Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JK/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Der „Pro-Europäer“ ist die Worthülse der Stunde
Spüren Sie auch dieses erhebende Gefühl? Der „Pro-Europäer“ Macron hat in Frankreich den ersten Wahlgang gewonnen, tönt es auf allen Sendern, und jetzt müssen sich „die Pro-Europäer zusammenschließen“, damit er Präsident wird. Natürlich auch in Deutschland, wo „Pulse of Europe“ unverdrossen auf die Straße geht: „Die Pro-Europäer machen weiter.“
Der „Pro-Europäer“ ist die Worthülse der Stunde. Und er erfüllt die Kriterien für das Phrasenschwein perfekt: ein Begriff, der irgendwie positive Stimmung macht (Pro!), ohne dass irgendjemand weiß, was damit gemeint ist.
Im Moment ist jeder ein „Pro-Europäer“, der nicht sofort „Hier!“ schreit, wenn jemand Brexit sagt oder Frexit oder „Raus aus dem Euro“. Das kann einer sein, der zwar die EU retten will, aber nicht die herrschende ökonomische Wettbewerbspolitik, die das Bündnis gefährdet. Es kann aber auch einer sein, der mit der EU genau dieses Modell erhalten will. Oder einer, bei dem man das nicht so genau weiß, zum Beispiel Emmanuel Macron.
Quelle: FR
Dazu noch einmal auf den NachDenkSeiten: „Europagegner“ – ein neues Totschlagargument macht Karriere
- Was ist in Syrien wirklich los?
Dieser Mann steht zur Zeit im Ruf, Verschwörungstheoretiker zu sein: Michael Lüders, ehemals “Zeit”-Korrespondent, heute Publizist und Experte in Sachen Nahost. In seinem neuesten Buch “Die den Sturm ernten” erzählt er nämlich eine andere Geschichte des Syrien-Krieges, als wir sie kennen.
“Ich stelle in vielerlei Hinsicht einbetonierte Gewissheiten in Frage”, sagt Lüders. “Wir glauben ja, dass westliche Politik beispielsweise grundsätzlich werteorientiert sei, wir sind gewissermaßen die Guten in der internationalen Politik. Und da halte ich entgegen und sage: Na ja, da muss man schon mal genauer hingucken. Letztendlich, wenn wir auf Geopolitik uns einlassen, dann muss man feststellen, dass alle Akteure, ob die USA, die Europäische Union, die Russen, die Chinesen – jeder spielt da sein eigenes, in der Regel schmutziges, Spiel. Es gibt nicht hier die Guten und da die Bösen.”
Der Krieg in Syrien ist auch zu einem Kampf um die Deutungshoheit geworden. Und hier hat Lüders eine andere Perspektive. Das gängige westliche Narrativ – so Lüders – verbreite diese beruhigende Gewissheit: In Syrien kämpft eine demokratische, gemäßigte Opposition als Vertreter der syrischen Zivilgesellschaft gegen die Armee von Diktator Baschar al Assad.
“Um Missverständnisse zu vermeiden: Es gibt nichts zu beschönigen an dem Assad-Regime in Damaskus”, so Lüders. “Aber diese Sichtweise, das offizielle Narrativ, das bei uns vorherrscht, ist doch ein sehr reduziertes. Es ist so, dass auch die USA beispielsweise, die westlichen Akteure, die Türkei, die Golfstaaten viel Unheil gebracht haben in diesem Konflikt in Syrien, weil sie zum Beispiel die Aufständischen bewaffnet haben, massiv mit Waffen unterstützt haben und darunter eben auch massiv die Dschihadisten in Syrien bewaffnet haben. Und ich habe nie nachvollziehen können, warum der Umstand, dass die Aufständischen in Syrien zu einem erheblichen Teil aus Dschihadisten bestehen, kein Thema ist in der hiesigen medialen Debatte.”
Quelle: ARD
Anmerkung JK: Offenbar ist man bei der ARD oder mindestens beim Hessischen Rundfunk doch noch zu einer differenzierten Position zu Michael Lüders fähig. Hier muss man wissen, dass Anne Will, die Sendung in der versucht wurde Michael Lüders öffentlich zu diffamieren, durch die Will Media GmbH im Auftrag der ARD produziert wird. Man kann nur vermuten ob es hierbei einen Auftrag von „oben“ gab und vehement an der journalistischen Neutralität von Anne Will zweifeln.
- Wie die syrische Zivilbevölkerung unter den EU-Sanktionen leidet
Nur sechs Jahre ist das Interview alt und dennoch wirkt es wie aus einer anderen Zeit. Nicht nur weil der Interviewpartner damals noch Bundesaußenminister Guido Westerwelle hieß. Von “Gewalttaten gegen friedliche Demonstrationen”, sprach Westerwelle damals. Davon, dass die “syrische Führung vor einer Wegscheide” stünde. Und zum ersten Mal drohte ein Mitglied der Bundesregierung damals mit etwas, was heute selbstverständlicher Teil der EU-Politik gegenüber Syrien ist: Sanktionen.
Sechs Jahre nachdem Guido Westerwelle am 29. April 2011 im Tagesspiegel-Interview erstmals Vermögenseinfrierungen und Reisebeschränkungen gegenüber den Mächtigen in Damaskus ins Gespräch brachte, ist die Hoffnung auf ein schnelles Ende der Gewalt im Land längst vergangen. Mindestens 310.000 Menschen haben seit Beginn des Krieges ihr Leben verloren, schätzen die Vereinten Nationen.
Mehr als die Hälfte der 20 Millionen Bewohner des Landes musste ihr Zuhause verlassen. Die durchschnittliche Lebenserwartung sank seit den ersten Unruhen im März 2011 von 75,9 Jahren auf 55,7 Jahre. Syrien ist zum Synonym für unvorstellbare Verbrechen und Not geworden. Und nach wie vor debattieren Politiker, Journalisten und die Öffentlichkeit über die Antwort auf die Frage, wer Schuld trägt an der Zerstörung eines ganzes Landes: Die Bomben des Regimes? Der Terror der Islamisten? Die Machtpolitik regionaler Staaten? Die Tatenlosigkeit des Westens?
