt ja auch am Boden. Das Wirtschaftswachstum nach der (von 2010 bis 2016) betrug im Durchschnitt etwa 1,2 Prozent pro Jahr – für die FAZ offensichtlich Zustände wie in der Dritten Welt.
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Ankündigungen zu einer Investitionsoffensive kann man nur begrüßen, auch wenn sie angesichts der Größenordnung des deutschen Außenhandelsüberschusses (250 Milliarden Euro im Jahr) nie ausreichen würde, kein Finanzierungskonzept angegeben wird und vor allem deutliche Lohnerhöhungen in Deutschland lange überfällig sind. Spannender ist der zweite Teil des Artikels: da erklärt immerhin der Vorsitzende der immer noch zweitgrößten deutschen Partei auf Wunsch von Arbeitgebervertretern seinen Verzicht auf eine Koalitionsoption. Das nennt man dann wohl “Demokratie” und “Primat der Politik”… Wo kann ich diesen Arbeitgeberverband wählen, der die Richtlinien der deutschen Politik bestimmt? Und warum wird eigentlich die (u. a. von der deutschen Wirtschaft und ihren Lobbyisten gepamperte) AfD immer aus dem Kreis der demokratischen Parteien ausgeschlossen, obwohl sie doch alles so macht wie die Großen und sich offensiv beim Kapital einschleimt?
Anmerkung Christian Reimann: Der “Schulz-Effekt” hat – nebenbei bemerkt – wohl auch dafür gesorgt, dass progressive Kräfte innerhalb der SPD mundtot sind. Dabei hätte der recht plötzliche Wechsel von Gabriel zu Schulz stutzig machen können. Hat denn insbesondere die SPD-Spitze ernsthaft gedacht, sie könnte mit so einem Personalwechsel für eine Wechselstimmung innerhalb der hiesigen Gesellschaft sorgen – ohne einen Wechsel der eigenen Inhalte und der programmatisch-strategischen Ausrichtung?
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