Vielleicht ist ein Teil des syrischen Niedergangs aber auch mit Entscheidungen wie denen von Guido Westerwelle zu erklären. Vielleicht spielt sich in Syrien heute die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit ab, nicht weil die EU wegschaute, sondern weil sie eingriff. Jahre nachdem die EU-Strafmaßnahmen gegen Syriens Machthaber in einem Tagesspiegel-Interview ihren Anfang nahmen, treffen mehr und mehr Experten ein vernichtendes Urteil über die Folgen der Sanktionen für die Zivilbevölkerung des Landes.
Quelle: Telepolis
Anmerkung JK: Aber wir sind die „Guten“.
- Deutschland unterstützt Saudi-Arabien im Kampf gegen IS
Bei ihrem Besuch beim saudischen König betont die Bundeskanzlerin die Bedeutung Saudi-Arabiens im Anti-Terror-Kampf. Kritik übt sie allerdings auch – nicht nur an der schlechten Menschenrechtslage. […]
Im Beisein der Kanzlerin und des Königs wurde vereinbart, dass die Bundeswehr in Deutschland saudiarabische Soldaten ausbildet. Das Innenministerium vereinbarte zudem die verstärkte Ausbildung von Grenzschützern, Bahnpolizisten und Experten für die Luftsicherheit. Dabei sollen künftig auch Frauen ausgebildet werden. „Wir können nicht überall auf der Welt deutsche Soldaten haben, aber wir können sehr wohl unser Know-how weitergeben“, sagte Merkel. Deutschland unterstütze, dass Länder zunehmend selber „den Kampf auch durchführen können“.
Die Kanzlerin verteidigte die verstärkte Ausbildungshilfe. „Saudi-Arabien ist … ein wesentlicher Teil der Koalition im Kampf gegen IS”, sagte sie mit Blick auf den Kampf gegen die islamistische Extremistenmiliz in Syrien und Irak. Auch Deutschland habe deshalb ein Interesse daran, dass Saudi-Arabien seine Grenzen gut schützen könne. Deutschland leiste seit Jahren dabei Hilfe. Die Ausbildung sei auch im deutschen Interesse. Denn wie in Afrika wolle man Ländern helfen, sich selbst zu verteidigen.
Quelle: FAZ
Anmerkung Oskar Lafontaine (via Facebook): Hat Merkel jeden moralischen Kompass verloren?
Die Bundeskanzlerin war in Saudi-Arabien. Sie hatte Vorstandschefs deutscher Unternehmen dabei. Schließlich sind wir eine Exportnation. Erleichtert hörten wir, dass sie den Saudis “zur Zeit” keine Waffen verkaufen will.
Aber was macht sie stattdessen? Sie vereinbart, dass saudische Soldaten in der Bundeswehr ausgebildet werden.
Ist Merkel durchgeknallt? Hat sie jeden moralischen Kompass verloren? Die Saudis führen im Jemen einen blutigen Krieg, über 10.000 Zivilisten sind getötet worden, Hunderttausende sind vom Hungertod bedroht, und die deutsche Bundeskanzlerin bietet an, saudische Soldaten bei der Bundeswehr auszubilden. Und in der Jubelpresse lesen wir dann noch, sie setzte sich für Menschenrechte ein.
- Frankreich
- Es soll deutsch regiert werden
Wahl in Frankreich: Linke sollen sich für Macron entscheiden?
Formal findet die Stichwahl in Frankreich erst am 7. Mai statt. Doch für die internationalen Beobachter ist die Wahl gelaufen und schon machen sich mache Gedanken, ob Macron die Grausamkeiten gegen die Lohnabhängigen durchsetzen kann, die Deutschland hinter sich hat.
“Der So-gut-wie-Präsident”, lautet die Überschrift im Journal Internationale Politik und Gesellschaft neben einen Konterfei von Emmanuel Macron, der nicht zufällig wie eine jugendliche Ausgabe von Sarkozy aussieht.
Bei der IPG wird nicht mehr diskutiert, ob Macron gegen Le Pen die zweite Runde gewinnt, sondern ob ihm, dem Newcomer ohne Parteibündnis bei den Parlamentswahlen, eine eigene Mehrheit im Parlament gelingt. Die Politikberater machen sich Gedanken, was passiert, wenn Macron ohne diese regieren muss:
Wenn ihm also die eigene parlamentarische Mehrheit fehlen sollte, bestehen drei Optionen. Erstens könnte sich eine der größeren Fraktionen auf eine Koalition mit Macron einlassen. Das wäre ein Novum in der französischen Politik, seit Charles de Gaulle die V. Republik schuf. Zweitens und eher vorstellbar wäre die Stützung seiner Politik ohne formalisierte Koalitionsvereinbarung oder drittens die als Ausnahmefall bereits praktizierte Cohabitation, bei der der Präsident mit einem von der Opposition unterstützten Ministerpräsidenten regiert
IPG-Journal
Quelle: Telepolis
Anmerkung unseres Lesers A.O.: Der Artikel geht auch auf Aussagen von Cohn-Bendit ein, der auf einer Veranstaltung der taz und der Schaubühne mit Unterstützung der Heinrich Böll Stiftung am 26.04.17 in Berlin “in einer emotional gehaltenen Rede deutlich (machte), warum er niemals den Kandidaten der Linken Jean-Luc Mélenchon unterstützen würde. … Dass Cohn-Bendit zu Mélenchons Missetaten auch eine Aufforderung an Merkel zählt, diese solle einfach mal das Maul halten, komplementiert das Bild von einem Mann, der als junger Linksradikaler gesprungen und als deutscher Schäferhund gelandet ist.”
Ein weiterer Beleg für den u.a. von Josef Fischer eingeleiteten und seinen Nachfolgern weitergeführten Verfallsprozess der Grünen. Wir sollten die Abkehr der Grünen von einer Politik für die 99% auf dem Schirm haben, wenn wir wählen gehen!
- Das Übel des kleineren Übels
Dank Emmanuel Macron hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen einen Rückschlag erlitten. Doch Frankreichs Linke muss sich nun zusammenraufen: Der Exbanker will ein neoliberales Regierungsprogramm umsetzen.
Auf den Finanzmärkten war sofort Bewegung: Schon als vorläufige Zahlen kursierten, denen zufolge der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen vor der Rechtspopulistin Marine Le Pen liegen würde, zog der Kurs des Euro kräftig an – ein Beleg für die Erleichterung der bis dahin nervösen AnlegerInnen. Die Prognosen sollten sich bestätigen; die Gefahr, dass die Eurozone in dramatische Turbulenzen geraten würde, war damit erst einmal gebannt.
Es waren aber auch ganz andere Szenarien denkbar gewesen. Nie zuvor in der Geschichte der Fünften Republik war das Rennen um den Einzug in die Stichwahl so offen wie in diesem Jahr; das lange die französische Politik bestimmende Kräftegleichgewicht zwischen den Konservativen und der Sozialdemokratie ist inzwischen Geschichte. Neben Macron und Le Pen hatten auch der konservative Kandidat François Fillon und der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon gute Chancen, auf den beiden vorderen Plätzen zu landen. Vor allem die Aussicht auf eine mögliche Entscheidung zwischen Le Pen und Mélenchon bereitete den wirtschaftlichen und politischen Eliten in Frankreich und darüber hinaus Bauchschmerzen: Beide KandidatInnen waren mit Programmen in den Wahlkampf gezogen, die der Europäischen Union (EU) den Kampf angesagt hatten. Ihr Erfolg hätte ähnliche Schockwellen über den Kontinent gejagt wie das Brexit-Votum der BritInnen im vergangenen Jahr.
Quelle: WOZ
- Keine Stimme für den Ex-Banker
Fabién Léondre verlegt seit Jahrzehnten Rohre in meiner südfranzösischen Heimat. Er ist einer jener Arbeiter, um den nun die Finalisten der französischen Präsidentschaftswahlen kämpfen: Emmanuel Macron fährt bislang die Stimmen von gut ausgebildeten und gut verdienenden Bürgern ein, Le Pen ist bei Menschen wie Léondre beliebt, Menschen, die hart arbeiten und dafür wenig bekommen.
Léondre aber hat links gewählt, Jean-Luc Mélenchon, den überraschenden Aufsteiger im Wahlkampf der nur zwei Punkte weniger als Le Pen erhielt. “Ich bin tieftraurig, dass seine humanen Ideen nicht gewonnen haben”, sagt Léondre. Diesmal hätte es klappen können, eine ganz neue Vision zu entwerfen von einer Gesellschaft der Gleichen. Der Kanalarbeiter möchte ein Europa der Völker, ein gerechtes Europa ohne Wirtschaftslobby. “Stattdessen soll ich nun einen ehemaligen Banker – Macron – wählen, dessen einzige Leistung es bislang war, die Fernbusse zu privatisieren. Dabei brauchen wir das Gegenteil: auto- und busfreie Städte.”
Früher hat Léondre die Grünen gewählt, er ist oft draußen in der Natur. Er ist für einen freien Austausch von Ideen und Menschen, aber nicht von Gütern. “Heute ist es andersrum: Menschen werden an der Grenze inhaftiert und wir importieren Äpfel aus Neuseeland. Absurd.” An Europa hängt der 50-Jährige, allein schon aus familiären Gründen: “Mein Opa hat noch im Krieg gedient. Aber es ist wie auf der Arbeit: Zusammen sind wir stärker als alleine.” Einige Kollegen auf dem Bau wollen beim entscheidenden Duell Le Pen wählen, um zu gucken, was passiert. Oder auch, weil sie glauben, die Rechtsextreme wäre nach dem nächsten Terroranschlag ohnehin erledigt.
Léondre will sich enthalten. Er hofft, dass Macron weiterkommen wird, aber nicht mit einer hohen Quote. “2002 habe ich wie alle Linken Chirac gewählt, um Le Pen zu verhindern. Und anschließend hat er sich einen Dreck um uns geschert.” Warum Macron in so kurzer Zeit so viel Erfolg hat, kann sich Léondre nicht erklären. “Keine Ahnung. Die Menschen sind verwirrt.”
Quelle: Zeit
- Macron ist noch schlimmer als Le Pen
Jean-Luc Mélenchon wurde bei den jungen Franzosen die stärkste Kraft. Ihnen bleiben jetzt zwei Kandidaten, die sie ablehnen. Und die Enthaltung. Was werden sie tun?
Unter den jüngsten Franzosen war er der Sieger: 30 Prozent der Wähler unter 35 stimmten für den linken Kandidaten Jean-Luc Mélenchon, er wurde in dieser Altersgruppe stärkste Kraft. Aber sie wurden überstimmt: Mélenchon schaffte es nicht in die Stichwahl. Im Mai treten stattdessen der parteilose Mitte-Links-Kandidat Emmanuel Macron und die rechtsextreme Marine Le Pen gegeneinander an.
Die Anhänger von Mélenchons France-Insoumise-Bewegung müssen sich nun entscheiden, wen sie wählen wollen oder ob sie ihre Stimme gar nicht abgeben werden. Anders als die anderen Verlierer des ersten Wahlgangs rief Mélenchon seine Wähler nicht dazu auf, für Macron zu stimmen. Drei seiner jungen Anhänger erzählen, wie sie sich bei der Stichwahl entscheiden werden.
Quelle: Zeit
- Sahra Wagenknecht, DIE LINKE: »Europa wird sozial sein oder es wird nicht sein«
„Die Europäerinnen und Europäer haben ein Recht auf eine friedliche Zukunft ohne Aufrüstung und Kriegsabenteuer. Sie haben ein Recht auf soziale Sicherheit, Wohlstand und Demokratie in einem Europa guter Nachbarschaft, ohne deutsche Dominanz. Das war die europäische Idee der Gründerväter Europas, und das ist das Europa, für das die Linke sich engagiert“, sagte Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017 in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel zum Europäischen Rat.
Quelle: Fraktion Die Linke. im Bundestag via You Tube
- Der Totalschaden
Hillary Clinton wurde nicht amerikanische Präsidentin. Warum? Ein neues Buch gibt Antworten. Sie sind nicht lustig.
Ich habe Auszüge des Buches gelesen – und wer sich noch heute fragt, warum Clinton es nicht geschafft hat, der kann all jene bizarren Geschichten vergessen, mit denen sich die demoralisierten Anhänger von Clinton zu trösten pflegen: Weder die Russen, noch FBI-Chef James Comey, noch Wikileaks oder andere Verschwörer, von denen man nichts weiss, haben Clinton zerstört, sondern nur eine Person: Und das ist sie selber.
Ihre Kampagne war desorganisiert und chaotisch, die Machtkämpfe, die sie dieses Mal unterbinden wollte – sie fanden noch heftiger statt, unter anderem weil Clinton offensichtlich eine fast paranoide Persönlichkeitsstruktur aufweist. Niemandem traute sie, sodass faktisch nur ihre enge Mitarbeiterin Huma Abedin Zugang zu ihr hatte, was enorm viele Missverständnisse auslöste. Wer etwas von Clinton wissen wollte, wer einen Entscheid von ihr brauchte, musste stets über Abedin gehen, die dann die Kandidatin fragte und meldete, was dieser genehm war.
Je länger man sich in dieses Buch vertieft, desto mehr erhält man den Eindruck, dass die Amerikaner vielleicht doch die klügsten Wähler der Welt sind. Denn irgendwie haben sie es richtig gespürt: Etwas stimmte nicht. Es sind zwei Dinge, die mich am meisten erschüttert haben. Erstens die Medien. Denn während wir fast jeden Tag darüber lasen, wie zerrüttet und unprofessionell die Kampagne von Trump angeblich sein sollte, erfuhren wir praktisch nichts vom organisierten Wahnsinn im Clinton-Lager. Was hier gestritten, entlassen, intrigiert, versagt, verbockt, übersehen und vertuscht wurde: Es ist ein Stoff für einen Roman, den kein Journalist für berichtenswert hielt.
Wenn man Allen und Parnes liest, wird deutlich, wie viel wohl zu recherchieren gewesen wäre, denn sie selber erfuhren ja alles: So viele Mitarbeiter von Clinton waren geradezu depressiv, weil sie erlebten, wie spektakulär ihre Kandidatin versagte. Wenn jemand den nahenden Untergang kommen sah, dann sie, und sie sagten es auch – aber keine Zeitung, kein Fernsehen, kein Journalist kam dieser internen Verzweiflung auf die Spur.
Quelle: Basler Zeitung
- Wie Spitzenbanker an der Wall Street Kasse machen
Nach Trumps Wahlsieg sind Bankaktien zu den Favoriten an der Börse geworden. Für die Mitarbeiter der Institute eine Chance, die sie nur zu gern für sich selbst genutzt haben.
Banker an der Wall Street scheinen ein gutes Gespür für den Aktienmarkt zu haben – zumindest wenn es um ihr eigenes Depot geht. Spitzenmanager und Verwaltungsratsmitglieder amerikanischer Banken haben den starken Kursanstieg der Finanzwerte nach der Präsidentschaftswahl im November genutzt, um massiv Aktien ihrer eigenen Institute zu verkaufen. Das gilt sowohl für Manager von Großbanken als auch für die leitenden Angestellten von regionalen und kleineren börsennotierten Kreditinstituten.
Nach einer Analyse des „Wall Street Journal“ haben Manager von Großbanken vom Wahltag am 8. November 2016 bis Ende März Aktien im Wert von knapp 164 Millionen Dollar verkauft. Das ist für diesen Zeitraum die höchste Summe seit der Finanzkrise des Jahres 2008. Das Führungspersonal bei den knapp 100 regionalen Instituten, die untersucht wurden, hat im gleichen Zeitraum Aktien im Wert von 1,4 Milliarden Dollar veräußert. Der Betrag liegt um 65 Prozent höher als in den zehn Monaten vor der Wahl. Die Daten basieren auf Meldungen über sogenannte Insidergeschäfte, die Aktiengesellschaften der Börsenaufsicht melden müssen.
Die Gelegenheit für die Verkäufe war günstig, weil Bankaktien nach der Wahl zu den Favoriten der Wall Street geworden waren. Wahlgewinner Donald Trump hatte wirtschaftsfördernde Maßnahmen und eine deutlich lockere Regulierung in Aussicht gestellt. Trump kündigte unter anderem Steuersenkungen und staatliche Investitionen in Infrastruktur an.
Quelle: FAZ
- Arbeitslosigkeit – Vier von zehn Leiharbeitern rutschen direkt in Hartz IV
Fast 130.000 Leiharbeitsbeschäftigte, die im vergangenen Jahr arbeitslos wurden, erhielten keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Stattdessen rutschten sie direkt in den Hartz-IV-Bezug. Ursache sind die gesetzlichen Hürden für den Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I): Für die 24 Monate vor Eintreten der Erwerbslosigkeit müssen die Betroffenen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von mindestens einem Jahr nachweisen, um die gegenüber Hartz IV vergleichsweise hohe Arbeitslosenversicherungsleistung in Höhe von 60 Prozent (für Kinderlose) oder 67 Prozent (mit unterhaltspflichtigen Kindern) des vorangegangenen Nettoeinkommens zu erhalten. (…)
Eben dieser Nachweis gelingt vielen Leiharbeitnehmern nicht, da in der Branche kurze Beschäftigungszeiten eher die Regel als die Ausnahme sind: Knapp ein Drittel aller Leiharbeitsverhältnisse enden bereits innerhalb von 30 Tagen, weitere 19 Prozent vor Ablauf von drei Monaten. Bei solcher Fluktuation binnen zweier Jahre auf zwölf Arbeitsmonate zu kommen, ist keine Kleinigkeit. In der Folge waren 2016 genau 129.516 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer unmittelbar nach dem Verlust ihres Jobs auf Hartz IV angewiesen. Das entspricht 38 Prozent aller Leiharbeitskräfte, die sich im vergangenen Jahr bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) erwerbslos meldeten.
Quelle: Berliner Zeitung
- Hartz IV: Personen und Zahlungsansprüche – Bund und Länder 2010 bis 2016 (SGB II)
Wie entwickelte sich der Bestand der SGB II-Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV) und Personen in diesen Bedarfsgemeinschaften im Bund und in den Ländern in den Jahren 2010 bis 2016 und wie deren Zahlungsansprüche? Wie veränderte sich in diesen Jahren die Verteilung auf die einzelnen Länder – im Vergleich zum Anteil der Länder an der Bevölkerung im entsprechenden Alter in der Bundesrepublik Deutschland?
Die Summe der Netto-Zahlungsansprüche („Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts” einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung) der durchschnittlich 3,267 Millionen Bedarfsgemeinschaften mit 6,227 Millionen Personen, darunter 4,312 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte, betrug 2016 insgesamt 29,8 Milliarden Euro – davon u.a. 27,99 Prozent in Nordrhein-Westfalen, 9,69 Prozent in Berlin und 1,60 Prozent im Land Bremen. (Tabelle 10 auf Seite 11 im PFD-Download). Die Netto-Zahlungsansprüche ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung betrugen 2016 durchschnittlich 208,08 Euro, die Zahlungsansprüche für Unterkunft und Heizung durchschnittlich 190,52 Euro pro Person und Monat.
Quelle: BAIJ
Anmerkung Christian Reimann: Die 21-seitigen BAIJ-Materialien können Sie hier nachlesen.
- Arbeit im Gefängnis – Billiglöhner hinter Gittern
Druckerei, Wäscherei, Schlosserei: Justizvollzugsanstalten sind regelrechte Großbetriebe. Die Gefangenen müssen zu Niedrigstlöhnen arbeiten. Und die Konkurrenz in der freien Wirtschaft stöhnt. […]
Auf dem “Lohnschein für den Februar 2016”, dem letzten Arbeitsmonat, steht schließlich: “Gesamtnettobezüge: 311,65 Euro”. Umgerechnet nicht einmal drei Euro pro Stunde.
Eigentlich gilt in Deutschland mittlerweile ein Mindestlohn, der fast dreimal so hoch ist. Es gibt nur wenige Ausnahmen, darunter ein kleiner Bereich: der Knast. Ein großer Teil der rund 63.000 Strafgefangenen muss wie Theodor K. für sehr viel weniger Geld arbeiten. […]
In deutschen Gefängnissen ist eine Parallelwirtschaft entstanden, die die Sozialstandards des Landes unterläuft. Das muss aufhören, meint Oliver Rast, der vor drei Jahren die erste bundesweite Gefangenengewerkschaft gegründet hat. Rast war Mitglied der “Militanten Gruppe”, wurde als Linksterrorist verurteilt, saß und arbeitete eineinhalb Jahre in der JVA Tegel, für 11,85 Euro – am Tag. Inzwischen kämpft Rast nicht mehr gegen den Staat, sondern für die Rechte der Gefangenen. 100 Mitglieder hat die Gewerkschaft eigenen Angaben zufolge, in 80 Anstalten ist sie demnach vertreten – und muckt auf.
Quelle: SPIEGEL Online
- Nahles will höhere Löhne für den Dienstleistungssektor
“Wir brauchen in Deutschland einen Pakt für anständige Löhne”, sagte die SPD-Politikerin der “Bild am Sonntag”. Für einen “Tarifvertrag Soziales” wolle sie Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und der Koalition am 19. Juni ins Arbeitsministerium einladen. Denn nur ordentliche Löhne könnten den Fachkräftemangel beheben. … Nach Angaben der Ministerin sind vor allem Arbeitnehmer im Bereich Gesundheit und Soziales, in Einzel- und Versandhandel, in der Logistik oder in der Gastronomie von stagnierenden oder sinkenden Einkommen betroffen. Ihre Löhne seien zudem von der guten Entwicklung abgekoppelt. “Mit dem riesigen Niedriglohnsektor in Deutschland dürfen wir uns nicht abfinden”, mahnte sie: “Es gibt Millionen Deutsche, die viele Jahre hart arbeiten, und trotzdem nicht zurechtkommen. Das zerreißt eine Gesellschaft und schadet der Konjunktur.”
Quelle: Deutschlandfunk Kultur
Anmerkung JK: “Mit dem riesigen Niedriglohnsektor in Deutschland dürfen wir uns nicht abfinden”. Das muss man schon zweimal lesen um das glauben zu können und dann fragt man sich für wie dumm, die SPD die Wähler in Deutschland eigentlich hält?
Gerhard Schröder auf dem World Economic Forum in Davos 2005: „Wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. … Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“
Dazu: Was die Hartz-Reformen gebracht haben
Zwei Sozialarbeiter und ein Fahrer bilden das Team des mobilen Beratungszentrums des Berliner Arbeitslosenzentrums, der ältesten Initiative ihrer Art in Deutschland. “Irren ist amtlich – Beratung kann helfen”, steht auf einem ihrer Flyer. Wahle, ein Politologe, unterstützt seit mehr als zwei Jahrzehnten Menschen dabei, ihre Rechte im Jobcenter durchzusetzen. Anfangs beriet er Bauarbeiter, heute Arbeitslose quer durch alle Schichten. Mit dem Bus klappert sein Team alle Arbeitsagenturen in Berlin ab, für jeweils zwei Tage. Wahle hat Betroffene vor und nach den sogenannten Hartz-Reformen erlebt und erhebliche Verhaltensänderungen festgestellt.
“Das hat zwei Jahre gedauert, dann sind die Leute klein gekocht gewesen. Und das passiert bis heute. Der Umgang in den Jobcentern ist teilweise rüde, es wird ständig versucht, den Leuten vorzumachen, dass sie selber schuld an ihrer Arbeitslosigkeit sind.”
Dabei sind gerade für Langzeitarbeitslose die Aussichten äußerst gering, überhaupt noch einmal eine Arbeitsstelle zu finden. Und die Chancen verschlechtern sich, wenn der Betroffene keine oder nur eine geringe Qualifikation hat, krank oder älter als 55 Jahre ist.
Rückblende: Im August 2002 hat eine Kommission unter Leitung des damaligen VW-Personalvorstands Peter Hartz Vorschläge gemacht, wie die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland effizienter gestaltet werden kann. Reformvorschläge, die sich in der Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder wiederfanden. …
“Wenn man an die Zeit der Hartz-Reform zurückdenkt, dann war das die Zeit, wo jeden Sonntagabend nach dem Tatort in der Runde von Frau Christiansen gemeinsam über die doch düstere Zukunft Deutschlands gejammert wurde. Man redete von nicht hinreichender Wettbewerbsfähigkeit, man meinte, dass die Probleme dafür beim Arbeitsmarkt lagen.”
Blickt Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zurück. Oft war zu hören, dass die Menschen in Deutschland zu wenig arbeiten und sich Arbeitslose in der sozialen Hängematte ausruhen würden.
Karl Brenke gehört zu den wenigen Ökonomen, die regelmäßig die Wirkungen der Hartz-Reformen auf den Arbeitsmarkt empirisch untersuchen. Schon die Grundannahme einer mangelhaften Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sei zum damaligen Zeitpunkt falsch gewesen.
“Deutschland hatte auch zu dieser Zeit damals, also in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre, einen erheblichen Außenhandelsüberschuss. Von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit von daher keine Rede.”
Quelle: Deutschlandfunk
Anmerkung JK: In einen anderem Beitrag zu Hartz IV stand zu lesen: „ALG II ist eine kafkaesk durchbürokratisierte Armutsmaschine“ und es bleibt der entscheidende Prüfstein für die politische Glaubwürdigkeit der SPD, die mit der Hartz-IV-Einführung ein System brutaler Repressivität erschaffen hat, dass die Menschenwürde von Millionen Bürger täglich mit Füßen tritt.
- Werbung an Schulen
- Schwarz-Grün macht Rolle rückwärts beim Werbeverbot an Schulen in Hessen
Unsere Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Die schwarz-grüne Regierungskoalition in Hessen macht eine Rolle rückwärts beim geplanten Werbeverbot an Schulen und hat in letzter Minute einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht. Dagegen werden wir nächste Woche in Wiesbaden protestieren. Unterstützen Sie uns dabei mit Ihrer Stimme.
Die von Bildungsminister Alexander Lorz vorgeschlagene Regelung wäre eine wichtige Antwort auf die heutigen Herausforderungen beim Thema Lobbyismus an Schulen und dem Schulsponsoring gewesen. Dieses sollte nur noch dann möglich sein, „wenn eine Beeinflussung sowie der Anschein einer Einflussnahme auf Schule und Unterricht ausgeschlossen“ ist. Eine Formulierung, die über die sonst übliche Abwägung zwischen schulischem Nutzen und Werbewirkung hinausgeht. Verdeckte Meinungsmache und Einflussnahme hätten so verhindert werden können. (…)
Laut Änderungsantrag soll es jetzt hingegen ausreichen, wenn die „Werbewirkung begrenzt und überschaubar ist, deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt und das Sponsoring mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar ist.“ Wir sind enttäuscht und verärgert, dass Schwarz-Grün offenbar dem Druck der Unternehmenslobby nachgegeben hat. Unberücksichtigt bleiben die Interessen der Betroffenen. Eltern- und Lehrerverbände sowie die Landesschülervertretung hatten sich für ein weitreichendes Werbeverbot ausgesprochen.
Quelle: LobbyControl
- Amazon-Schulaktion in drei Bundesländern verboten
Mehrere hundert Schulen haben an einem Wettbewerb teilgenommen, den das Online-Unternehmen Amazon initiiert und für den es auch etliche Preise zur Verfügung gestellt hatte. Auch wenn die Kinder in dem Wettbewerb ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnten, Ziel des Unternehmens war ein ganz anderes.
Ziel: Imageverbesserung
“Die Eltern waren vor allem begeistert davon, dass sie einen Rundgang durch das Logistikzentrum machen durften, weil man ja sonst in dieses Logistikzentrum nicht kommt – ja, die waren begeistert von ihren Kindern natürlich, die Geschichte wurde dort vorgelesen. Es stand dort überhaupt nicht das Gerät im Vordergrund, sondern es stand die Geschichte im Vordergrund.”
Für den Verein LobbyControl ist der Fall Amazon ein typisches Beispiel dafür, wie Unternehmen Schulen für ihre Interessen benutzen. Auch wenn der Wettbewerb erst mal so nett und auch so sinnvoll klingt – der wahre Zweck sei eigentlich ein anderer, sagt Felix Kamella von LobbyControl.
“Für Amazon geht es nicht um Bildungsförderung, sondern darum, seinen angeschlagenen Ruf zu verbessern, dafür ist Bildungsförderung einfach gut geeignet. Es ging Amazon aber auch darum, Kontakt zu lokalen Entscheidungsträgern zu pflegen. In den allermeisten Fällen hatten vor Ort die Bürgermeister eine Schirmherrschaft für diesen Wettbewerb übernommen, haben sich bei der Preisverleihung positiv zu Amazon geäußert. Und das ist natürlich für Amazon eine unbezahlbare PR für ihren eigenen Ruf.” (…)
Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben den Wettbewerb inzwischen bereits untersagt. Ein richtiger Schritt, sagt Felix Kamella – aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn Schulen würden ständig mit gut klingenden Bildungsangeboten von Unternehmen konfrontiert – und was wirklich dahinter steckt, sei oft nicht erkennbar.
Quelle: Deutschlandfunk
- Aufbruch in die Zeit nach dem Öl
Saudi-Arabien lebt vom Export seiner Rohstoffe Erdöl und Gas. Das Königshaus will Saudi-Arabien in eine ressourcenunabhängige Zukunft führen. So wie in King Abdullah Economic City, einer Stadt, die mit privatem Kapital finanziert und an der Börse geführt wird. Alle ansässigen Unternehmen sind außerhalb des Öl- und Gassektors tätig.
Die Zukunft von Saudi-Arabien liegt hinter einem Bogen, gebaut im prunkvollen Tausend-und-eine-Nacht-Stil. Dies ist das Stadttor von King Abdullah Economic City, eine gute Fahrstunde nördlich von Jeddah am Roten Meer gelegen. Hinter dem Tor fährt man zunächst noch viele Kilometer durchs Nichts, durch die Wüste. Auf einer Kreuzung pusten Arbeiter mit einem Laubbläser Sand von der Fahrbahn. Schließlich tauchen die ersten Wohnviertel und Bürogebäude auf, dahinter das türkisfarbene Meer.
Stephen Bowen ist der Marketing-Manager von King Abdullah Economic City: “Vor zehn Jahren war das alles Wüste, hier war nichts. Seitdem haben wir etwa 350 Kilometer Straße gelegt und 3.500 Straßenlaternen aufgestellt. Wir haben fünf große Wohnkomplexe errichtet und 6.500 Apartments und Villen, und wir haben einen ‘Businesspark’ fertiggestellt. Wir haben 120 Unternehmen aus den bereichen Handel, Logistik und Produktion für unser Gewerbegebiet gewinnen können. Weil dies ein Areal von 181 Quadratkilometern ist, sieht alles viel leerer aus, als es tatsächlich ist.”
Quelle: Deutschlandfunk
Dazu: In Venezuela wird das Tafelsilber verscherbelt
Trotz enormer Ölreserven steckt Venezuela in einer dramatischen Wirtschaftskrise. Statt neue Wirtschaftsmodelle zu entwickeln setzt die sozialistische Regierung in Caracas auf die Ausbeutung von Ressourcen. Der Gold-, Diamanten- und Kupfer-Bergbau soll einen Ausweg aus der Krise weisen, sorgt aber für neue Abhängigkeiten.
Im grünen Süden Venezuelas schippern Goldgräber in Einbäumen mit Außenbordmotoren über die breiten Dschungelflüsse, sogar im Nationalpark Canaima. Hier ist die Suche nach Gold eigentlich verboten. Der Blick auf die spektakulären Tafelberge und den höchsten Wasserfall der Welt soll nicht gestört werden. Die Ureinwohner, die Pemon, holen schon seit vielen Jahren Gold aus den Flüssen und aus der Erde, seit ihnen weiße Eindringlinge zeigten, dass sich Gold in Geld verwandeln lässt. Wegen der schweren Wirtschaftskrise und weil keine Touristen mehr kommen, seien inzwischen fast alle Pemon hier zu Goldgräbern geworden, erzählt die junge Mutter Angie Gómez. Sie sitzt in der einzigen Bar von Canaima, in der die Pemon ihr Bier oft mit Gold bezahlen:
“Wie zerstören mit den Minen unsere Natur, die Flüsse, alles was wir zum Leben brauchen. Hier in Canaíma gibt es heute keine Arbeit. Noch vor einigen Jahren lebten wir von den Touristen, aber jetzt bleiben uns nur noch die Minen, um etwas Geld zu beschaffen. Dadurch hat sich auch unsere Kultur total verändert, früher brauchten wir kein Geld. Wir hatten Maniok und alles das was die Erde uns gab.”
Quelle: Deutschlandfunk
Anmerkung Christian Reimann: Auffällig ist die unterschiedliche Bewertung der Erdöl exportierenden Staaten durch den „Deutschlandfunk“: Da ist auf der einen Seite das „befreundete“, verbündete, aber sehr konservativ-religiöse Saudi-Arabien, das offenbar gerne von Deutschland Waffen aufkauft. Auf der zweiten Seite ist das „sozialistische“ Venezuela, das sich weigere, „neue Wirtschaftsmodelle zu entwickeln“. Welche „neuen Wirtschaftsmodelle sollen das eigentlich sein – etwa die Modelle, die bekannt sind aus Chile unter Pinochet, aus dem von Herrn Temer regierten Brasilien?
Bitte lesen Sie dazu auch:
- Das westliche Bündnis wird auf dem Balkan gestärkt
Milo Djukanovic, der starke Mann Montenegros, hat die Adria-Republik in den Hafen der Nato gelotst. Die Russen und die Hälfte der Montenegriner sind damit nicht glücklich.
In der alten Königsstadt Cetinje besiegelt das montenegrinische Parlament am Freitag den Beitritt zur Nato. Damit findet ein langer innenpolitischer Konflikt im 620 000 Einwohner zählenden Kleinststaat vorläufig seinen Abschluss. Das 29. Mitglied des Militärbündnisses hatte seit 2010 Kandidatenstatus. Ein Teil der Opposition – und nach Umfragen eine nur knappe Minderheit der Bevölkerung – war und ist gegen den Beitritt. Dennoch verzichtete die Regierung auf eine Volksabstimmung. (…)
Der Beitritt der montenegrinischen Armee ist für die Nato militärisch belanglos. Die Armee zählt etwa 2000 Mann, und Podgorica wird zu den 1,3 Milliarden Dollar im Budget des Bündnisses nur gerade fünf Millionen beitragen. Auf politischer und strategischer Ebene hat der Schritt dagegen einige Bedeutung. Die Nato demonstriert damit, dass sie ihre Politik der «offenen Türe» grundsätzlich aufrechterhält, auch gegen russischen Protest. Strategisch ist mit dem Beitritt des Kleinststaates die ganze Adriaküste in der Hand des westlichen Bündnisses. Die Bucht von Kotor war traditionell ein wichtiger Militärhafen der österreichisch-ungarischen und später der jugoslawischen Flotte. Ausser Serbien, Bosnien und Mazedonien sind alle Balkanstaaten jetzt Mitglieder der Nato. In Kosovo steht eine von der Nato geführte Sicherheitstruppe.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Von „vertrauensbildenden Maßnahmen“ zur kriegstreibenden Provokation. Eine Anmerkung zur Zustimmung Deutschlands zum NATO-Beitritt von Montenegro. Erinnert sei auch an eine Analyse von Dokumenten der Regierung von Montenegro.
- Egal, Hauptsache irgendein Job
Wie es ist, als Erwerbslose zur Arbeitsagentur zu gehen – das wusste die Reporterin Anke Gehrmann. Aber wie sieht der Alltag dort aus der Sicht einer Sachbearbeiterin aus? Das schildert sie hier. […]
Ich hatte gedacht, die Ziffern- und Buchstabenfolge würde ich nie mehr vergessen: meine Kundennummer. Für den Fernsehdreh musste ich sie aber doch erst heraussuchen. Verdrängt hatte ich sie. So weit, wie ich den Ordner nach hinten in den Schrank geschoben hatte. Denn ich hatte das Gefühl, von der Arbeitsagentur … ja, was eigentlich? Ich hatte mich schlecht gefühlt damals.
In den Warteschlangen hatte ich viel Zeit zum Denken: Hat die Agentur Macht, weil sich jeder, der seine Arbeit verliert, dort melden muss? Termine, Maßnahmen akzeptieren, sonst gibt es kein Geld? Das bringt doch eine Abhängigkeit und ein Gefühl von Machtlosigkeit, das verstärkt wird durch den Anspruch: Hat man doch regelmäßig und viel in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. […]
Die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Davon spüre ich hier nichts. 225 neue “Kunden” nehmen wir an meinem ersten Tag in der Empfangszone auf. Schnell merke ich, wie ich abstumpfe: “Wollen Sie sich arbeitslos melden? Ihren Ausweis bitte. Nehmen Sie hinten Platz, Sie werden namentlich aufgerufen.” Man konzentriert sich auf ein paar Sätze.
Es muss schnell gehen. 60 Sekunden Zeit pro Kunde. Das ist die Vorgabe. “Wir sollen nicht rumdiskutieren”, erklärt mir Christoph. Ich bin überrascht, dass die meisten Arbeitslosen freundlich zu mir sind. Keine Spur von Argwohn und ich beginne mich zu fragen, warum ich damals eigentlich so wütend war.
60 Sekunden pro Einzelschicksal. Viele junge Menschen. Und wie lapidar sie mit ihrer Kündigung umgehen. Diese Menschen werde ich nicht wiedersehen, sobald sie in den langen Flur verschwinden. Ich werde nicht erfahren, wie es in ihrem Leben weitergeht. Einzelschicksale verschwimmen zu einer Masse, die niemals endet. “Der Nächste bitte.” […]
Quelle: SPIEGEL
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Schöne Beschreibung dieses Dreckssystems. “Der nächstmögliche Job soll her – nicht der bestmögliche. […] Die Arbeitsagentur ist […] eine […] Maschine, gefüttert mit Arbeitslosen als unendlicher Rohstoff” – war da nicht mal was mit Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, demographischer Katastrophe? Das sieht in der Realität außerhalb von IW und INSM (und den angehängten Abteilungen, z. B. der Bundesregierung) wohl ganz anders aus.
- Die Aufmerksamskeitsökonomie der „Nazi-Schlampe“
Rechtspopulistisches PR-Konzept geht beeindruckend auf
Eigentlich ist die PR-Strategie der AfD kein großes Geheimnis: Provozieren, um im Gespräch zu bleiben und ihren Politikern denkbar große Bekanntheit zu verschaffen – zum Nulltarif. So legte etwa Newcomerin Alice Heidel professionell einen Köder aus: Eine mit einer Ausländerin liierte Lesbe, die ausgerechnet das Ende der Political Corectness forderte, war für Spötter nicht nur eine Steilvorlage, sondern eine direkte Aufforderung zum Widerspruch. Satiriker wie die Oliver Welke konnten sich nicht verkneifen, die Provokation zu kontern. Extra-3-Moderator Christian Ehring nannte Heidel satirisch sogar eine „Nazi-Schlampe“.
Die Spindoctors der AfD jedoch hatten nur darauf gewartet, dass jemand den Ball aufnimmt, um die provozierte Grenzüberschreitung als Angriff darzustellen. Und natürlich drohten die Rechtspopulisten mit juristischen Konsequenzen. Der AfD kann (und wird) nichts Besseres passieren, als mit Abmahnung und Prozess zu scheitern, um dem Martyrium der gequälten Frau optimale Geltung zu verschaffen. Das Opfer lohnt sich: Die ansonsten zerstrittenen Parteimitglieder werden im Feind geeint. Die Presse arbeitet sich mal wieder an einem boulevardesquen Thema ab, das von den Widersprüchlichkeiten des Wahlprogramms ablenkt. Und der Name der telegenen Kandidatin bleibt im Gespräch.
Quelle: Telepolis
- Radio-Tipp: Ein Polit-satirisches Kreativ-Labor
Es waren große Fußstapfen, die Georg Schramm, Frank Markus Barwasser und Urban Priol hinterließen, als sie sich im Herbst 2013 aus der “Anstalt” verabschiedeten. So groß, witzelten ihre Nachfolger Max Uthoff und Claus von Wagner, dass man die Ränder nicht mehr hätte sehen können. Doch zusammen mit dem Autoren Dietrich Krauß ist es gelungen, an die Erfolge anzuknüpfen.
Dabei setzen sie auf ein Konzept, das nicht auf die Aneinanderreihung von Einzelnummern angelegt ist, sondern auf Themenschwerpunkte, die jede Sendung durchgängig prägen.
Damit ernten sie viel Zustimmung, vor allem bei jüngerem Publikum, sorgen aber auch immer wieder für Diskussionsstoff. Welchen Sinn macht es zum Beispiel, einen Auschwitz-Überlebenden in einer Kabarett-Sendung zu präsentieren, fragten sich manche irritiert. Oder einen syrischen Flüchtlingschor?
Ist das nur noch Agitprop mit dem Ziel, ein “amüsier- und empörungswilliges Studiopublikum zum Heulen zu bringen”, wie der Berliner “Tagesspiegel” kritisierte? Oder kann man es als legitime Facette eines Gesamtkonzeptes verstehen, das auf “investigative Satire” zielt, wie es die Neue Züricher Zeitung einmal nannte?
“Die Anstalt” provoziert und polarisiert. Was treibt ihre Macher an? Wie entwickeln sie ihre Sendungen? Ein Blick hinter die Kulissen.
Quelle: Deutschlandfunk
Anmerkung Christian Reimann: Dieser Beitrag wird im DRadio unter der Rubrik „Querköpfe“ am 03.05.2017 um 21:05 Uhr zu hören sein.